Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 23.02.2011, Az.: 3 A 170/09
Abfallgebühr; Drittleistungsentgelt; Fehlertoleranzgrenze; Fremdleistungsentgelt; Gebührenschuld; Kostenunterdeckung; Mischzinssatz; Periodengerechtigkeit; Rückwirkung; rückwirkende Schlechterstellung; Schlechterstellung; Schlechterstellungsverbot; Überkapazität; kalkulatorische Zinsen
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 23.02.2011
- Aktenzeichen
- 3 A 170/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45209
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 2 AbFG ND
- § 2 Abs 1 S 3 AbFG ND
- § 2 Abs 1 S 2 AbFG ND
- § 12 AbFG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Wenn die Gebührenschuld antizipiert zu Beginn des kalenderjährigen Erhebungszeitraumes nach Grund und Höhe in Anwendung des in diesem Zeitpunkt geltenden Satzungsrechts für den gesamten Erhebungszeitraum endgültig entsteht, so kann sie nicht zu einem späteren Zeitpunkt in anderer Höhe erneut entstehen.
2. Im Falle einer antizipierten Gebührenerhebung gilt bei einer rückwirkenden Ersetzung einer nichtigen Gebührensatzung das Schlechterstellungsverbot des § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG nicht erst ab der Beschlussfassung des Ortsgesetzgebers, sondern bereits ab dem Beginn des Erhebungszeitraums, so dass die gesamte Jahresgebührenschuld dem Verbot der rückwirkenden Schlechterstellung unterliegt.
3. Wenn Gebührensätze für einen zurückliegenden Zeitraum nachkalkuliert werden, muss die ordnungsgemäße Ermittlung des kalkulatorischen Zinssatzes auf den im Rückwirkungszeitraum gültigen Fremd- bzw. Eigenkapitalzinsen aufbauen, welche die Kommune als Sollzinsen tatsächlich gezahlt hat bzw. als Habenzinssätze effektiv erzielt hätte.
4. Aufwendungen für Nachsorgemaßnahmen, die in der ursprünglichen Kalkulation der Gebührensätze nicht enthalten waren, verstoßen gegen den Grundsatz der Periodengerechtigkeit, wenn sie erstmals in der Nachkalkulation geltend gemacht werden.
5. Fehler beim Ausgleich von Kostenunterdeckungen eines vergangenen Kalkulationszeitraumes
nach § 12 Abs. 1 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 NKAG sind nicht von der seit dem 01.01.2007 geltenden Fehlerfolgenregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG erfasst.
6. Zu den Voraussetzungen einer nicht gebührenfähigen Überkapazität einer öffentlichen Einrichtung.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ihre nachträgliche Heranziehung zu Abfallbeseitigungsgebühren für das Jahr 2009. Sie ist Miteigentümerin des bebauten Grundstücks „P. -Straße 18“ in G.. Mit Bescheid des Beklagten vom 19.05.2009 wurde sie für dieses Grundstück zu einer Abfallgebühr für das laufende Kalenderjahr in Höhe von 692,59 € herangezogen. Der Gebührenberechnung lag für einen 240-L-Restabfallbehälter bei 14-täglicher Leerung für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.05.2009 eine Grundgebühr von 58,17 € und eine Volumengebühr von 0,81 €/L (= 194,40 €) sowie für die Zeit vom 01.06.2009 bis zum 31.12.2009 eine Grundgebühr von 96,82 € und eine Volumengebühr von 1,43 €/L (= 343,20 €) zu Grunde.
Am 28.05.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung beruft sie sich auf eine Rechtswidrigkeit der Gebührenkalkulation. Die Altablagerung Q. enthalte zwischen 55 % und 75 % Gewerbe- und Industrieabfälle, wie ihr Bevollmächtigter bereits im Verfahren 3 A 62/08 dargelegt habe. Erwirtschaftete Gewinne bei den Grünabfällen würden in der Kalkulation nicht erfasst. Einwohner von Nachbarlandkreisen würden die Grünabfuhr ebenfalls benutzen. Der Kreistag habe einen Ausgleich des für 2006 erwarteten Fehlbetrages von ca. 1 Mio. € nicht beschlossen. Die Kalkulation des Abfallzweckverbandes Südniedersachsen - AS - sei rechtswidrig; die MBA sei überdimensioniert und verursache unverhältnismäßig hohe Kosten. Die Vergabe der Abfalltransporte sei nicht rechtmäßig erfolgt. Für die angeschlossenen Privatgrundstücke würde die Abfallgebühr nach einem Personenmaßstab erhoben; einen entsprechenden Maßstab für Gewerbebetriebe enthalte die Gebührensatzung nicht.
Die Klägerin beantragt,
den Abfallgebührenbescheid des Beklagten vom 19.05.2009 betreffend das Kalenderjahr 2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt den angegriffenen Bescheid und die Gebührenkalkulation.
