Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.05.2009, Az.: 7 LB 185/06
Voraussetzungen für die gerichtliche Feststellung der Rechtmäßigkeit eines von einer Behörde erlassenen Verwaltungsaktes bei einer Erledigungserklärung des Klägers
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.05.2009
- Aktenzeichen
- 7 LB 185/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 14745
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0511.7LB185.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 20.04.2006 - AZ: 2 A 36/05
Rechtsgrundlagen
- § 35 S. 1 VwVfG
- § 43 Abs. 1 VwGO
- § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO (analog)
Fundstellen
- DÖD 2009, 231-232
- NVwZ-RR 2009, 788-789
Zu den Voraussetzungen, unter denen die Behörde die Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Verwaltungsakts bei Erledigungserkärung des Klägers gerichtlich feststellen lassen kann
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen ihr im Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 1995 auferlegte abfallrechtliche Sanierungspflichten (Altlast, Bodenaustausch) hinsichtlich der dort so bezeichneten Spielplätze 3 und 5 in B., deren Rechtmäßigkeit das Verwaltungsgericht im dem angefochtenen Urteil auf Widerklage des Beklagten hin festgestellt hat.
Hinsichtlich dieser Spielplätze hatte das Verwaltungsgericht das Verfahren in seinem vorangegangenen Urteil vom 20. Dezember 2000 - 7 A 63/98 - eingestellt, weil es insoweit von übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten ausgegangen war, und die Kosten dem Beklagten auferlegt, weil er bei streitiger Entscheidung wegen fehlerhafter Adressatenauswahl unterlägen wäre. Die (auch) dagegen seinerzeit eingelegte Berufung des Beklagten hat der Senat durch Urteil vom 15. Dezember 2005 - 7 LB 248/02 - als unzulässig verworfen, weil richtiger Rechtsbehelf gegen eine, wie behauptet, fehlerhafte Einstellung nicht die Berufung, sondern ein Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens in erster Instanz sei. Erst eine etwa gerichtlich streitig getroffene Feststellung der Erledigung sei berufungsfähig.
Unter dem 24. Februar 2005 hat der Beklagte beim Verwaltungsgericht den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens hinsichtlich der Spielplätze 3 und 5 gestellt, diesen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 20. April 2006 aber fallengelassen und stattdessen seinerseits die Feststellung der Rechtmäßigkeit seines Bescheides vom 4. Dezember 1995 begehrt. Diesem Begehren hat das Verwaltungsgericht entsprochen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob es sich um eine Widerklage oder eine neue Klage handele. Für beide habe der Beklagte ein Rechtsschutzinteresse. Denn nach dem im seinerzeitigen Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geschlossenen Vergleich trage die Kosten der inzwischen durchgeführten Ersatzvornahme, wer im Hauptsacheverfahren gegen den Heranziehungsbescheid rechtskräftig unterliege. In der Sache habe, wie nachträglich geklärt worden sei, der Beklagte die Klägerin zu Recht in Anspruch genommen.
Dem Antrag der Klägerin, gegen dieses Urteil die Berufung zuzulassen, hat der Senat mit Beschluss vom 16. Oktober 2006 stattgegeben. An der Richtigkeit bestünden ernstliche Zweifel.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils die Widerklage des Beklagten abzuweisen, während der Beklagte das Urteil in der Sache verteidigt.
Unter dem 30. November 2006 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, er erwäge, über die Berufung durch Beschluss zu entscheiden, weil sie voraussichtlich begründet sei. Das Klagebegehren des Beklagten sei unzulässig, nachdem, wovon das Verwaltungsgericht ersichtlich ausgegangen sei, die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hätten.
II.
Der Senat hält die Berufung der Klägerin einstimmig für begründet. Da zur weiteren Klärung der Rechtslage eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist, trifft er seine Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a S. 1 VwGO).
Das Verwaltungsgericht hat der Feststellungsklage des Beklagten zu Unrecht entsprochen.
1.)
Es hat das die Spielplätze 3 und 5 betreffende Verfahren in seinem Urteil vom 20. Dezember 2000 - 7 A 63/98 - auf Grund der Annahme übereinstimmender Erledigungserklärungen der Beteiligten entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. Nach Verwerfung der dagegen gerichteten Berufung des Beklagten durch Urteil des Senats vom 15. Dezember 2005 - 7 LB 248/02 - und dessen in der anschließenden mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht im zunächst wieder anhängig gemachten Verfahren erklärten Verzicht (GA Bl. 43, 44), die Fortsetzung des Klageverfahrens (vgl. dazu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., Vorb. § 124 Rdnr. 6) und eine streitige Sachentscheidung über das ursprüngliche Begehren der Klägerin zu erzwingen, ist die gerichtliche Einstellungsentscheidung unanfechtbar und der Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 1995 ohne gerichtliche Bestätigung bestandskräftig. Dass der Beklagte den Verzicht in der - offenbar auch vom Verwaltungsgericht geteilten - rechtsirrigen Annahme erklärt hat, der von ihm im Wege der Ersatzvornahme durchgeführte Vollzug bedeute zugleich eine Sachentscheidung hindernde Erledigung des angefochtenen Verwaltungsaktes (vgl. dazu etwa Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 105, 106 zu § 113), ändert daran nichts. Auch eine auf fehlerhafter Erkenntnis beruhende Motivation ist für die Wirksamkeit von Prozesserklärungen ohne Bedeutung.
