Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.07.2005, Az.: 7 LB 182/02
Folgen einer Verpflichtung gegenüber der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung zur Kostentragung hinsichtlich des Lebensunterhalts eines Ausländers; Erstattung der sämtlichenöffentlichen Mittel für den Lebensunterhalt eines Ausländers; Zeitliche Beschränkung der Haftung auf die Geltungsdauer eines Besuchervisums durch die Verpflichtungserklärung; Hinweispflicht und Aufklärungspflicht des Staates vor Abgabe der Verpflichtungserklärung; Bedeutung der Aufnahme von Ausländern lediglich aus privaten Gründen oder der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Gründen der Solidarität
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.07.2005
- Aktenzeichen
- 7 LB 182/02
- Entscheidungsform
- Endurteil
- Referenz
- WKRS 2005, 34179
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2005:0720.7LB182.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 29.01.2002 - AZ: 3 A 2245/00
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 1 S. 2 AuslG
- § 84 Abs. 1 S. 1 AuslG
- § 68 AufenthG
- § 25 S. 1 VwVfG
Fundstellen
- AUAS 2006, 17-20
- DVBl 2005, 1464 (amtl. Leitsatz)
- InfAuslR 2005, 485-489 (Volltext mit amtl. LS)
- NdsVBl 2006, 42-45
- NordÖR 2005, 496 (amtl. Leitsatz)
Verfahrensgegenstand
Verfahren nach § 84 AuslG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Gemäß § 84 Abs. 1 S. 1 AuslG (nunmehr § 68 AufenthG) hat derjenige sämtliche öffentlichen Mittel für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu erstatten, der sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt dieses Ausländers zu tragen. Für eine wirksame zeitliche Beschränkung dieser Erstattungspflicht auf die Geltungsdauer des dem Ausländer erteilten Besuchervisums ist eine ausdrückliche entsprechende Erklärung zur Haftungseinschränkung im Rahmen der Verpflichtungserklärung zu fordern.
- 2.
Eine Hinweis- und Aufklärungspflicht der Ausländerbehörde oder der betreffenden Auslandsvertretung in Bezug auf die mit einer solchen Verpflichtungserklärung verbundenen möglichen finanziellen Auswirkungen besteht grundsätzlich nicht.
- 3.
§ 84 AuslG eröffnet lediglich in atypischen Einzelfällen die Möglichkeit, im Wege des Ermessens über das Ob und Wie einer Rückforderung zu entscheiden. In allen anderen Fällen ist der Verpflichtete heranzuziehen, ohne dass es dahin gehender Ermessenserwägungen bedarf. Zu den letztgenannten typischen Fällen zählen insbesondere solche, in denen der Aufenthalt des Ausländers allein oder überwiegend private Gründe hat und dementsprechend der Lebensunterhalt billigerweise ausschließlich von privater Seite zu sichern ist.
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat -
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Kalz,
die Richterin am Oberverwaltungsgericht Bremer,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Prof. Dr. Mann sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 3. Kammer - vom 29. Januar 2002 geändert. Die Beklagte bleibt verpflichtet, über den Antrag der Klägerin auf Aufhebung ihres Bescheides vom 6. März 1997 im Hinblick auf einen Teilbetrag von 10.000,-- DM neu zu entscheiden. Der Bescheid der Beklagten vom 23. September 1999 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Hannover vom 30. März 2000 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen die Klägerin 9/10 und die Beklagte 1/10. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Verpflichtung, über die an die Klägerin gerichtete Rückforderung während des Aufenthalts eines Ausländers aufgewendeter Leistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Krankenhilfe) in überwiegender Höhe neu zu entscheiden.
Der in Pakistan lebende afghanische Staatsangehörige F. G. hatte sich 1993 mit Hilfe seines in H. lebenden Sohnes zunächst vergeblich um ein Visum für die Einreise nach Deutschland bemüht, um sich hier einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Diesen Antrag hatte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad abgelehnt. Es bestehe wegen seines hohen Alters und des Umstandes, dass sich sämtliche Familienangehörige im Ausland aufhalten, die Gefahr eines Daueraufenthalts. Die Behandlungsmöglichkeiten in Pakistan seien noch nicht vollständig ausgeschöpft und zudem kostengünstiger.