Mit Verfügung vom 18.11.2010 hat die Kammer den Beklagten um Erläuterung gebeten, welche Über- oder Unterdeckungen unter Berücksichtigung einer plausiblen Verteilung der Altablagerungskosten in den Jahren vor 2006 für die einzelnen Abfallarten entstanden sind, bei welchen Kostenpositionen und aus welchen Gründen die angesetzten Unterdeckungen aus Vorjahren entstanden sind und wie die kalkulatorischen Zinssätze sowie der Gesamtbedarf für den Teilbereich Deponie berechnet wurden. Im Zusammenhang mit der Neukalkulation für das Kalenderjahr 2009 hat die Kammer auf Rechtsfragen zum Verbot der rückwirkenden Schlechterstellung der Gesamtheit der Abgabepflichtigen sowie zum Entstehen der Gebührenschuld hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 18.01.2011 hat der Beklagte vorgetragen, für die Jahre vor 2006 sei durch ein Punktesystem sichergestellt worden, dass alle Abfallarten angemessen an den Kosten der Abrechnungsperiode und an den Über- und Unterdeckungen aus den vergangenen Perioden beteiligt worden seien. Bezogen auf die Abfallarten könnten wegen des Mengenrückgangs nachträglich keine Über- und Unterdeckungen ermittelt werden. Die Unterdeckungen für die Jahre 2006 bis 2009 seien neu berechnet worden, indem zunächst die Sollgebühreneinnahmen nach der jeweils ursprünglichen Kalkulation, danach auf der Grundlage der tatsächlichen Anlieferungsmengen die wahren Gebührensätze und schließlich durch einen Vergleich die Differenzen ermittelt worden seien. Ende 2004 habe eine Überdeckung von 1.251.794 € und Ende 2005 eine Unterdeckung in Höhe von 1.279.279 € bestanden; die Differenz von 28.275 € sei in die Nachkalkulation für 2007 eingestellt worden. Die ursprünglich für 2006 eingeplante Überdeckung aus Vorjahren sei bereits 2005 aufgebraucht worden. Die Unterdeckung für 2006 sei in der Nachkalkulation vom 25.08.2010 detailliert ermittelt worden. Der kalkulatorische Zinssatz von 5,5 % für 2007 sei auf der Grundlage der Anschaffungs- und Herstellungswerte berechnet worden. Der tatsächlich berechnete Zinssatz betrage nur 5,38 %. In der Nachkalkulation sei der Zinssatz nicht verändert worden. Wegen der im Jahr 2007 bestehenden Kreditverpflichtungen des Beklagten in Höhe von ca. 45,6 Mio. € sei davon auszugehen, dass die Einrichtung zur Abfallentsorgung zu 100 % fremdfinanziert worden sei. Die für die verschiedenen Kredite des Beklagten zu entrichtenden Zinssätze hätten im Jahr 2007 zwischen 3,10 % und 5,805 % gelegen. Die kalkulatorischen Zinsen in Höhe von 980.300 € seien wegen der langen Abschreibungszeiträume marktüblich, angemessen und erforderlich. Dasselbe gelte für den im Jahr 2009 angenommenen Zinssatz von 4,75 %. Da in der neuen Satzung jeder einzelne Gebührensatz auf die Gebührenhöhe nach der ersetzten Satzung beschränkt worden sei, sei ausgeschlossen, dass die Gesamtheit der Gebührenpflichtigen höher belastet sei. Die Gebührenschuld für 2009 sei zweifellos am 01.01.2009 entstanden. Die unterschiedlichen Gebührensätze für 2009 seien wegen des Schlechterstellungsverbotes notwendig gewesen.
Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den übrigen Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie der Verfahren 3 A 108/07 und 3 A 62/08, die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die in der Generalakte "Abfallgebühren LK R. " gesammelten Unterlagen zu den Gebührenkalkulationen Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Abfallgebührenbescheid des Beklagten vom 19.05.2009 für das Kalenderjahr 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
A. Die angefochtene Heranziehung zur Abfallbeseitigungsgebühr für das Jahr 2009 beruht auf § 12 NAbfG (in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes vom 09.05.2008, Nds. GVBl. S. 127) i.V.m. § 17 der Abfallsatzung - AS - des Beklagten vom 23.11.1998 in der Fassung der 12. Nachtragssatzung vom 09.06.2008 (Amtsblatt 2008, 336) sowie Artikel 3 und 4 der Abfallgebührensatzung - AGS - des Beklagten vom 18.05.2009 (Amtsblatt 2009, 244). Von den hier maßgeblichen Teilen der AGS wurde Art. 3 rückwirkend (vgl. § 2 Abs. 2 NKAG; Art. 5 Abs. 3 AGS) zum 01.01.2009 in Kraft gesetzt und erfasste den Veranlagungszeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.05.2009; Art. 4 trat am 01.06.2009 in Kraft (vgl. § 2 Abs. 2 NKAG; Art. 5 Abs. 4 AGS). Diese Eingriffsermächtigung steht jedoch in mehrfacher Hinsicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht und ist deshalb keine wirksame Rechtsgrundlage für die streitige Heranziehung zu einer Abfallgebühr.
