Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.05.2013, Az.: 13 K 89/12

Kosten für Erststudium als Werbungskosten

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
14.05.2013
Aktenzeichen
13 K 89/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 52211
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0514.13K89.12.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - AZ: VI R 48/13

Fundstellen

  • StBW 2014, 46
  • StX 2013, 758-759

Amtlicher Leitsatz

Kosten für Erststudium sind keine Werbungskosten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Aufwendungen für ein Erststudium Werbungskosten sind.

2

Die Klägerin ist Studentin der Tiermedizin. Sie studiert in Hannover. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2010 hat sie keine Einnahmen erklärt, aber die Aufwendungen für ihr Studium, ausbildungsbedingte Bahnfahrten, doppelte Haushaltsführung, Fachliteratur, Semesterbeiträge und Ähnliches als Werbungskosten angesetzt. Der Beklagte hat diese in der Höhe unstreitigen Aufwendungen als Sonderausgaben behandelt und die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt. Hierzu hat er sich auf den Wortlaut des § 12 Nr. 5 EStG. berufen.

3

Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin beruft sich auf die Rechtsprechung des 6. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH). Nach dieser Rechtsprechung können auch Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung trotz der Regelung in § 12 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) Werbungskosten sein. Es bestehe eine enge Verknüpfung zwischen Ausbildung und späterem Beruf. Da Werbungskosten vorrangig vor Sonderausgaben steuerlich zu behandeln seien, rechtfertige dies die Annahme, die Ausbildungskosten für ein Erststudium als Werbungskosten anzusetzen. § 12 Nr. 5 EStG könne diesen Veranlassungszusammenhang nicht außer Kraft setzen.

4

Die Klägerin beantragt,

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den angefochtenen Steuerbescheid vom 14. Juli 2011 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2012 aufzuheben und der Klägerin die geltend gemachten Aufwendungen (4.629,48 EUR) als vorweggenommene Werbungskosten anzuerkennen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

8

Der Beklagte weist auf den Wortlaut des § 12 Nr. 5 EStG und auf das Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz vom Dezember 2011 hin. Dort sei in § 4 Abs. 9 EStG und § 9 Abs. 6 EStG klargestellt, dass Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium keine Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten seien. Diese Regelungen gelten für Veranlagungszeiträume ab 2004, also auch für das Streitjahr.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Die Klägerin hat in den Streitjahren keine negativen Einkünfte erzielt. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für ihre erstmalige Ausbildung zur Tierärztin sind nicht als Werbungskosten i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit abzugsfähig, so dass keine Werbungskostenüberschüsse angefallen sind. Der Abzug der Aufwendungen der Klägerin für ihre erstmalige Berufsausbildung als Werbungskosten ist gem. § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG ausgeschlossen. Maßgeblich ist im Streitfall § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes. Die neue Regelung wurde im Bundesgesetzblatt vom 13. Dezember 2011 verkündet. Gemäß Art. 25 Abs. 4 des Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes trat sie am Tag nach ihrer Verkündung also 14. Dezember 2011 in Kraft. Sie sind daher im Streitfall anzuwenden, in dem am 15. März 2012 Klage erhoben wurde.

11

Nach § 9 Abs. 6 EStG sind Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Gemäß § 12 Nr. 5 EStG dürfen die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Dieses Abzugsverbot gilt ebenfalls nicht, wenn die Berufsausbildung oder das Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Die Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG i.d.F. des Streitjahres bis zu einem Betrag in Höhe von 4.000 EUR als Sonderausgaben begrenzt abzugsfähig. Diese Regelungen sind gem. Art. 2 Nr. 34 lit.d) des Beitreibungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden.

12

Die Klägerin hat ihre Ausbildung zur Tierärztin außerhalb eines Dienstverhältnisses absolviert. Die dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstandenen Aufwendungen hierfür sind daher nach §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG keine abziehbaren Werbungskosten.

13

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung bestehen nicht.

14

Dabei geht der Senat davon aus, dass trotz der Entscheidung des BFH vom 28.07.2011 (VI R 38/10, BStBl II 2012/561) bereits ab Geltung des § 12 Nr. 5 EStG der Werbungskostenabzug für Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für sein Erststudium ausgeschlossen ist. Der Wortlaut der Vorschrift des § 12 Nr. 5 EStG ist eindeutig. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, ebenfalls eindeutig, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 12 Nr. 5 EStG den Werbungskostenabzug für eine Erstausbildung ausschließen wollte.

