Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.02.1999, Az.: 9 L 1269/97; (alt: 9 L 1269/97, 9 L 1270/97 und 9 L 1271/97)
Rechtmäßigkeit der Bemessung von Gebühren für eine Niederschlagswasserbeseitigung nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab; Gebotenheit einer Differenzierung zwischen verschiedenen Befestigungsarten i.R.d. Heranziehung zu Benutzungsgebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.02.1999
- Aktenzeichen
- 9 L 1269/97; (alt: 9 L 1269/97, 9 L 1270/97 und 9 L 1271/97)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1999, 32919
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1999:0215.9L1269.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 18.12.1996 - AZ: 8 A 8043-8045/96
- nachfolgend
- BVerwG - 10.09.1999 - AZ: BVerwG 11 B 22.99
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 3 NKAG
- § 17 Abs. 1 BauNVO
Fundstelle
- NdsVBl 2000, 91-92
Verfahrensgegenstand
Kanalbenutzungsgebühren
Der 9. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Jenke,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Rettberg und
die Richterin am Verwaltungsgericht Gerke sowie
den ehrenamtlichen Richter von Petersdorff-Campen und
die ehrenamtliche Richterin Springmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 8. Kammer - vom 18. Dezember 1996 (8 A 8043/96 bis 8 A 8045/96) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Benutzungsgebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung durch die Beklagte.
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke xxx 51, xxxstraße 53 und xxx 78 im Stadtgebiet der Beklagten. Das 1.355 m2 große Grundstück xxx 51 ist mit einem Supermarkt bebaut, die restliche Grundstücksfläche wird überwiegend als Parkfläche benutzt und ist mit Beton-Verbundsteinpflaster und Gehwegplatten befestigt. Von der gesamten Fläche gelangt Niederschlagswasser über das grundstückseigene Entwässerungsnetz in die öffentliche Mischwasserkanalisation. Das 2.314 m2 große Grundstück xxxkstraße 53 ist ebenfalls bebaut und im Übrigen vollständig mit Beton-Verbundsteinpflaster, einer Bitumendecke und Gehwegplatten versiegelt. Das Niederschlagswasser gelangt über das grundstückseigene Entwässerungsnetz bzw. oberflächig ablaufend in die öffentliche Mischwasserkanalisation. Das 557 m2 große Grundstück xxx 78 ist vollständig bebaut. Von der gesamten Fläche gelangt Niederschlagswasser über das grundstückseigene Entwässerungsnetz in die öffentliche Mischwasserkanalisation.
Die Beklagte zog den Kläger unter Zugrundelegung ihrer "Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung" vom 17. Dezember 1991 in der Fassung der Änderungssatzungen vom 24. August 1992, 30. August 1993 und 27. September 1994 zu Benutzungsgebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung heran. Für das Grundstück Lehmweg 51 setzt sie mit Bescheid vom 12. April 1995 für den Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. März 1995 Gebühren in Höhe von 2.060,37 DM und für die Zukunft Benutzungsgebühren in Höhe von 151,50 DM vierteljährlich fest. Für das Grundstück xxxstraße 53 setzte sie mit Bescheid vom 22. März 1995 für den Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. März 1995 Gebühren in Höhe von 3.529,17 DM und für die Zukunft Benutzungsgebühren in Höhe von 259,50 DM vierteljährlich fest. Für das Grundstück xxx 78 setzte sie mit Bescheid vom 12. April 1995 für den Zeitraum 1. Januar 1992 bis 31. März 1995 Benutzungsgebühren in Höhe von 836,37 DM und für die Zukunft Gebühren in Höhe von 61,50 DM vierteljährlich fest. Bei der Berechnung der Gebühren für die Beseitigung des Niederschlagswassers legte die Beklagte in allen drei Fällen eine bebaute und befestigte Fläche der angeschlossenen Grundstücke von 75% der tatsächlichen Grundstücksfläche zugrunde, da der Kläger trotz Aufforderung durch die Beklagte die tatsächlich bebauten und befestigten Grundstücksflächen seines Grundbesitzes nicht mitgeteilt hatte.
