Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.05.2013, Az.: 3 K 12050/12

Steuerliche Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder als Sonderabgaben

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
29.05.2013
Aktenzeichen
3 K 12050/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 44213
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0529.3K12050.12.0A

Fundstellen

  • DStR 2014, 6
  • DStRE 2014, 650-651
  • EFG 2013, 1494-1495
  • StX 2013, 660-661

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die VBL ist keine berufsständische Versorgungseinrichtung.

  2. 2.

    Der VBL-Beitrag ist kein Beitrag zu einer kapitalgedeckten Altersversorgung.

Tatbestand

1

Streitig ist die Frage, inwieweit Beiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Karlsruhe (VBL) als Sonderausgaben abgezogen werden können.

2

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist Rechtsanwalt und Steuerberater und erzielt als solcher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin ist als Chemielaborantin bei der H GmbH in B nichtselbständig tätig. Die Anteile an dieser GmbH halten die Bundesrepublik Deutschland zu 90%, das Land Niedersachsen zu 9% und das Saarland zu 1%. Die Beschäftigten der H GmbH sind neben der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarung bei der VBL zusatzversichert. Die Klägerin hat im Streitjahr 2006 Beiträge an die VBL in Höhe von 314,15 € geleistet.

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In ihrer Einkommensteuererklärung für 2006 gaben die Kläger Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 6.143,- € (Kläger) und 2.807,- € (Klägerin) und Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 6.143,- € (Kläger) und 2.491,- € (Klägerin), d.h. insgesamt 17.584,- €, Beiträge zur gesetzlichen Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, Kranken und Pflegeversicherung in Höhe von 2.048,- € (Kläger) und 2.982,- € (Klägerin), Beiträge zur freiwilligen Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, zu Erwerbs und Berufsunfähigkeitsversicherungen, Kranken und Pflegeversicherungen in Höhe von 2.420,- € (beide Kläger), Beiträge zur Unfall und Haftpflichtversicherung sowie Risikolebensversicherungen auf den Todesfall in Höhe von 1.045,- € (beide Kläger) sowie Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherungen mit mindestens zwölf Jahren Laufzeit und Laufzeitbeginn sowie erster Beitragszahlung vor dem 1. Januar 2005 in Höhe von 2.272,- € (beide Kläger) an. In dem Zahlenwert für den Beitrag der Klägerin zur gesetzlichen Rentenversicherung von 2.807,- € ist ihr VBL-Beitrag in Höhe von 314,15 € enthalten.

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Der Beklagte folgte dem in dem Einkommensteuerbescheid vom 3. September 2007, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, hinsichtlich des VBL-Beitrags nicht. Vielmehr berücksichtigte er den Arbeitnehmerbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung nur mit 2.491,- €, d. h. in derselben Höhe wie den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung. Insgesamt anerkannte der Beklagte Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 17.268,- €, die er - entsprechend der Regelung in § 10 Abs. 3 Sätze 4 und 6 EStG - mit 62% (= 10.707,- €) in Ansatz brachte. Nach Abzug der Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung verblieb ein Betrag von 2.074,- €. Die übrigen Versorgungsaufwendungen in Höhe von 10.495,- € zog der Beklagte mit dem Höchstbetrag von 3.000,- € ab, so dass sich für die abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen insgesamt ein Abzugsbetrag von 5.074,- € ergab.

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Mit Datum vom 7. April 2008 beantragten die Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheides 2006 gem. § 164 Abs. 2 AO. Dies begründeten sie damit, dass die VBL-Umlage in Höhe von 314,15 € nicht berücksichtigt worden sei. Darüber hinaus verwiesen die Kläger auf verschiedene damals beim Bundesfinanzhof (BFH) noch anhängige Klageverfahren.

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Der Beklagte lehnte die Änderung mit Bescheid vom 6. Mai 2008 ab, weil Beiträge zu Zusatzversorgungseinrichtungen seiner Auffassung nach nicht zu den Altersvorsorgeaufwendungen gehören würden. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein.

