Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 06.05.2013, Az.: 7 K 114/10

Verfassungswidrigkeit des Abzugs der zumutbaren Belastung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
06.05.2013
Aktenzeichen
7 K 114/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 55490
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2013:0506.7K114.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 29.09.2016 - AZ: III R 62/13

Fundstellen

  • DStR 2014, 6
  • DStRE 2014, 1428-1431
  • EFG 2014, 926-928

Amtlicher Leitsatz

Die Besteuerung Alleinerziehender verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

Der Abzug der zumutbaren Belastung ist nicht verfassungswidrig.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Besteuerung der Klägerin als Alleinerziehende verfassungswidrig ist. Ferner geht es um den Abzug der zumutbaren Belastung.

2

Die Klägerin erzielt als selbständig tätige Steuerberaterin mit eigener Praxis Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seit ... war sie verheiratet. Sie hat zwei ...und ... geborene Töchter, die mit ihr zusammen leben. Seit Mitte ... ist die Klägerin verwitwet. Die Klägerin und ihre Kinder erhielten in den Jahren ... und ab ... Versorgungsbezüge in eher geringer Höhe.

3

Im Veranlagungszeitraum 2008 veranlagte das Finanzamt (FA) die Klägerin einzeln zur Einkommensteuer. Es wandte also nicht die Splitting-Tabelle, sondern die Grundtabelle an.

4

Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom ... und in dem (gemäß § 164 Abs. 2 AO geringfügig geänderten) Bescheid vom ... setzte das FA die Einkommensteuer unter Zugrundelegung der Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) fest.

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...

6

Die von der Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr mit der Erläuterung "lt-Kto. ..." erklärten außergewöhnlichen Belastungen hakte das FA mit dem Vermerk "o.stl.A. nicht geprüft" ab und setzte sie im Einkommensteuerbescheid in der erklärten Höhe an. Nach Abzug der deutlich höheren zumutbaren Belastung wirkten sie sich steuerlich nicht aus. Für die beiden Kinder zog das FA die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG in gesetzlicher Höhe (gesamt € 11.616) ab und rechnete im Gegenzug der Einkommensteuer gemäß § 31 Satz 4 EStG das Kindergeld in Höhe von € 3.696 hinzu. Ferner zog es den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG in Höhe von € 1.308 ab. Das FA veranlagte die Klägerin einzeln zur Einkommensteuer unter Anwendung der Grundtabelle.

7

Im Einspruchsverfahren hiergegen machte die Klägerin geltend, ihre Besteuerung als Alleinerziehende sei verfassungswidrig. Der Einspruch richte sich gegen die Nichtgewährung des Splitting-Tarifs. Das steuerliche Ehegattensplitting in Deutschland sei ein antiquierter "Klassiker" der staatlichen Instrumente zur Förderung des männlichen Ernährermodells. Es fördere die nicht unterstützungsbedürftige kinderlose Ehe. Das dem Splitting-Verfahren zugrunde liegende Familienbild einer "intakten Durchschnittsehe" entspreche nicht mehr der gesellschaftlichen Realität.

8

Bei einem kinderlosen Ehepaar, bei dem einer der Ehepartner Einkünfte in der von ihr allein erzielten Höhe und der andere Ehepartner Einkünfte in Höhe von € 0 erzielt hätte, hätte die festgesetzte Einkommensteuer gesamt rund € 7.500 weniger betragen. Bei einem Ehepaar mit denselben Einkünften mit einem Kind (ebenfalls drei Personen) ergebe sich eine um gesamt rund € 7.700 niedrigere Steuer. Das kinderlose Ehepaar habe einen Grenzsteuersatz von rund 35 %, das Ehepaar mit einem Kind von rund 34 %, während sie einen Grenzsteuersatz von 42 % habe, mithin auf jeden mehr verdienten Euro 8,55 % (incl. Solidaritätszuschlag) mehr Steuer bezahlen müsse als ein Ehepaar mit einem Kind, welches sich Haus- und Erziehungsarbeit teilen könne, nur ein Kind statt zweien zu erziehen und zu betreuen habe und auch nur für ein Kind eine Ausbildung zu finanzieren habe. Sie werde dadurch in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 20 und Art. 6 Abs. 1 GG seien verletzt.