Der Sohn des Herrn G. wandte sich daraufhin an die Klägerin, die migrationspolitische Sprecherin ihrer Fraktion im niedersächsischen Landtag war. Mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 an die deutsche Botschaft in Islamabad lud die Klägerin den afghanischen Staatsangehörigen zu einem privaten Besuch in die Bundesrepublik Deutschland ein. Unter dem Briefkopf "Niedersächsischer Landtag Abg. B. I. " hieß es weiter:
"Herr F. wird sich für einige Wochen bei mir aufhalten und ich bitte darum, ihm ein 90-Tage Visum zwecks Einreise und Aufenthalt in die Bundesrepublik Deutschland auszustellen.
Ich verpflichte mich, für die Dauer seines Aufenthaltes die Unterkunftskosten zu tragen sowie den Lebensunterhalt meines Besuchers sicherzustellen. Hierzu zählt auch die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit. Darüber hinaus werde ich die Kosten einer freiwilligen oder zwangsweisen Ausreise übernehmen, soweit diese nicht vom Besucher aufgebracht werden. Ich erkläre weiterhin, dass der Aufenthalt ausschließlich vorübergehend zu Besuchszwecken beabsichtigt ist.
Mir ist bekannt, dass ich durch die vorstehende Verpflichtungserklärung gemäß §§ 82 II und 84 I Ausländergesetz für die o.g. Kosten hafte. Ich werde daher sämtliche öffentlichen Mittel, die für den Lebensunterhalt meines Besuchers einschl. der Versorgung mit Wohnraum, der Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, erstatten; auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch beruhen. Sollte ich meiner Erstattungspflicht nicht nachkommen, so muss ich gemäß § 84 II AuslG mit einer zwangsweisen Beitreibung der aufgewendeten Kosten im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung rechnen."
Auf die Garantieerklärung der Klägerin erteilte die deutsche Botschaft in Islamabad nach Zustimmung der Beklagten, die sich ihrerseits zuvor eine ähnliche Verpflichtungserklärung vom Sohn des Herr G. hatte geben lassen, das begehrte Besuchervisum. Herr G. reiste am 19. Juni 1995 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21. Juni 1995 einen Asylantrag, der vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Das hiergegen gerichtete Rechtsschutzbegehren vor dem Verwaltungsgericht in Hannover blieb ohne Erfolg.
Auf seinen Antrag vom 07. Juli 1995 erhielt Herr G. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Neben Unterkunftskosten, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind, zahlte die Beklagte 287,50 DM an Hilfe zum Lebensunterhalt vom 07. Juli bis 31. Juli 1995, 49.452,03 DM Krankenhilfe für einen Aufenthalt in der MHH vom 08. Oktober bis 13. Dezember 1995, 3.314,64 DM Hilfe zum Lebensunterhalt vom 22. Dezember 1995 bis zum 25. Oktober 1996 sowie Krankenhilfe im Jahr 1996 i.H.v. 2.052,11 DM für Zahnersatz und 53,20 DM für eine Brille. Im Oktober 1996 soll Herr G. nach Kanada weitergereist sein.
Bereits am 15. September 1995 hörte die Beklagte sowohl die Klägerin als auch den Sohn des Herrn G. wegen einer beabsichtigten Inanspruchnahme aus den Garantieerklärungen an. Nachdem die Botschaft in Islamabad am 12. Mai1996 erklärt hatte, dass ursächlich für die Visumerteilung die Garantieerklärung der Klägerin gewesen sei, zog die Beklagte diese nach einer nochmaligen Anhörung mit Bescheid vom 06. März 1997 zu den für Herrn G. aufgewandten Kosten in Höhe von insgesamt 55.159,48 DM heran. Nachdem die Beklagte die Vollstreckung aus diesem Bescheid betrieben hatte, wandte sich die Klägerin an den Oberbürgermeister der Beklagten und machte geltend, sie werde rechtswidrig mit Vollstreckungsmaßnahmen überzogen, denn sie habe bereits am 18. März 1997 gegen den Heranziehungsbescheid Widerspruch eingelegt. Nachdem dieser Widerspruch bei der Beklagten nicht auffindbar war, wies die Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1997 den Widerspruch, als den sie das Schreiben der Klägerin vom 17. Juli 1997 gewertet hatte, als verspätet und damit unzulässig zurück. Die hiergegen - verspätet - erhobene Klage (VG Hannover, Az. 3 A 7145/97) nahm die Klägerin zurück, nachdem sich die Beklagte verpflichtet hatte, aus dem Bescheid vom 06. März 1997 bis zu einer noch ausstehenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in einer ähnlichen Sache nicht zu vollstrecken und auch erst dann über den zwischenzeitlich mit Schreiben vom 26. März 1998 gestellten Antrag der Klägerin auf Rücknahme des Bescheides zu entscheiden.