Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.07.2005, Az.: 12 ME 185/05

Anordnung; Fahrtenbuchauflage; Verkehrsverstoß; wesentlicher Verkehrsverstoß

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.07.2005
Aktenzeichen
12 ME 185/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50716
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.04.2005 - AZ: 2 B 15/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage kann nur bei einem Verkehrsverstoß von einigem Gewicht gerechtfertigt sein.

 2. Ein wesentlicher Verstoß in diesem Sinne ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Verkehrszuwiderhandlung nach der Anlage 13 zu § 40 FeV mit mindestens einem Punkt bewertet wird (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung d. Senats).

Gründe

1

Das Verwaltungsgericht hat mit dem angegriffenen Beschluss den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die am 25. Januar 2005 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO verfügte Auflage zum Führen eines Fahrtenbuches für das vom Antragsteller gehaltene Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen C. bzw. für ein entsprechendes Ersatzfahrzeug für die Dauer eines halben Jahres abgelehnt. Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

2

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seines Beschlusses ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid des Antragsgegners offensichtlich rechtmäßig sei. Mit dem Fahrzeug des Antragstellers sei am 21. Oktober 2004 um 11.49 Uhr in D. innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 22 km/h überschritten worden. Die Ermittlung des Fahrzeugführers sei nicht möglich gewesen. Die gegenüber dem Antragsteller angeordnete Maßnahme zum Führen eines Fahrtenbuches genüge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die der Anordnung zugrunde liegende Zuwiderhandlung stelle einen erheblichen Verkehrsverstoß dar, der auch im Falle einer erstmaligen/einmaligen Begehung regelmäßig eine Fahrtenbuchauflage rechtfertige. Deshalb sei es auch unerheblich, dass der Antragsteller bisher im Straßenverkehr nicht aufgefallen sei und ob bei dem Vorfall vom 21. Oktober 2004 andere Verkehrsteilnehmer gefährdet worden seien.

3

Die dagegen erhobenen Einwände des Antragstellers, die sich gegen die Ermessensausübung der Antragsgegnerin richten und auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, sind unbegründet.

4

Der Antragsteller macht - insoweit zutreffend - geltend, dass das Gewicht einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften anhand des Punktesystems nach der Anlage 13 zu § 40 FeV (vormals: Punktesystem nach § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 15 b StVZO) bemessen wird. Nicht überzeugend sind jedoch die vom Antragsteller daraus abgeleiteten Entscheidungsvorgaben. Danach soll bei einer erstmaligen Verkehrszuwiderhandlung, die nicht eine in das Verkehrszentralregister einzutragende Ordnungswidrigkeit darstelle, die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage nicht in Betracht kommen. Bei einer mit einem oder zwei Punkten zu bewertenden Ordnungswidrigkeit soll sie nach den Umständen des Einzelfalles in Betracht kommen, wobei die verfügende Behörde eine besondere Begründungslast treffe. Ab einem mit drei oder mehr Punkten zu bewertenden Verkehrsverstoß soll eine Fahrtenbuchauflage regelmäßig gerechtfertigt sein, auch bei einem erstmalig festgestellten Verstoß. Der Senat folgt diesem abgestuften System nicht. Soweit der Antragsteller sich hierzu auf frühere Rechtsprechung des OVG Münster beruft (Beschluss v. 14.3.1995 - 25 B 98/95 -, NJW 1995, 2242; Urteil v. 31.3.1995 - 25 A 2798/93 -, NJW 1995, 3335), ist diese noch im Hinblick auf das Punktesystem nach § 2 VwV zu § 15 b StVZO ergangen. Das OVG Münster hat seine frühere Rechtsprechung inzwischen ausdrücklich aufgegeben (vgl. Urteil v. 29.4.1999 - 8 A 699/97 -, NZV 1999, 439).

5

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist allerdings geklärt, dass nur ein Verkehrsverstoß von einigem Gewicht die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage rechtfertigen kann. Wird nur ein einmaliger, unwesentlicher Verstoß festgestellt, der sich weder verkehrsgefährdend auswirken kann noch Rückschlüsse auf die charakterliche Unzuverlässigkeit des Kraftfahrers zulässt, ist die Anordnung nicht gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil v. 13.10.1978 - 7 C 77.74 -, NJW 1979, 1054; Urteil v. 17.5.1999 - 11 C 12.94 -, NZV 1995, 460; Beschluss des Senats vom 15.10.2003 - 12 LA 416/03 -, NZV 2004, 431). Die Wesentlichkeit des Verstoßes hängt dabei nicht davon ab, ob dieser zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer geführt hat. Ein wesentlicher Verkehrsverstoß ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Verkehrszuwiderhandlung vom Verordnungsgeber mit mindestens einem Punkt bewertet wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 17.5.1995, a.a.O.; OVG Münster, Urteil v. 29.4.1999, a.a.O.; Beschluss des Senats vom 15.10.2003, a.a.O.). In einem solchen Fall bedarf es auch keiner besonderen Begründung im Sinne einer vertiefenden Darlegung von Besonderheiten, die den Verkehrsverstoß ausgezeichnet haben.

6

Der vorliegende Fall gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der mit dem Kraftfahrzeug des Antragstellers am 21. Oktober 2004 in D. begangene Verstoß - Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 22 km/h - stellt nach Ziff. 7 der Anlage 13 zu § 40 FeV eine mit einem Punkt zu bewertende Ordnungswidrigkeit dar, die gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 3 StVG im Falle ihrer rechtskräftigen Ahndung im Verkehrszentralregister zu erfassen gewesen wäre. Die angeordnete Dauer von einem halben Jahr für das Führen des Fahrtenbuches steht zu dem Verstoß nicht außer Verhältnis. Ob wegen der Innerörtlichkeit der Zuwiderhandlung auch eine längere Dauer hätte angeordnet werden können (vgl. dazu BVerwG, Urteil v. 13.10.1978 - 7 C 49.77 -, VkBl 1979, 209), kann hier dahinstehen.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nrn. 1.5, 46.13 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (i.d.F. vom 7./8. Juli 2004, NVwZ 2004, 1327), wonach im Verfahren zur Hauptsache ein Wert von 400,--EUR je Monat der angeordneten Führung des Fahrtenbuches anzusetzen wäre. Der sich daraus ergebende Betrag von 2.400,--EUR ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.