9

Mit Bescheid vom ... wies das FA den Einspruch zurück. Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob von Verfassungs wegen Alleinerziehenden mit Kindern das Splittingverfahren zu gewähren sei, sei durch ständige, bis in die jüngste Zeit bestätigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt. Die gesellschaftliche Entwicklung und die wachsende Zahl sogenannter Restfamilien mit Kindern führe zu keinem anderen Ergebnis.

10

Das Ehegattensplitting stelle eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG orientierte sachgerechte Besteuerung dar. Der Gleichheitssatz in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG gebiete es nicht, den Splittingvorteil auf Alleinerziehende auszudehnen. Zwischen Alleinerziehenden und ihren Kindern bestehe weder wirtschaftlich noch familienrechtlich eine Gemeinschaft des Erwerbs, die zu einer anteiligen Teilhabe am Familieneinkommen führe, sondern ein bloßes Unterhaltsverhältnis. Ebenso wenig komme für Alleinerziehende mit Kindern ein durch Art. 6 Abs. 1 GG zu schützendes Recht in Betracht, über die Aufgabenteilung partnerschaftlich zu entscheiden.

11

Das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 10.11.1998 (2 BvR 1057/91, 1226/91, 980/91, BVerfGE 99, 216, BStBl II 1999, 182) seine Entscheidung vom 03.11.1982 (1 BvR 620/78, 1335/78, 1104/79, 363/80, BVerfGE 61,319, BStBl II 1982, 717) modifiziert. Es gehe nunmehr davon aus, dass der Betreuungsbedarf eines Kindes generell die Leistungsfähigkeit der Eltern mindere und als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums einkommensteuerlich unbelastet bleiben müsse. Die Zusammenveranlagung setze eine Ehe, nicht hingegen einen kindbedingten Bedarf voraus.

12

Mit ihrer Klage macht die Klägerin unter Einführung einer zum Aktenzeichen III B 2/13 beim BFH eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde und eines Kurzgutachtens der Prof. Dr. Leisner-Egensperger "zum Verhältnis von Art. 3 Abs. 1 GG zu Art. 6 GG, insbesondere zur Ungleichbehandlung von sog. Halbfamilien und kinderlos Verheirateten bzw. der Ein-Kind-Familie" weiterhin geltend, ihre Besteuerung als Alleinerziehende sei verfassungswidrig im Verhältnis zur Besteuerung von Ehegatten mit oder ohne Kindern, die das Ehegattensplitting in Anspruch nehmen könnten. Dies gelte erst recht, wenn nach der Rechtsprechung des BVerfG möglicherweise auch für die eingetragene Lebenspartnerschaft die einkommensteuerliche Zusammenveranlagung erfolgen könne.

13

Durch die Förderung der Ehe (und ggf. der eingetragenen Lebenspartnerschaft) würden andere Lebensformen wie die Halbfamilie in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Dass eine Alleinerziehende mit zwei Kindern eine signifikant höhere Steuerlast zu tragen habe als der deutlich leistungsfähigere verheiratete Steuerpflichtige ohne Kinder, sei mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Art. 6 Abs. 1 GG schütze Ehe und Familie gleichermaßen.

14

Die Chancengleichheit für ihre Kinder werde verletzt. Da die Kinder zur Teilhabe am Einkommen berechtigt seien, würden ihre Ausbildungs- Berufs- und damit Lebenschancen vom verfügbaren Nettoeinkommen berührt. Nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz GG sei sie verpflichtet, Nachteile der Kinder aufgrund einfachgesetzlicher diskriminierender Regelungen abzuwehren. Aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 5 GG für uneheliche (bzw. nichteheliche) Kinder und dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG folge, dass Halbwaisen steuerlich nicht gegenüber Kindern mit beiden lebenden Eltern benachteiligt werden dürften.

15

Eine auf Dauer angelegte gegenseitige Einstandspflicht, eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs, und die partnerschaftlich zu treffenden Entscheidungen gälten im Verhältnis Eltern - Kinder mindestens ebenso wie in einer Ehe. Eltern und Kinder sowie Ehegatten seien einander in gleicher Weise zum angemessenen Unterhalt verpflichtet.