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht in dem abgewarteten Verfahren entschieden hatte (Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 33.97-, BVerwGE 108, 1[BVerwG 24.11.1998 - 1 C 33/97] = DVBl 1999, 537 = NVwZ 1999, 779 [BVerwG 24.11.1998 - 1 C 33/97]) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23. September 1999 die Rücknahme des Bescheides vom 06. März 1997 mit der Begründung ab, dieser sei zwar rechtswidrig, weil sie von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht Gebrauch gemacht habe. In der Sache sei die Entscheidung jedoch richtig gewesen, weil bei Ausübung des Ermessens wegen des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung eine andere Entscheidung nicht getroffen werden könne. Besondere sachliche oder persönliche Härten auf Seiten der Klägerin seien nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Auswahl zwischen den beiden Garantiegebern sei es ausschlaggebend gewesen, dass für die Visumserteilung durch die deutsche Botschaft in Islamabad nur die Erklärung der Klägerin maßgeblich gewesen sei.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 05. Oktober 1999 Widerspruch ein und führte aus, die Garantieerklärung könne nur dahin ausgelegt werden, dass sie für die Kosten des Aufenthalts nur im Umfang von 90 Tagen habe garantieren wollen. Wenn es Auslegungsdifferenzen hinsichtlich der Erklärung gäbe, so wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, sie auf das Haftungsrisiko hinzuweisen. Dies habe die Beklagte jedoch unterlassen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2000 wies die Bezirksregierung Hannover den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, die Erklärung sei zwar befristet gewesen, die Erklärung bleibe aber ungeachtet der Aufenthaltstitel anspruchsbegründend. Die Beklagte habe ihr Ermessen nun mit zutreffenden Gründen nachgeholt.
Die Klägerin hat am 02. Mai 2000 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Entscheidung der Bezirksregierung widerspreche dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wenn sie die Erklärung zwar als befristet betrachte, dies aber gleichzeitig für unbeachtlich halte. Sie habe sich nicht auf eine zeitlich unbestimmte Erklärung einlassen wollen, sondern für "einige Wochen" einen Aufenthalt ausschließlich zu Besuchszwecken ermöglichen wollen. Wenn die Beklagte von einer unbefristeten Erklärung ausgehe, hätte sie diesen Widerspruch damals aufklären und sie auf das nach ihrer - der Beklagten - Ansicht weiter gehende Haftungsrisiko hinweisen müssen. Die Beklagte könne zur teilweisen Abdeckung ihrer Forderung auf eine Sicherheitsleistung i.H.v. 150.000 Rs (pakistanische Rupien, nach Angaben des Sohnes von Herrn G. entspreche dies dem Wert von etwa 10.000 DM) zurückgreifen, die dieser bei der deutschen Botschaft in Islamabad vor der Visumerteilung hinterlegt habe.
Die Klägerin hat - sinngemäß - beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 23. September 1999 in der Form des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 30. März 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren gegen die Klägerin gerichteten Erstattungsbescheid vom 06. März 1997 zurückzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat daran festgehalten, dass die Erklärung der Klägerin eine zeitliche Begrenzung nicht enthalte. Eine Auslegung der Erklärung ergebe, dass sie sich unbegrenzt verpflichten wollte, denn sie habe sich bereit erklärt, die Kosten für die tatsächliche Aufenthaltsdauer zu tragen. Die Bitte, Herrn G. ein Visum für 90 Tage auszustellen, begrenze die Verpflichtung nicht. Die Klägerin habe die Verpflichtungserklärung ohne Abstimmung mit der Ausländerbehörde verfasst und direkt an die deutsche Botschaft in Islamabad versandt. Wenn die Klägerin sich nur für höchstens 90 Tage hätte verpflichten wollen, hätte sie diese Einschränkung in ihrer Verpflichtungserklärung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Nach Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Islamabad sei weder von Herrn G. noch dessen Sohn bei der Botschaft in Islamabad eine Kaution hinterlegt worden, das Visum sei am 14. Mai 1995 ohne Hinterlegung einer Sicherheitsleistung erteilt worden.