Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.05.2013, Az.: 4 K 28/13
Abzugsfähigkeit von Altenteilsleistungen bei der Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs als Sonderausgaben
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.05.2013
- Aktenzeichen
- 4 K 28/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 57534
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2013:0508.4K28.13.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 08.07.2015 - AZ: X R 47/14
- FG Niedersachsen - 27.09.2017 - AZ: 4 K 318/15
Rechtsgrundlage
- § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG
Fundstellen
- DStR 2015, 6
- DStRE 2015, 584-585
- EFG 2014, 1788-1789
- EStB 2015, 65
- ZEV 2014, 628
- ZEV 2015, 467
Amtlicher Leitsatz
Bei der Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs gegen Versorgungsleistungen besteht die Vermutung, dass die daraus zu erzielenden Gewinne die Versorgungsleistungen auf Dauer decken.
Tatbestand
Streitig ist, ob Altenteilsleistungen als Sonderausgaben abgezogen werden können.
Der Kläger ist Eigentümer der im Grundbuch von ... eingetragenen landwirtschaftlichen Besitzung zur Größe von ... ha. Es handelt sich dabei um einen Hof im Sinne der Höfeordnung, den der Kläger mit Wirkung zum 1. ... 200... im Wege vorweggenommener Erbfolge von seinem Vater erworben hat. In dem Übergabevertrag wurde für den Übergeber ein lebenslängliches Altenteilsrecht vereinbart, das neben dem Recht auf freie Wohnung, Beköstigung sowie Hege und Pflege ein monatliches Baraltenteil von 400 € umfasst. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Hofübergabevertrag (nicht paginiert im Heftungsteil "Dauernde Last" Band II der Einkommensteuerakte) Bezug genommen. Bei Abschluss des Hofübergabevertrages war der Betrieb nicht verpachtet, sondern wurde von dem Eigentümer selbst bewirtschaftet.
In den Wirtschaftsjahren 2003/2004 bis 2010/2011 beliefen sich die von dem Kläger bzw. von seinem Vater durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelten Gewinne auf
2003/2004 | 2005/2006 | 2007/2008 | 2008/2009 | 2010/2011 | 2004/2005 | 2006/2007 | 2009/10 |
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./. 37.014 € | -20.057 € | ./. 9.878 € | 5.809 € | 2.680 € | ./. 9.891 € | ./. 2.286 € | 21.723 € |
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 begehrte der Kläger den Abzug der Baraltenteilsleistungen von 4.800 EUR als Sonderausgaben. Durch Einkommensteuerbescheid vom 26. Juni 2012 ließ der Beklagte (das Finanzamt - FA -) diese Aufwendungen unberücksichtigt.
Hiergegen legte der Kläger am 11. Juli 2012 Einspruch ein. Zu dessen Begründung führte er aus: Werde ein Unternehmen gegen wiederkehrende Leistungen im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragen, bestehe die nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass die Erträge zur Erbringung der wiederkehrenden Leistungen ausreichten. Außerdem habe er durch die seit der Betriebsübernahme erzielten Gewinnsteigerungen nachgewiesen, dass aus dem Betrieb ausreichend hohe Erträge zu erwarten seien. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass der übernommene Grundbesitz einen hohen Substanzwert aufweise.
Durch Einspruchsbescheid vom 30. Januar 2013 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus:
Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 16. September 2004 (BStBl. I 2004, 922) setze der Sonderausgabenabzug von Versorgungsleistungen als dauernde Last voraus, dass die wiederkehrenden Leistungen durch die Erträge des übernommenen Vermögens gedeckt würden. Dies sei der Fall, wenn nach den Verhältnissen im Übergabezeitpunkt der jährliche Durchschnittsertrag zur Erbringung der Altenteilsleistungen ausreiche. Die Regelung, dass bei der Übertragung von Betriebsvermögen grundsätzlich vom Vorhandensein einer ausreichend ertragsfähigen Wirtschaftseinheit ausgegangen werden könne, gelte nicht, wenn - wie im Streitfall - mehrjährige Verluste erwirtschaftet worden seien. Der Ertragsprognose könne der Nettoertrag des Übergabejahres sowie der beiden vorangegangenen Jahre zugrunde gelegt werden (Hinweis auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Mai 2003 GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95). Soweit die spätere tatsächliche Entwicklung einbezogen werde, könne nur ein überschaubarer Zeitraum berücksichtigt werden. Dieser umfasse in der Regel neben dem Übergabejahr nur die beiden folgenden Jahre (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 22/99, BStBl. II 2004, 1053). Im Streitjahr belaufe sich der Jahreswert der dauernden Last unter Berücksichtigung der Sachleistungen auf 7.773 €. Selbst unter Berücksichtigung des Nutzungswerts der Wohnung des Klägers in Höhe von 6.000 €/Jahr und unter Außerachtlassung der in die Gewinnermittlungen eingeflossenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) reiche weder der Durchschnittsgewinn der Jahre 2004 bis 2006 noch derjenige der Jahre 2006 bis 2008 zur Erbringung der vereinbarten Versorgungsleistungen aus.