Der Kläger legte gegen die Heranziehungen fristgerecht jeweils Widerspruch ein mit der Begründung, der Berechnungsmaßstab in § 10 Abs. 7 der Abgabensatzung der Beklagten sei nicht vorteilsgerecht, weil danach bei der Ermittlung der überbauten und befestigten Grundstücksflächen des angeschlossenen Grundstücks, von denen aus Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage gelange, nicht differenziert werde zwischen verschiedenen Befestigungsarten. Dies wäre aber geboten, weil je nach der Art der Pflasterung unterschiedliche Mengen von Niederschlagswasser anfielen, die tatsächlich in den Kanal gelangen könnten. Während z.B. auf Betondecken oder bituminösen Decken eine Versickerung von Niederschlagswasser praktisch ausgeschlossen sei, erlaubten viele andere Arten von Pflasterungen, dass Niederschlagswasser zu einem großen Teil auf dem Grundstück versickere. So verhalte es sich in seinem Falle, weil große Flächen der veranlagten Grundstücke mit Verbundpflaster versehen seien, bei dem sich zwischen den einzelnen Pflastersteinen wasserdurchlässige Fugen befänden. Auch berücksichtige der Gebührenmaßstab nicht, dass von Flachdachgebäuden kein Niederschlagswasser in die Kanalisation gelange. Im Übrigen bestreite er, dass von den veranlagten Grundstücksflächen tatsächlich Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage gelange. Das Niederschlagswasser versickere im Wesentlichen auf den Grundstücken selbst oder es werde dort aufgefangen, bis es von selbst verdunste.
Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 24. August 1995 - dem Kläger zugestellt am 1. September 1995 - zurück.
Die daraufhin am 26. September 1995 erhobenen Klagen hat das Verwaltungsgericht mit Urteilen vom 18. Dezember 1996 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen dargelegt:
Der in § 10 Abs. 7 der Abgabensatzung der Beklagten gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Gebührenbemessung, wonach auf die überbaute und befestigte Grundstücksfläche des angeschlossenen Grundstücks, von der aus Niederschlagswasser in die öffentliche Abwasseranlage gelange, abgestellt werde, sei nicht zu beanstanden. Denn die Verwendung eines Wirklichkeitsmaßstabes würde voraussetzen, dass in jedem einzelnen Fall die tatsächlich von einem Grundstück in die öffentliche Kanalisation fließenden Niederschlagswassermengen gemessen würden. Eine derartige Messung wäre nicht nur mit technischen Schwierigkeiten und erheblichem finanziellen Aufwand für die Messvorrichtung, sondern auch mit nicht unerheblichem Verwaltungsaufwand verbunden. Vor diesem Hintergrund sei nicht zweifelhaft, dass die Anwendung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG grundsätzlich gerechtfertigt sei. Auch stehe der angewandte Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung. Ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab sei rechtmäßig, wenn er im Durchschnitt einen einigermaßen zutreffenden Schluss auf Art und Umfang der Inanspruchnahme zulasse, und zwar nicht nur im Verhältnis der Benutzer zueinander (Gleichheitssatz), sondern auch im Verhältnis der Benutzer zur Gemeinde (Äquivalenzprinzip). Diesen Anforderungen werde der von der Beklagten zugrunde gefegte Maßstab gerecht. Die bebaute und befestigte Fläche eines an die Kanalisation angeschlossenen Grundstücks lasse einen einigermaßen richtigen Schluss darauf zu, wie viel Niederschlagswasser tatsächlich in die Kanalisation gelange. Seien Flächen an die öffentliche Kanalisation angeschlossen bzw.- entwässerten diese in Anbetracht des Gefälles in die öffentliche Kanalisation, könne grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass mit zunehmender Größe der Fläche auch die in die Kanalisation gelangene Niederschlagswassermenge steige. Dies gelte entgegen der Ansicht des Klägers ebenso für Gebäude mit Flachdächern, da auch Flachdächer eine bestimmte, die Entwässerung ermöglichende Neigung aufweisen müssten. Die auf einem Flachdach verdunstende Menge Niederschlagswasser stelle sich demgegenüber als absolut gering dar. Der Maßstab stehe auch nicht deshalb außer Verhältnis zu der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, weil durch die bei der Pflasterung verbliebenen Pflasterzwischenräume Regenwasser in das Erdreich gelange. Denn bei diesen in das Erdreich versickernden Niederschlagswassermengen handele es sich um eine Größenordnung, die in der Relation zu der in die Kanalisation insgesamt abfließenden Wassermengen so unbedeutend sei, dass sie bei der Gebührenbemessung vernachlässigt werden dürfe. Die Unterschiede zwischen fugenloser Befestigung und einem Pflaster- oder Plattenbelag seien hinsichtlich des Umfangs der Ableitung des Oberflächenwassers nicht so groß, dass sie den Satzungsgeber zu einer Differenzierung bei der Gebührenbemessung zwängen.