16

Die steuerlichen Unterschiede seien nicht zu rechtfertigen, wie ein Beispiel zeige: ein Alleinverdiener (40 Jahre alt) lebe mit einer Studentin (20 Jahre alt) in einem Haushalt zusammen, finanziere aufgrund seiner Unterhaltsverpflichtung das Studium und es bestehe kein Anspruch auf Bafög wegen seines Einkommens. Wären beide verheiratet, sei die Steuerlast des Alleinverdieners signifikant geringer, als wenn die Studentin die Tochter wäre. Überdies könnten im Ehefall die Studienkosten für das Erststudium steuerlich geltend gemacht werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

17

Es sei ganz überwiegend gesellschaftsrechtliche Realität, dass über die Zukunftsperspektiven der Kinder zwischen diesen und ihren Eltern partnerschaftlich entschieden werde, bei Alleinerzieherfamilien dann zwischen Kind und Vater/Mutter. Diese Entscheidung sei wirtschaftlich für die Familie von erheblicher Bedeutung und identisch mit der Frage, ob ein Ehepartner einer Erwerbstätigkeit nachgehe oder sich ausbilde oder den Haushalt führe.

18

Zudem stelle das Ehegattensplitting nicht darauf ab, ob im konkreten Fall überhaupt eine Gemeinschaft des Erwerbs und eine freibestimmte Aufgabenverteilung vorliege, denn es werde auch gewährt, wenn Ehegatten Gütertrennung vereinbart, mithin die Gemeinschaft des Erwerbs (weitgehend) ausgeschlossen hätten. Ebenso werde der Splittingvorteil gewährt, wenn ein Ehepartner zu einer Erwerbstätigkeit oder dem Führen eines Haushaltes gesundheitsbedingt nicht in der Lage sei und schon daher eine partnerschaftliche Aufgabenverteilung in freier Entscheidung nicht in Betracht komme. Zudem werde der Splittingvorteil als sachlich kaum begründbarer Eheschließungsbonus auch dann für das ganze Kalenderjahr gewährt, wenn die Ehe erst kurz vor Jahresende geschlossen werde.

19

Nach dem Beitrag in der Fachliteratur des Prof. Dr. Seeger (Der Betrieb, 01.02.2013, Heft 05, S. 1) liege der Grund für das Splitting in der gemeinsam bestehenden Fähigkeit, Kinder hervorzubringen. Bei vollzogener Reproduktion könne der Wegfall eines Reproduktionspartners kaum den Wegfall der steuerlichen Begünstigung rechtfertigen, erst recht, wenn der verbliebene Reproduktionspartner die real existierenden Reproduktionsergebnisse noch zu versorgen und die in Art. 6 Abs. 2 bis 5 GG verankerten Rechte und Pflichten wahrzunehmen bzw. zu erfüllen habe.

20

Nach dem Kurzgutachten sei der Fortbestand einer Ehe gegenüber einer verwitweten alleinerziehenden Steuerpflichtigen kein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht, dass er die Vorenthaltung des Splittingvorteils rechtfertige; die Ungleichbehandlung von Halbfamilien verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

21

...

22

Des Weiteren macht die Klägerin geltend, die von ihr im Streitjahr nachgewiesenen nicht bestrittenen außergewöhnlichen Belastungen für verschiedene Krankheitskosten in Höhe von ... seien vollständig ohne Reduzierung um die zumutbare Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Sie verweise auf die hierzu anhängigen Verfahren. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin hierzu eine Aufstellung von Aktenzeichen anhängiger Rechtsstreite sowie einen Ausdruck des Aufsatzes von Endrik Kosfeld "Zumutbare Belastung und Entscheidungen des BVerfG" übergeben.

23

Die Klägerin beantragt,

24

die Einkommensteuer 2008 unter Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von ... EUR sowie weiterer ... ohne Abzug einer zumutbaren Belastung als außergewöhnliche Belastung herabzusetzen, darüber hinaus die Einkommensteuer 2008 herabzusetzen, soweit die Klägerin gegenüber einem Alleinverdiener - Ehepaar, mit gleich hohem zu versteuerndem Einkommen benachteiligt wird.

