Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.10.2014, Az.: 11 LA 2/14

Abgrenzung einer Kreisfeuerwehr von einer Freiwilligen Feuerwehr im Sinne des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.10.2014
Aktenzeichen
11 LA 2/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 24936
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:1015.11LA2.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Göttingen - 11.12.2013 - AZ: 1 A 258/12

Fundstellen

  • FStNds 2015, 230-232
  • FuNds 2015, 230-232
  • GK 2015, 122-125
  • NdsVBl 2015, 201-202
  • NordÖR 2015, 44

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Kreisfeuerwehr ist nicht eine Freiwillige Feuerwehr im Sinne des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes.

  2. 2.

    Die Mitarbeit des Mitgliedes einer gemeindlichen Feuerwehr im Rahmen eines Einsatzes der Kreisfeuerwehr ist Teil seiner Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 11. Dezember 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 350,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Verdienstausfall wegen eines Feuerwehreinsatzes.

Der Kläger ist selbstständiger Rechtsanwalt und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr der Beigeladenen, dort in der Ortsfeuerwehr für C.. Das Gebiet des Beklagten ist in Brandschutzabschnitte gegliedert; die Beigeladene gehört zum Brandschutzabschnitt Mitte. Der Beklagte hat aus der Kreisfeuerwehr drei Kreisfeuerwehrbereitschaften aufgestellt. Die Ortsfeuerwehr C. ist in die Kreisfeuerwehrbereitschaft Mitte eingegliedert. Sie stellt für die Kreisfeuerwehrbereitschaft Mitte (Umweltfeuerwehr) für den Fachzug Gefahrgut ein Löschfahrzeug 8, zu dessen Fahrzeugbesatzung der Kläger gehört. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni 2012 nahm der Kläger an einem Gefahrguteinsatz der Kreisfeuerwehrbereitschaft Mitte auf der Bundesautobahn D. teil und machte hierfür gegenüber dem Beklagten Verdienstausfall von 350,00 Euro geltend. Den Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21. September 2012 mit der Begründung ab, für die Erstattung sei die Beigeladene zuständig. Die Mitwirkung der Beigeladenen bei der Kreisfeuerwehr gehöre zu ihren Aufgaben. Die im Rahmen der Erfüllung dieser Aufgabe entstandenen Einsatzkosten habe sie als Aufgabenträger zu tragen. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen.

Der Zulassungsantrag des Klägers, der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO gestützt wird, ist unbegründet.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat der Kläger nicht dargelegt. Sie liegen auch nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Erstattung von Verdienstausfall mit der Begründung abgelehnt, dass nach § 12 Abs. 5 Satz 1 des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 8. März 1978 (Nds. GVBl. 1978, 233), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Oktober 2011 (Nds. GVBl. 2011, 353) - NBrandSchG a. F. - der Träger der Freiwilligen Feuerwehr seinen Mitgliedern auf Antrag den infolge des Feuerwehrdienstes entstandenen nachgewiesenen Verdienstausfall zu ersetzen habe. Der Beklagte sei nicht Träger der Freiwilligen Feuerwehr. Die Gemeinden seien ausschließlich Träger der Freiwilligen Feuerwehren. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Verdienstausfall gegen den Beklagten nach der die Entschädigung von ehrenamtlich tätigen Personen regelnden Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes - NKomVG -. Der Kläger sei aufgrund seiner Teilnahme an einem Einsatz der Kreisfeuerwehr nicht für den Beklagten, sondern für die Beigeladene ehrenamtlich tätig geworden. Eine Mitgliedschaft von Einzelpersonen in der Kreisfeuerwehr sei gesetzlich nicht vorgesehen. Bei der Kreisfeuerwehr handele es sich nicht um eine eigenständige öffentliche Einrichtung in Trägerschaft des Beklagten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall nach § 12 Abs. 5 Satz 1 NBrandSchG a. F. Nach dieser Vorschrift hat der Träger der Freiwilligen Feuerwehr deren Mitgliedern auf Antrag den infolge des Feuerwehrdienstes entstandenen nachgewiesenen Verdienstausfall zu ersetzen. Der Kläger trägt zur Begründung seines auf diese Anspruchsgrundlage bezogenen Zulassungsantrages vor, der Beklagte sei Träger der Kreisfeuerwehr. Hierbei handele sich um eine Freiwillige Feuerwehr im Sinne des Gesetzes. Unter "Mitglied" im Sinne des § 12 Abs. 5 NBrandSchG a. F. sei jede Person zu verstehen, die - wie er - als Angehöriger einer Ortsfeuerwehr von Fall zu Fall zu einem Einsatz bei der Kreisfeuerwehr im Rahmen der Kreisfeuerwehrbereitschaft herangezogen werde und dadurch in eine Sonderrechtsbeziehung zur Kreisfeuerwehr trete. Damit dringt der Kläger nicht durch.