Die Rechtswidrigkeit der Bescheide ergebe sich auch nicht daraus, dass Kanalbenutzungsgebühren für die Zukunft festgesetzt worden seien. In dieser Hinsicht bestimme § 13 Abs. 2 NKAG ausdrücklich die Zulässigkeit der Geltung eines Abgabenbescheides für einen bestimmten Zeitabschnitt auch für künftige Zeitabschnitte, so lange sich die Berechnungsgrundlage und der Abgabebetrag nicht änderten. An der Höhe der geltend gemachten Gebühren bestünden keine Zweifel. Die vom Kläger angeführte Vorschrift des § 11 Abs. 3 der Satzung gelte für sein Grundstück nicht, da für dieses in der Vergangenheit kein Beitrag zur Beseitigung von Niederschlagswasser festgesetzt und entrichtet worden sei. Auch habe die Beklagte mangels entsprechender Angabe des Klägers die bebaute und befestigte Fläche der Grundstücke schätzen dürfen. Dies ergebe sich unabhängig von § 10 Abs. 8 der Satzung bereits aus § 11 Abs. 1 Satz 4b NKAG i.V.m. § 162 AO. Der Kläger sei hierdurch sogar begünstigt worden, da sich nachträglich herausgestelt habe, dass seine Grundstücke zu 100% bebaut bzw. versiegelt seien.
Der Kläger hat gegen die ihm am 31. Januar 1997 zugestellten Urteile am 27. Februar 1997 Berufung eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt:
Der in § 10 Abs. 7 der Abgabensatzung der Beklagten gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab stehe mit § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG nicht im Einklang, da er ausschließlich ohne weitere Differenzierung darauf abstelle, ob Grundstücksflächen bebaut bzw. sonstwie befestigt seien. Hingegen werde bei bebauten und befestigten Grundstücksflächen nicht danach unterschieden, wie hoch der Anteil des auf die jeweilige Fläche auftreffenden Niederschlagswassers sei, der tatsächlich in den Kanal abgeleitet werde. Auch fehle eine Differenzierung nach Flach- und Schrägdächern, obwohl auch insoweit erhebliche Unterschiede bezüglich des Umfangs des tatsächlich von diesen in den Kanal abgeleiteten Niederschlagswassers bestünden. Seine Grundstücke seien teilweise zu 100% überbaut, wobei fast ausschließlich Flachdachkonstruktionen vorzufinden seien. Soweit die Grundstücke nicht mit Flachdachgebäuden bebaut seien, seien die restlichen Grundstücksflächen als Parkplatzflächen für die auf den Grundstücken vorhandenen Ladenzentren weitgehend mit Verbundpflaster befestigt. Die großflächigen Flachdächer seien konstruktionsbedingt so angelegt, dass sich dort große Mengen Niederschlagswasser sammeln müssten, weil die Abdichtungsmasse auf den Flachdächern nur dann ihre Elastizität und folglich ihre Dichtigkeit bewahre, wenn sie stets feucht gehalten werde. Sie seien deshalb wie eine große Wanne ausgeführt, damit auftreffendes Niederschlagswasser sich dort über längere Zeit halten könne. Nur soweit ein bestimmter Wasserstand auf dem Flachdach erreicht werde, werde