Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 07.09.2011, Az.: 11 A 2205/10

Haftung für den Lebensunterhalt; Lebensunterhalt; Verpflichtungserklärung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
07.09.2011
Aktenzeichen
11 A 2205/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45274
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Haftung für den Lebensunterhalt eines Ausländers nach § 68 AufenthG erstreckt sich grundsätzlich auch auf Zeiten der asylverfahrenrechtlichen Aufenthaltsgestattung. Sie erlischt aber für diesen Zeitraum rückwirkend, wenn der Ausländer als Asylberechtigter oder Flüchtling anerkannt wird.

2. Bestätigt der Erklärende bei Abgabe der Verpflichtungserklärung ausdrücklich, dass er aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse zu der Verpflichtung in der Lage ist, kann er der Behörde später nicht entgegenhalten, dass diese seine Leistungsfähigkeit nicht geprüft hat.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen zwei Bescheide, mit denen sie von der Beklagten auf die Erstattung von Leistungen in Anspruch genommen wird, die einer Frau …………………. nach dem AsylbLG gewährt wurden,.

Am 14. Januar 2009 beantragte die simbabwische Staatsangehörige …………………… bei der deutschen Botschaft in …….. ein Touristenvisum für die Zeit vom 17. Januar bis 14. Februar 2009. Hierfür lag eine Verpflichtungserklärung der Klägerin nach § 68 AufenthG vor, die am 17. Dezember 2009 gegenüber der Stadt ………. abgegeben worden war. Am 15. Januar 2009 wurde der Frau ………… das beantragte Visum erteilt. Frau …………….. reiste ins Bundesgebiet ein, verließ Deutschland aber nach Ablauf des Visums nicht, sondern beantragte am 10. März 2009 Asyl. Der Asylantrag wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 2. April 2009 abgelehnt. Hiergegen erhob Frau …………… Klage zum Verwaltungsgericht Braunschweig (7 A 116/09). Am 19. Mai 2009 wurde sie der Beklagten zur Wohnsitznahme zugewiesen; die Beklagte gewährte ihr Leistungen nach dem AsylbLG. Mit Urteil vom 7. Juli 2010 wies das Verwaltungsgericht Braunschweig die asylrechtliche Klage ab; das Urteil ist seit dem 17. August 2010 rechtskräftig. Anschließend tauchte Frau …………….. unter; die Beklagte hat sie am 1. Oktober 2010 nach unbekannt abgemeldet.

Nachdem sie von der Verpflichtungserklärung erfahren hatte, versuchte die Beklagte zunächst, Frau …………. auf Unterhaltsansprüche gegen die Klägerin zu verweisen. Frau ………………. äußerte sich daraufhin über ihre Verfahrensbevollmächtigten dahingehend, dass sie die Klägerin gar nicht kenne. Die Verpflichtungserklärung sei nur für das Visumsverfahren bestimmt gewesen und durch einen gemeinsamen Bekannten vermittelt worden. Die Beklagte wandte sich nun an die Klägerin. Diese erklärte, dass sie sich nur für einen circa vierwöchigen Besuchsaufenthalt der Frau …………… habe verpflichten wollen. Sie habe nicht gewusst, dass Frau …………….. anschließend in Deutschland geblieben ist und Asyl beantragt hat. Die Stadt …………. habe sie bei der Entgegennahme der Verpflichtungserklärung nicht darüber aufgeklärt, dass die Haftung auch in einem solchen Fall gelte. Die Stadt …………..habe auch nicht geprüft, ob sie finanziell ausreichend leistungsfähig ist. Sie sei damals schwanger gewesen und ihr Ehemann arbeitslos, so dass sie eine so weitreichende Haftung gar nicht erfüllen konnte.

