Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.07.2005, Az.: 12 ME 221/05

Ablaufhemmung; Tilgungsfrist

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.07.2005
Aktenzeichen
12 ME 221/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50717
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 19.05.2005 - AZ: 1 B 809/05

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die nach § 4 Abs. 7 Satz 2 1. Alt. StVG von Gesetzes wegen sofort vollziehbare Anordnung zur Teilnahme an einem Aufbauseminar, die der Antragsgegner mit Bescheid vom 19. April 2005 getroffen hat, abgelehnt worden ist, bleibt erfolglos. Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts unterliegt unter den Gesichtspunkten, auf die sich die Antragstellerin in der Begründung ihrer Beschwerde beruft und auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, keinen Bedenken.

2

Das Verwaltungsgericht hat die von dem Antragsgegner auf der Grundlage des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 8 StVG erlassene Anordnung als offensichtlich rechtmäßig erachtet und es dementsprechend abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 19. April 2005 erhobenen Klage zum Aktenzeichen 1 A 808/05 des Verwaltungsgerichts anzuordnen. Der Antragsgegner habe die angefochtene Verfügung zu Recht darauf gestützt, dass die in dem Verkehrszentralregister über die Antragstellerin vorhandenen Eintragungen mit 15 Punkten zu bewerten seien. Dabei hat das Verwaltungsgericht entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf abgestellt, dass für die Antragstellerin, nachdem ihr ihre mit Verfügung des Antragsgegners vom 28. Mai 1999 entzogene Fahrerlaubnis im Frühjahr 2000 wiedererteilt worden war, fünf mit jeweils 3 Punkten bewertete Eintragungen im Verkehrszentralregister erfolgt sind, die jeweils Bußgeldbescheide wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen betreffen. Das Verwaltungsgericht hat weiter ausgeführt, die Antragstellerin mache zu Unrecht geltend, dass drei der genannten Eintragungen im Verkehrszentralregister - betreffend Geschwindigkeitsüberschreitungen vom 4. September 2000 sowie 18. Januar und 3. August 2002 - hätten getilgt werden müssen, weil der Bußgeldbescheid des Landkreises D. vom 12. September 2002, der die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 3. August 2002 ahnde, am 2. Oktober 2002 unanfechtbar geworden sei und die darauf folgenden zwei - zusammen mit 6 Punkten bewerteten - Geschwindigkeitsverstöße nicht innerhalb der zweijährigen Tilgungsfrist zu Buche geschlagen seien. Denn die Antragstellerin habe die nächste bußgeldbewehrte Geschwindigkeitsüberschreitung am 1. Oktober 2004 und damit vor Ablauf der zweijährigen Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StVG für den am 2. Oktober 2002 unanfechtbar gewordenen Bußgeldbescheid des Landkreises D. vom 12. September 2002 begangen.

3

Die Antragstellerin rügt in der Begründung ihrer Beschwerde zu Recht, dass die Anwendung der Tilgungsvorschriften des § 29 Abs. 4 , 6 und 7 StVG durch das Verwaltungsgericht zwar der seit dem 1. Februar 2005 geltenden Fassung der Regelungen, die diese durch die Art. 11 und 14 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl. S. 2198, 2300) gefunden haben, nicht aber dem auf den vorliegenden Fall anwendbaren vorherigen Rechtszustand entspricht. Nach der hier anwendbaren alten Fassung des § 29 Abs. 4 StVG begann nicht nur die Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 StVG, sondern auch die Ablaufhemmung nach § 29 Abs. 6 StVG bei verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen mit dem Tag ihrer Unanfechtbarkeit. Der Bußgeldbescheid des Antragsgegners vom 16. November 2004, der die von der Antragstellerin am 1. Oktober 2004 begangene Geschwindigkeitsüberschreitung ahndete, wurde erst am 3. Dezember 2004 unanfechtbar und hätte mithin für sich genommen die Tilgung der vorhergehenden Eintragungen nach § 29 Abs. 6 StVG a.F. nicht hindern können. Erst nach der seit dem 1. Februar 2005 in Kraft getretenen Neufassung der Tilgungsvorschriften kommt es für die Ablaufhemmung nach § 29 Abs. 6 Satz 2 StVG n. F. nicht mehr auf die Unanfechtbarkeit der entsprechenden Entscheidung, sondern darauf an, dass eine Tat vor dem Ablauf der Tilgungsfrist begangen wird und bis zum Ablauf der Überliegefrist des § 29 Abs. 7 StVG n.F. zu einer weiteren Eintragung führt. Durch die Neuregelung soll verhindert werden, dass Rechtsbehelfe nur zu dem Zweck eingelegt werden, das Verfahren hinauszuzögern und auf diese Weise die Tilgung von Eintragungen im Verkehrszentralregister zu erreichen bzw. Maßnahmen nach dem Punktesystem des § 4 StVG zu verhindern (vgl. aus den Gesetzesmaterialien: BT-DS 15/1508, S. 15, 36 f; BR-DS 378/03, S. 86 f.).

4

Die Beschwerde bleibt gleichwohl im Ergebnis ohne Erfolg. Dies folgt daraus, dass nach dem derzeitigen Sach- und Erkenntnisstand sowohl der Antragsgegner in seinem angefochtenen Bescheid als auch das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung verkannt haben, dass für die Antragstellerin neben den insgesamt fünf Geschwindigkeitsüberschreitungen, die sie seit Neuerteilung ihrer Fahrerlaubnis begangen hat, (u.a.) auch eine mit 6 Punkten bewertete Eintragung im Verkehrszentralregister erfasst (gewesen) ist, die eine Straftat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG betrifft, die die Antragstellerin am 17. Dezember 1999 begangen hat und die durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichtes E. vom 29. Februar 2000 mit einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,-- DM geahndet worden ist. Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a) , Abs. 4 Nr. 1 StVG lief die Tilgungsfrist für diese Eintragung erst im Februar 2005 ab und hinderte bis dahin gemäß § 29 Abs. 6 Satz 1 StVG die Tilgung der weiteren Eintragungen von Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten. Bevor die Eintragung wegen des Strafbefehls ihre tilgungshemmende Wirkung verlor, wurde eine solche dann durch den am 3. Dezember 2004 unanfechtbar gewordenen Bußgeldbescheid des Antragsgegners vom 16. November 2004 betreffend die Geschwindigkeitsüberschreitung vom 1. Oktober 2004 entfaltet.

5

Die Antragstellerin sollte nunmehr unverzüglich an einem Aufbauseminar teilnehmen, um so eine Entziehung ihrer Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 7 Satz 1 StVG zu vermeiden. Der Antragsgegner sollte ihr die Teilnahme durch eine angemessene Verlängerung der in dem Bescheid vom 19. April 2005 gesetzten Frist ermöglichen.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

7

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 46.16 und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

8

Aus den obigen Darlegungen folgt, dass der Antragstellerin die für das Beschwerdeverfahren begehrte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten nicht gewährt werden kann, da die nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht gegeben ist.