Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.04.2015, Az.: 5 A 3465/12
Äquivalenzprinzip; Außenbewirtschaftung; Gebührenhöhe; Gebührensatz; Sondernutzungsgebühr; Stuhl; Tisch
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.04.2015
- Aktenzeichen
- 5 A 3465/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 45017
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
- § 21 S 6 StrG ND
- § 21 S 5 StrG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Sondernutzungsgebühr für Außenbewirtschaftung eines Cafes in einer Inselgemeinde, Einzelfall des Verstoßes des Gebührensatzes gegen Äquivalenzprinzip.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin mit Bescheid der Beklagten vom 16. April 2012 zu Sondernutzungsgebühren für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2012 in Höhe von 1.000,00 Euro herangezogen wird.
Im Übrigen wird der Gebührenbescheid der Beklagten vom 16. April 2012 aufgehoben, soweit darin von der Klägerin Sondernutzungsgebühren für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2012 in Höhe von 8.000,00 Euro gefordert werden.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 1/9 und die Beklagte 8/9; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu straßenrechtlichen Sondernutzungsgebühren für das Jahr 2012.
Die Klägerin betreibt seit Längerem im Ortskern der Inselgemeinde Langeoog einen gastronomischen Betrieb mit Außenbewirtschaftung, nämlich das „Café L.“ in der …straße ... Für das Aufstellen der Außenbestuhlung auf einer öffentlichen Straßenfläche von rund 50 m² erhielt sie auf Antrag seit 1988 von der Beklagten Sondernutzungsgenehmigungen und entrichtete die damit verbundenen Sondernutzungsgebühren.
Mit ihrer am 16. Mai 2012 erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen den Gebührenbescheid der Beklagten vom 16. April 2012. Darin zog sie die Beklagte - anknüpfend an die gleichzeitig entsprechend erteilte Sondernutzungserlaubnis - zu Sondernutzungsgebühren für das Aufstellen von Tischen und Stühlen vor dem Café L. im Jahr 2012 in Höhe von 9.000,00 Euro heran. Diesen Betrag errechnete die Beklagte für die ersten vier Monate des Jahres anhand eines Gebührensatzes ihrer Gebührenordnung zur Satzung über die Sondernutzung an Gemeindestraßen - SNS - vom 24. Januar 1994 in Höhe von 5,00 Euro/m²/Monat (1.000,00 Euro) und für die acht folgenden Monate anhand eines Gebührensatzes für Zone 1 ihrer neu gefassten Gebührenordnung ihrer SNS vom 15. März 2012 in Höhe von 20,00 Euro/m²/Monat (8.000,00 Euro). Zur Begründung beruft sich die Klägerin im Wesentlichen darauf, die Erhöhung des Gebührensatzes in der neugefassten Gebührenordnung um 300 % und die entsprechende Gebührenerhebung seien rechtswidrig. Die Erhöhung sei unverhältnismäßig und verstoße gegen das Äquivalenzprinzip. Die Rahmenbedingungen und Umstände der gebührenpflichtigen Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraums hätten sich nicht derart wesentlich geändert, dass der angefochtene Gebührensatz gerechtfertigt sei. Die geforderte Gebühr stehe im Missverhältnis zu der durch die Sondernutzung bewirkten Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs. Die Hinweise der Beklagten auf Vergleiche mit entsprechenden Gebührensätzen anderer Gemeinden und touristischen Orte blieben ebenso unklar und vage, wie der Verweis darauf, dass der Unterbau der … Straßen nicht mehr heutigen Standards entsprächen, woraus ein höheres Risiko von Straßenschäden folge. In vergleichbaren Lagen anderer Gemeinden würden deutlich niedrigere Gebührensätze gelten, etwa in Norddeich (2,50 Euro/m²/ Monat), auf Borkum (5 Euro/m²/Monat) oder auf Wangerooge (10 Euro/m²/Monat). In den letzten Jahren seien auch die Gästezahlen nicht erheblich angestiegen. Die von der Beklagten angestellte Vergleichsbetrachtung mit Baulandpreisen verkenne schon generell, dass ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip auch in Fällen möglich sei, in denen die Sondernutzungsgebühr nicht die Größenordnung des örtlichen Baulandpreises erreiche. Im Übrigen sei bereits der von der Beklagten zunächst herangezogene Baulandpreis 2010 von 450,00 Euro/m² überhöht und verkenne die Sondersituation der begrenzten Kapazität an Bauland aufgrund der Insellage; realistischer seien Baulandpreise wie etwa für die Stadt Norden an der ostfriesischen Küste im Juni 2012 in Höhe von maximal 83,00 Euro/m² (vgl. Auszug aus der Internetseite „immowelt.de“ vom 31. Juli 2012, Blatt 60 GA). Ein Vergleich mit den ortsüblichen Gewerbemieten (nach ihrer Erfahrung ca. 10 - 12 Euro/m²/Monat) zeige ebenso das zu beanstandende Missverhältnis.