25

Der Beklagte beantragt,

26

die Klage abzuweisen.

27

Er hält an seiner Auffassung fest und verweist auf den Einspruchsbescheid. Ergänzend weist er darauf hin, dass der BFH mit Beschluss vom 28. Januar 2005 (III B 97/04, BFH/NV 2005, 1050) dazu Stellung genommen habe, dass Aufwendungen für die Betreuung von Kindern nicht durch das auf einer anderen Grundlage beruhende und anderen Zwecken dienende Ehegattensplitting steuermindernd berücksichtigt werden könnten. Das BVerfG habe die gegen dieses Urteil eingereichte Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss vom 23. September 2005, 2 BvR 726/05, [...]). Zudem habe der BFH mit Beschluss vom 17. August 2004 (III B 121/03, BFH/NV 2005, 46 [BFH 17.08.2004 - III B 121/03]) entschieden, dass das Ehegattensplitting mit den Grundwerten des Familienrechts sowie mit Art. 6 Abs. 1 GG im Einklang stehe. Die Rechtsprechung zur einkommensteuerlichen Gleichstellung von Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sei mangels Vergleichbarkeit auf den Streitfall nicht anwendbar, denn die Gewährung des Splittingtarifs setze eine Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Partnern voraus. Als Exekutive sei die Finanzbehörde an die aktuelle Gesetzgebung gebunden.

28

...

29

Wegen des weiteren Sachverhaltes und Vorbringens wird auf den Inhalt der Steuerakten und der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auch im Verfahren wegen Aussetzung der Vollziehung (Aktenzeichen 7 V 4/12 des Niedersächsischen Finanzgerichts) und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

31

Das FA war gemäß § 85 Abgabenordnung (AO) verpflichtet, die Klägerin nach Maßgabe der Gesetze, d.h. nach den gesetzlichen Bestimmungen des EStG zur Einkommensteuer zu veranlagen. Die Einkommensteuerfestsetzung entspricht den Regelungen des EStG.

32

Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Im Streitfall hat das Gericht keine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht beschlossen, denn es ist nicht davon überzeugt, dass die Bestimmungen des EStG zur Besteuerung Alleinerziehender oder die Regelungen in § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 EStG zum Abzug der zumutbaren Belastung verfassungswidrig sind.

33

1. Prüfungsmaßstab für den Vergleich der steuerlichen Behandlung von alleinstehenden Eltern mit Kindern und Ehepaaren (mit oder ohne) Kindern ist in erster Linie Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere das aus dem Gleichheitssatz zu entnehmende Gebot der Steuergerechtigkeit, an das der Gesetzgeber gebunden ist; dabei sind die Wertentscheidung des GG zugunsten von Ehe und Familie sowie das Sozialstaatsprinzip zu beachten (so der BFH im Verfahren der Klägerin wegen Aussetzung der Vollziehung, Beschluss vom 17.10.2012, III B 68/12, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2013, 362, unter Hinweis auf BVerfG-Beschluss vom 17.10. 1984, 1 BvR 441/82, BVerfGE 68, 143 [BVerfG 17.10.1984 - 1 BvR 527/80], m.w.N.).

34

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, "wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz, der untersagt, Eltern oder alleinerziehende Elternteile gegenüber Kinderlosen schlechter zu stellen. Im Bereich des Einkommensteuerrechts wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit begrenzt. Insoweit darf der Staat auf die Mittel, die für den Unterhalt von Kindern unerlässlich sind, bei der Besteuerung nicht in gleicher Weise zugreifen wie auf Mittel, die der Bürger zur Befriedigung beliebiger anderer Bedürfnisse einsetzen kann. Der Gesetzgeber ist jedoch berechtigt, bei der steuerlichen Erfassung der Unterhaltsaufwendungen generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, soweit er diese realitätsgerecht am typischen Fall orientiert, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Zudem gebietet es das GG, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner unterhaltsberechtigten Familie steuerlich zu verschonen. Der existenznotwendige Bedarf bildet so die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer und ist in angemessener und realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freizustellen" (BFH-Beschluss vom 17.10.2012 III B 68/12 a.a.O.).