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. Januar 2002 der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Beklagte verpflichtet, über den Antrag auf Aufhebung ihres Bescheides vom 06. März 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, soweit mit ihm Aufwendungen für Herrn G. nach dem 19. September 1995 geltend gemacht worden sind, und den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Der Heranziehungsbescheid vom 06. März 1997 sei rechtswidrig, soweit er die Klägerin in vollem Umfang der für Herrn G. gewährten Leistungen in Anspruch nehme. Die Verpflichtungserklärung sei zwar unbefristet gewesen und Aufklärungs- oder Hinweispflichten der Beklagten bei der Einforderung und/oder der Entgegennahme der Erklärung hätten in diesem Fall nicht bestanden, aber die Beklagte hätte sich bei ihrer Ermessensentscheidung nicht auf die Gesichtspunkte sparsamer Haushaltsführung und wirtschaftlicher Zumutbarkeit für die Klägerin beschränken dürfen. Die deutsche Botschaft in Islamabad und die Ausländerbehörde der Beklagten hätten ihre Zweifel am Rückkehrwillen des Herrn G. einerseits und die in der Einladung zum Ausdruck kommenden Vorstellungen der Klägerin vom Zweck der Reise andererseits zum Anlass nehmen müssen, bei der Entgegennahme der Verpflichtungserklärung vor Erteilung des Visums die Klägerin auf die Tragweite ihrer Einladung hinzuweisen. Die Frage, ob dies die Wirksamkeit der Erklärung berühre, sei nicht entscheidungserheblich, weil dieser Umstand bei der Ermessensausübung hätte berücksichtigt werden müssen. Auch die Ermessensentscheidung über die Frage, ob der Bescheid aufgehoben werden solle, sei schon wegen der vorgenannten Umstände fehlerhaft. Des Weiteren sei im Rahmen der Ermessenprüfung auch der Frage nachzugehen, ob der Sohn des Herrn G. nicht doch eine Kaution für den Vater gestellt habe. Eine Verpflichtung, den Bescheid vom 06. März 1997 vollständig aufzuheben, komme nicht in Betracht, weil die Klägerin ihre Leistungspflicht für die ersten drei Monate des Aufenthalts von Herrn G. stets anerkannt habe. Auch sei das Ermessen der Beklagten nicht dahingehend reduziert, dass hinsichtlich der weiteren Aufwendungen nur der Verzicht der Beklagten auf die Erstattung durch die Klägerin als rechtmäßig in Betracht komme.
Gegen dieses Urteil führt die Beklagte die mit Beschluss des Senates vom 09. September 2002 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassene Berufung, mit der sie vor allem geklärt wissen möchte, ob in diesem Fall eine Hinweis- und Aufklärungspflicht gegenüber der Klägerin bestanden hat. Eine solche Pflicht der Ausländerbehörde bestand nach Ansicht der Beklagten nicht, weil die Klägerin ihre Verpflichtungserklärung selbst formuliert und ohne Abstimmung mit der Behörde direkt an die deutsche Botschaft in Islamabad gesandt habe. Sie hätte sich an die Ausländerbehörde wenden können, um sich weiter gehend zu informieren oder den dortigen Vordruck zu verwenden. Die Klägerin sei nicht rechtsunkundig gewesen. Sie sei von Beruf Auslandskorrespondentin und zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags gewesen. Sie habe zuvor wiederholt Verpflichtungserklärungen abgegeben und sei deshalb in der Lage gewesen, die damit verbundenen möglichen finanziellen Auswirkungen abzuschätzen. Auch hätten die beteiligten Behörden einen Wissensvorsprung gegenüber der Klägerin nicht gehabt, denn ihr sei bekannt gewesen, dass zwei Anträge auf Erteilung eines Visums für Herrn G. abgelehnt worden waren, er in Pakistan als Flüchtling und sein Sohn in Hannover lebte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 29. Januar 2002 zu ändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als es sie verpflichtet, die Klägerin über einen Teilbetrag von mehr als 5112,92 Euro (entsprechend 10.000,-- DM) neu zu bescheiden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie habe sich vor Abgabe ihrer Erklärung mit der Beklagten ins Benehmen gesetzt und vereinbart, dass ihre Erklärung die gleichzeitige Verpflichtungserklärung des Sohnes von Herrn G. unterstützen und nur mit dieser gelten sollte. Beide Erklärungen unterschieden sich in ihrem wesentlichen Inhalt nicht. Sie habe ihre Verpflichtungserklärung von einem entsprechenden Formular der Beklagten abgeschrieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten der Ausländerstelle und des Sozialamts der Beklagten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet, weil die Beklagte die Rücknahme ihres Heranziehungsbescheides vom 06. März 1997 in dem noch zur Entscheidung des Senats gestellten Umfang zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 NdsVwVfG abgelehnt hat. Jener Bescheid war in der noch streitigen Höhe rechtmäßig, insbesondere, weil die Beklagte oder die deutsche Botschaft eine Hinweis- und Aufklärungspflicht nicht hatten.
1.
Rechtsgrundlage des Bescheides vom 06. März 1997 ist § 84 Abs. 1 Satz 1 AuslG (nunmehr § 68 AufenthG). Danach hat sämtliche öffentlichen Mittel für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu erstatten, wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt dieses Ausländers zu tragen.