Die Beklagte holte daraufhin bei der Stadt ………. eine Auskunft über die Umstände ein, unter denen die streitige Verpflichtungserklärung abgegeben wurde. Die Stadt ………… teilte mit Schreiben vom 7. Dezember 2009 mit, dass ihre Mitarbeiter potentielle Verpflichtungsgeber grundsätzlich über den Umfang der Verpflichtung und darüber, dass auch bei fehlendem Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit gehaftet wird, aufklären. Wie es sich im Fall der Klägerin konkret verhielt, könne aber nicht mehr nachvollzogen werden. Umfang und Dauer der Haftung ergäben sich aber aus dem Vordruck, den die Klägerin unterzeichnet hat. Dort heiße es eindeutig, dass die Haftung vom Beginn der Geltungsdauer des Visums bis zur Beendigung des Aufenthalts oder der Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen anderen Zweck gelten solle. Der Klägerin müsse die Bedeutung von Verpflichtungserklärungen außerdem schon deswegen bewusst gewesen sein, weil die streitige Erklärung die sechste Verpflichtungserklärung war, die sie bei der Stadt ………. abgegeben hat. Allein im Jahre 2008 habe sie vier solcher Erklärungen abgegeben.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2009 nahm die Beklagte die Klägerin auf Zahlung von 4.991,52 EUR in Anspruch, die die Beklagte in der Zeit vom 19. Mai 2009 bis 31. Dezember 2009 für Lebensunterhalt und Unterkunft der Frau ………… aufgewendet hat. Die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Bescheid lautete auf "Widerspruch".

Die Klägerin legte am 21. Januar 2010 Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen durch Wiederholung und Vertiefung der bereits im Verwaltungsverfahren geäußerten Einwände. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 19. April 2010 zurück. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, da die Stadt …………… die Klägerin ausreichend über Inhalt und Umfang der Verpflichtungserklärung informiert habe. Auch habe die Klägerin aufgrund der Vielzahl von Verpflichtungserklärungen, die sie schon vorher abgegeben hatte, wissen müssen, worauf sie sich einlässt.

Die Klägerin hat am 21. Mai 2010 Klage erhoben (11 A 2205/10). Die Klage wurde entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Widerspruchsbescheid zunächst beim Sozialgericht Oldenburg eingereicht. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 10. Juni 2010 an das Sozialgericht Münster verwiesen, das ihn wiederum mit Beschluss vom 20. Juli 2010 an das erkennende Gericht weiterverwiesen hat. Zur Begründung wiederholt und vertieft die Klägerin erneut ihr Vorbringen, dass sie nur für einen vierwöchigen Besuchsaufenthalt haften wollte, dass sie nicht hinreichend über Inhalt und Grenzen der Verpflichtungserklärung aufgeklärt worden sei und dass die Stadt ………... die Erklärung ohne Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit entgegen genommen habe. Sie sei auch jetzt nicht finanziell leistungsfähig.

Am 1. September 2010 erließ die Beklagte einen weiteren Kostenbescheid, mit dem sie die Klägerin auf 1.528 EUR für Leistungen, die der Frau …………… vom 1. Januar 2010 bis zum 31. August 2010 gewährt worden waren, in Anspruch nahm. Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung Widerspruch ein. Die Beklagte wies sie mit Schreiben vom 7. Dezember 2010 darauf hin, dass die Rechtsbehelfsbelehrung falsch sei, weil das Widerspruchsverfahren in Niedersachsen im Bereich der VwGO grundsätzlich abgeschafft ist. Daraufhin hat die Klägerin am 28. Dezember 2010 Klage beim erkennenden Gericht gegen den Bescheid vom 1. September 2010 erhoben (11 A 3484/10).

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. September 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ihr stehe gegen die Klägerin ein Anspruch aus § 68 Abs. 1 AufenthG auf Erstattung aller Mittel zu, die sie für den Lebensunterhalt der Frau …………… aufgewendet hat. Die Verpflichtungserklärung sei schriftlich abgegeben worden und hinreichend bestimmt gewesen. Sie sei so zu verstehen, dass sie vom Beginn der Geltungsdauer des Visums bis zur Ausreise der Frau …………….. gelte. Diese stehe ausdrücklich so im Erklärungsvordruck. Die Klägerin sei überdies in der Abgabe von Verpflichtungserklärungen erfahren gewesen. Sie habe sich aus freien Stücken verpflichtet und hätte daher selbst beurteilen müssen, wie sich die übernommene Haftung mit ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit verträgt. Eine Bonitätsprüfung durch die Behörden sei nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Verpflichtungserklärung sondern solle nur feststellen, ob die Erklärung für die Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels ausreicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klagen sind zulässig. Da die auf "Widerspruch" lautenden Rechtsbehelfsbelehrungen der angefochtenen Bescheide unrichtig waren (vgl. § 8a Nds. AGVwGO) galt insofern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO.