Dem Beklagten obliegt als Landkreis im Rahmen seiner übergemeindlichen Aufgabe des abwehrenden Brandschutzes und der Hilfeleistung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 7 NBrandSchG a. F. der Einsatz der Kreisfeuerwehr. Zur Erfüllung dieser übergemeindlichen Einsatzaufgabe bedient sich der Landkreis der gemeindlichen Feuerwehren in seinem Zuständigkeitsbereich und der von ihm unterhaltenen Feuerwehrtechnischen Zentralen, die gemeinsam die Kreisfeuerwehr bilden (§ 19 Abs. 1 NBrandSchG a. F.). Die Landkreise sind weder verpflichtet noch berechtigt, zur Gewährleistung der Einsatzaufgaben der Kreisfeuerwehr eine kreiseigene Feuerwehr aufzustellen (Scholz/Runge, NBrandSchG n. F., 8. Aufl. 2014, § 19, unter 1.). Die Kreisfeuerwehr ist deshalb keine Freiwillige Feuerwehr. Das Verwaltungsgericht weist zutreffend in seiner Entscheidung darauf hin, dass nach § 10 Abs. 1 NBrandSchG a. F. ausschließlich die Gemeinden (ohne Berufsfeuerwehr) Träger Freiwilliger Feuerwehren sind. Für die Auffassung des Klägers, die Kreisfeuerwehr sei eine Freiwillige Feuerwehr, spricht nicht, dass in der Kreisfeuerwehr ehrenamtliche Kräfte wirken. Zwar verrichten die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren ihren Dienst nach § 11 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG a. F. ehrenamtlich. Aus dem ehrenamtlichen Einsatz von Feuerwehrleuten in der Kreisfeuerwehr folgt jedoch nicht, dass die Kreisfeuerwehr dadurch den Charakter einer Freiwilligen Feuerwehr erhält. § 11 NBrandSchG a. F. bezieht sich wegen seiner Stellung im Gesetz auf § 10 Abs. 1 Satz 1 NBrandSchG a. F., der die Aufstellung von Freiwilligen Feuerwehren in den Gemeinden regelt, und gilt deshalb nur für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinden. Die ehrenamtliche Tätigkeit von Führungskräften in der Kreisfeuerwehr wird in § 20 NBrandSchG a. F. ohne Bezug auf die Art der Feuerwehr eigenständig geregelt.

Ob der Beklagte "Träger" der Kreisfeuerwehr ist, kann auf sich beruhen. Er ist jedenfalls nicht Träger der Freiwilligen Feuerwehr im Sinne des § 12 Abs. 5 Satz 1 NBrandSchG a. F.

Da die Kreisfeuerwehr nicht eine Freiwillige Feuerwehr ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Kläger als Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung von Verdienstausfall hat. Unabhängig davon ist der rechtliche Ansatz des Klägers, er stehe im Fall eines Einsatzes für die Kreisfeuerwehr zu dieser in einem öffentlich-rechtlichen Pflichtenverhältnis, das in § 12 NBrandSchG a. F. als Mitgliedschaft bezeichnet werde, nicht überzeugend. Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr stehen zu ihrer Gemeinde in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis (Senatsbeschl. v. 25.1.2001 - 11 M 4402/00 -, NdsVBl. 2001,144; [...], Rn 4; Scholz/Runge, a.a.O., § 12, unter 1.). Im Einzelfall kann das Mitglied einer gemeindlichen Feuerwehr durch eine Maßnahme der Kreisfeuerwehr in seinen Rechten berührt sein und deshalb gegen diese Maßnahme klagebefugt sein. Dies zeigt die von dem Kläger angesprochene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Oldenburg auf (Urt. v. 7.3.2012 - 11 A 1228/11-, [...]). Hierbei handelt es sich jedoch um einen nicht mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbaren Sonderfall, da in dem von dem Verwaltungsgericht entschiedenen Verfahren dem Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr einer Gemeinde Ausbildungsaufgaben im Rahmen der Kreisfeuerwehr übertragen worden waren. In dem hier vorliegenden Regelfall ist die Mitarbeit des Klägers als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr der Beigeladenen in der Kreisfeuerwehr Teil seiner Tätigkeit in der gemeindlichen Feuerwehr. Es gibt keine unmittelbare Mitgliedschaft in der Kreisfeuerwehr (Scholz/Runge, a.a.O., § 19, unter 1.).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verdienstausfall nach § 44 Abs. 1 Satz 1 NKomVG. Nach dieser Vorschrift hat, wer ehrenamtlich tätig ist, Anspruch unter anderem auf Ersatz seines nachgewiesenen Verdienstausfalls. Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob diese Vorschrift durch § 12 Abs. 5 Satz 1 NBrandSchG a. F. als Spezialvorschrift verdrängt wird und deshalb nicht anwendbar ist. Nach Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts scheidet ein Anspruch nach § 44 Abs. 1 Satz 1 NKomVG aus, weil der Kläger aufgrund seiner Teilnahme an einem Einsatz der Kreisfeuerwehr nicht für den Beklagten, sondern als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr der Beigeladenen für diese tätig geworden ist. Dagegen wendet der Kläger vergeblich ein, dass er ausschließlich und unmittelbar für den Beklagten tätig geworden sei.