1. Dem Abfallgebührenrecht des Beklagten für das Jahr 2009 fehlt eine rechtmäßige Bestimmung des Entstehens der Gebührenschuld, welches regelmäßig gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG ein notwendiger Bestandteil jeder Gebührensatzung ist. Gemäß Art. 1 § 5 Abs. 1 Satz 3 AGS, der rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft gesetzt wurde (vgl. Art. 5 Abs. 1 AGS), entsteht die Abfallgebührenschuld mit dem Beginn des jeweiligen Erhebungszeitraums, als den Art. 1 § 7 Abs. 2 AGS das Kalenderjahr bestimmt. Die Artikel 3 bis 5 der AGS treffen hierzu keine abweichende Festlegung. Die Gebührenschuld für den Erhebungszeitraum "Kalenderjahr 2009" ist mithin am 01.01.2009 in der für diesen Zeitpunkt satzungsrechtlich festgelegten Höhe für jedes einzelne Gebührenpflichtverhältnis entstanden. Wenn aber die Jahresgebührenschuld antizipiert zu Beginn des Erhebungszeitraumes nach Grund und Höhe in Anwendung des in diesem Zeitpunkt geltenden Satzungsrechts für den gesamten Erhebungszeitraum endgültig entsteht, so kann sie nicht zu einem späteren Zeitpunkt in anderer Höhe erneut entstehen (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 01.02.2005 - 3 A 228/03 -, S. 5; Driehaus-Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: 09/10, § 6 Rn 770 m.w.N.). Eine Anpassung der einmal entstandenen Jahresgebühr aufgrund einer Änderung der Abgabensatzung ist damit ebenso unzulässig wie eine Änderung der Gebührensätze im laufenden Veranlagungsjahr.
Der hieraus resultierenden Nichtigkeit der Artikel 3 und 4 der AGS kann nicht damit begegnet werden, dass zumindest für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.05.2009 eine wirksame Regelung des Entstehens der Gebührenschuld bestände. Zum einen würde sich der Erhebungszeitraum des Art. 1 § 7 Abs. 2 AGS nicht mit dem vorstehend genannten Zeitraum decken; die Kammer vermag nicht anzunehmen, dass der Kreistag des Beklagten beim Satzungsbeschluss am 18.05.2009 die Absicht hatte, endgültig auf Abfallgebühren für den Restzeitraum des Jahres 2009 zu verzichten. Zum anderen kollidieren Gebührensätze für Teile von Erhebungszeiträumen, für welche die Gebührenschuld als normative Voraussetzung bereits entstanden ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 08.08.2003 - 9 LA 126/03 -, NVwZ-RR 2004, 143, 144), mit den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Rückwirkung. Eine Rechtsnorm entfaltet nämlich "echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Sie ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02 u.a. -, juris, Rn 56), weil der Vertrauensschutz regelmäßig Vorrang hat, da der in der Vergangenheit liegende Sachverhalt mit dem Eintritt der Rechtsfolge einen Grad an Abgeschlossenheit erreicht hat, über den sich der Normgeber vorbehaltlich besonders schwer wiegender Gründe nicht mehr hinwegsetzen darf (BVerfG, aaO., Rn 61). Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm dagegen erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits begonnenen Sachverhalt ausgelöst werden, liegt eine "unechte" Rückwirkung vor, die zulässig ist, wenn sie nach den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit hinreichend begründet werden kann (BVerfG, aaO., Rn 57, 61). Für das kommunale Gebührenrecht bedeutet die vorstehende Rechtsprechung, dass die verfassungsrechtlich zulässige (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.09.2009 - 1 BvR 2384/08 -, NVwZ 2010, 313f) Heilung einer nichtigen Satzung mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum grundsätzlich der Kategorie der unechten Rückwirkung zuzuordnen ist, sofern die Gebührenschuld noch nicht entstanden ist. Ist dies dagegen schon geschehen, werden Rechtsfolgen auf einen schon abgeschlossenen Tatbestand zeitlich rückbewirkt, so dass eine echte Rückwirkung vorliegt. Damit unterfällt nicht nur der Rückwirkungszeitraum, sondern der gesamte Erhebungszeitraum dem Verbot der rückwirkenden Schlechterstellung der Gesamtheit aller Gebührenpflichtigen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG, so dass der Ortsgesetzgeber für den gesamten Veranlagungszeitraum diese Deckelungsvorschrift beachten muss. Der Kreistag des Beklagten hat jedoch nur die ersten 5 Monate des Jahres 2009 "gedeckelt" (vgl. Art. 4 Nr.3 AGS: Streichung des § 11).
2. Der Satz der kalkulatorischen Verzinsung wurde für das Jahr 2009 in der ursprünglichen Kalkulation (KT-Drs. 143/2008, S. 4) zunächst auf 5,5 % festgesetzt. In der Neukalkulation vom 27.04.2009 (KT-Drs. 174/2009, S. 36/37) wurde er ohne Begründung - erst im Schriftsatz vom 18.01.2011 (S. 11) berief sich der Beklagte auf eine "besondere Marktsituation für Kapitaldienstleistungen" - auf 4,75 % verringert, was zu einer Reduzierung des Gesamtbetrages der kalkulatorischen Zinsen von 704.300 € um 63.270 € auf 641.030 € führte (KT-Drs. 174/2009, S. 36). Die zweite Nachkalkulation vom 25.08.2010 (KT-Drs. 276/2010, Anlage 6, C 19-19c) erhöhte die kalkulatorischen Zinsen wieder auf 665.944 €, ohne dass hierfür Gründe zu erkennen wären. Zur Begründung des Zinssatzes hat der Beklagte auf entsprechende Nachfrage der Kammer im Wesentlichen vorgetragen, er sei auf der Grundlage der Anschaffungs- und Herstellungswerte berechnet worden. Wegen der im Jahr 2009 bestehenden Kreditverpflichtungen des Beklagten in Höhe von ca. 43,6 Mio. € sei davon auszugehen, dass die Einrichtung zur Abfallentsorgung zu 100 % fremdfinanziert worden sei. Die für die verschiedenen Kredite des Beklagten zu entrichtenden Zinssätze hätten im Jahr 2009 - wie bereits im Jahr 2007 - zwischen 3,1 % und 5,805 % gelegen. Der Durchschnittssatz habe unter 4,75 % gelegen. Die kalkulatorischen Zinsen seien wegen der langen Abschreibungszeiträume marktüblich, angemessen und erforderlich.