15

In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass jedes erstmalige Studium unabhängig von vorangegangenen Berufsausbildungen im Wege des Sonderausgabenabzugs bis zu einem Betrag von 4.000 EUR steuerlich wirksam werden soll. Begründet wird diese Einschränkung damit, dass ein Erststudium eine neue berufliche soziale und wirtschaftliche Stellung eröffne und dass die dafür getätigten Aufwendungen typisierend den Lebensführungskosten zugerechnet werden (BT-Drucks. 15/3339 S.10). Der streitentscheidende Senat hat in seinem Urteil vom 15.05.2007 (13 K 570/06, EFG 2007, 1431 - 1433) den durch Einführung des § 12 Nr. 5 EStG vom Gesetzgeber gewollten Ausschluss des Werbungskostenabzug für ein Erststudium dargestellt und befand sich mit dieser Rechtsauffassung in Übereinstimmung mit den anderen Finanzgerichten (Nachweise zur Finanzgerichtsrechtsprechung: Urteil des FG Düsseldorf vom 14.12.2011, 14 K 4407/10 F; EFG 2012, 686 Rdz. 30). Diese klare gesetzgeberische Entscheidung, die von den Instanzgerichten einhellig als eindeutig angesehen wurde, kann nicht aufgrund eines Urteils des Bundesfinanzhofes ins Gegenteil verkehrt werden. Nur das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnis klare und eindeutige gesetzgeberische Regelungen zu verwerfen.

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Aber auch wenn dieser Rechtsansicht nicht gefolgt wird, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rückwirkung. Das Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des Urteils des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26.11.2012 (10 K 4245/11, EFG 2013, 433 - 435 Rz. 18 und 19) an. Dort hat das Finanzgericht Baden-Württemberg ausgeführt:

17

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ist zwischen echter und unechter Rückwirkung zu unterscheiden. Eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung entfaltet eine Rechtsnorm, wenn sie Rechtsfolgen für Zeiträume anordnet, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegen und abgeschlossen sind, sogenannte Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2009, 187; vom 7. Juli 2010 2 BvL14/02 u.a., Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 127, 1). Gesetze mit echter Rückwirkung, die die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändern, bedürfen mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (GG) einer besonderen Rechtfertigung. In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch verschiedene Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen werden darf (BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Insbesondere tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, zurück, wenn ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts nicht oder nicht mehr bestehen konnte (vgl. BVerfG-Urteil vom 23. November 1999 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239). Eine Änderung mit Rückwirkung ist auch dann zulässig, wenn die geltende Rechtslage, die durch die rückwirkend geltende Vorschrift geändert wurde, unklar und verworren war (BVerfG-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187; vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200; vom 17. Januar 1979 1 BvR 446/77, 1 BvR 1174/77, BVerfGE 50, 177 [BVerfG 17.01.1979 - 1 BvR 446/77]). Dem Gesetzgeber ist es unter Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes daher erst recht nicht verwehrt, rückwirkend eine Rechtslage festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (BVerfG-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187; vom 23. Januar 1990 1 BvL 4 bis 7/87, BVerfGE 81, 228). Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt sein mag, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält (BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, HFR 2009, 187). Treten belastende Rechtsfolgen einer Vorschrift erst nach ihrer Verkündung ein, werden aber tatbestandlich von einem schon verwirklichten Sachverhalt ausgelöst (tatbestandliche Rückanknüpfung), spricht man von einer unechten Rückwirkung, die nicht grundsätzlich unzulässig ist (BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 Bvl 14/02 u.a., BVerfGE 127, 1).

18

Im Streitfall handelt es sich - ausgehend von diesen Grundsätzen - um eine echte Rückwirkung, die aber ausnahmsweise verfassungsrechtlich zulässig ist, denn die Klägerin konnte gerade im Hinblick auf den klaren Gesetzeswillen und die dem Gesetzeswillen folgenden Entscheidungen der Instanzgerichte kein schützenwertes Vertrauen dahingehend bilden, dass die von ihr getätigten Aufwendungen für ihre Ausbildung als Werbungskosten abzugsfähig sind.

19

Die Klage ist folglich unbegründet und war mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

20

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.