Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.10.2014, Az.: 9 OA 271/14

Anwendbarkeit des § 52 Abs. 3 S. 2 GKG bei zu erwartenden in Zukunft wiederkehrenden gleichgelagerten Verwaltungsakten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.10.2014
Aktenzeichen
9 OA 271/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 24875
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:1016.9OA271.14.0A

Fundstellen

  • AGS 2015, 51-52
  • AnwBl 2015, 100
  • DÖV 2015, 80
  • Gemeindehaushalt 2015, 143
  • JurBüro 2015, 135-136
  • NVwZ-RR 2015, 238-239
  • NordÖR 2015, 44

Amtlicher Leitsatz

Der Anwendungsbereich des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG ist eröffnet, wenn zu erwarten ist, dass in Zukunft wiederkehrende und dabei gleichgelagerte Verwaltungsakte ergehen werden.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird die Festsetzung des Streitwerts im Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Berichterstatter der 2. Kammer - vom 21. Juli 2014 geändert.

Der Streitwert für das Klageverfahren - 2 A 590/14 - wird auf 3.300,- EUR festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beteiligten haben im Klageverfahren 2 A 590/14 über die Rechtmäßigkeit eines Zweitwohnungsteuerbescheids für das Jahr 2014 in Höhe von 1.100,- EUR gestritten. Nachdem die Beklagte geltend gemachte Satzungsmängel behoben hatte, haben die Beteiligten sich über die Verfahrenskosten geeinigt und den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat das Klageverfahren daraufhin eingestellt und den Streitwert auf 1.100,- EUR festgesetzt, weil der angefochtene Bescheid nicht eine wiederkehrende Leistung regele, sondern allein die Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2014 festsetze. Mit seiner dagegen eingelegten Beschwerde beruft sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die seit dem 1. August 2013 geltende Regelung in § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG. Er meint, der Streitwert müsse wegen der Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Folgejahre um das 3,5-fache, also auf 3.850,- EUR, erhöht werden.

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, über die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist zulässig und überwiegend begründet. Der Streitwert des Klageverfahrens 2 A 590/14 beläuft sich auf den 3-fachen Betrag der Zweitwohnungsteuerfestsetzung für 2014, also auf 3.300,- EUR. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine darüber hinausgehende Erhöhung des Streitwerts auf 3.850,- EUR fordert, ist seine Beschwerde unbegründet.

§ 52 Abs. 3 Satz 2 GKG sieht seit dem 1. August 2013 für Fälle, in denen "der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte" hat, vor, dass die Höhe des sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben ist, wobei die Summe das 3-fache des Werts nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht übersteigen darf. Die Vorschrift erfasst insbesondere finanzgerichtliche und kommunalabgabenrechtliche Rechtsstreitigkeiten, die beispielsweise bezogen auf ein Jahr geführt werden, sich aber auf eine Mehrzahl von Jahren auswirken. Mit ihr wollte der Gesetzgeber einer systematischen Unterbewertung von Streitwerten im Verhältnis zu der tatsächlichen wirtschaftlichen Bedeutung für den Kläger entgegentreten, die in solchen Rechtsstreitigkeiten auftritt, wenn der Streitwert auf ein Jahr begrenzt wird (vgl. BT-Drs. 17/11471, S. 245). Die Voraussetzungen des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG sind in Fällen der vorliegenden Art aus folgenden Gründen erfüllt:

Der gegen die Festsetzung einer Zweitwohnungsteuer für 2014 in Höhe von 1.100,- EUR gerichtete Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat "absehbare Auswirkungen" auf noch zu erlassende Verwaltungsakte, die auf künftige Geldleistungen bezogen sind. § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG lässt nicht Auswirkungen auf den streitgegenständlichen Zeitraum (hier das Jahr 2014) genügen, sondern verlangt Auswirkungen auf - vom streitigen Jahr aus gesehen - künftige, also in der Zukunft liegende Zeiträume, hier die Zeit ab 2015. Geht es um den Erlass von Verwaltungsakten, ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet, wenn zu erwarten ist, dass in Zukunft wiederkehrende und dabei gleichgelagerte Verwaltungsakte ergehen werden (vgl. Wiegand, KrV 2014, 137 ff.; Schneider, NJW 2014, 522 ff.). § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG ist indessen nicht anwendbar, wenn es bei einer kommunalabgabenrechtlichen Rechtsstreitigkeit um eine nur das streitgegenständliche Jahr betreffende Besonderheit geht, die sich auf die Folgejahre nicht auswirkt (z. B. der Wasserverbrauch in einem bestimmten Jahr). Vorliegend bestehen "absehbare Auswirkungen" im Sinne des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG, weil um die Wirksamkeit des Satzungsrechts der Beklagten gestritten worden ist und der Ausgang des allein das Jahr 2014 betreffenden Verfahrens auch Bedeutung für die Folgejahre hat; es ist nämlich damit zu rechnen, dass nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums Zweitwohnungsteuerbescheide gegenüber der Klägerin ergehen werden und es bei deren rechtlicher Bewertung auf die Wirksamkeit des Satzungsrechts der Beklagten ankommt. Diese absehbaren Auswirkungen sind auch im Sinne des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG "offensichtlich"; denn eine Heranziehung der Klägerin zur Zweitwohnungsteuer in den Folgejahren stellt nicht nur eine theoretische Möglichkeit dar, die sich noch in keiner Weise konkretisiert hat. Vielmehr ist ohne umfangreiche Prüfung oder aufwändige Überlegungen, also auf den ersten Blick, erkennbar, dass gegenüber der Klägerin nach 2014 voraussichtlich Heranziehungen zur Zweitwohnungsteuer erfolgen werden und sich die streitige Frage, ob wirksames Satzungsrecht besteht, auch für die Folgejahre stellen wird (vgl. zum Prüfungsmaßstab Wiegand, KrV 2014, 137, 139; Müller, BB 2013, 2419 f.).

Die Rechtsfolge der Tatbestandsverwirklichung des § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG besteht darin, dass der sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ergebende Streitwert (hier 1.100, -EUR für das Jahr 2014) um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für die Klägerin anzuheben ist, wobei die Summe das 3-fache des Wertes nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG nicht übersteigen darf. Insoweit kommt es auf die Bestimmbarkeit der zukünftigen Auswirkungen zum Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung an (vgl. Wiegand, KrV 2014, 137, 140). Im Zeitpunkt der Klageerhebung war vorliegend davon auszugehen, dass die zukünftigen Auswirkungen den Höchstbetrag des 3-fachen Wertes nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG erreichen, so dass ein Streitwert von 3 x 1.100,- EUR, mithin 3.300, - EUR anzunehmen ist. Wegen der in § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG ausdrücklich vorgesehenen Deckelung kommt die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin begehrte zusätzliche Erhöhung des Wertes nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG um weitere 0,5, also auf 3.850,- EUR, nicht in Betracht.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.