Die Klagen sind aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Beklagten steht aus § 68 Abs. 1 AufenthG ein Anspruch gegen die Klägerin auf Erstattung sämtlicher Mittel, die die Beklagte für den Lebensunterhalt der Frau Dhongijena einschließlich der Versorgung mit Wohnraum aufgewendet hat, zu. Diesen Anspruch kann die Beklagte durch Leistungsbescheid geltend machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 <182 f.>; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 33).

Eine wirksame Verpflichtungserklärung der Klägerin, die den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 19. Mai 2009 bis zum 31. August 2010 umfasst, liegt vor.

Die Verpflichtungserklärung erstreckte sich nicht nur auf den Geltungszeitraum des Touristenvisums der Frau …………… (17. Januar bis 14. Februar 2009). Der Geltungsdauer des Visums kommt keine entscheidende Bedeutung für die zeitliche Ausdehnung der Haftung des Verpflichtungsgebers zu. Denn die Verpflichtungserklärung soll einer Belastung der öffentlichen Kassen während des gesamten sich an die Einreise anschließenden Aufenthalts des Ausländers in Deutschland vorbeugen. Die Verpflichtung endet in der Regel erst mit dem Ende des Aufenthalts oder dann, wenn der ursprüngliche Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt und dies aufenthaltsrechtlich anerkannt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 <184>). Sie ist nur dann auf die Geltungsdauer des Besuchervisums, zu dessen Erteilung sie abgegeben wurde, beschränkt, wenn der Erklärende dies eindeutig zum Ausdruck gebracht hat. Eine solche Haftungsbeschränkung versteht sich nicht von selbst. Da es nicht ungewöhnlich ist, dass ein Ausländer nach Ablauf seines Besuchervisums einen Daueraufenthalt in Deutschland anstrebt, ist es für die Behörden bei der Entscheidung über ein Visum durchaus von Bedeutung, dass die Übernahme der Lebensunterhaltskosten auch für diesen Fall gesichert ist (ähnl. Nds. OVG, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 - InfAuslR 2005, 485 <486>; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 20). Ob es für den Verpflichtungsgeber absehbar war, dass der Ausländer nach seiner Einreise einen Asylantrag stellen wird, ist in diesem Zusammenhang irrelevant (Nds. OVG, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 - InfAuslR 2005, 485 <488>).

Eine besondere Haftungsbeschränkung kann der Verpflichtungserklärung der Klägerin nicht entnommen werden. Unter "Dauer der Verpflichtung" steht dort: "vom Beginn der voraussichtlichen Visumsgültigkeit [hier wurde Januar 2009 eingetragen] bis zur Beendigung des Aufenthalts des o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck". Damit war eindeutig eine über die Geltungsdauer des Visums hinausgehende Verpflichtung im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung gemeint.

Auch dass die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin von der Stadt ………. nicht geprüft wurde, als sie die Verpflichtungserklärung entgegen nahm, führt nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung, sondern hat allenfalls zur Folge, dass höhere Anforderungen an die Ermessensentscheidung der Beklagten, ob sie die Klägerin in Anspruch nehmen will, zu stellen sind (vgl. Dienelt, in: Renner, AuslR, 9. Aufl., § 68 Rn. 9; Funke-Kaiser; GK-AufenthG, § 68 Rn. 15; Nds. OVG, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 11 LC 88/06 -, juris; ähnl. BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 <187 ff.>; s. zum Ermessen näher unten). Anders wäre es möglicherweise, wenn die Klägerin sich bei der Abgabe der Verpflichtungserklärung in einer psychischen Zwangslage befunden hätte, so dass die Annahme der Erklärung durch die Stadt ……….. ohne vorherige Prüfung der Leistungsfähigkeit gegen die guten Sitten verstieß (vgl. Eberle, in: Storr u.a., Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 68 AufenthG Rn. 13; krit. zu dieser Rechtsfigur BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 <185 f.>). Hierfür gibt es aber keine Anhaltspunkte. Namentlich stand die Klägerin nicht in einer engen persönlichen oder verwandtschaftlichen Beziehung zu Frau ……………, aufgrund derer sie sich trotz Leistungsunfähigkeit sittlich zur Abgabe der Verpflichtungserklärung gezwungen gefühlt haben könnte (vgl. dazu auch Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 23 f.). Die beiden Frauen kannten sich nach ihren übereinstimmenden Angaben kaum.