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Der Beklagte ließ das Einspruchsverfahren zunächst faktisch ruhen. Mit Schreiben vom 6. Januar 2011 nahm er die Bearbeitung des Einspruchs wieder auf. Dabei blieb er bei seiner Rechtsauffassung, dass die Beiträge zur VBL nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a) oder 2b) EStG abzugsfähig seien. Allenfalls könnten sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 3b) EStG berücksichtigungsfähig sei. Da der dafür vorgesehene Höchstbetrag in Höhe von 3.000,- € bereits ausgeschöpft sei, ergebe sich jedoch keine steuerliche Auswirkung.

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Die Kläger blieben hingegen bei ihrer bisherigen Rechtsauffassung. Sie erinnerten daneben daran, dass sie nicht über den Ausgang der von ihnen genannten BFH-Verfahren informiert worden wären. Mit Schreiben vom 23. Februar 2011 erläuterte der Beklagte, dass diese Revisionsverfahren inzwischen abgeschlossen seien, die jeweiligen Kläger jedoch Verfassungsbeschwerde erhoben hätten. Der Beklagte sei bereit, insoweit einen Vorläufigkeitsvermerk in die Bescheide aufzunehmen, womit die Kläger ihr Einverständnis erklärten. Ein entsprechender Änderungsbescheid ist jedoch zunächst nicht ergangen. Auch wurde der Einspruch von Seiten des Beklagten zunächst nicht weiter bearbeitet.

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Am 13. Februar 2012 erhoben die Kläger Untätigkeitsklage. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Beklagte auf Anregung des Gerichts mit Datum vom 22. März 2013 einen Einspruchsbescheid erlassen. Schließlich erging - wiederum auf Anregung des Gerichts - mit Datum vom 23. Mai 2013 ein Änderungsbescheid, durch den der Beklagte wie mit Schreiben vom 23. Februar 2011 angekündigt einen Vorläufigkeitsvermerk aufnahm.

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Mit ihrer Klage begehren die Kläger, die Beiträge der Klägerin zur VBL als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 a EStG, hilfsweise im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG anzuerkennen. Dem Wortlaut des Gesetzes sei eine Zuordnung der VBL-Umlage zu den Sonderausgaben des § 10 Abs. 1 Nr. 2 a EStG oder alternativ nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG weder positiv noch negativ eindeutig zu entnehmen; einschlägige Rechtsprechung existiere insoweit nicht. Die Kläger meinen jedoch, dass es sich nach Sinn und Zweck der Vorschriften bei der Zahlung des Arbeitnehmeranteils zur VBL-Umlage um Beiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung der Angestellten des öffentlichen Dienstes handeln würde.

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Bei der VBL handele es sich um eine Versorgungseinrichtung. Dies ergebe sich schon unmittelbar aus dem Namen Versorgungsanstalt. Nach § 2 der Satzung sei es Zweck der VBL, im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Das seien klassische Aufgaben einer Versorgungseinrichtung wie sie z. B. die gesetzliche Rentenversicherung, aber auch die Rechtsanwaltsversorgung anbiete. Bei den Bediensteten des öffentlichen Dienstes handele es sich schließlich auch um einen eigenen Berufsstand. Laut Duden sei ein Berufsstand eine Gruppe, der die Einzelnen ihrem Beruf entsprechend zugehörten.

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Geschichtlich ginge es bei den Versorgungseinrichtungen des Bundes und der Länder (VBL) darum, Zuschüsse zu der gesetzlichen Rente zu leisten, um die Ungleichbehandlung zwischen Beamten und nichtbeamteten Bediensteten im öffentlichen Dienst auszugleichen. Es handele sich deshalb bei den Leistungen aus der VBL mitnichten lediglich um eine Ergänzung bzw. Erhöhung der Altersversorgung, sondern sie würden seit der Gründung einen Bestandteil der Ersten Säule der Altersversorgung bilden. Indiz für die Zugehörigkeit zur Ersten Säule sei, dass bei der VBL ebenso wie bei anderen Trägern der Ersten Säule eine Versorgungsanwartschaft erst nach fünf Jahren erworben werde.

13

Entgegen der Rechtsmeinung des Beklagten könne bei der Auslegung des Begriffs der berufsständischen Versorgungseinrichtung nicht auf andere Gesetzesvorschriften, insbesondere nicht auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, zurückgegriffen werden. Der Gesetzgeber habe bewusst in den Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 2a) EStG keine Verweisung auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI aufgenommen.