durch einen Überlauf überschüssiges Niederschlagswasser über eine Dachrinne in den Kanal abgeleitet. Hierbei handele es sich allerdings um eine Art "Notmaßnahme", die nur dann, praxisrelevant werde, wenn es zu extrem starken und lang anhaltenden Niederschlägen komme. Dies führe dazu, dass bei Regenfällen üblicher Stärke und Dauer grundsätzlich das komplette auf dem Flachdach auftreffende Regenwasser dort gezielt zur Befeuchtung der Isolierschicht zurückgehalten werde. Es sei daher eine Seltenheit, dass die Wassermenge so hoch ansteige, dass sie teilweise über den Überlauf in den Kanal abgeleitet werde. Praktisch bedeute dies, dass weit mehr als 50% des auf einem Flachdach auftreffenden Niederschlagswassers nicht der Kanalisation zugeführt werde. Dem trage der von der Beklagten gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht Rechnung. Auch die Art der Pflasterung sei bedeutsam für den Umfang des in den Kanal gelangenden Niederschlagswassers. Er habe festgestellt, dass bei durchschnittlicher Regenstärke kein Niederschlagswasser über die auf den Parkplatzflächen vorhandenen Einlaufe in den Kanal gelange. Dies deshalb, weil auch ein Betonverbundsteinpflaster in der Lage sei, schon als solches erhebliche Wassermengen aufzunehmen. Erst wenn ein Sättigungsgrad erreicht sei, werde Niederschlagswasser über die Oberfläche weitergeleitet. Verbundsteine würden gerade deshalb in einer ausreichend dicken Sandschicht bzw. in wasserdurchlässiges Granulat verlegt, um das durch die Fugen eintretende Oberflächenwasser in den Untergrund abführen zu können. Im Übrigen gebe es ausweislich der im Verfahren erster Instanz überreichten Prospekte Pflastersteine bestimmter Machart, bei deren Verwendung sogar eine nahezu 100%ige Versickerung des Oberflächenwassers erzielt werde. Auch dem trage die Satzungsregelung des § 10 Abs. 7 der Beklagten nicht 7 Rechnung. Aus einer Untersuchung der Versickerungsfähigkeit Verschiedenartig befestigter Flächen durch Dr. xxx (Blatt 89/90 der Gerichtsakte 9 L 1271/97) ergebe sich, dass hinsichtlich der Versickerungsfähigkeit von befestigten Flächen notwendigerweise zu differenzieren sei, weil der sog. Abflussbeiwert je nach Art der befestigten Fläche gravierende Unterschiede aufweise. So bestünden bereits erhebliche Differenzen im Abflussbeiwert bei geneigten Dächern je nach Neigung der Dachfläche. Noch gravierender seien die Unterschiede, wenn es um Flachdächer gehe, auf denen aus baulichen Gründen gezielt Regenwasser aufgestaut werde. Darüber hinaus ergebe sich aus den in der Tabelle angegebenen Werten, dass es auch erhebliche Differenzen im Abflussbeiwert zwischen Schwarzdecken und Betonflächen einerseits, Verbundsteinpflasterflächen andererseits gebe. Er - der Kläger - rege an, zu den aufgeworfenen Fragen eine gutachterliche Stellungnahme von Dr. Borgwardt einzuholen.
