Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 17.04.2002, Az.: 1 A 1591/00
Entstehen der Gebührenschuld; Gebühr; Jahresgebühr; Rückwirkung; Satzung
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 17.04.2002
- Aktenzeichen
- 1 A 1591/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 41759
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 KAG ND
Tatbestand:
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke B. 15 und S. 3 in B.. Durch Bescheide vom 27. Dezember 1999 zog die Beklagte den Kläger zu Niederschlagswassergebühren für die beiden Grundstücke heran. Hinsichtlich des Grundstücks B. 15 wurde die Gebühr auf 462,00 DM für das Jahr 1999, für das Grundstück S. 3 auf 1.644,50 DM für das Jahr 1999 festgesetzt. Dabei wurde für das Grundstück B. 15 eine Fläche von 840 m², für das Grundstück S. 3 eine Fläche von 2.990 m² zugrunde gelegt.
Gegen beide Bescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 2000 Widerspruch ein, die die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 6. März 2000 insbesondere damit begründete, dass die Satzung vom 22. November 1999, die der Heranziehung zugrunde lag, hinsichtlich der Rückwirkungsklausel gegen das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz verstoße.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 20. September 2000 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Es liege hier keine echte Rückwirkung vor, weil die Satzung das Kalenderjahr als Erhebungszeitraum festlege, dieser Zeitraum sei erst mit Ablauf des 31. Dezember 1999 abgeschlossen gewesen, so dass mit der am 16. Dezember 1999 veröffentlichten Satzungsänderung ein abgeschlossener Zeitraum nicht betroffen worden sei.
Am 18. Oktober 2000 hat der Kläger hinsichtlich beider Bescheide Klage erhoben. Die Beklagte stütze ihre Bescheide zu Unrecht auf die Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung der Stadt B. vom 19. Juni 1995 i.d.F. vom 22. November 1999. Erstmalig sei mit der Satzungsänderung die Gebührenerhebung für die Beseitigung von Niederschlagswasser beschlossen worden. Die Beitragsschuld entstehe danach zwar erst am Ende des Erhebungszeitraumes, der ab 1. Januar 1999 beginnen soll. Satzungen dürften mit einer derartigen Rückwirkung nicht erlassen werden. Gemäß § 2 Abs. 2 NKAG könnten Satzungen nur dann rückwirkend erlassen werden, wenn sie eine Satzung ersetzen, die eine gleiche oder gleichartige Abgabe regele. Zwar ersetze die Änderung die vorhandenen Satzungen vom 19. Juni 1995, eine gesonderte Niederschlagswasserbeseitigung und dafür zu erhebende Gebühren seien jedoch in den früheren Satzungen nicht geregelt worden. Damit liege eine Ersetzung einer gleichen oder gleichartigen Abgabe nicht vor. Insoweit stelle die Neuregelung der geänderten Satzung auch eine Schlechterstellung aller Abgabenschuldner dar, so dass eine rückwirkende Festsetzung auch insoweit unwirksam sei. Als erstmalige Satzung könne die Rückwirkung ebenfalls nicht wirksam sei, weil der Kläger sich insoweit auf Vertrauensschutz berufen könne, weil eine Verpflichtung der Beklagten, diese Abgabe einzuführen, hinsichtlich des Niederschlagswassers nicht bestehe. Es handele sich bei der Regelung auch um eine echte Rückwirkung, da in einen bereits vollendeten Tatbestand eingegriffen werde. Dabei könne es nicht darauf ankommen, dass die Schuld erst am Ende des Erhebungszeitraumes entstehe, weil es sich insoweit allenfalls um eine Fälligkeitsregelung bezüglich der Gebührenschuld handele. Der Bemessungszeitraum sei jedoch zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Satzung zu einem weitaus überwiegenden Teil abgelaufen gewesen, so dass insoweit ein abgeschlossener Tatbestand rückwirkend geregelt werde. Wollte man der Auffassung der Beklagten folgen, so wäre durch Festsetzung eines willkürlichen Fälligkeitszeitpunktes stets eine rückwirkende Regelung möglich.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten über Niederschlagswassergebühren vom 27. Dezember 1999 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 20. September 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die ergangenen Bescheide und meint, eine echte Rückwirkung liege nicht vor. Der Erhebungszeitraum sei nach der Satzung das Kalenderjahr, an dessen Ende die Gebührenschuld entstehe. Bei dieser Regelung handele es sich nicht etwa um eine Fälligkeitsregelung, sondern um die Entstehung des Gebührentatbestandes. Die Satzungsänderung greife somit nicht in bereits vollendete abgeschlossene Tatbestände ein. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, dass das Kalenderjahr zum Zeitpunkt der Satzungsänderung überwiegend verstrichen war, weil eine echte Rückwirkung nur dann vorliege, wenn in bereits vollständig abgeschlossene Tatbestände eingegriffen werde. Es sei auch nicht richtig, dass mit der Satzung zum ersten Mal Gebühren für Niederschlagswasser erhoben würden. Außer in den Jahren 1995 bis 1998 sei im Bereich der Beklagten immer eine Niederschlagswassergebühr (damals Regenwasserableitungsgebühr) erhoben worden. Lediglich wegen eines Kalkulationsfehlers, nach dem eine Niederschlagswassergebühr für entbehrlich gehalten worden sei, sei die Gebühr für den Zwischenzeitraum nicht erhoben worden. Da demzufolge eine echte Rückwirkung nicht vorliege, seien die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 NKAG hier nicht zu prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die angefochtenen Gebührenfestsetzungsbescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Gebührenfestsetzungsbescheide vom 27. Dezember 1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2000 finden ihre rechtliche Grundlage in der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung der Stadt Buxtehude vom 19. Juni 1995 (Amtsblatt des Landkreises Stade S. 215 ff.) in der geänderten Fassung vom 22. November 1999 (Amtsblatt des Landkreises S. S. 372 ff.), die ihre Grundlage in der Niedersächsischen Gemeindeordnung und dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz findet.