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Hilfsweise seien die Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b) EStG abzuziehen. Die dagegen angeführten Argumente des Beklagten seien nicht überzeugend. Die Vorschrift verlange lediglich, dass die Beiträge des Steuerpflichtigen zum Aufbau einer eigenen kapitalgedeckten Altersversorgung genutzt würden. Auch wenn aufgrund der Veränderungen bei der VBL an der derzeit bestehenden Umlagefinanzierung zunächst weiter festgehalten werde, sei ein schrittweiser Einstieg in die Kapitaldeckung langfristig vorgesehen.

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Schließlich komme auch in Betracht, den Abzug analog zu § 10 Abs. 1 Nr. 2a) oder 2b) EStG zuzulassen.

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Die Kläger beantragen sinngemäß,

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unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 6. Mai 2008 und der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2013 und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides vom 23. Mai 2013 den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer nach einem um 314,15 € niedrigeren zu versteuernden Einkommen festzusetzen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte meint, dass die Beiträge zur VBL nicht als Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen abgezogen werden könnten. Bei berufsständischen Versorgungseinrichtungen im steuerlichen Sinne handele es sich um öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen für Beschäftigte und selbständig tätige Angehörige der kammerfähigen freien Berufe, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen würden. Die Mitgliedschaft in der berufsständischen Versorgungseinrichtung trete aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung per Aufnahme der betreffenden Berufstätigkeit ein. Gemeint seien auf landesrechtlichen Vorschriften beruhende Versorgungswerke von Ärzten, Apothekern, Architekten, Ingenieuren, Mitgliedern des nordrhein-westfälischen Landtags, Notaren, psychologischen Psychotherapeuten, Rechtsanwälten, Steuerberatern, Tierärzten, Wirtschaftsprüfern und Zahnärzten. Die VBL hingegen sei keine berufsständische Versorgungseinrichtung und der Beruf der Chemielaborantin gehöre nicht zu den kammerfähigen Berufen. Die Mitgliedschaft in der VBL trete aufgrund einer tarifvertraglichen Vereinbarung und nicht aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung ein. Daher führe die Mitgliedschaft in der VBL nicht zu einer Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Der Beklagte verweist insoweit auf zwei Entscheidungen des Niedersächsischen Finanzgerichts betreffend die gemeinsame Ausgleichskasse im Seelotsenwesen der Seelotsreviere vom 31. März 2010 4 K 168/08 und 4 K 268/08, EFG 2010, 1600[FG Niedersachsen 31.03.2010 - 4 K 168/08]. Danach würde der Begriff der berufsständischen Versorgungseinrichtung an die gesetzliche Begriffsbestimmung in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI anknüpfen. Nach dieser Vorschrift könnten Beschäftigte oder selbständig Tätige wegen der auf Gesetz beruhenden Verpflichtung der Mitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtung und der zugleich kraft Gesetzes bestehenden Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirken. Aus diesem Regelungszusammenhang ergebe sich, dass es sich bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen um Ersatzsysteme zur gesetzlichen Rentenversicherung handele. Um ein solches Ersatzsystem handele es sich bei der VBL jedoch nicht. Die von ihr gewährten Leistungen ergänzten die Zahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Mitgliedschaft in der VBL führe nicht zur Befreiung von der gesetzlichen Versicherungspflicht. Beteiligte der VBL seien im Übrigen auch nicht die Beschäftigten, sondern die Arbeitgeber.

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Nach einer Entscheidung des BFH betreffend die Einkommensgrenze beim Kindergeld seien die Zahlungen an die VBL nicht als Beiträge zu einer Pflichtversicherung anzuerkennen, denn die VBL-Versicherung beruhe nicht auf einer gesetzlichen Verpflichtung, sondern auf tarifvertraglichen Vereinbarungen. Diese Rechtsprechung bestätige die Auffassung, dass es sich nicht um eine Basisversorgung handele.