35

Das Gebot, wesentliches Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. "Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. ... Die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten ..." (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010, 1 BvR 611/07, 2464/07, BVerfGE 126, 400, m.w.N.).

36

Ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss der Besteuerung Alleinerziehender gegenüber Eheleuten (mit und ohne Kindern) liegt nicht vor, weil es sich um ungleiche Sachverhalte handelt. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die Halbfamilie gegenüber der Ehe (und ggf. der eingetragenen Lebenspartnerschaft) eine andere Lebensform darstellt. Dass sowohl Eheleute (mit oder ohne Kindern) als auch Alleinerziehende unter den Begriff der in Art. 6 GG geschützten "Familie" fallen, führt nicht dazu, dass beide Gruppen trotz bestehender Unterschiede steuerlich gleich behandelt werden müssten. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, eine Begünstigung für eine dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende Gruppe auf eine andere, ebenfalls dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfallende Gruppe auszudehnen, wenn zwischen den Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "ist Art. 6 Abs. 1 GG in seiner Funktion als Diskriminierungsverbot nicht einschlägig, wenn es um den Vergleich von Personengruppen geht, die gleichermaßen von Art. 6 Abs. 1 GG geschützt sind .... Das Bundesverfassungsgericht hat sogar entschieden, dass sich in solchen Fällen wegen der Gleichrangigkeit des durch das Grundgesetz gewährleisteten Schutzes gar keine besonderen Anforderungen an die Regelungsbefugnis des Gesetzgebers aus Art. 6 Abs. 1 GG herleiten lassen" (BVerfG-Beschluss vom 11.03.2010, 1 BvR 2909/08, [...], m.w.N.). "An einem unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG tauglichen Vergleichspaar fehlt es ..., wenn ... Familien unterschiedlicher Zusammensetzung im Verhältnis untereinander verglichen werden" (BFH-Urteil vom 24.07.1970, III R 4/68, BFHE 100,219, BStBl II 1970,859).

37

Zwischen Alleinerziehenden und Eheleuten (verheiratet oder geschieden mit Realsplitting, mit oder ohne Kindern) bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche steuerliche Behandlung rechtfertigen können.

38

Anders als die Klägerin meint, kann die partnerschaftliche Entscheidung über die Aufgabenverteilung in der Ehe nicht mit den zwischen Eltern und Kindern getroffenen Entscheidungen insbesondere über die Zukunftsperspektiven der Kinder gleichgestellt werden. Dass sich die Entscheidung der Eheleute an den jeweiligen Gegebenheiten (z.B. Gesundheitszustand, Arbeitsmarktchancen) orientiert, steht dem nicht entgegen. Eheleute haben nach §§ 1360, 1360 a BGB einen umfassenden Anspruch auf Teilhabe an dem gemeinsam erwirtschafteten Familieneinkommen; dies gilt auch im Fall einer von Ihnen (ebenfalls in freier Entscheidung) vereinbarten Gütertrennung. Bei Eheleuten ist dies während des Bestehens der Ehe auf Dauer angelegt. Dem trägt das Splitting-Verfahren Rechnung. Es gewährleistet unabhängig davon, ob Kinder in der Ehe vorhanden sind, dass es für die Einkommensteuerfestsetzung der Eheleute keinen Unterschied macht, wie die Eheleute die gemeinsame Einkommenserzielung unter sich aufteilen. Die dadurch gewährleistete Entscheidungsfreiheit ist nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich geschützt. Das Splitting-Verfahren ist nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG keine "Begünstigung", "sondern eine an dem Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG und an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehepaare (Art. 3 Abs. 1 GG) orientierte sachgerechte Besteuerung" die nicht beliebig veränderbar ist (z.B. BVerfG-Beschluss vom 28. Juni 1993 1 BvR 132/89, [...], BVerfG, Urteil vom 3. November 1982, 1 BvR 620/78 1335/78, 1104/79, 363/80, BVerfGE 61,319, BStBl II 1982, 717). Eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist - anders als Elternteil und Kind - gegenüber der Ehe ein gleicher Sachverhalt, weil für sie die gleichen Rechtsnormen wie für die Ehe, insbesondere im Bereich der Regelungen zur Gestaltung der partnerschaftlichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, des Unterhalts- und des Erbrechts, gelten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.06.2012, 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, 239 [BVerfG 19.06.2012 - 2 BvR 1397/09]). Nach einer Scheidung können die ehelichen Einstandspflichten fortwirken, was die Regelungen des Realsplittings rechtfertigt. Demgegenüber haben Kinder gegenüber ihren Eltern Anspruch auf altersgemäße Pflege und Erziehung, Betreuung und angemessenen Unterhalt. Sie sollen nicht gemeinschaftlich mit ihren Eltern das Familieneinkommen erwirtschaften, sondern sind lediglich nach Alter, Fähigkeiten und dergleichen zur Mithilfe verpflichtet (§ 1619 BGB). Typischerweise wachsen sie aus der Unterhaltspflicht heraus, wenn sie eine angemessene Ausbildung abgeschlossen haben. Daraus ergibt sich für das von der Klägerin angeführte Beispiel eines 40-jährigen, der mit einer 20-jährigen Studentin zusammenlebt, dass erhebliche Unterschiede in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht bestehen, je nachdem, ob beide verheiratet oder Elternteil und Tochter sind.