2.)
Der Feststellungsantrag des Beklagten ist damit nach jeder möglichen Einordnung unzulässig.
a.)
Sieht man ihn als im Rahmen einer Widerklage nach § 89 Abs. 1 VwGO gestellt an, setzte diese, um zulässig zu sein, u.a eine anhängige Hauptklage voraus (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 4 zu § 89). Nach Einstellung des Verfahrens auf Grund übereinstimmender Hauptsacheerledigungserklärungen war eine Hauptklage jedoch nicht mehr anhängig. Ob die Voraussetzungen der Einstellung vorgelegen haben, unterliegt nach dem Verzicht auf eine Prüfung der weiteren Anhängigkeit des Verfahrens keiner berufungsgerichtlichen Entscheidung mehr.
b.)
Auf § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog - Fortsetzungsfeststellungsklage - lässt sich das Feststellungsbegehren ebenfalls nicht stützen. Erklärt die Klägerseite - wie hier unstreitig - die Hauptsache für erledigt, ist zwar anerkannt, dass (auch) der Beklagte dem widersprechen kann und bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses die Möglichkeit hat, die Begründetheit des Verwaltungsakts noch gerichtlich überprüfen zu lassen (Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 120 zu § 113; Rdnr. 25 zu § 161, m.w.N.). Das ist jedoch nur bei einseitiger Erledigungserklärung durch die Klägerseite möglich. Entschließt sich der Beklagte, ebenfalls eine Erledigungserklärung abzugeben, wird der Rechtsstreit in diesem Umfang beendet, ohne dass es noch zu einer gerichtlichen Prüfung der tatsächlichen Erledigung oder gar zu einer Sachprüfung kommt. Davon ist vorliegend auszugehen, nachdem das Verwaltungsgericht auf dieser Grundlage das Verfahren eingestellt und es in den Gründen des hier angefochtenen Urteils auch ausdrücklich als "abgeschlossen" bezeichnet hat.
c.)
Schließlich ist nicht ersichtlich, wie das Begehren als zulässiges "neues Verfahren" eingeordnet werden kann, von dem das Verwaltungsgericht spricht, ohne dies allerdings näher zu begründen. In Frage käme dafür lediglich noch eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Aber abgesehen davon, dass diese Vorschrift nicht vorsieht, die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes - und dazu noch eines selbst erlassenen - festzustellen, geht § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO dem § 43 VwGO als Spezialvorschrift vor und schließt § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO eine Feststellungsklage ausdrücklich aus, wenn insoweit Gestaltungsklage hätte erhoben werden können; die Fortsetzungsfeststellungsklage ist als Unterfall der Anfechtungsklage eine solche (Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 5 zu § 43). Wie zuvor ausgeführt, hat der Beklagte von dieser Möglichkeit gerade keinen Gebrauch gemacht und kann bereits deshalb nicht im Nachhinein auf § 43 VwGO ausweichen.
3.)
Der Senat merkt ergänzend an, dass auch eine gerichtliche Prüfung der Erledigung zur Bestätigung des Befundes geführt hätte, dass beide Beteiligten entsprechende Erklärungen abgegeben haben, das Verwaltungsgericht das Verfahren gegen den Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 1995 in seinem Urteil vom 20. Dezember 2000 u.a. hinsichtlich der Spielplätze 3 und 5 also zu Recht eingestellt hat:
Der Beklagte hat mit seinem Schriftsatz vom 21. Juli 1998 an das Verwaltungsgericht die Sanierungsanordnung "auch für die Spielplätze 1 a und 1 b wie auch für die Teichanlage für erledigt erklärt" und den Kostenbetrag der Ersatzvornahme "für den Spielplatz 2, der allein noch Gegenstand des Verfahrens ist", geändert (GA VG Lüneburg 7 A 63/98, Bl. 43). Die Klägerin hat dies in ihrer Erwiderung vom 14. September 1998 aufgegriffen und bekräftigt, "dass der beklagte Kreis lediglich den Spielplatz 2 noch als Verfahrensgegenstand ansieht und die Erledigungserklärung alle weiteren bisher streitigen Punkte umfasst". Sie hat sich "dieser Erledigungserklärung" angeschlossen (GA Bl. 50). In seinem nachfolgenden Schriftsatz an das Gericht vom 15. Oktober 1998 (GA B. 59) hat der Beklagte der Interpretation der Klägerin hinsichtlich der Bewertung der Spielplätze 1 a und 1 b teilweise widersprochen, die Erledigungserklärung auch insoweit dann aber wiederholt. Auf die Spielplätze 3 und 5 ist er in diesem Schriftsatz - ebenso wenig wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht - nicht mehr eingegangen, so dass bei objektiver Betrachtung spätestens damit eventuelle Zweifel ausgeräumt waren, dass seine Erledigungserklärung - unabhängig von den Beweggründen - sich auch auf diese Teile des Bescheides erstrecken sollte.