Der Senat hat die Klagen mit Beschluss vom 15. Februar 1999 gemäß § 93 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 9 L 1269/97 verbunden.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 8. Kammer- vom 18. Dezember 1996 (8 A 8043/96 bis 8 A 8045/96) zu ändern und nach seinen erstinstanzlichen Klageanträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen und führt ergänzend aus:
Eine Vorortuntersuchung des Abwasser- und Straßenreinigungsbetriebes habe den Nachweis erbracht, dass tatsächlich alle Dächer und befestigten Grundstücksflächen des Klägers in die öffentliche Kanalisation entwässerten (Beiakte "B" zu 9 L 1271/97). Auch werde bereits bei durchschnittlichem Regen Wasser von den Flachdächern und von den mit Pflaster aus Normalbeton versiegelten Flächen der Grundstücke des Klägers in die Kanalisation abgeleitet. Dies habe sich bei der Ortsbesichtigung dadurch feststellen lassen, dass alle Gerinne feucht gewesen seien. Das vom Kläger angeführte "Öko-Pflaster" lasse grundsätzlich eine gewisse flächige Versickerung zu. Schon ein etwas stärkeres Regenereignis überfordere indes ein solches Pflaster, da die Versickerung durch die Steine hindurch naturgemäß verzögert sei. Öko-Pflaster sollte also sinnvoll immer mit Gefälle und in Verbindung mit einem Entwässerungssystem aus Gossen, Einlaufen und zusätzlich angeordneten Sickerschächten bzw. Anschlüssen an einen Regenwasserkanal verlegt werden. Der Einsatz dieses Pflasters sei hinsichtlich Flächen denkbar, wo stehendes Wasser aufgrund der verzögerten Versickerung vorübergehend in Kauf genommen werden könne. Im Übrigen lasse die Versickerungsleistung eines solches Pflasters mit der Zeit mehr oder weniger stark nach, da Staub, Abrieb von Autoreifen, Pollen, Laub und Ähnliches sich in den Poren der Pflastersteine festsetzten. Eine rechtliche Notwendigkeit, bei der Gebührenbemessung für die Niederschlagswasserbeseitigung Flachdächer anders als Satteldächer zu behandeln, bestehe nicht. Denn schon bei mittelstarkem, dafür länger andauerndem Regen, wie er in unseren Breiten üblich sei, sei es undenkbar, dass die Regenwassermassen auf dem Flachdach verbleiben könnten. Bei Nieselregeln falle mengenmäßig sehr wenig Wasser auf die bebauten und befestigten Flächen, so dass auch die bei einem Schrägdach gemessene Wassermenge dann gegen Null tendiere.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten 9 L 1269/97 bis 9 L 1271/97 sowie der zu diesen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die in ihren wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung nicht zu beanstanden ist. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
Der Kläger ist dem Grunde nach verpflichtet, Benutzungsgebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung zu entrichten, da von den drei herangezogenen Grundstücken tatsächlich Niederschlagswasser in den öffentlichen Kanal eingeleitet wird. Das Grundstück xxx 51 verfügt über ein grundstückseigenes Entwässerungsnetz, über das Regenwasser von den Dachflächen und den versiegelten Flächen dem in der Straße verlegten Kanal zugeführt wird. Dies wurde von der ASG durch Benebelung am 3. Dezember 1996 festgestellt. Auch das Grundstück xxxstraße 53 verfügt über ein grundstückseigenes Entwässerungsnetz mit Regenwasserfallrohren sowie verschiedenen Hofeinläufen, über das Niederschlagswasser teils dem öffentlichen Mischwasserkanal im xxx Weg, teils dem Mischwasserkanal in der xxxstraße zugeführt wird. Bei der örtlichen Überprüfung waren sämtliche Gerinne feucht. Das zu 100% bebaute Grundstück xxx 78 entwässert vom Satteldach des traufenständigen Gebäudes in einen vor dem Gebäude im öffentlichen Straßenbereich des Steinweges liegenden Schacht, der an den Regenwasserhauptkanal angeschlossen ist. Dies wurde durch Spülung am 5. Dezember 1996 nachgewiesen. Mithin kann nicht zweifelhaft sein - und wird auch vom Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten -, dass von den herangezogenen Grundstücken Niederschlagswasser in den öffentlichen Kanal gelangt.