Zwar steht dem Beklagten bei der Ermittlung des kalkulatorischen Zinssatzes - mangels einer gesetzlichen Vorschrift über die konkrete Zinssatzhöhe - ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu; diesen hat der Beklagte jedoch nicht eingehalten, was in der gegebenen Begründung offensichtlich wird. Wenn - wie vorliegend - Gebührensätze für einen zurückliegenden Zeitraum nachkalkuliert werden, muss die ordnungsgemäße Ermittlung des kalkulatorischen Zinssatzes auf den im Rückwirkungszeitraum gültigen Fremd- bzw. Eigenkapitalzinsen aufbauen, welche die Kommune als Sollzinsen tatsächlich gezahlt hat bzw. als Habenzinssätze effektiv erzielt hätte (vgl. Driehaus-Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: 09/10, § 6 Rn 735c m.w.N.). Wegen des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Gesamtdeckung ist auch bei gemischter Finanzierung durch Eigen- und Fremdkapital ein einheitlicher kalkulatorischer Mischzinssatz gerechtfertigt und zweckmäßig. Regelmäßig wird er dergestalt ermittelt, dass zunächst der Anteil der Investitionen der öffentlichen Einrichtung an den Gesamtausgaben des Vermögenshaushaltes für einen repräsentativen mehrjährigen, vergangenen Zeitraum mit Hilfe gesicherter Erfahrungssätze veranschlagt wird. Dann wird aufgeschlüsselt, zu welchem Prozentsatz dieser Investitionskostenanteil einerseits durch Kredite und andererseits durch kommunale Eigenmittel finanziert wurde. Schließlich werden die durch Kredite bzw. Eigenkapital aufgebrachten Mittel jeweils mit Soll- und Habenzinssätzen bewertet, aus denen ein einheitlicher Mischzinssatz gebildet wird (Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 735b). Derartige Berechnungen hat der Beklagte nicht angestellt, vielmehr hat er den ursprünglichen Satz von 5,5 % ebenso wie den später abgesenkten Satz von 4,75 % schlicht "gegriffen". Wie aus den im Jahr 2009 bestehenden Gesamtkreditverpflichtungen des Beklagten ein Rückschluss auf die Fremdfinanzierungsquote der noch nicht abgeschriebenen Einrichtungsbestandteile möglich sein sollte, erschließt sich der Kammer nicht. Wenn auch das Gericht wegen des Ermessensspielraums der Beklagten den zutreffenden Zinssatz nicht selbst errechnen darf (vgl. Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 735d), ist selbst bei vorsichtiger Schätzung der Fremdfinanzierungsquote und der Soll- wie Habenzinsen davon auszugehen, dass die angesetzten kalkulatorischen Zinsen überhöht sind.
Läge dem hier aufgrund der Neukalkulation vom 27.04.2009 (KT-Drs. 174/2009, S. 36/37) maßgeblichen Zinssatz von 4,75 %, der durch die am 20.09.2010 vom Kreistag zustimmend zur Kenntnis genommene Nachberechnung der Abfallgebühren für 2009 vom 25.08.2010 (KT-Drs. 276/2010, Anlage 6, C 19-19c) nicht verändert worden ist, eine Prognose über die Zinsentwicklung zugrunde, hätte der Beklagte den Mitgliedern seines Kreistages näher darlegen müssen, warum für 2009 nachträglich ein (nur) um 0,75 % niedrigerer Zinssatz als in der ursprünglichen Kalkulation vom 28.10.2008 (vgl. KT-Drs. 143/2008, S. 4 - Erläuterung zu 13 - und Anlage 2: 5,5 %) zugrunde gelegt ist. Eine Begründung ist den Kreistagsmitgliedern insoweit aber nach den der Kammer vorliegenden Unterlagen und den Erläuterungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht gegeben worden. Erst im gerichtlichen Verfahren hat sich der Beklagte auf eine „besondere Marktsituation für Kapitaldienstleistungen“ (Schriftsatz vom 18.11.2011, S. 11) berufen. Selbst wenn die Kammer unterstellen würde, die hier in Rede stehende Einrichtung des Beklagten sei - wie er selbst annimmt - zu 100 % fremdfinanziert, wäre ein kalkulatorischer Soll-Zinssatz von 4,75 % nicht nachvollziehbar und ersichtlich überhöht. Denn nach den Angaben des Beklagten lagen die von ihm für die verschiedenen Kredite zu entrichtenden Zinssätze im Jahre 2009 zwischen 3,10 % und 5,805 %. Selbst wenn die Kammer zusätzlich unterstellen würde, die höher verzinslichen Kredite des Beklagten hätten im Jahre 2009 in etwa gleicher Höhe valutiert wie die niedriger verzinslichen, ergäbe sich ein Durchschnittszinssatz von 4,4525 %, der um fast 0,3 % unter dem angesetzten Zinssatz von 4,75 läge. Wenn der Beklagte stattdessen für seine Prognose auf die durchschnittlichen Soll-Zinssätze mehrerer vergangener Jahre hätte abstellen wollen, hätte er die dafür sprechenden Gründe, die insoweit jedenfalls nicht gleichsam offensichtlich sind, den Mitgliedern seines Kreistages erläutern und zusätzlich angeben müssen, dass dabei eine im Frühjahr 2009 absehbare Zinsentwicklung nicht außer Betracht gelassen wird (vgl. dazu VGH Mannheim, Urteil vom 20.01.2010 - 2 S 1171/09 -, juris Rn. 35). Dies ist aber gerade nicht erfolgt.
