Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.05.2013, Az.: 13 K 230/11
Geltendmachung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer durch Gesellschafter
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 14.05.2013
- Aktenzeichen
- 13 K 230/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 54403
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2013:0514.13K230.11.0A
Rechtsgrundlage
- § 4 Abs. 4 Nr. 6 Buchst. b) EStG
Fundstellen
- LGP 2014, 69
- MBP 2014, 73
- NWB 2014, 739
- NWB direkt 2014, 217
- PFB 2014, 88
- WISO-SteuerBrief 2014, 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Feststellungsverfahren für das Kalenderjahr 2009 um die Frage, ob für die Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers die Gesellschafter Sonderbetriebsausgaben geltend machen können.
Die Klägerin, eine GbR, bestehend aus den Gesellschaftern T., Jens H. und A., sämtlich wohnhaft in Bremen, betreibt in H., ein Dyskalkulie-Therapie-Zentrum. Ihren Gewinn ermittelt die Klägerin nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
Die angemietete Immobilie in H. besteht aus sieben Räumen, vier Therapieräume, ein Badezimmer, ein Kopierraum und ein Pausenraum.
Die Therapieräume werden von den drei Gesellschaftern und fünf weiteren Therapeuten genutzt.
In ihrer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das Kalenderjahr 2009 haben die Gesellschafter jeweils für die Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers Sonderbetriebsausgaben geltend gemacht. Das Finanzamt (FA) versagte den Sonderbetriebsausgabenabzug mit der Begründung, die Klägerin habe in Bremen einen gewerblich genutzten Raum für Bürotätigkeiten angemietet. Dieser Raum habe eine Größe von 16 m2. Laut Mietvertrag sei die Benutzung des WCs inklusive. Dort in Bremen stehe den Gesellschaftern für ihre berufliche Tätigkeit ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sodass ein Sonderausgabenabzug für die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers nicht möglich sei.
Gegen diese Kürzung wendet sich die Klägerin. Der in Bremen angemietete Raum habe lediglich eine Größe von 9 m2. Er habe lediglich zur Aufbewahrung von alten Gutachten und Abrechnungen gedient. Der Raum sei schon aufgrund seiner Größe nicht für Verwaltungsarbeiten geeignet. Computer seien dort nicht vorhanden.
Im Übrigen habe nur der Gesellschafter T. den Raum in Bremen genutzt, nicht die anderen Gesellschafter.
In H. habe kein Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden. Die Therapieräume seien an jedem Tag bei acht Therapeuten ständig belegt.
Die Klägerin beantragt,
den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid 2009 in der Art zu ändern, dass für die Gesellschafter jeweils 1.250 € an weiteren Sonderbetriebsausgaben abgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte meint, dass den Gesellschaftern in den Räumen in H. ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. Unabhängig davon habe aber in Bremen ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Die Gesellschafter können jeweils weitere Sonderbetriebs- ausgaben für die Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers in Höhe von 1.250 € beanspruchen.
Der Anspruch auf weitere Sonderbetriebsausgaben für die Nutzung der häuslichen Arbeitszimmer ergibt sich aus § 4 Abs. 4 Nr. 6b EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010. Hiernach sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bis zu einem Betrag von 1.250 € abziehbar, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.
Die Gesellschafter haben jeweils eigene häusliche Arbeitszimmer, in denen sie berufliche Arbeiten erledigen. Dies ist unstreitig.
Den Gesellschaftern stand auch kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, weder in den Räumen des Therapiezentrums in H. noch in dem angemieteten Raum in Bremen.
In H. stand den Gesellschaftern kein Arbeitsplatz zur Verfügung. Die sieben Geschäftsräume in H. wurden wie folgt genutzt. Vier Räume wurden als Therapieräume genutzt. Diese Räume waren ausweislich der eingereichten Fotografien und der Erklärungen des Gesellschafters T. in der mündlichen Verhandlung nicht büromäßig mit PC, Ablagemöglichkeiten, Telefon usw. ausgestattet. Die Erklärung des Gesellschafters T., dass eine solche büromäßige Ausstattung die Atmosphäre in den Therapiesitzungen und damit der Arbeit hätte beeinträchtigen können, begründet die nicht erfolgte büromäßige Ausstattung der Therapiezimmer plausibel. Im Übrigen waren die Therapieräume - jedenfalls ab mittags - regelmäßig von den Gesellschaftern und den weiteren Therapeuten genutzt, sodass eine Nutzung der Therapiezimmer zu Verwaltungsarbeiten nicht möglich war.