Die Abgabensatzung der Beklagten stellt eine wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung der umstrittenen Benutzungsgebühren dar. Der in § 10 Abs. 7 gewählte Maßstab für die Bemessung der Gebühr für die Beseitigung von Niederschlagswasser entspricht den Vorgaben des § 5 Abs. 3 NKAG.
Dem Kläger ist allerdings darin zuzustimmen, dass nach § 5 Abs. 3 Satz 1 NKAG Benutzungsgebühren grundsätzlich nach Art und Umfang der Inanspruchnahme, also nach einem Wirklichkeitsmaßstab zu bemessen sind. Der von der Beklagten gewählte Gebührenmaßstab, der die Gebühren nach der überbauten und befestigten Grundstücksfläche des an die Niederschlagswasserkanalisation angeschlossenen Grundstückes bemisst, ist demgegenüber ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Entscheidung der Beklagten für einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist indes nach § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG nicht zu beanstanden. Hiernach kann anstelle eines vom Gesetz vorrangig verlangten Wirklichkeitsmaßstabes stattdessen ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt werden, wenn die Bemessung der Gebühr nach dem Umfang der Inanspruchnahme schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Diese Voraussetzungen sind bei der Bemessung der Gebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung erfüllt. Denn würde man hier einen Wirklichkeitsmaßstab zugrundelegen, bedürfte es der Messung der jeweils der Kanalisation zugeleiteten Niederschlagswassermenge, was mit technischen Schwierigkeiten, erheblichem finanziellen Aufwand für die Messvorrichtungen und zusätzlich mit einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn sich eine Gemeinde angesichts dessen bei der Bemessung der Gebühren für den Bereich der Niederschlagswasserbeseitigung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bedient (ebenso für die Schmutzwasserbeseitigung : Urt. d. Sen. v, 16.2.1990 - 9 L 61/89 -, NVwZ-RR 1990, 646).
Der von der Beklagten gewählte Maßstab erfüllt auch die weitere Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 NKAG, wonach der gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf. Die Gebührenbemessung nach der bebauten und befestigten Fläche des angeschlossenen Grundstücks geht von der zutreffenden Annahme aus, dass die Menge des der Kanalisation zugeführten Niederschlagswassers mit zunehmender Versiegelung des Grundstücks zunimmt, weil mit der Verdichtung der Oberfläche deren Absorptionsfähigkeit in der Regel deutlich sinkt, so dass das bei Regenfällen schlagartig auftreffende Niederschlagswasser auf der Oberfläche bleibt und zur Beseitigung abgeleitet werden muss. Auf unbefestigten Flächen würde hingegen das Regenwasser versickern bzw. nach einer gewissen Verweildauer verdunsten. Als versiegelte Fläche wird daran anknüpfend bei dem von der Beklagten gewählten und weit verbreiteten "Versiegelungs-" oder "Niederschlagsflächenmaßstab" neben der bebauten Fläche auch die in sonstiger Weise, z.B. durch Befestigung mit Betondecken, bituminösen Decken, Pflasterungen und Plattenbelägen, verdichtete Grundstücksfläche betrachtet. Dieser Maßstab wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung durchgängig als geeigneter Wahrscheinlichkeitsmaßstab angesehen, der hinreichend nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung differenziert (vgl. die Nachweise bei Lichtenfeld, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 1998, § 6 RdNr. 759). Dabei wird in der Rechtsprechung nicht etwa verkannt, dass bei der in dieser Weise pauschalierenden Sichtweise die unterschiedlichen Befestigungsmaterialien und Befestigungsarten sowie das damit korrespondierende, unterschiedliche Maß