Der Beklagte geht fehl in der Annahme, aufgrund der im vorliegenden Fall erfolgten Gebührendeckelung gemäß Art. 3 § 11 AGS sei es „ausgeschlossen“, dass die festgesetzte Gebühr überhöht sei. Eine durch § 2 Abs. 2 Satz 4 NKAG im Hinblick auf das Schlechterstellungsverbot erforderliche „Deckelung“ macht eine ordnungsgemäße Gebührenkalkulation mit einem transparenten, nachvollziehbaren und durch den Kreistag des Beklagten billigend zur Kenntnis genommenen Ansatz einer „angemessenen Verzinsung des aufgewandten Kapitals“ im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 NKAG nicht entbehrlich. Abgesehen davon hat der Kreistag des Beklagten die Abfallgebühren für 2009 - wie unter 1. im Einzelnen dargelegt - zu Unrecht nicht für den gesamten Kalkulationszeitraum 2009, sondern nur für die ersten 5 Monate (Januar bis Mai dieses Jahres) „gedeckelt“.
3. Unzulässiger Weise hat der Beklagte in die Neukalkulation der Gebührensätze für 2009 (KT-Drs. 276/2010, Anlage 6, B/C 30) einen Betrag in Höhe von 85.391 € (842.891 € - 757.500 €) zur Bildung von Rückstellungen - wohl für den Altpolder und die Altdeponie Q. - aufgenommen, der in der ursprünglichen Kalkulation nicht vorgesehen war. Zwar sind die Aufwendungen für Nachsorgemaßnahmen an einer stillgelegten, aber noch in der Nachsorge befindlichen Altdeponie bzw. an einem bereits verfüllten, aber noch nachsorgebedürftigen Altpolder einer im Übrigen noch in Betrieb befindlichen Deponie, die beide gemäß § 12 Abs. 2 Satz 4 NAbfG kraft gesetzlicher Fiktion noch zur öffentlichen Einrichtung Abfallentsorgung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gehören, dem Grunde nach zwingend zu berücksichtigende gebührenfähige Aufwendungen im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 5 NAbfG und deshalb grundsätzlich gebührenfähige Kosten (VG Göttingen, Urteil vom 16.12.2009 - 3 A 70/08 -, juris, Rn 19, m.w.N.). Bei einer nachträglichen Neukalkulation der Gebührensätze gilt dies allerdings nur, wenn der Ansatz bereits in der ursprünglichen Kalkulation vorhanden gewesen war. Wird er dagegen - wie im vorliegenden Fall - erstmals in der Neukalkulation berücksichtigt, so kommt es letztlich nicht darauf an, ob die Kostenposition ursprünglich bewusst, versehentlich oder rechtsirrtümlich nicht eingestellt wurde. In jedem Fall würde nämlich gegen den abgabenrechtlichen Grundsatz der Periodengerechtigkeit verstoßen, wonach die Gebührenpflichtigen grundsätzlich nur mit denjenigen Kosten belastet werden dürfen, die in der betreffenden Kalkulationsperiode entstanden sind. Kosten, die nicht in die Gebührenkalkulation eingestellt wurden, können darum auch nicht erstmals in folgenden Rechnungsperioden als Unterdeckung berücksichtigt werden (OVG Schleswig, Urteil vom 23.09.2009 - 2 LB 34/08 -, juris, Rn 60). Dasselbe gilt für Kosten, die in zurückliegenden Rechnungsperioden zwar durch die Leistungserbringung im Rahmen der öffentlichen Einrichtung verursacht oder zur Bildung von Rückstellungen erforderlich gewesen wären, aber nicht in die jeweiligen Gebührenbedarfsberechnungen eingestellt worden sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 20.01.2000 - 9 K 2148/99 -, juris, Rn 9). In solchen Fällen liegt eine dem Kostendeckungsgebot des § 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG und dem Einnahmebeschaffungsgrundsatz des § 65 NLO i.V.m. § 83 NGO widersprechende Unterlassung vor, die zur Folge hat, dass der Vergleich von Kalkulation und Betriebsergebnis insofern keine Unterdeckung ausweist, gleichwohl aber der Gebührensatz in der abgelaufenen Rechnungsperiode zu niedrig bemessen war. Dieser Fehler kann nicht durch den Ansatz der Kosten in späteren Rechnungsperioden behoben werden. Es fehlt jeweils an einer durch das Rechnungsergebnis auszuweisenden Unterdeckung, die in die nächste Periode übertragen werden könnte; vielmehr würde in solchen Fällen an abgeschlossene Sachverhalte angeknüpft werden (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 24.06.1998 - 2 L 22/96 -, juris, Rn 29; Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 726e; Driehaus-Brüning, aaO., § 6 Rn 127; Gawel, Kostenüberdeckung und Kostenunterdeckung als Problem der Gebührenkalkulation, KStZ 2010, 201f, jeweils m.w.N.).