Die verbleibenden drei Funktionsräume - Wartezimmer, Pausenraum und Kopierraum - waren ebenfalls nicht für Verwaltungsarbeiten ausgestattet. Hinsichtlich des Wartezimmers ergibt sich dies aus der vorgelegten Fotografie des Wartezimmers. Die Ungeeignetheit des Kopierraums als Raum für Verwaltungsarbeit ergibt sich schon aus der Größe dieses Raumes von rund 6 m2.
Der Pausenraum ist schon von seiner Funktion - regelmäßiges Zusammentreffen aller Beschäftigten und Gesellschafter - nicht für Büroarbeiten geeignet. Zwar hat der Gesellschafter T. in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass anfänglich dort auch Akten gelagert waren; doch habe dies zu erheblichen Schwierigkeiten/Durcheinander geführt, sodass der Raum in Bremen angemietet worden sei. Zwar liegt für diesen Pausenraum kein Foto vor, doch hat der Gesellschafter T. erklärt, dass auch dieser Raum nicht büromäßig eingerichtet war und sich dort lediglich ein Telefonanschluss - der einzige Festanschluss des Therapiezentrums - befunden habe.
Der in Bremen angemietete Raum war ebenfalls nicht büromäßig eingerichtet. Dies hat der Gesellschafter T. glaubwürdig bekundet. Auch die Einrichtung des Raumes mit einem Tisch, zwei Stühlen und diversen Aktenschränken ohne Telefon und Computer legen nicht den Schluss nahe, dass es sich bei diesem Raum um einen Arbeitsplatz handelt. Dieser Raum war vielmehr ein Lagerraum für Akten und Unterlagen, der für die Gesellschafter, die jeweils in Bremen leben, die Möglichkeit bot, auf die archivierten Unterlagen zuzugreifen und mit diesen Unterlagen in ihrer Wohnung im dortigen Arbeitszimmer zu arbeiten. Hierfür spricht auch, dass die Gesellschafter jeweils von der Gesellschaft angeschaffte Computer weder in Bremen noch in H. aufgestellt waren, sondern jeweils in deren häuslichen Arbeitszimmern.
Zwar meint der Beklagte, dass es auf das Vorhandensein eines Arbeitsplatzes nicht entscheidend ankomme, wenn die Möglichkeit bestehe, einen Arbeitsplatz einzurichten. Das Gesetz gibt aber für diese Sichtweise keinen Anhaltspunkt. Denn in § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG steht eindeutig und klar, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur dann nicht abziehbar sind, wenn ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Es kommt also auf das Vorhandensein eines anderen Arbeitsplatzes an, nicht auf die Möglichkeit einen solchen einzurichten.
Mit Erfolg kann sich der Beklagte auch nicht auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 24. November 2011 - 11 K 1167/11; DStRE 213, 66 bis 77 - berufen. Denn im Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt war in dem vom Finanzgericht München entschiedenen Fall ein anderes Arbeitszimmer/Arbeitsplatz vorhanden. Der Kläger in jenem Verfahren konnte selbst bestimmen wie er die vorhandenen Arbeitszimmer/Arbeitsplätze wie nutzt. Er war nicht auf eine büromäßige Ausstattung des Arbeitsplatzes angewiesen. Aus persönlichen Gründen hat er es aber abgelehnt, die vorhandenen Räume zu nutzen. In jenem Verfahren ging es darum, ob es dem dortigen Kläger zumutbar ist, die vorhandenen Arbeitszimmers/Arbeitsplätze zu nutzen.
Vorliegend haben die Gesellschafter aber aus sachlichen Gründen weder den Raum in Bremen noch den Pausenraum in Hannover als Arbeitszimmer genutzt. Denn in diesen Räumlichkeiten befanden sich nicht die für ihre Arbeit notwendigen Büroausstattungen wie PC und Drucker und die sachlichen Mittel wie z. B. Literatur.
Die Auffassung des Beklagten auf die Spitze getrieben würde dazu führen, dass alleine ein freier Tisch und ein freier Stuhl ausreichen, um einen anderen Arbeitsplatz für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit zu bejahen. Denn durch tragbare Geräte wie ein Handy, einen Laptop und einen transportablen Drucker kann jederzeit die Möglichkeit eröffnet werden, mit einem Tisch und einem Stuhl einen Arbeitsplatz herzurichten.
Die Aufwendungen für die häuslichen Arbeitszimmer der Gesellschafter sind somit in der unstreitigen Höhe von 1.250 € als Sonderbetriebsausgaben abzusetzen. Soweit darüber hinaus höhere Aufwendungen geltend gemacht worden sind, ist die Klage unbegründet. Sie wird insoweit auch von den Klägern nicht weiter aufrechterhalten.
Der Senat hat dem Beklagten gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) die Umsetzung der Erhöhung der jeweiligen Sonderbetriebsausgaben übertragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).