Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.05.2009, Az.: 11 ME 5/09
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.05.2009
- Aktenzeichen
- 11 ME 5/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 45304
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0515.11ME5.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 03.12.2008 - AZ: 5 B 267/08
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Untersagung der Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten (Zwangsgeldfestsetzung)
- vorläufiger Rechtsschutz -
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 11. Senat - am 15. Mai 2009 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 3. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 500,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ist unbegründet.
Der Antragsteller betrieb zusammen mit A.B. in der C. Straße 130 in D. eine Wettannahmestelle, in der Sportwetten angenommen und an ein in einem EU-Staat konzessioniertes Wettunternehmen vermittelt wurden. Der Antragsgegner untersagte dem Antragsteller mit Bescheid vom 10. Februar 2006 die Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten für in Niedersachsen nicht konzessionierte Veranstalter und Anbieter und drohte für die Zuwiderhandlung gegen diese Untersagung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10 000,- Euro an. Mit Bescheid vom 18. Juli 2006 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung seines Bescheides vom 10. Februar 2006 an. Über die gegen den Unterlassungsbescheid erhobene Klage (5 A 69/09) hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 30. August 2006 (5 B 242/06 ) ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 19. Dezember 2006 (11 ME 278/06 ) zurück. Am 13. Februar 2007 meldete der Antragsteller gegenüber der Stadt D. das Gewerbe ab.
Am 15. September 2008 wurde der Antragsteller im Rahmen einer Überprüfung in der Wettannahmestelle C. Straße 130 in D. angetroffen. Dabei gab er an, dass die Wettannahmestelle zunächst von seiner Tochter E.F. betrieben worden sei und inzwischen sein Bruder G.F. Betreiber sei. Er selbst sei lediglich als Angestellter tätig. Daraufhin setzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 23. September 2008 das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 10 000,- Euro fest und drohte für den Fall der erneuten Zuwiderhandlung ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 12 000,- Euro an. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Klage (5 A 266/08)hat das Verwaltungsgericht noch nicht entschieden. Den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Zwangsgeldfestsetzungsbescheid hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt.
Die Beschwerdegründe, auf deren Überprüfung sich das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Interessenabwägung zutreffend dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides des Antragsgegners vom 23. September 2008 den Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers eingeräumt, von der Vollziehung vorläufig verschont zu werden. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei, dass der von dem Antragsteller in der Hauptsache eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben wird, weil der Bescheid des Antragsgegners rechtmäßig ist.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Zwangsgeldfestsetzungsbescheid sind die §§ 64 ff. Nds. SOG. Danach kann ein Verwaltungsakt, der auf eine Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist oder ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Grundverfügung vom 10. Februar 2006 ist auf eine Unterlassung - nämlich der Vermittlung und Bewerbung von Sportwetten - gerichtet. Der Antragsgegner hat diese Untersagungsverfügung auch unter Geltung der neuen Rechtslage ab 1. Januar 2008 ausdrücklich aufrecht erhalten (vgl. Schriftsatz des Antragsgegners vom 14.7.2008 im Verfahren 5 A 69/06 des Antragstellers). Die Verfügung ist zwar noch nicht unanfechtbar, aber ein Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung, da der Antragsgegner den Sofortvollzug angeordnet hat, der Untersagungsbescheid nach der neuen Rechtslage ab dem 1. Januar 2008 ohnehin kraft Gesetzes (§ 9 Abs. 2 GlüStV) sofort vollziehbar ist und das Begehren des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg geblieben ist.
Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren geltend gemacht hat, er habe nicht gegen die Untersagungsverfügung vom 10. Februar 2006 verstoßen, weil er keine Sportwetten vermittelt habe, sondern lediglich zeitweilig im Bereich Reinigung und Logistik für den Betreiber des Wettbüros tätig gewesen sei, vermag dieses Vorbringen seiner Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Vielmehr ist nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass der Antragsteller Sportwetten in der Wettannahmestelle seines Bruders in der C. Straße 130 in D. vermittelt hat und dass auch zum jetzigen Zeitpunkt noch die Gefahr weiterer Verstöße gegen die Untersagungsverfügung besteht.
Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, konnte der Antragsgegner aufgrund der eindeutigen Angaben des Antragstellers bei der Überprüfung der Wettannahmestelle in der C. Straße 130 am 15. September 2008 und der seiner Ehefrau bei der Überprüfung der Wettannahmestelle im H. 8 am 10. November 2008 davon ausgehen, dass der Antragsteller als Angestellter Sportwetten in der Wettannahmestelle seines Bruders vermittelt. So hat der Antragsteller bei der Überprüfung am 15. September 2008 selbst angegeben, dass er weiterhin als Angestellter dort tätig sei, die Wettannahmestelle jedoch inzwischen von seinem Bruder betrieben werde. Auch die von dem Antragsteller getrennt lebende Ehefrau hat am 10. November 2008 erklärt, dass ihr Ehemann als Angestellter in der von seinem Bruder betriebenen Wettannahmestelle in der C. Straße 130 beschäftigt sei. Zudem ergibt sich aus einer Personalkostenübersicht der Tochter des Antragstellers, die bis zum 4. September 2008 die Wettannahmestelle betrieben hat, dass der Antragsteller dort neben sechs weiteren Angestellten beschäftigt gewesen ist. Angesichts dieser eindeutigen Feststellungen ist das Vorbringen des Antragstellers im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht, er sei weder Betreiber noch Angestellter in dem Wettbüro, insofern müsse es sich um ein Versehen der Behörde handeln, nicht nachvollziehbar. Dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren nunmehr eine Beschäftigung in der Wettannahmestelle eingeräumt hat, gleichzeitig aber behauptet hat, lediglich zeitweilig im Bereich Reinigung und Logistik tätig gewesen zu sein, ist angesichts des bisherigen Vorbringens des Antragstellers im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens als widersprüchlich und gesteigert und daher als nicht glaubhaft anzusehen. Dafür spricht auch, dass der Antragsteller bei einer weiteren Kontrolle des Antragsgegners am 19. Januar 2009 erneut in der Wettannahmestelle in der C. Straße 130 angetroffen worden ist, wo er und eine andere Angestellte vor dem Wettterminal saßen und dieses bedienten. Dass der Antragsteller in der Wettannahmestelle lediglich als "Putzkraft" tätig gewesen sein soll, wie er bei der Kontrolle behauptete, konnte von den Mitarbeitern des Antragsgegners nicht festgestellt werden. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, besteht hier aufgrund des Umstandes, dass die Wettannahmestelle nach Erlass der Untersagungsverfügung gegen den Antragsteller von seiner Tochter und dann von seinem Bruder weiterbetrieben worden ist, der Verdacht, dass durch den Wechsel der Betreiber die Untersagungsverfügung umgangen und eine für den Antragsgegner schwer zu überprüfende Sachlage geschaffen werden sollte. Auch im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats kann daher nicht festgestellt werden, dass eine Wiederholungsgefahr nicht mehr vorliegt.
Entgegen der im Beschwerdeverfahren vertretenen Auffassung des Antragstellers ist die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht erneut zu prüfen.
Allerdings wird z.T. die Auffassung vertreten, die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Grundverwaltungsaktes sei zumindest dann in Vollstreckungsverfahren zu überprüfen, wenn der Grundverwaltungsakt - wie hier - noch nicht bestandskräftig oder rechtskräftig geworden ist, andernfalls würde die Behörde ein Unrecht (Erlass eines rechtswidrigen Grundverwaltungsaktes) dadurch vertiefen, dass sie auch noch Vollstreckungsmaßnahmen ergreife (Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., Rn. 382 m.w.N.; Schoch in JuS 1995, 309; der VGH Bad.-Württ. hat wegen dieser Frage mit Beschl. vom 9.1.2009 - 6 S 2088/07 - die Berufung zugelassen).
Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 23. April 2009 (11 ME 478/08) entschieden hat, ist dieser Auffassung jedoch nicht zu folgen. Sie vernachlässigt, dass nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 1 Nds. SOG lediglich die Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit des Grundverwaltungsaktes Voraussetzung für die Anwendung von Verwaltungszwang ist, so dass ein bestandskräftiger oder vollziehbarer Grundverwaltungsakt nur dann nicht Grundlage von Vollstreckungshandlungen sein kann, wenn - was hier nicht in Betracht kommt - der Grundverwaltungsakt nichtig ist. Es widerspricht zudem dem Interesse an der Effektivität der Verwaltungsvollstreckung, diese mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes zu belasten (vgl. BVerfG, Beschl.v. 7.12.1998 - 1 BvR 831/89 -, NVwZ 1999, 291; BVerwG, Urt.v. 25.9.2008 - 7 C 5.08 - NVwZ 2009, 122 [BVerwG 25.09.2008 - BVerwG 7 C 5.08]; sowie Anm.v. Neumann zu diesem Urteil, juris; BVerwG, Urt.v. 13.4.1984 - 4 C 31.81 - NJW 1984, 2591; Beschl.d. Sen. v. 6.8.2008 - 11 ME 230/08 - u. v. 2.4.2008 - 11 ME 66/08 -; zu der Problematik allgemein: Schenke, Probleme des Rechtsschutzes bei der Vollstreckung von Verwaltungsakten, NVwZ 1993, 1; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F Anm. 864 ff.m.w.N.). Der Bürger wird dadurch nicht schutzlos gestellt; denn er kann gegenüber dem Grundverwaltungsakt, solange dieser nicht rechtskräftig geworden ist, die zulässigen Rechtsmittel einschließlich des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einlegen. Davon hat auch der Antragsteller Gebrauch gemacht. Sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist jedoch ohne Erfolg geblieben.
Das Zwangsgeld ist dem Antragsteller in der festgesetzten Höhe, die in Fällen dieser Art üblich und nicht zu beanstanden ist, auch ordnungsgemäß angedroht und ihm ist eine angemessene Frist zur Zahlung eingeräumt worden. Sollte er finanziell nicht in der Lage sein, den Betrag von 10 000,- Euro in einer Summe zu leisten, bestünde die Möglichkeit von Ratenzahlungen.
Erweist sich der Bescheid des Antragsgegners vom 23. September 2008 somit voraussichtlich als rechtmäßig, treten die privaten Interessen an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegenüber dem gesetzlich (§ 64 Abs. 4 Nds. SOG) angeordneten Sofortvollzug zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 VwGO. Der Senat hat in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 2004, 1525, dort Ziff. 1.6.1 i.V.m. 1.5) der Streitwertfestsetzung die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes von 10 000 Euro,- zugrunde gelegt und diesen Betrag wegen des vorläufigen Charakters des vorliegenden Eilverfahrens auf ein Viertel reduziert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 4 GKG).