4. Der Beklagte hat zu Unrecht angenommen, dass im Jahr 2006 eine Unterdeckung in Höhe von 1.108.215,35 € (Betriebsabrechnungsbogen Kosten 2006, GA Bl. 63) entstanden sei, von welcher er im Jahr 2009 zunächst 406.915 € (KT-Drs. 143/2008, S. 3 mit Anmerkung 16) und bei der zweiten Neukalkulation (KT-Drs. 276/2010, Anlage 6, C 32) 387.860 € bei der Gebührenberechnung in Ansatz bringen könne. Eine solche Unterdeckung ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Hierfür sind mehrere Faktoren ausschlaggebend. Zum einen gelten die vorstehenden Ausführungen zur Ermittlung des kalkulatorischen Zinssatzes auch für die Jahre 2005 bis 2008, so dass die kalkulatorischen Zinsen in Höhe von 772.400 € (Betriebsabrechnungsbogen 2005, GA Bl. 58, welche über die errechnete Unterdeckung aus dem Jahr 2005 in Höhe von 1.279.279,21 € in die Abrechnung für 2006 eingingen), 665.377 € (Betriebsabrechungsbogen 2006, GA Bl. 63, welche über die errechnete Unterdeckung aus dem Jahr 2006 in Höhe von 1.108.215,35 € in die Abrechnung für 2009 eingingen), 980.300 € (Betriebsabrechungsbogen 2007, GA Bl. 67, welche über die errechnete Unterdeckung aus dem Jahr 2007 in Höhe von 743.011,20 € in die Abrechnung für 2009 eingingen) sowie 708.526 € (Neukalkulation für 2008, KT-Drs. 174/2009, S. 23, welche aus den errechneten Unterdeckungen aus den Vorjahren in die Abrechnung für 2009 eingingen und was der Kammer im Verfahren 3 A 70/08 nicht aufgefallen war) als ermessensfehlerhaft und deutlich überhöht angesehen werden müssen. Außerdem sind die Unterdeckungen der Jahre 2005ff aus den jeweiligen Betriebsabrechnungsbögen für die gesamte Einrichtung ermittelt worden. Dies ist methodisch falsch. Da jeder Gebührentatbestand getrennt kostendeckend zu kalkulieren ist, muss auch die jeweilige Betriebsabrechnung als Grundlage für die Feststellung einer Kostenunterdeckung - als negative Abweichung der veranschlagten Gebühreneinnahmen von den ansatzfähigen tatsächlichen Kosten - für jeden Gebührentatbestand getrennt erfolgen (vgl. Driehaus-Brüning, aaO., § 6 Rn 105; Gawel, aaO., S. 201/202).
Indem die vom Kreistag des Beklagten gebilligte Gebührenkalkulation, die den Hausmüllgebührensätzen der Art. 3 und 4 AGS zugrunde liegt, sich aus den vorangegangenen Kalkulationszeiträumen ergebende, summierte Kostenunterdeckungen in einem jedenfalls hohen sechsstelligen Bereich enthält, für die es keine plausible Begründung gibt, ist die Gebührenkalkulation für den Hausmüll insgesamt unwirksam. Denn ein Ausgleich von Kostenunterdeckungen i. S. d. § 12 Abs. 1 NAbfG iV.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 NKAG setzt voraus, dass die Abweichung zwischen kalkuliertem Gebührenaufkommen und Aufwand auf Differenzen zwischen Soll- und Ist-Ergebnissen beruht. Es handelt sich dabei um Differenzen zwischen den in einer Gebührenkalkulation vor dem Kalkulationszeitraum kalkulierten und den tatsächlichen Aufwendungen bzw. zwischen kalkulierten und tatsächlichen Leistungsmengen.
Fehler beim Ausgleich von Kostenunterdeckungen eines vergangenen Kalkulationszeitraumes nach § 12 Abs. 1 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 NKAG - wie hier - sind nach Auffassung der Kammer nicht von der seit dem 01.01.2007 geltenden Fehlerfolgenregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG erfasst. Denn der Ortsgesetzgeber bewegt sich insoweit nicht in einem seinem Einschätzungsspielraum unterliegenden, sondern in einem gesetzlich durch § 12 Abs. 1 NAbfG LV.m. § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 NKAG determinierten Bereich (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 05.03.2010 - 9 LA 409/08 - BA S. 3 f. - dort allerdings ausdrücklich zu der obergerichtlichen, für vor dem 01.01.2007 beschlossene Gebührensätze geltenden Rechtsprechung). Demzufolge kommt es nach der Auffassung der Kammer nicht darauf an, ob ohne die zu Unrecht angesetzten Beträge die von § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG normierte Fehlertoleranzgrenze von 5 % eingehalten wäre oder nicht, wobei anzumerken bleibt, dass die aus den vorstehenden Kalkulationsfehlern resultierenden Beträge die bei ca. 502.000 € (vgl. KT-Drs. 276 vom 25.08.2010, Anlage 7, D 27) liegende 5-%-Grenze des § 2 Abs. 1 Satz 3 NKAG in ihrer Gesamtheit deutlich überschreiten, so dass letztlich dahinstehen kann, ob hinsichtlich jedes einzelnen Kalkulationsfehlers die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Norm vorliegen.