Gründe, die die Satzung der Beklagten in der oben genannten letzten Fassung formell oder materiell fehlerhaft erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich und von dem Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger beanstandet insoweit allein, dass der Satzung eine unzulässige Rückwirkung bezüglich der Erhebung der Niederschlagswassergebühren zukomme. Das ist indes nicht der Fall. Die Möglichkeit der Erhebung der Niederschlagswassergebühr für das Jahr 1999, das hier allein im Streit ist, stellt keine echte Rückwirkung dar, so dass die einschränkenden Vorschriften des § 2 Abs. 2 NKAG keine Anwendung finden. Belastende Gesetze, die in schon abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und dadurch echte Rückwirkung entfalten, sind wegen Verstoßes gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Gebot der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes regelmäßig verfassungswidrig (BVerfGE 27, 375, 385; 30, 392 mit zahlreichen weiteren Nachweisen der früheren Rechtsprechung). Nach dieser Rechtsprechung dürfen insbesondere Abgabengesetze grundsätzlich nur solche Tatbestände erfassen, die erst nach ihrer Verkündung eintreten oder sich vollenden. Der durch die 2. Änderungssatzung vom 22. November 1999 in die Satzung der Beklagten eingefügte § 15 Abs. 3, wonach die Abwassergebühr bei der Niederschlagswasserbeseitigung je vollendete 10 m² 5,50 DM beträgt, griff nicht in bereits vollendete Abgabentatbestände ein. Nach § 18 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung der Stadt B. in der insoweit unveränderten Fassung vom 19. Juni 1995 ist Erhebungszeitraum das Kalenderjahr, an dessen Ende die Gebührenschuld entsteht. Diese schon seit langem bestehende Vorschrift ist sachgerecht und keinesfalls willkürlich. Vielmehr ermöglicht sie die Berücksichtigung von tatsächlichen und rechtlichen Veränderungen, die sich im Laufe des Erhebungszeitraumes ergeben können. Diese sind sowohl aufseiten des Abgabenpflichtigen (Eigentumswechsel, Bestandsveränderungen o.ä.) möglich, aber auch aufseiten des Abgabengläubigers (Veränderungen im Bereich der Kalkulation durch Kostensteigerungen o.ä.). Es wird daher auch in der Kommentarliteratur gerade aus diesem Grunde davon abgeraten, die Gebührenschuld bereits zum Beginn des Erhebungsjahres entstehen zu lassen (vgl. Driehaus, Anm. 770 zu § 6 NKAG). Die Gebührenschuld entstand danach erst nach Erlass der Satzung, nämlich am 31. Dezember 1999, so dass die geänderte Vorschrift sich nicht auf einen bereits abgeschlossenen Tatbestand im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bezog. Im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 1 NKAG in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung u.a. auch ausdrücklich vorschreibt, dass die Entstehung und der Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld in der Satzung bestimmt werden muss, ist auch gewährleistet, dass insoweit willkürliche Änderungen, die zu einer echten Rückwirkung führen könnten, ausgeschlossen werden. Im Hinblick darauf, dass die Satzung insoweit keine Änderung erfahren hat, gibt es im konkreten Fall im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte in Zeiträume eingreifen wollte, die bereits abgeschlossen waren. Vielmehr hat die Beklagte im vorliegenden Fall lediglich die insoweit in früheren Jahren unterlassene Trennung zwischen der Abwassergebühr für die Niederschlagswasserbeseitigung und für die Schmutzwasserbeseitigung korrigieren wollen. Dies wird aus der Änderungssatzung auch dadurch deutlich, dass der Satz für die Schmutzwasserbeseitigung in § 15 Abs. 1 ermäßigt wurde und nunmehr ein eigener Satz für die Niederschlagswasserbeseitigung, bemessen nach dem Grundflächenmaßstab, eingeführt wurde. Insoweit handelt es sich bei der Einführung einer Gebühr für die Niederschlagswasserbeseitigung auch nicht um eine neue, bisher nicht erhobene Gebühr, vielmehr hat die Beklagte bislang fehlerhaft diese Gebühr in die Schmutzwasserbeseitigungsgebühr einbezogen. Dies war aus der bisherigen Satzung auch für den Kläger unzweideutig erkennbar, denn nach § 1 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Gebühren und Kostenerstattungen war Gegenstand der Satzung auch die Niederschlagswasserbeseitigung, wenn diese auch fehlerhafterweise nicht gesondert erhoben wurde.
Auf die einschränkenden Regelungen des § 2 Abs. 2 NKAG kommt es daher im vorliegenden Fall bereits deshalb nicht an, weil die Beklagte mit ihrer geänderten Fassung vom 22. November 1999 keine Regelungen getroffen hat, denen eine echte Rückwirkung zukommt. Vielmehr ist allein eine noch nicht entstandene Gebühr für einen bereits zuvor festgesetzten Erhebungszeitraum geregelt worden. Dies ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
Die Klage hat daher keinen Erfolg.