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Die Zahlungen an die VBL könnten auch nicht nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b) EStG als Sonderausgaben abgezogen werden. Danach könnten Beiträge zum Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung als Sonderausgaben berücksichtigt werden wie beispielsweise Beiträge für eine sogenannte Rürup-Rente. Die Leistungen der VBL würden hingegen nicht durch ein Kapitaldeckungsverfahren, sondern durch ein Umlageverfahren finanziert. Die laufenden Zahlungen würden aus laufenden Beiträgen bestritten. Zwar sei langfristig der Einstieg in die Kapitaldeckung vorgesehen, das entspreche aber noch nicht dem Rechtszustand des Streitjahres 2006. Schließlich setze der Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b) EStG eigene Beiträge des Arbeitnehmers voraus. Eigene Beiträge würden nur dann vorliegen, wenn Personenidentität zwischen Beitragszahler, der versicherten Person und dem Leistungsempfänger bestehe. Das sei hier nicht der Fall, da gemäß § 19 der Satzung der VBL Beteiligte nicht die Beschäftigten, sondern die Arbeitgeber seien.

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Die Verfahrensbeteiligten haben mit Schriftsätzen vom 16. März 2013 (Kläger) und (Beklagter) auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Die Beiträge an die VBL können weder gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2a) EStG, noch gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2b) EStG, noch analog zu diesen Rechtsvorschriften als Sonderausgaben abgezogen werden.

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1. Sonderausgaben sind gem. § 10 Nr. 2 b) EStG Beiträge des Steuerpflichtigen zum Aufbau einer eigenen kapitalgedeckten Altersversorgung, wenn der Vertrag nur die Zahlung einer monatlichen auf das Leben des Steuerpflichtigen bezogenen lebenslangen Leibrente nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder die ergänzende Absicherung des Eintritts der Berufsunfähigkeit, der verminderten Erwerbsfähigkeit oder von Hinterbliebenen vorsieht.

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Die Beiträge der Klägerin dienen nicht dem Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung. Die Verwaltung des Vermögens und der Verbindlichkeiten der VBL erfolgt nach § 59 der Satzung der VBL über gesonderte Abrechnungsverbände. Zwar werden der Abrechnungsverband Ost, der Abrechnungsverband Gegenwerte für ausgeschiedene Arbeitgeber und der Abrechnungsverband freiwillige Versicherung im Kapitaldeckungsverfahren finanziert (§ 59 Satz 5 der Satzung). Im Abrechnungsverband West hingegen werden die Mittel der VBL in der Pflichtversicherung aus Umlagen finanziert (§ 60 Abs. 1 der Satzung). Auch wenn Erwägungen bestehen, ebenfalls im Abrechnungsverband West das Kapitaldeckungsprinzip einzuführen, ist dieses nach dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung für den Veranlagungszeitraum 2006 nicht erheblich.

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Die Begünstigung des Abzugs von Beiträgen zu einer kapitalgedeckten Altersversorgung beruht auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass angesichts geringer Geburtenzahlen und steigender Lebenserwartung der Umstieg von einem Umlageverfahren zu einem von der demographischen Entwicklung unabhängigeren Kapitaldeckungsverfahren der Stabilisierung der Altersversorgungssysteme dient und damit im gesamtstaatlichen Interesse liegt. Ist dies aber der Zweck des Gesetzes, dann kommt eine analoge Anwendung der Rechtsnorm auf Beitragsleistungen an Altersversorgungseinrichtungen, die nicht dem Kapitaldeckungssystem unterliegen, nicht in Betracht.

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2. Die Beiträge an die VBL stellen auch keine Beiträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2a) EStG dar. Darunter fallen Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen oder landwirtschaftlichen Alterskassen sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen. Beiträge zu einer gesetzlichen Rentenversicherung können die VBL-Beiträge nicht sein, weil die Zahlungen nicht auf einer gesetzlich geregelten Versicherungspflicht, sondern auf tarifvertraglichen Vereinbarungen beruhen (§ 20 Abs. 1 der Satzung der VBL: zu versichern sind Beschäftigte, die nach dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu versichern wären; vgl. insoweit auch BFH vom 19. Mai 2011 III R 41/09, BFH/NV 2011, 1852 [BFH 19.05.2011 - III R 41/09]). Die VBL stellt aber auch keine berufsständische Versorgungseinrichtung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2a) 3. Alternative EStG dar. Der erkennende Senat folgt insoweit der Rechtsauffassung des 4. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts (Urteile vom 31. März 2010 4 K 168/08, EFG 2010, 1600; vom 31. März 2010 4 K 268/08, [...]), dass berufsständische Versorgungseinrichtungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2a) EStG nur solche Versorgungseinrichtungen sind, deren Mitgliedschaft zu einer Befreiung von der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung führen kann. Dass ist aber nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nur der Fall, wenn die Mitgliedschaft in der öffentlich-rechtlichen berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung beruht.