5. Wegen der erforderlichen Neukalkulation der Abfallgebühren für das Jahr 2009 weist die Kammer - ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme - außerdem darauf hin, dass der Bevollmächtigte der Klägerin im Verfahren 3 A 62/08 durch Schriftsatz vom 19.08.2010 detailliert und substantiiert unter Angabe der Quellen - vorrangig Abfallbilanzen, Betriebsabrechnungen, Abfallwirtschaftskonzept - vorgetragen hat, dass im Altpolder und im Polder I regelmäßig deutlich weniger als die Hälfte der abgelagerten Abfallmengen dem Hausmüll zuzurechnen gewesen seien. Dieses Vorbringen hat er durch Schriftsatz vom 13.02.2011 in das vorliegende Verfahren einbezogen. Der Beklagte ist diesem Vortrag auch in der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert entgegen getreten. Seine eigenen Berechnungen und Einschätzungen (KT-Drs. 276/2010, S. 7ff) kommen zwar zu dem Ergebnis, dass Haus- und Sperrmüll zusammen etwa 73 % aller Altablagerungen ausmachen sollen; da die Zahlen jedoch nicht nachvollziehbar belegt sind, kann die diesbezügliche Darlegungspflicht des Beklagten bislang nicht als erfüllt angesehen werden. Außerdem lässt die bisher vom Beklagten angewandte, aus der Zeit vor der Verpflichtung zur Vorbehandlung stammende Kalkulationsmethode nicht hinreichend erkennen, dass der Beklagte gemäß dem Urteil vom 16.12.2009 - 3 A 70/08 - in plausiblen Umfängen die Anteile an den Kosten der Altablagerungen einschließlich der Nachsorge in die Kalkulationen der einzelnen Gebührensätze einbezieht. Es erscheint nach den Darlegungen in der mündlichen Verhandlung weiterhin nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte im Ergebnis weiterhin erhebliche Kostenanteile für (vgl. KT-Drs. 276/2010, S. 8f) Gewerbeabfall, Klärschlamm, Rechengut, Straßenkehricht, Baustellenabfälle und Holz letztlich weiterhin dem Hausmüll zuordnet.
B. Im Hinblick auf die für das Jahr 2007 und 2009 rechtshängigen Klagen gegen die vom Beklagten erhobenen Abfallbeseitigungsgebühren sieht die Kammer Veranlassung, auch auf das Vorbringen der Klägerin im Übrigen näher einzugehen, soweit es nicht bereits Gegenstand früherer Entscheidungen oder Erörterungen zu den Abfallgebühren des Beklagten gewesen ist.
1. Es ist rechtlich nicht erforderlich, dass der Kreistag förmlich beschließt, wann und in welchem Umfang eine festgestellte Unterdeckung aus einem früheren Kalkulationszeitraum ausgeglichen werden soll. Es genügt vielmehr - was vorliegend geschehen ist -, wenn in einem nachfolgenden Kalkulationszeitraum - im zeitlichen Rahmen des § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG - die entstandenen Unterdeckungen aufgenommen werden und der Kreistag die Kalkulation insgesamt als Grundlage der von ihm beschlossenen Gebührensätze billigt.
2. Bei ihrem Vorbringen zum Gebührenmaßstab für Privatgrundstücke und Gewerbebetriebe unterliegt die Klägerseite offenbar dem Irrtum, dass der Beklagte in § 2 AGS einen Personenmaßstab (vgl. 12 Abs. 6 Satz 4 NAbfG) verwenden würde. Dies ist schon im Ansatz unzutreffend, Maßstab ist vielmehr das jeweils bezogene Restabfallbehältervolumen (vgl. Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 765aff), so dass die weiteren Überlegungen zu "Personen- oder Einwohnergleichwerten" fehlgehen.
3. Das Kompostwerk der Gesellschaft für Biokompost mbH in S. ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Landkreise T., U. und G. (vgl. http://www.biokompost-upen.de). Der Beklagte bedient sich dieser Einrichtung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 AS, § 1 AGS. Das Kompostwerk ist mithin - wie die MBA des AS - nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung zur Abfallentsorgung des Beklagten, weshalb nicht seine Gewinne oder Verluste in die Kalkulation der Abfallgebühren des Beklagten aufzunehmen sind, sondern allenfalls ein zu zahlendes Fremdleistungsentgelt. Sollten tatsächlich Bewohner von Nachbarlandkreisen die Grünabfuhr des Beklagten nutzen, um Grünabfälle zu entsorgen, für deren Beseitigung der Beklagte nicht zuständig ist, so würde es sich zwar um eine Nutzung von Einrichtungsgegenständen für einrichtungsfremde Zwecke handeln, deren Kosten nicht gebührenfähig wären. Solange jedoch der Beklagte einerseits die Fremdleistungsentgelte für die Grünabfuhr weitgehend pauschaliert bezahlt, geringe Mengenschwankungen sich also kostenmäßig kaum auswirken, und er sich andererseits in Abwägung eventueller Mehrkosten für die Beseitigung kreisfremden Grünabfalls gegen diejenigen einer genaueren Herkunftskontrolle der angelieferten Grünabfälle im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens dafür entscheidet, geringe Fremdmengen zu tolerieren, besteht keine rechtliche Handhabe für eine Beanstandung.