Für den ersten Dreijahreszeitraum ergebe sich danach ein Durchschnittsertrag von ./. 8.207 € und für den zweiten ein Durchschnittsertrag von 2.411 €. Wegen der Ermittlung dieser Beträge wird auf die Berechnung auf Seite 4 des Einspruchsbescheids (Blatt 51 der Rechtsbehelfsakte "E 2010") Bezug genommen. Demgegenüber hätten sich die geschuldeten Versorgungsleistungen auf 7.773 € (2006), 7.807 € (2007 und 2008), 7.880 € (2009) und 7.953 € (2010) belaufen.
Die willkürliche Nichterbringung eines Teils der geschuldeten Leistungen sei für die Beurteilung des Streitfalls ohne Bedeutung. Da die Frage, ob die zu erwartenden Erträge zur Erbringung der wiederkehrenden Leistungen ausreichten, nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Vermögensübertragung zu beurteilen sei, könnten spätere Verbesserungen der Ertragslage ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen beruhe die Verbesserung der Ertragslage im Streitjahr auf der im Wirtschaftsjahr 2009/2010 erfolgten Betriebsumstellung.
Hiergegen richtet sich die am 6. Februar 2013 erhobene Klage, mit der der Kläger sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend führt er aus: Durch die Betriebsumstellung habe sich eine nachhaltige Ertragsverbesserung ergeben. Auch in den folgenden Wirtschaftsjahren seien Gewinne erzielt worden. In den Vorjahren sei nur das Baraltenteil als dauernde Last geltend gemacht worden sei, weil der Übergeber die geschuldete Vollbeköstigung nicht in Anspruch genommen habe. Im Streitjahr seien die Altenteilsleistungen in vollem Umfang erbracht worden. Dass auch für dieses Jahr zunächst nur die Baraltenteilsleistungen geltend gemacht worden seien, beruhe auf einem Büroversehen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2010 vom 26. Juni 2012 und des dazu ergangenen Einspruchsbescheids vom 30. Januar 2013 die Einkommensteuer auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung von Altenteilsleistungen in Höhe von 7.953 € ergibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er hält an der seinem Einspruchsbescheid zugrunde liegenden Beurteilung fest.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägers vom 4. März 2013 - Blatt 6 der Gerichtsakte - und Schriftsatz des FA vom 2. April 2013 - Blatt 11 der Gerichtsakte -).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die streitigen Altenteilsleistungen sind als Sonderausgaben abziehbar. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für den Streitfall maßgebenden Fassung sind auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, als Sonderausgaben abziehbar. Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last sind Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit einem Vermögensübergabevertrag vereinbart worden sind. Hierfür ist maßgeblich, dass die steuerrechtliche Rechtsprechung einen Übergabevertrag, in dem Versorgungsleistungen bedungen sind, seit jeher nicht als entgeltliches Veräußerungsgeschäft betrachtet hat (BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BStBl. II 1990, 847, unter C. II. 1. b). Die wiederkehrenden Leistungen dürfen sich damit nicht als Gegenleistung für das übertragene Vermögen darstellen. Dies setzt voraus, dass die erzielbaren Nettoerträge des überlassenen Wirtschaftsgutes im konkreten Fall - soweit bei überschlägiger Berechnung vorhersehbar - ausreichen, um die Versorgungsleistungen abzudecken. Der erzielbare Nettoertrag ist nicht notwendigerweise mit den steuerlichen Einkünften identisch. Der Große Senat des BFH geht davon aus, dass zu dessen Ermittlung den nach steuerlichen Regeln ermittelten Einkünften AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie außerordentliche Aufwendungen hinzuzurechnen sind (BFH-Beschluss in BStBl. II 2004, 95, unter C. II. 6 b aa). Darüber hinaus können auch Nutzungsvorteile (z.B. aus der unentgeltlichen Nutzung einer dem Übernehmer im Rahmen der Vermögensübertragung zugewendeten Wohnung) in die Ermittlung der Nettoerträge einbezogen werden (BFH-Beschluss in BStBl. II 2004, 95, unter C. II. 6 b bb).