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Der Regelungszusammenhang, in dem diese Begriffsbestimmung des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI steht, spricht dafür, dass es sich bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen lediglich um Ersatzsysteme zur gesetzlichen Rentenversicherung handelt. Dieses Begriffsverständnis liegt auch § 10 Abs. 1 Nr. 2a) EStG zugrunde. Wenn die Rechtsnorm Beitragsleistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung, zur landwirtschaftlichen Alterskasse und zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen begünstigt, wohingegen andere Versorgungsleistungen vom Steuergesetzgeber nicht begünstigt werden, dann spricht der systematische Zusammenhang dafür, dass alle drei Versorgungseinrichtungen dem gleichartigen Versorgungssystem, und zwar der Grund- und Pflichtversicherung, dienen. Die VBL-Versicherung begründet hingegen eine gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzliche Absicherung (BFH Urteil vom 17. Juni 2010 III R 59/09, BStBl. II 2011, 121). Für eine Auslegung des Begriffs im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI spricht weiterhin die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die seit dem 1. Januar 2005 geltende Gesetzesfassung beruht auf Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG) vom 4. Juli 2007 (BGBl. I 2004, 1427). Nach den übereinstimmenden Gesetzentwürfen der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen (Bundestags-Drucksache 15/2150) und der Bundesregierung (Bundestags-Drucksachen 15/2563, 15/2592) sollte der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a) auf Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen und den landwirtschaftlichen Alterskassen beschränkt sein. Erst auf Vorschlag des Finanzausschusses wurden auch die Beiträge zu den berufsständischen Versorgungseinrichtungen in den Kreis der nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a) EStG abziehbaren Aufwendungen einbezogen. Maßgeblich hierfür war die Erwägung, dass die berufsständischen Versorgungseinrichtungen ein auf öffentlich-rechtlicher Grundlage beruhendes Ersatzsystem zur gesetzlichen Rentenversicherung darstellen (Bundestags-Drucksache 15/3004, 17). Soll nach § 10 Abs. 1 Nr. 2a) EStG aber nur die sog. "Erste Säule" der Altersversorgung begünstigt werden, dann kommt nach dem Gesetzeszweck eine analoge Anwendung auf vom Gesetz nicht genannte Versorgungseinrichtungen nicht in Betracht, die nicht Teil dieses Altersversorgungssystems sind.

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3. Es kann dahinstehen, ob die VBL-Beiträge zu den Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3b) EStG gehören, weil die Kläger den nach § 10 Abs. 4 EStG maximal abziehbaren Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen bereits durch andere Vorsorgeaufwendungen voll ausgeschöpft haben, so dass sich die VBL-Beiträge steuerlich nicht mehr auswirken würden.

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4. Der Senat macht abschließend auf einen wirtschaftlichen Aspekt aufmerksam: Die Finanzverwaltung behandelt den Sachverhalt insoweit konsequent, als sie in der Rentenphase die VBL-Renten als gem. § 22 Nr. 1 Satz 2 a) bb) EStG lediglich mit dem Ertragsanteil steuerpflichtige Leibrenten behandelt. Für die Klägerin würde sich einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren ein Ertragsanteil von lediglich 18 v.H. ergeben. Würden sich die Kläger mit ihrer Rechtsansicht durchsetzen, wäre für die 1965 geborene Klägerin die VBL-Rente hingegen bei einem Rentenbeginn im Jahre 2030 gem. § 22 Nr. 1 Satz 2 a) aa) EStG mit einem Besteuerungsanteil von 90 v.H. zu erfassen. Ob es für die Kläger ökonomisch sinnvoll ist, den Vorteil des unbeschränkten Sonderausgabenabzugs wegen der Bestandskraft der vorangehenden Steuerbescheide erst ab dem Streitjahr 2006 in Anspruch nehmen zu können, dafür aber den Nachteil der vollen Versteuerung der Rente in sämtlichen Rentenjahren in Kauf zu nehmen, mögen die Kläger für sich entscheiden.

33

Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.