der Oberflächenverdichtung nicht im Einzelnen berücksichtigt werden, obgleich offensichtlich ist, dass z.B. von einer geschlossenen Betondecke mehr Niederschlagswasser abgeführt wird als von einer im Sand- oder Kiesbett verlegten Pflasterung in Verbundsteinen. Auch erweist sich dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab unter dem Gesichtspunkt als ziemlich "grober" Maßstab, dass keine Differenzierung zwischen Dachflächen und sonstigen befestigten Flächen vorgenommen wird und auch die unterschiedliche Verweildauer des Niederschlagswasser und die damit ermöglichte Verdunstung bei unterschiedlichen Dachformen und Dachneigungen unberücksichtigt bleibt. Die sich daraus ergebenden Ungenauigkeiten sind indes im Rahmen des dem Ortsgesetzgeber bei der Ausgestaltung eines wirklichkeitsnahen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes zukommenden weiten Ermessensspielraums hinzunehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.3.1997 - 9 A 1921/95 -, NWVBl. 1997, 422/423; HessVGH, Beschl. v. 15.7.1994 - 5 UE 2928/93 -, ZKF 1995, 15 und Beschl. v. 7.6.1985 - V N 3/82 -, KStZ 1985, 193/194). In diesem Zusammenhang kann auch nicht unerwähnt bleiben, dass das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 24. September 1987 (- 8 C 28/86 -, NVwZ 1988, 159) die Bemessung wiederkehrender Beiträge für die Oberflächenentwässerung sogar nur nach dem undifferenzierten Maßstab der Grundstücksfläche für vereinbar sowohl mit dem Gleichheitssatz als auch mit dem Äquivalenzprinzip erachtet hat. Dies mit der Begründung, die Bemessung der wiederkehrenden Beiträge für die Oberflächenentwässerung nach dem Maßstab der Grundstücksfläche habe gegenüber den anderen in Betracht kommenden Maßstäben einen deutlichen Vorsprung an Praktikabilität. Denn sie erübrige einerseits die mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbundene Ermittlung und ggf. Fortschreibung der bebauten und befestigten Flächen der beitragspflichtigen Grundstücke und andererseits die Ermittlung und Festlegung genereller Abflussbeiwerte für einzelne Gebiete oder Grundstücke. In einer weiteren Entscheidung vom 19. Januar 1989 (- 8 B 117.88 -, KStZ 1989, 136) wird die Bemessung wiederkehrender Beiträge für die Oberflächenentwässerung nach dem Produkt von Grundstücksflächen und Abflussbeiwerten, die den Grundflächenzahlen des § 17 Abs. 1 BauNVO entsprechen, als mit dem Gleichheitssatz vereinbar bewertet. Auch insoweit wird ein weiter differenzierender Beitragsmaßstab nicht gefordert.
Das Vorbringen des Klägers gibt dem Senat keine Veranlassung, von der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Niederschlagsflächenmaßstabs abzuweichen. Die in der vom Kläger vorgelegten Ausarbeitung von Dr. xxx auszugsweise abgedruckte Tabelle aus DIN 1986 belegt lediglich die in der Rechtsprechung bereits berücksichtigte Tatsache, dass die Art der Befestigung der angeschlossenen Grundstücksflächen und die Ausgestaltung der Dächer sich auf die auf den Grundstücken versickernden bzw. verdunstenden Wassermengen und die danach noch in die Niederschlagswasserkanalisation gelangenden Wassermengen auswirkt. Für Schwarzdecken und Betonflächen wird darin ein Abflussbeiwert von 1,0 angegeben, während dieser bei Verbundpflaster 0,6, bei ungepflasterten Straßen und Höfen 0,5 sowie bei Spiel- und Sportplätzen 0,25 beträgt. Dächern mit einer Neigung von mehr als 15 wird der Abflussbeiwert 1, Dächern mit geringerer Neigung ein Abflussbeiwert von 0,8 zugeordnet. Diese Unterschiede im Abflussverhalten haben indes nicht zur Folge, dass sie bei der Gebührenbemessung zwingend berücksichtigt werden müssen. Die Menge des tatsächlich vom herangezogenen Grundstück in die