Eine Verpflichtungserklärung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts außerdem unwirksam, wenn der Erklärende von vornherein erkennbar wirtschaftlich außerstande war, irgendeine Haftung zu übernehmen (vgl. Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 <187>). Auch dies ist hier aber nicht ersichtlich. Der Erklärungsvordruck, den die Klägerin unterschrieben hat, enthält ausdrücklich folgenden Passus: "Ich bestätige, zu der Verpflichtung aufgrund meiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein." Es ist ein treuwidriges "venire contra factum proprium", wenn die Klägerin den Behörden nun vorwirft, dass sie sich auf die Richtigkeit dieser Erklärung verlassen haben.

Und schließlich kann die Klägerin nicht einwenden, die Verpflichtungserklärung sei unwirksam, weil die Stadt …………. sie damals nicht ausreichend über den zeitlichen und inhaltlichen Umfang der Haftung aufgeklärt habe. Eine solche Aufklärungspflicht besteht nicht, wenn sich Inhalt und Umfang der Haftung schon hinreichend deutlich aus dem Text der Erklärung selbst ergeben (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 - InfAuslR 2005, 485 <486 f.>; a.A. wohl Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 14). Hier ist - wie oben ausgeführt - dem Erklärungstext eindeutig zu entnehmen, dass die Verpflichtungserklärung den gesamten Aufenthalt der Ausländerin in Deutschland auch über den Ablauf des Visums hinaus erfassen soll. Im Übrigen steht zur Überzeugung des Einzelrichters fest, dass die Klägerin von der Stadt ………… über Umfang und Dauer der Haftung informiert wurde. Dies ergibt sich aus folgenden Indizien:

In dem von der Klägerin unterschriebenen Erklärungsformular heißt es ausdrücklich:

"Ich wurde von der Ausländerbehörde/ Auslandsvertretung hingewiesen auf:

- den Umfang und die Dauer der Haftung und die Bindungswirkung dieser Verpflichtung."

Zwar ist das Erklärungsformular keine öffentliche Urkunde, die nach § 98 VwGO i.V.m. § 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis erbringt, dass eine solche Aufklärung tatsächlich stattgefunden hat (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 16. April 2008 - 11 A 5223/06 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Februar 2006, 11 S 1857/05 -, juris). Der Umstand, dass die Klägerin damals selbst bestätigt hat, hinreichend aufgeklärt worden zu sein, ist aber dennoch ein erhebliches Indiz in diese Richtung. Hinzu kommt, dass die Stadt Münster hat mitgeteilt, dass sie die Verpflichtungsgeber grundsätzlich über Inhalt und Umfang der Verpflichtungserklärungen aufkläre. Konkrete Anhaltspunkte, dass dies in ihrem Fall anders war, hat die Klägerin nicht vorgetragen; sie sind auch für das Gericht nicht ersichtlich. Des Weiteren war die Klägerin keineswegs unerfahren in der Abgabe von Verpflichtungserklärungen. Sie hatte vor der hier streitigen Erklärung schon fünf andere Erklärungen dieser Art in ……….. abgegeben, davon allein drei im Jahr 2008. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass sie entgegen der generellen Praxis der Stadt ……….. bei keinem dieser Anlässe über die Bedeutung einer solchen Erklärung aufgeklärt wurde.