Der von der Klägerin geschriebenen Verpflichtungserklärung lässt sich eine zeitliche Beschränkung auf die Geltungsdauer des Herrn G. erteilten Besuchervisums nicht entnehmen, weil sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat - ihre Kostenübernahmeerklärung zwar erkennen lässt, dass sie von einem drei Monate nicht überschreitenden Besuchsaufenthalt ausgehe, sie diese Vorstellung aber nicht eindeutig mit einer entsprechenden Einschränkung ihrer Haftung verbunden hat. Eine solche Einschränkung versteht sich auch nicht von selbst, denn angesichts des Umstandes, dass die deutsche Botschaft in Islamabad schon einmal die Erteilung eines Visums abgelehnt hatte, weil sie von einem wahrscheinlich beabsichtigten Daueraufenthalt des Herrn G. ausging, war nicht auszuschließen, dass eine ausdrücklich auf die ersten drei Monate des Aufenthalts befristete Kostenübernahmeverpflichtung nicht genügt hätte, eine positive Entscheidung zu erreichen.
Eine Begrenzung der Geltungsdauer der Verpflichtung ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG, weil § 84 Abs. 1 AuslG einen Zusammenhang mit Aufenthaltsgenehmigungen nicht herstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - 1 C 33.97 -, BVerwGE 108, 1 (9)[BVerwG 24.11.1998 - 1 C 33/97] = NVwZ 1999, 779 (780 f.) [BVerwG 24.11.1998 - BVerwG 1 C 33/97][BVerwG 24.11.1998 - 1 C 33/97]). Soweit die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Literatur kritisiert worden ist (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 84 AuslG Rn. 13; GK-AuslR, § 84 AuslG Rn. 11), dürfte der an § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG orientierten Auslegung mittlerweile dadurch der Boden entzogen sein, dass eine dem § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG entsprechende Vorschrift nicht in das AufenthGübernommen wurde, während § 68 AufenthG dem § 84 AuslG im Wesentlichen gleicht (vgl. GK-AufenthG, § 68 Rn. 17).
Die Verpflichtungserklärung der Klägerin vom 14. Dezember 1994 ist auch nicht deshalb als Grundlage für die Heranziehung hinsichtlich der nach drei Monaten entstandenen Aufwendungen ungeeignet, weil es vor ihrer Entgegennahme an einer umfassenden Information über die mit der Verpflichtungserklärung verbundenen möglichen finanziellen Auswirkungen fehlte (so aber Nds.OVG, Urt. v. 27.08.1998 - 11 L 492/97 -, NdsRpfl. 1999, 31 (33)).
§ 25 Satz 1 VwVfG, wonach die Behörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen soll, kann nach seinem Wortlaut auf die Erklärung einer Verpflichtung nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AuslG ebenso wenig unmittelbar angewendet werden wie Satz 2 dieser Vorschrift, weil die darin erwähnte Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten in der Regel nur auf Verlangen zu erfolgen braucht (HessVGH, Urt. v. 29.08.1997 - 10 UE 2030/95 -, InfAuslR 1998, 166 unter Hinweis auf BT-Drucks. 7/910, 49).
Die Bindung staatlicher Stellen an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gebietet eine intensive Hinweis- und Aufklärungspflicht ebenfalls nicht. Soweit sich der 11. Senat des Nds.OVG auf das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (a.a.O.) bezieht, war tragender Gedanke dieser Entscheidung, dass eine Verpflichtungserklärung gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 AuslG nur beschränkt auf die Dauer des vorgesehenen Aufenthalts verlangt werden dürfe. Dieser rechtliche Ansatz hat sich jedoch als unzutreffend herausgestellt (vgl. BVerwG a.a.O.).
Eine Hinweis- und Aufklärungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 28 Abs.1 GG). Das Sozialstaatsprinzip verlangt, dass die staatliche Gemeinschaft in der Regel Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu bewältigenden Schicksal entstanden sind und mehr oder weniger zufällig nur einzelne Bürger oder bestimmte Gruppen von ihnen getroffen haben (vgl. BVerfG, Urt. v. 22.11.2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. -, BVerfGE 102, 254 (298)). Dies trifft hier offensichtlich nicht zu. Vielmehr begehrt die Klägerin, die freiwillig eine Verpflichtung eingegangen ist, dass die daraus entstandene Belastung überwiegend von der Gemeinschaft getragen werden möge, obwohl die zuständigen Behörden das mit der Einreisegenehmigung für Herrn G. verbundene Risiko zu Lasten der Gemeinschaft gerade hatten vermeiden wollen (zum Gedanken der Risikoverteilung vgl. BVerwG, a.a.O., S. 20).