Die Alarmierung der Kreisfeuerwehrbereitschaft anlässlich des Gefahrgutunfalles am 15. Juni 2012 durch den Kreisbrandmeister, der Einsatz der Ortswehr C. als Teil der Kreisfeuerwehr (und der Kreisfeuerwehrbereitschaft Mitte) sowie die Durchführung und Leitung des Einsatzes durch den Kreisbrandmeister und die ihm nachgeordneten Funktionsträger führen nicht zu der Annahme, dass der Kläger für den Beklagten tätig geworden ist. Wie bereits ausgeführt, ist die Mitarbeit des Klägers in der Kreisfeuerwehr Teil seiner Tätigkeit in der gemeindlichen Feuerwehr der Beigeladenen. Die Ortswehr C. ist aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 19 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 2 NBrandSchG a. F. zwar Teil der Kreisfeuerwehr. Die mitgliedschaftliche Rechts- und Pflichtenstellung des Klägers gegenüber der gemeindlichen Feuerwehr, der er angehört, wird dadurch aber nicht berührt. Die Tätigkeit des Kreisbrandmeisters und der ihm nachgeordneten Funktionsträger im Rahmen des Einsatzes der Kreisfeuerwehr bzw. der Kreisfeuerwehrbereitschaft beruhen auf Vorschriften, die Einzelheiten der Wahrnehmung der Aufgabe, überörtliche Einsätze durchzuführen, regeln. Das gesetzlich umschriebene Tätigkeitsfeld dieses Führungspersonals hat keinen Einfluss auf die Rechts- und Pflichtenstellung des Mitglieds der Freiwilligen Feuerwehr.

Der Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben. Die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten erfordert, dass der Rechtsmittelführer näher ausführt, dass und warum die Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht signifikant vom Spektrum der in verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfälle abweicht. Hierzu ist im Einzelnen darzutun, hinsichtlich welcher aufgrund der erstinstanzlichen Entscheidung auftretenden Fragen sich besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten ergeben sollen und worin die aus Sicht des Rechtsmittelführers vorliegende besondere tatsächliche oder rechtliche Problematik im Einzelnen bestehen soll (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 124a, 4. Aufl., Rn. 210 m. w. N.). Daran gemessen ist die Zulassungsrüge des Klägers, die sich allein auf die Prüfung der Anspruchsgrundlage des § 12 Abs. 5 Satz 1 NBrandSchG a. F. durch das Verwaltungsgericht bezieht, nicht begründet.

Besondere rechtliche Schwierigkeiten wirft der vorliegende Fall nicht auf. Die Kreisfeuerwehr ist nach den vorstehenden Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht eine Freiwillige Feuerwehr im Sinne des § 12 Abs. 5 Satz 1 NBrandSchG a. F. Die von dem Kläger unter dem Gliederungspunkt A, II., 1., aufgeworfenen Fragen sind deshalb nicht entscheidungserheblich. Für die Beantwortung der Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung von Verdienstausfall nach § 12 Abs. 5 Satz 1 NBrandSchG a. F. zusteht, ist die (Rechts-)Form, in der die Kreisfeuerwehr von dem Beklagten betrieben wird, unerheblich. Nach dem oben Gesagten ist die Ortswehr C. zwar Teil der Kreisfeuerwehr. Bei der Mitarbeit ihrer Mitglieder in der Kreisfeuerwehr handelt es sich aber um ein Tätigwerden für die gemeindliche Feuerwehr. Die von dem Kläger unter dem Gliederungspunkt A, II, 2., aufgeworfenen Fragen lassen sich unter Rückgriff auf die Ausführungen des Senats zu der Zulassungsrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ohne weiteres beantworten oder sind nicht entscheidungserheblich.

Besondere tatsächliche Schwierigkeiten wirft das vorliegende Verfahren ebenfalls nicht auf. Nach Ansicht des Klägers ist der vorliegende Fall tatsächlich schwierig, weil der Beklagte die in seinem Hause vorhandenen Unterlagen zur Bildung der Kreisfeuerwehr und der Kreisfeuerwehrbereitschaften dem Verwaltungsgericht nicht vorgelegt hat. Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass solche Unterlagen für die Entscheidung der Frage, ob er gegen den Beklagten Verdienstausfall nach § 12 Abs. 5 Satz 1 NBrandSchG a. F. beanspruchen kann, entscheidungserheblich sind. Im Übrigen hat die Vertreterin des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auf einen entsprechenden Antrag des Klägers erklärt, dass es einen Organisationsakt des Beklagten zur Einrichtung der Kreisfeuerwehr und zur Eingliederung der einzelnen Ortsfeuerwehren in die Kreisfeuerwehr nicht gebe. Die Darlegungen des Klägers in seinem Zulassungsantrag rechtfertigen nicht die Annahme, dass sich der Beklagte weigert, entscheidungserhebliche Unterlagen über die Einrichtung der Kreisfeuerwehr und über die Einrichtung der Kreisfeuerwehrbereitschaften vorzulegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.