Eine Verpflichtungserklärung verliert ihre Wirksamkeit allerdings, wenn der Ausländer in eine Position hineinwächst, in der er unabhängig von der Lebensunterhaltssicherung einen Anspruch auf Verlängerung oder Erteilung eines Aufenthaltstitels hat. Sie kann daher nicht mehr Grundlage eines Erstattungsanspruchs hinsichtlich solcher Mittel sein, die nach diesem Zeitpunkt aufgewendet wurden (VG Ansbach, Urteil vom 21. August 2008 - AN 5 K 08.01116 - juris Rn. 20; VG Köln, Urteil vom 12. Dezember 2008 - 5 K 3672/07 -, juris Rn. 28; VG Hannover, Urteil vom 20. November 2001 - 3 A 3320/01 -, InfAuslR 2002, 195 f.; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 5). Während des Zeitraums, für den die Klägerin hier in Anspruch genommen wird (19. Mai 2009 bis 31. August 2008), war der Aufenthalt der Frau ……………. in Deutschland (mit Ausnahme der letzten vierzehn Tage) gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unabhängig von der Lebensunterhaltssicherung gestattet. In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise vertreten, dass der Verpflichtungsgeber nicht für Zeiten eines asylverfahrensrechtlich gestatteten Aufenthalts hafte, weil auch die Gestattung ein von der Lebensunterhaltssicherung unabhängiges Aufenthaltsrecht sei (vgl. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 68 Rn. 21; VG Minden, Urteil vom 11. November 2002 - 11 K 1203/02 - juris Rn. 24; Bay. VGH, Urteil vom 3. März 1998 - 12 B 96.3002 -, juris Rn. 26). Teilweise wird dies aber anders gesehen, da die Aufenthaltsgestattung kein Aufenthaltstitel ist (vgl. Bay LSG, Beschluss vom 12. November 2008 - L 11 B 845/08 AY ER -, juris Rn. 28; im Ergebnis wohl ebenso, aber ohne ausdrücklich Auseinandersetzung mit dem Problem Nds. OVG, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 - InfAuslR 2005, 485 ff.).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts muss danach differenziert werden, ob der Asylantrag des Ausländers erfolgreich oder erfolglos ist. Der Vorschrift des § 55 Abs. 3 AsylVfG kann der Rechtsgedanke entnommen werden, dass die Zeit der asylverfahrensrechtlichen Aufenthaltsgestattung dann - aber auch nur dann - einem rechtmäßigen Aufenthalt gleichstehen soll, wenn der Antragsteller als Asylberechtigter oder Flüchtling anerkannt wird. Diesem Rechtsgedanken würde es widersprechen, wenn die Aufenthaltsgestattung schon als solche - also unabhängig vom Ausgang des Asylverfahrens - die Haftung des Verpflichtungsgebers erlöschen ließe. Eine solche Ansicht würde auch dem Schutzbedürfnis der öffentlichen Hand nicht hinreichend gerecht. Dass ein Ausländer nach Ablauf seines Visums versucht, den Aufenthalt in Deutschland durch einen Asylantrag zu verlängern, und der Staat in dieser Zeit für seinen Lebensunterhalt aufkommen muss, gehört zu den typischen Gefahren, die mit der Erteilung eines Touristenvisums verbunden sind. Es wäre widersinnig, wenn die Verpflichtungserklärung gerade in diesem Fall nicht gelten sollte. Daher kann die mit der Stellung eines Asylantrags verbundene Aufenthaltsgestattung noch nicht als solche zu einem Erlöschen der Haftung führen. Diese erlischt erst, wenn dem Ausländer die Asylberechtigung oder Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird und er einen Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG erhält, dann allerdings nach dem Rechtsgedanken des § 55 Abs. 3 AsylVfG rückwirkend auch für die Zeit der asylverfahrensrechtlichen Aufenthaltsgestattung. Ein bereits erlassener Kostenbescheid müsste dann wegen der rückwirkend eingetretenen Rechtswidrigkeit von Amts wegen nach § 48 VwVfG aufgehoben werden (vgl. auch Kopp/ Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 48 Rn. 57).

Da das Asylverfahren der Frau ……………… inzwischen bestandskräftig negativ abgeschlossen ist, steht fest, dass die Klägerin auch für den Lebensunterhalt während der Zeit des gestatteten Aufenthalts haften muss.

Damit haftet die Klägerin nach § 68 Abs. 1 AufenthG für sämtliche Mittel, die die Beklagte für den Lebensunterhalt der Frau …………….. aufgewendet hat und die nicht auf einer Beitragsleistung beruhen. Einwände gegen die Höhe der Forderung der Beklagten hat die Klägerin nicht erhoben. Auch das Gericht hat in dieser Hinsicht keine Bedenken.

Die Entscheidung der Beklagten, die Klägerin aus der Verpflichtungserklärung in Anspruch zu nehmen, war auch nicht ermessensfehlerhaft. Im Regelfall ist der Verpflichtete zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es Ermessenserwägungen bedarf. Nur in atypischen Fällen ist eine Ermessensentscheidung zu treffen. Ein Regelfall liegt vor, wenn die Voraussetzungen des Aufenthaltstitels einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte (BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 - InfAuslR 1999, 182 <188>). Ferner spricht für einen Regelfall, wenn der Aufenthalt des Ausländers in D ausschließlich privaten Zwecken dient (Nds. OVG, Urteil vom 20. Juli 2005 - 7 LB 182/02 -, InfAuslR 2005, 485 <487>). Allerdings kann gerade bei Verpflichtungserklärungen, die für einen Kurzaufenthalt zu Besuchszwecken abgegeben wurden, ein Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn die Behörde bei Entgegennahme der Erklärung die finanzielle Leistungsfähigkeit des Erklärenden nicht geprüft und insofern eine bewusste Risikoentscheidung getroffen hat (vgl. Dienelt, in: Renner. AuslR, 9. Aufl., § 68 Rn. 9; Funke-Kaiser; GK-AufenthG, § 68 Rn. 15; Nds. OVG, Beschluss vom 5. Juni 2007 - 11 LC 88/06 -, juris; ähnl. auch BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 1 C 33.97 -, InfAuslR 1999, 182 <187 ff.>).