Im Falle der Übertragung eines gewerblichen Unternehmens gegen wiederkehrende Bezüge im Zuge der vorweggenommenen Erbfolge besteht nach Ansicht des BFH eine nur in seltenen Ausnahmefällen widerlegliche Vermutung dafür, dass die Beteiligten im Zeitpunkt der Übertragung angenommen haben, der Betrieb werde auf die Dauer ausreichende Gewinne erwirtschaften, um die wiederkehrenden Leistungen abzudecken. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betrieb tatsächlich vom Erwerber fortgeführt wird. Gleiches gilt für die Übertragung von Unternehmen, mit denen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt werden, sowie für die Übertragung landwirtschaftlicher Betriebe (BFH-Beschluss in BStBl. II 2004, 95, unter C. II. 6. d bb).
Im Streitfall greift die bei Übertragung landwirtschaftlicher Betriebe bestehende Vermutung zugunsten des Klägers ein. Da der von seinem Vater übernommene Hof jedenfalls im Übergabezeitpunkt noch selbst bewirtschaftet wurde, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung der Verwaltung, dass die Beweiserleichterung nicht für ganz oder überwiegend verpachtete Betriebe gilt (Tz. 23 Satz 3 des BMF-Schreibens in BStBl. I 2004, 922).
Der Umstand, dass der Kläger erstmals im Wirtschaftsjahr 2008/2009 ein positives Betriebsergebnis erwirtschaften konnte, reicht nicht aus, die für das Vorhandensein einer ausreichend ertragbringenden Wirtschaftseinheit sprechende Vermutung zu widerlegen. Nach seiner Größe sowie seiner Eigenkapitalausstattung erschien der Betrieb im Zeitpunkt der Übergabe geeignet, Erträge in Höhe der dem Übergeber versprochenen Altenteilsleistungen zu erbringen. Die bis zum Wirtschaftsjahr 2007/2008 erwirtschafteten Verluste lassen keinen gegenteiligen Schluss zu. Es besteht die naheliegende Möglichkeit, dass diese auf alters- oder auch krankheitsbedingte Bewirtschaftungsmängel in der Person des Rechtsvorgängers zurückzuführen waren, die der Kläger nicht sofort in vollem Umfang korrigieren konnte. Seit dem Wirtschaftsjahr 2008/2009 wurden durchgängig Betriebsergebnisse erwirtschaftet, die unter Hinzurechnung des Nutzungsvorteils der von dem Kläger selbstgenutzten Wohnung sowie der AfA ausreichten, um die geschuldeten Altenteilsleistungen zu erbringen. Dass der besonders hohe Gewinn des Wirtschaftsjahres 2009/2010 auf einmalige Effekte aus der Betriebsumstellung zurückzuführen ist, ist ohne Bedeutung, weil auch in dem vorhergehenden und in dem nachfolgenden Wirtschaftsjahr ausreichende Erträge erwirtschaftet werden konnten.
Nach dem von dem FA nicht bestrittenen Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung wurden die geschuldeten Altenteilsleistungen im Streitjahr auch in voller Höhe erbracht. Dass der Übergeber die geschuldete Vollbeköstigung in den Vorjahren aus in seiner Person liegenden Gründen nicht in Anspruch genommen hat, ist nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung ohne Bedeutung; es lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die Erbringung der über das Baraltenteil hinausgehenden Leistungen zwischen den Beteiligten des Übergabevertrags nicht ernstlich beabsichtigt war und es daher insoweit an einer ernstgemeinten und rechtswirksamen Vereinbarung fehlt.
Die Einkommensteuer 2010 ist daher unter Änderung des angefochtenen Bescheids auf den Betrag herabzusetzen, der sich unter Berücksichtigung dauernder Lasten in Höhe von 7.953 € als Sonderausgaben ergibt (§ 100 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Berechnung der Steuer kann dem FA übertragen werden (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO). Die Kosten sind nach § 135 Abs. 1 FGO dem FA als dem unterlegenen Beteiligten aufzuerlegen. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 708 Nr. 10 und § 711 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 151 Abs. 1 und 3 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil dafür keine Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO ersichtlich sind.