Abgesehen davon, dass sich eine Hinweis- und Aufklärungspflicht weder aus dem Gesetz noch aus der Verfassung begründen lässt, wäre sie insbesondere für die Botschaften, aber auch für die Ausländerbehörden in hohem Maße unpraktikabel. Die Botschaften müssten vor Erteilung eines Visums entweder selbst oder über Behörden in Deutschland eine entsprechende Aufklärung veranlassen, die auch noch aktenkundig zu machen wäre (vgl. HessVGH a.a.O.). Da nach der Rechtsprechung des Nds.OVG - 11. Senat - und des HessVGH der Verweis auf den Gesetzestext nicht genügen und die Aufklärung umfassend, sachgemäß und konkret sein soll, dürfte den Botschaften, die im Ausland weder die Angaben des sich Verpflichtenden überprüfen noch feststellen können, ob und in welchem Umfang gerade dieser Bürger weitere Aufklärung benötigt, eine von den Antragstellern gewünschte zügige Bearbeitung des Visumantrages unmöglich sein. Die Tatsachen, dass die Klägerin ihre Erklärung direkt an die deutsche Botschaft in Islamabad adressiert und dass sie auf ihren Abgeordneten-Status hingewiesen hat, ließen hingegen auf den Wunsch der Klägerin nach einer schnellen positiven Entscheidung schließen.
Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des § 84 AuslG für eine Inanspruchnahme der Klägerin liegen - jedenfalls in dem hier noch streitigen Umfang - unstreitig vor.
2.
Die Beklagte musste in dem Bescheid vom 06. März 1997 Ermessenserwägungen nicht anstellen. Dem Wortlaut des § 84 AuslG lässt sich nicht entnehmen, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung über die Inanspruchnahme und gegebenenfalls ihren Umfang zu treffen hat. Der Umstand, dass sie nicht ausnahmslos verpflichtet ist, einen Erstattungsanspruch geltend zu machen, eröffnet lediglich in atypischen Einzelfällen die Möglichkeit, im Wege des Ermessens über das Ob und Wie einer Rückforderung zu entscheiden (vgl. BVerwG, a.a.O., S. 9). In allen anderen Fällen ist der Verpflichtete heranzuziehen, ohne dass es dahin gehender Ermessenserwägungen bedürfte.
Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht einen atypischen, vertiefte Ermessenserwägungen erfordernden Fall angenommen. Insbesondere ist dieser hier nicht mit dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 1998 zu Grunde liegenden Sachverhalt vergleichbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Fälle als typisch beschrieben, in denen der Aufenthalt des Ausländers allein oder überwiegend private Gründe hat und dementsprechend der Lebensunterhalt billigerweise ausschließlich von privater Seite zu sichern ist. Anders sei es, wenn aufgrund einer politischen Leitentscheidung der obersten Landesbehörden und des Bundesministers des Inneren Bürgerkriegsflüchtlinge als Ausdruck der Solidarität aufgenommen würden (BVerwG, a.a.O., S. 19). Es liegt auf der Hand, dass die ungeachtet ihres damaligen öffentlichen Amtes private Entscheidung der Klägerin, Herrn G. die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, nicht vergleichbar ist mit einer politischen Leitentscheidung gemäß § 32 a AuslG. Der Einreisewunsch des Herrn G. hatte ausschließlich private Gründe und ist deshalb als typischer Fall einzuordnen. Die Klägerin kann auch nicht - die Beachtlichkeit eines solchen Argumentes unterstellt - geltend machen, innerfamiliären Zwängen ausgesetzt gewesen zu sein.
Auch die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe, die sich die Klägerin zu Eigen gemacht hat, lassen eine Bewertung als atypisch nicht zu. Zwar verneint das angefochtene Urteil eine allgemeine Hinweis- und Aufklärungspflicht der Beklagten, meint aber, dass hier Ausländerbehörde und Botschaft Erkenntnisse gehabt hätten, die der Klägerin mitzuteilen gewesen seien, wenn die öffentliche Hand den Haftungsanspruch nicht gefährden wollte.
Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin einen Informations- oder Beratungsbedarf nicht geltend gemacht hat. Soweit die Klägerin demgegenüber vorgetragen hat, sie habe sich "vor Abgabe ihrer Verpflichtungserklärung mit der Beklagten ins Benehmen" gesetzt, hat sie diesen Vortrag hinsichtlich des Gesprächspartners bei der Beklagten nicht konkretisiert. Den Verwaltungsakten ist ein solches Gespräch auch nicht zu entnehmen. Soweit die Klägerin zum Gesprächsinhalt angegeben hat, dass ihre Erklärung die gleichzeitige Verpflichtung des Sohnes von Herrn G. unterstützen und nur mit dieser gelten sollte, stützt der Akteninhalt dies nicht. Die an die deutsche Botschaft in Islamabad gerichtete Verpflichtungserklärung der Klägerin vom 14. Dezember 1994 enthielt eine solche einschränkende Verknüpfung oder Bedingung nicht. Dem Schreiben war eine Verpflichtungserklärung des Sohnes von Herrn G. nicht beigefügt. Die visumerteilende Stelle hatte demnach keine Kenntnis von dem angegebenen Vorbehalt, zumal die der Botschaft mit Schreiben vom 14. Februar 1995 übermittelte Zustimmung der Beklagten einen Hinweis auf die Verpflichtungserklärung des Sohnes nicht enthielt. Die Ausländerstelle der Beklagten wiederum hat die Verpflichtungserklärung des Sohnes auch nicht im Dezember 1994 und damit in zeitlichem Zusammenhang mit einem von der Klägerin angegebenen Gespräch gefordert, sondern erst, als die Botschaft mit Schreiben vom 05. Januar 1995 bei der Beklagten nach dem Aufenthaltsstatus des Sohnes und etwaigen Erkenntnissen, die gegen die Erteilung eines Besuchervisums sprächen, gefragt hatte. Die zuvor schon privatschriftlich verfasste und der Beklagten überreichte Verpflichtungserklärung des Sohnes von Herrn G. vom 26. April 1993 hatte der Beklagten offenbar ebenso wenig genügt wie der Botschaft. Die Beklagte hatte diese mit Telex vom 29. April 1993 von dem Vorliegen dieser Erklärung informiert. Die Botschaft hatte gleichwohl den Visumantrag des Herrn G. nicht zur Zustimmung übersandt, sondern mit Schreiben vom 06. Mai 1993 an die Beklagte eine positive Entscheidung erneut, diesmal mit Gründen, abgelehnt. Diese Gründe hatte die Beklagte mit Schreiben vom 07. Juni 1993 dem Sohn des Herrn G. mitgeteilt.
Anders als im angefochtenen Urteil zugrunde gelegt, hat die Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erster Instanz nicht behauptet, über die Versagungsgründe der Botschaft nicht informiert gewesen zu sein. Der im erstinstanzlichen Vortrag behauptete Mangel an Aufklärung hatte sich allein auf den zwischen den Beteiligten bestehenden Dissens über die zeitliche Reichweite der Verpflichtung bezogen, nicht hingegen auf die Prognose der fehlenden Rückkehrwilligkeit. Keine der beteiligten Stellen musste davon ausgehen, dass die Klägerin über die Einschätzung der Botschaft nicht informiert war. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch bestätigt, dass ihr die negative Einschätzung des Rückkehrwillens durch die Botschaft bekannt gewesen sei. Sie habe sich das Schreiben der Beklagten vom 07. Juni 1993 an den Sohn des Herrn G. aber nicht zeigen lassen. Deshalb sei ihr nicht bekannt gewesen, dass sich Herr G. einer medizinischen Behandlung habe unterziehen wollen. Der letztgenannte Umstand war jedoch nach Lage der Verwaltungsakten nicht ursächlich für den über drei Monate hinausgehenden Aufenthalt des Herrn G., denn während die dem zweiten Visumantrag beigefügte Bescheinigung des "Medizinischen Zentrums Al-Shafa" vom 06. April 1993 als behandlungsbedürftig eine chronische allergische Rhinitis angab, wurde Herr G. von Oktober bis Dezember 1995 in der Neurologischen Klinik (und nicht, wie bei Rhinitis zu erwarten, in der HNO-Klinik) der MHH behandelt. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, für sie sei nicht absehbar gewesen, dass Herr G. kurz nach seiner Einreise einen Asylantrag stellen würde, hatten weder die Botschaft noch die Beklagte entsprechende Erkenntnisse.