Vorliegend ist ein Regelfall gegeben, in dem die Heranziehung der Klägerin keiner Ermessenserwägungen bedurfte. Der Aufenthalt der Frau …………… in Deutschland, zu dessen Ermöglichung die Erklärung abgegeben wurde, war ein rein privatnütziger Besuchsaufenthalt. Die Stadt ……….. hat bei der Entgegennahme der Verpflichtungserklärung auch keine bewusste Risikoentscheidung im Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin getroffen. Sie hat sich vielmehr auf die von der Klägerin unterschriebene Aussage im Erklärungsformular verlassen, in der die Klägerin ausdrücklich bestätigte, "zu der Verpflichtung aufgrund meiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein." Die Stadt ………… hatte auch keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an dieser Aussage. Die Klägerin gab im Erklärungsformular an, als Heilerziehungspflegerin berufstätig zu sein. Sie hatte schon mehrere Verpflichtungserklärungen abgegeben, mit denen es anscheinend noch nie zu Problemen gekommen war. Wenn die Klägerin nun behauptet, sie hätte die Mitarbeiter der Stadt ………… bei Abgabe der Verpflichtungserklärung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie finanziell nicht zu einer Haftung in der Lage sei, ist dies unglaubhaft. Dieser Vortrag widerspricht dem von der Klägerin unterschriebenen schriftlichen Erklärungstext, an dem sie sich festhalten lassen muss. Ferner handelt die Klägerin treuwidrig, wenn sie einwendet, die Stadt ……… habe ihre finanzielle Leistungsfähigkeit nicht nachgeprüft. Jemand, der seinem Gegenüber das Vorliegen eines bestimmten, in seinen eigenen Person liegenden Umstandes ausdrücklich schriftlich versichert, kann dem Erklärungsempfänger später nicht vorwerfen, dass dieser sich auf die Zusicherung verlassen hat. Sonst würde er Vorteile aus seinem eigenen unaufrichtigen Verhalten ziehen.

Die Klägerin wird durch die Heranziehung zu Kosten von insgesamt 6.519,52 EUR auch angesichts ihrer aktuellen finanziellen Verhältnisse nicht unzumutbar belastet, wenn man berücksichtigt, dass sie die Verpflichtung ohne jeden erkennbaren sittlichen oder moralischen Zwang aus freien Stücken und zu einem rein privaten Zweck einging. In welcher Höhe von der Klägerin nach ihren derzeitigen Verhältnissen Raten verlangt bzw. Vermögensgegenstände gepfändet werden können, ist im Einzelnen dem Vollstreckungsverfahren vorzubehalten. Für das Festsetzungsverfahren reicht es aus, dass die Diskrepanz zwischen Forderung und Vermögen nicht so exorbitant ist, dass eine Tilgung praktisch ausgeschlossen erscheint. Die Klägerin hat nach den Angaben im Prozesskostenhilfeantrag derzeit ein Bruttoeinkommen von 1.531,75 EUR plus Kindergeld für ein Kind. Sie hat ferner einen Ehemann. Dieser hat zwar derzeit kein eigenes Einkommen, das Gericht vermag aber nicht zu erkennen, wieso es ausgeschlossen sein sollte, dass er irgendwann in Zukunft Erwerbseinkommen erzielt. Somit erscheint es nicht von vornherein unmöglich, dass die Klägerin die Forderung der Beklagten zumindest in wesentlichen Teilen begleichen kann. Das Gericht verkennt nicht, dass dies mit erheblichen Belastungen verbunden sein wird. Dies fällt aber in den Verantwortungsbereich der Klägerin, die als geschäftfähige Erwachsene wissen musste, was sie tut, wenn sie trotz bescheidener finanzieller Verhältnisse mehrere Verpflichtungserklärungen zugunsten einreisewilliger Ausländer abgibt.