Niederschlagswasserkanalisation gelangenden Regenwassers spielt zum einen bei dem vom Kläger angegriffenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zwangsläufig nicht eine so entscheidende Rolle wie sie ihr der Kläger beimessen will. Denn dieser Gebührenmaßstab geht schon im Ansatz von der - in tatsächlicher Hinsicht angreifbaren - Annahme aus, die jährliche Niederschlagswassermenge im gesamten Gemeindegebiet sei konstant, so dass auf allen Grundstücken pro Einheit versiegelter Fläche die gleiche Menge Niederschlagswasser aufgefangen werde. Zum anderen dürfte es eine Gemeinde, wollte sie dem Vorschlag des Klägers folgen, wohl auch nicht dabei belassen, nur nach Abflussbeiwerten für Flachdächer einerseits, Giebeldächer andererseits sowie für Asphaltflächen einerseits, Verbundstein- bzw. Betonplattenbefestigungen andererseits zu differenzieren. Einzubeziehen wäre bei Berücksichtigung der Abflussbeiwerte der Dächer dann u.U. weiter, ob es sich um die vom Kläger angeführten Flachdächer mit Feuchtdach oder um anders konstruierte Flachdächer handelt, welche Dachneigung die Giebeldächer aufweisen, ob die Dächer mit Ton- oder Betonpfannen eingedeckt sind und ob sie wegen fortgeschrittenen Alters bemoost sind. Beim Ansatz von Abflussbeiwerten für die Art der Befestigung der unbebauten Flächen wäre zu differenzieren nach der möglichen Hanglage der herangezogenen Grundstücke, dem Umstand, ob das Pflaster im Sand- bzw. Kiesbett oder in Beton verlegt worden ist, und ebenfalls nach dem Alter der Pflasterung, weil auch die Fähigkeit von Verbundstein- und Betonplattenbefestigungen, Niederschlagswasser zurückzuhalten, verdunsten und durch die Fugen versickern zu lassen, vom Zustand der Pflasterung abhängt. Derartige Differenzierungen würden indes einen Verwaltungsaufwand erfordern, der im Hinblick auf die ohnehin nur geringe Gebührenbelastung der Gebührenschuldner bei der Niederschlagswasserbeseitigung nicht mehr praktikabel erscheint. Ob der vom Kläger beanstandete Gebührenmaßstab auch dann noch ohne weitere Differenzierung nach der Art der Befestigung unbebauter Flächen als hinreichend wirklichkeitsnah akzeptiert werden kann, wenn zunehmend mehr Eigentümer von an Niederschlagswasserkanalisationen angeschlossenen Grundstücken aus ökologischen Gründen dazu übergehen, für die Pflasterung ihrer unbebauten Grundstücksflächen sog. "Öko-Pflaster" zu verwenden, bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung (vgl. VG Schleswig, Urt. v. 9.10.1995 - 4 A 8/95 -, ZKF 1996,207 nur LS, wonach bei Dachflächen mit geschlossener Pflanzendecke für die Bemessung der Gebühren für die Niederschlagswasserbeseitigung eine Privilegierung dergestalt vertretbar erscheint, dass diese Flächen nicht zu 100%, sondern lediglich mit einem geringeren Flächenanteil in die Gebührenberechnung eingestellt werden). Denn es ist weder vom Kläger behauptet noch ersichtlich, dass gerade im Stadtgebiet von xxx anstelle der bisher allgemein üblichen Betonplatten und Verbundsteine in nennenswertem Umfang dieses Befestigungsmaterial verwendet wird. Auch der Kläger hat dies auf seinen herangezogenen Grundstücken bisher nicht getan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
...
Streitwertbeschluss:
Die Streitwerte für das Berufungsverfahren werden festgesetzt bis zur Verbindung der Verfahren auf 5.090,37 DM für das frühere Verfahren 9 L 1269/97, auf 8.719,17 DM für das frühere Verfahrend L 1270/97 und auf 2.066,37 DM für das frühere Verfahren 9 L 1271/97 sowie auf 15.875,91 DM für das verbundene Verfahren 9 L 1269/97 (§§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 2 GKG, 5 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Gerke
Dr. Rettberg