Selbst wenn die Klägerin über den Umfang des Risikos und die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich für Herrn G. einstehen zu müssen, nicht informiert gewesen wäre, könnte die Verantwortung dafür nicht der Beklagten mit der Folge zugeordnet werden, dass diese ihren Ersatzanspruch nicht in vollem Umfang geltend machen könnte. Sich die für eine persönliche Entscheidung notwendigen Informationen zu beschaffen hat der Klägerin oblegen. Eine Hinweis- und Aufklärungspflicht der Beklagten oder der Botschaft in dem vom Verwaltungsgericht geforderten Umfang würde bedeuten, dass sie gleichsam ungefragt Erkenntnisse oder Prognosen über Personen oder sie betreffende Umstände an Dritte weiterzugeben hätten, ohne dass es dafür eine Rechtsgrundlage gibt.
Andere Umstände, die diesen Fall als atypisch gegenüber dem Regelfall der Haftung gemäß § 84 AuslG kennzeichnen, sind nicht ersichtlich. Selbst wenn - wie die Klägerin mit der Klageschrift im Verfahren vor dem VG Hannover, Az. 3 A 7145/97, gemeint hat - die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, sie darüber zu informieren, dass Herr G. seinen Aufenthalt verlängert hat, ist auf das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 15. September 1995 zu verweisen. Dem konnte die Klägerin ohne weiteres entnehmen, dass nicht nur in den vergangenen Monaten, sondern auch zukünftig bei Bedürftigkeit weitere Leistungen erbracht werden müssten, obwohl das Visum wenige Tage später ablaufen würde und sie die Verpflichtungserklärung vor neun Monaten abgegeben hatte.
Auf die zwischen den Beteiligten unter Würdigung von Indizien schriftsätzlich erörterte Frage, ob die Klägerin genügend rechtskundig gewesen sei, als sie ihre Verpflichtungserklärung abgab, kommt es nicht an. Rechtsvorschriften gelten gleichermaßen für Rechtskundige wie auf diesem Gebiet Unwissende. Letztere haben vor Abgabe einseitig verpflichtender Erklärungen die Möglichkeit, sich die für notwendig gehaltenen Kenntnisse bei Rechtskundigen zu verschaffen, etwaige diesbezügliche Versäumnisse gehen regelmäßig zu ihren Lasten.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass selbst dann, wenn die Beklagte Ermessenserwägungen hätte anstellen müssen, die Berufung erfolgreich wäre. Die Erwägungen in dem Bescheid vom 06. März 1997 hat die Beklagte zwar in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht gemäß § 114 Satz 2 VwVfG nachholen können, weil jener Bescheid bestandskräftig ist. Anders liegt es aber bei dem hier angefochtenen Bescheid vom 23. September 1999 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2000, der Ermessenserwägungen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG enthielt. Diese hat die Beklagte in ihren Schriftsätzen zu diesem Verfahren ausreichend ergänzt, indem sie auf die von der Klägerin angeführten Argumente eingegangen ist. Soweit die Klägerin eine Begründung verlangt, weshalb die Beklagte nicht den Sohn des Herrn G. aus dessen Verpflichtungserklärung in Anspruch genommen hat, verweisen sowohl der Bescheid wie der Widerspruchsbescheid auf den Umstand, dass für die Erteilung des Visums an Herrn G. die Verpflichtungserklärung der Klägerin maßgeblich gewesen ist. Diese Begründung hätte der Senat als sachgerecht und willkürfrei gebilligt.
Im Hinblick auf die vom Sohn des Herrn G. behauptete Hinterlegung einer Sicherheit, deren Vorhandensein die deutsche Botschaft in Islamabad bestreitet, hat die Beklagte das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht angefochten.
Da der Senat den Bescheid der Beklagten vom 06. März 1997 für rechtmäßig hält, käme für eine Aufhebung nur ein Widerruf dieses Verwaltungsakts gemäß § 49 Abs. 1 VwVfG in Betracht. Die insoweit anzustellenden Erwägungen gleichen aber denen, die die Beklagte im Rahmen der Prüfung einer Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG angestellt hat, so dass eine Zurückweisung der Berufung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht kam.
Die Entscheidung hinsichtlich der neu zu bewertenden Kostenanteile der ersten Instanz ergibt sich aus § 155 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Beklagte hat das verwaltungsgerichtliche Urteil hinsichtlich eines Betrages von etwa einem Fünftel akzeptiert, der Senat bewertet wie das Verwaltungsgericht den geringeren Wert einer Neubescheidung gegenüber dem Aufhebungsantrag mit der Hälfte des Fünftels. Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Berufungsverfahrens folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 22.942,68 EUR (entspricht 44.871.98 DM - ursprüngliche Rückforderungssumme abzüglich 10.000 DM abzüglich im Juli 1995 geleisteter Hilfe zum Lebensunterhalt i.H.v. 287,50 DM -) festgesetzt (§ 13 Abs. 2 GKG a.F.).
Bremer
Mann