39

Da es sich um ungleiche Sachverhalte handelt, ist der Gesetzgeber befugt, diese steuerlich ungleich zu behandeln. Bei ungleichen Sachverhalten steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Er darf daher das Ehegatten-Splitting auf Eheleute (und mit ihnen gleichgelagerte Lebensformen wie die eingetragene Lebenspartnerschaft) begrenzen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2012 III B 68/12 a.a.O., m.w.N.). Dies beinhaltet auch die Gestaltungsfreiheit, bei einer Heirat im Laufe des Jahres das Splitting-Verfahren für den gesamten Veranlagungszeitraum zu ermöglichen.

40

Der Gesetzgeber hat sich hinsichtlich der Besteuerung von Ehe (und gleichgelagerter Lebenspartnerschaft) einerseits und der Berücksichtigung der Kinder andererseits für unterschiedliche Systeme entschieden. Von Verfassungs wegen ist er nur verpflichtet, das Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie freizustellen. Das darüber hinausgehende Einkommen darf der Besteuerung unterworfen werden. Ein Familiensplitting ist verfassungsrechtlich nicht geboten (vgl. BFH-Beschluss vom 28.02.2012, III B 115/10 BFH/NV 2012, 942, Beschluss vom 17.10.2012 III B 68/12 a.a.O.). Die derzeitigen gesetzlichen Regelungen sind daher nicht verfassungswidrig, auch wenn sie dazu führen können, dass (insbesondere gut verdienende) Alleinerziehende mit Kindern - im Streitfall eine Familie mit drei Personen - gegenüber einem zusammen veranlagten Ehepaar ohne oder mit einem Kind bei gleichem Familieneinkommen deutlich höhere Einkommensteuern zu zahlen haben und entsprechend über deutlich weniger Nettoeinkommen verfügen können, wie von der Klägerin in ihren Berechnungen dargelegt. Das Gericht kann nachvollziehen, dass die Klägerin die gesetzlichen Regelungen für ungerecht hält; sie sind jedoch nicht verfassungswidrig.

41

Nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen wird bei Eheleuten und Kindern in gleicher Weise das Existenzminimum durch den Abzug der Grund- bzw. Kinder- und Betreuungsfreibeträge steuerfrei gestellt. Daher liegt auch die von der Klägerin unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 5 GG angeführte Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder nicht vor. Zusätzlich berücksichtigt der Gesetzgeber die Mehrbelastungen Alleinerziehender durch den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende. Dass diese Freibeträge für das Streitjahr verfassungswidrig zu niedrig seien, ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich. Zu mehr ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet.