4. Zu den Berechnungen des Fremdleistungsentgeltes für die vom AS durchzuführende Abfallbehandlung hat sich die Kammer bereits in den Urteilen vom 17.12.2008 - 3 A 108/07 - und 16.12.2009 - 3 A 70/08 - geäußert; hierauf wird Bezug genommen. Im Hinblick auf die MBA des AS ist lediglich zu ergänzen, dass die vorgetragene derzeitige Überdimensionierung nicht aus Rechtsgründen zu einem Abzug bei den umlagefähigen Aufwendungen des AS führt. Betreibt ein von dem Landkreis rechtlich getrennter Zweckverband - wie der AS - eine MBA, spielt für die Frage der Ordnungsmäßigkeit des Abfallbehandlungspreises die Frage der Überdimensionierung der MBA im Hinblick auf den zu erwartenden oder zu prognostizierenden Müllmengenanfall im Bereich des Satzungsgebers (hier: des Beklagten) unmittelbar keine Rolle. Die Anlage ist Eigentum des Fremdleisters, eines Dritten. Es ist seine Sache, ob er die für seine betrieblichen Leistungen erforderliche Anlage zu groß oder zu klein plant und betreibt. Unabhängig hiervon sind nicht die aktuellen, sondern die zum Zeitpunkt der Planung der MBA erkennbaren Umstände maßgeblich (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25.11.2010 - 9 A 94/09 -, juris Rn. 46 f.). Ausgehend hiervon ist der Einwand der Klägerseite, die MBA sei überdimensioniert, in mehrfacher Hinsicht unergiebig. Zunächst ist es eine Entscheidung des AS, wie er seine Anlage dimensioniert. Sodann sind bei der etwaigen Beurteilung einer Überdimensionierung der Zeitpunkt der Planung und nicht der Kalkulationszeitpunkt für die Abfallgebühren 2009 relevant. Im Übrigen liegt eine nicht gebührenfähige echte Überkapazität nur dann vor, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 740a, m.w.N.):
- Es muss eine sachlich schlechterdings unvertretbar hohe, "auf Vorrat" geschaffene Kapazität vorliegen, die angemessene Kapazitätsreserven für Belastungsschwankungen oder -spitzen zweifelsfrei überschreitet. Eine Sicherheitsreserve von 20 % hält sich in aller Regel noch innerhalb der kommunalen Beurteilungs- und Ermessensspielräume.
- Die Überkapazität muss auf einem eindeutigen, dem AS zurechenbaren Planungsfehler beruhen, der auch dann vorliegt, wenn der AS nicht rechtzeitig auf erkennbare Änderungen der Rahmenbedingungen reagiert hat.
- Der Planungsfehler muss im jeweils maßgeblichen Planungsstadium für den AS erkennbar gewesen sein.
Allein die Feststellung, dass die Betriebskosten der MBA von 171 € je Tonne verarbeiteter Abfälle auf 142 € gesenkt werden könnten, wenn anstelle der 2010 angelieferten 97.600 Tonnen die volle Kapazität von 133.000 Tonnen genutzt werden könnte (Fricke, Abschlussbericht zur wissenschaftlich-technischen Begleitung der MBA Südniedersachsen, S. 50), gibt keinen ausreichenden Hinweis auf die Schaffung einer echten Überkapazität. Da der Kammer bisher auch keine Unterlagen vorliegen, aus denen sich Hinweise für die Erfüllung aller drei Voraussetzungen erkennen lassen, besteht zurzeit kein Anlass, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären (vgl. zur "ungefragten Fehlersuche" BVerwG, Beschluss vom 11.01.2008 - 9 B 54.07 -, juris, Rn 7; Urteil vom 17.04.2002 - 9 CN 1.01 -, juris, Rn 43). Bei dieser Sachlage gehören zu den gemäß § 12 Abs. 1 NAbfG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 und 4 NKAG nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen und durch Abfallgebühren zu deckenden Aufwendungen auch die dem Beklagten durch die Beauftragung des AS mit betriebsbedingten Leistungen entstehenden Aufwendungen. Berücksichtigungsfähig sind nach allgemeiner Meinung auch Fremdleistungsentgelte, die auf vertraglichen Zahlungsverpflichtungen des Trägers der Einrichtung gegenüber solchen juristischen Personen bestehen, an denen er selbst beteiligt ist. Dies gilt unabhängig von dem Grad dieser Beteiligung (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 31.05. 2010 - 2 S 2423/08 -, juris Rn. 27 m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung).
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Entgegen der Anregung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist die Berufung nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), noch eine Abweichung von der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aufgezählten Gerichte vorliegt.