42

Über die Steuerfreistellung des Existenzminimums hinaus gewährleistet der Gesetzgeber durch das Splitting-Verfahren die verfassungsrechtlich geschützte Entscheidungsfreiheit der Eheleute, ihre ehelichen Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse ohne steuerliche Nachteile zu gestalten und nimmt in erheblichem Umfang entsprechend geringere Einkommensteuern in Kauf. Eine über die Abzugsmöglichkeit von Betreuungskosten hinausgehende vergleichbare Förderung der Entscheidungsfreiheit insbesondere für ältere Kinder - unabhängig davon, ob sie bei beiden oder nur einem Elternteil leben - fehlt. Für die auch von wirtschaftlichen Gesichtspunkten getragene Entscheidung, z.B. ob das Kind eine längerdauernde, ggf. auswärtige und teure Ausbildung (Studium) absolvieren kann oder besser schneller selbst Geld verdient, fehlen im Wesentlichen bis auf den sehr geringen Freibetrag für auswärtige Unterbringung über das Existenzminimum hinausgehende steuerliche Entlastungen. Diese unterschiedlichen Regelungen und die damit zum Ausdruck kommenden Wertungen liegen im Rahmen der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, weil es sich um ungleiche Sachverhalte handelt. Der Gesetzgeber hat trotz der im Hinblick auf das Generationenproblem gesellschaftlich erwünschten höheren Kinderzahl die systematisch unterschiedliche Berücksichtigung der ehelichen Lebensverhältnisse und der Lebensverhältnisse von Eltern (-teilen) mit Kindern nicht geändert.

43

Nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung obliegt es nicht dem Gericht, sondern ist es dem Gesetzgeber vorbehalten, die - politischen - Entscheidungen der steuerlichen Berücksichtigung der über das Existenzminimum hinausgehenden kindbedingten Aufwendungen zu treffen.

44

Wegen der weiteren Begründung nimmt das Gericht auf den Beschluss im Verfahren der Klägerin wegen Aussetzung der Vollziehung vom 28. März 2012 (7 V 4/12) und den hierzu ergangenen Beschluss des BFH vom 17. Oktober 2012 (III B 68/12) Bezug.

45

2. ... Die von der Klägerin als Krankheitskosten geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von € ... sind nicht in voller Höhe abzuziehen. Das FA hat von den erklärten und von ihm nicht überprüften Aufwendungen die zumutbare Belastung entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 EStG abgezogen, sodass sie sich im Ergebnis steuerlich nicht auswirken. Die Regelung in § 33 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 EStG ist nicht verfassungswidrig, weil typisierend davon auszugehen ist, dass derartige Aufwendungen, insbesondere Krankheitskosten, in einer gewissen Höhe bei jedem Steuerpflichtigen anfallen und damit zunächst noch nicht außergewöhnlich sind. Erst wenn bezogen auf die jeweilige Leistungsfähigkeit - für die der Gesamtbetrag der Einkünfte unter Einbeziehung des Familienstandes und der Zahl der Kinder typisierend einen sachlich gerechtfertigten Anknüpfungspunkt darstellt - außergewöhnlich hohe Aufwendungen entstehen, ist die Abzugsfähigkeit wegen der geringeren Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen gerechtfertigt. Die in dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Aufsatz von Dr. Endrik Kosfeld dargelegte Auffassung teilt das Gericht nicht. Nach den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung in Form einer Aufstellung angeführten Entscheidungen ist der Ansatz der zumutbaren Eigenbelastung im Rahmen der Berechnung der außergewöhnlichen Belastungen wegen Krankheitskosten (auch unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur Abzugsfähigkeit von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen - Beschluss vom 13.02.2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) nicht verfassungswidrig (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.09.2012, 4 K 1970/10, EFG 2012, 2205, FG Hamburg, Urteil vom 14.06.2012, 1 K 28/12, [...]). Bezüglich der hierzu anhängigen Revisionsverfahren und der von der Klägerin angeführten weiteren finanzgerichtlichen Verfahren sind noch keine Entscheidungen ergangen.

46

Da das Gericht die gesetzliche Regelung zum Abzug der zumutbaren Belastung nicht für verfassungswidrig hält, kann es dahinstehen lassen, ob bzw. in welcher Höhe die nicht im Einzelnen dargelegten und belegten und vom FA nicht überprüften Aufwendungen dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen wären.

47

Die beiden Töchter der Klägerin waren nicht zum Verfahren beizuladen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 60 Finanzgerichtsordnung (FGO) hierfür nicht vorliegen; ihren insoweit zunächst gestellten Antrag hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.

49

Der Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.