Nachdem die Klägerin ihre Klage gegen die Heranziehung zu Sondernutzungsgebühren für den Zeitraum Januar - April 2012 zurückgenommen hat, beantragt sie,
den Gebührenbescheid der Beklagten vom 16. April 2012 aufzuheben, soweit darin Sondernutzungsgebühren für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Dezember 2012 in Höhe von 8.000,00 Euro gefordert werden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Die streitige Heranziehung zu Sondernutzungsgebühren sei rechtmäßig. Der in Nr. 3.1 der Gebührenordnung zu ihrer SNS vom 15. März 2012 für die Zone 1 vorgesehene Gebührensatz von 20,00 Euro/m²/Monat sei nicht zu beanstanden. Gegen die Maßstabsregelung „Quadratmeter beanspruchter Straßenfläche je Zeiteinheit“ bestünden keine Bedenken. Nach 18 Jahren unveränderter Geltung des Gebührensatzes der zuvor geltenden Gebührenordnung sei eine Anpassung an die veränderten tatsächlichen Verhältnisse im Jahre 2012 gerechtfertigt. Ihr Gemeinderat habe zum einen Vergleiche mit Satzungen anderer Gemeinden und touristischer Orte angestellt. Dementsprechend habe er etwa Zonen mit unterschiedlich hohen Gebührensätzen gebildet. Auch die Inselgemeinde Norderney erwäge derzeit eine ähnliche Erhöhung des Gebührensatzes. Zum anderen seien Art und vor allem Ausmaß der Einwirkungen auf die Straßen berücksichtigt worden. So habe der Rat den jährlich steigenden Gästezahlen im Sommer Rechnung getragen. In den Sommermonaten befänden sich ungefähr 7.500 bis 9.000 Gäste zusätzlich zu den 1.900 Einwohnern im Gemeindegebiet und nutzten die auf der Insel betriebe Außengastronomie. Ferner sei berücksichtigt worden, dass der Unterbau der … Straßen nicht den heutigen Standards entspreche. Die Pflastersteine seien lediglich in Sand eingebettet und ohne weiteren Unterbau. Durch die erhöhte Belastung infolge der Sondernutzung bestehe ein erhöhtes Risiko von Straßenschäden, welches letztlich von ihr, der Beklagten, zu tragen sei. Dementsprechend habe der Rat auf Empfehlung des Verwaltungsausschusses vom 12. März 2012 am 15. März 2012 die neue SNS nebst zugehöriger Gebührenordnung beschlossen (vgl. Blatt 48 ff. GA). Ein unzumutbares Missverhältnis zwischen den wirtschaftlichen Interessen an der Straßennutzung und der durch die Sondernutzungserlaubnis gebotenen Leistung der öffentlichen Hand bestehe nicht. Dies zeige ein nach einschlägiger Rechtsprechung (OVG Magdeburg, Urteil vom 5. November 1998 - A 1 S 224/98 - LKV 1999, 512 f.) gebotener Vergleich mit dem Kaufpreis erschlossenen Baulands im vergleichbaren Gebiet. Hierbei dürfe nicht auf das Preisniveau der Gemeinden des Festlandes abgestellt werden, sondern auf die besonderen örtlichen Preise der Inselgemeinden. Ausgehend von einem Baulandpreis einschließlich der Erschließungskosten in mittlerer Lage im Gebiet der Beklagten im Jahre 2010 von 450,00 Euro/m² (Internetausdruck „Informationen zum Landesgrundstücksmarktbericht 2010“ vom 28. Juni 2012, Blatt 52 GA) betrage der hier streitige Gebührensatz von 20,00 Euro/m²/Monat nur 4,44 % des Baulandpreises. Nach dem Grundstücksmarktbericht aus dem Jahre 2012 (Blatt 64 ff. GA) und der dortigen Bodenrichtwertkarte ergebe sich für - wie hier - zentrale Lagen sogar ein durchschnittlicher Baulandpreis von 800,00 Euro/m², der bis heute weiter auf 1.000 Euro/m² (vgl. aktuelle Bodenrichtwertkarte Blatt 86 ff. GA) angestiegen sei. Danach mache der hier streitige Gebührensatz von 20,00 Euro/m²/Monat nur 2,5 % des Baulandpreises 2012 bzw. 2 % des heutigen Baulandpreises aus. Ein gravierendes Missverhältnis zwischen Gebührenhöhe und gebotener Leistung erschließe sich eben so wenig aus einem Vergleich des Gebührensatzes mit Mieten für feste Verkaufslokale in entsprechender Lage. Erkenntnisse zur Höhe der örtlichen Gewerbemieten in vergleichbaren Lagen habe sie nicht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Parallelverfahrens 5 A 3466/12 und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Verfahren war nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Klägerin ihre Anfechtungsklage gegen die Heranziehung zu Sondernutzungsgebühren im Bescheid vom 16. April 2012 der Beklagten für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2012 in Höhe von 1.000,00 Euro zurückgenommen hat.
Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet. Die angefochtene Heranziehung der Klägerin zu Sondernutzungsgebühren im Bescheid vom 16. April 2012 der Beklagten für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 2012 in Höhe von 8.000,00 Euro ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Klägerin zu den streitbefangenen Sondernutzungsgebühren ist § 9 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über die Sondernutzung an Gemeindestraßen und der Erhebung entsprechender Gebühren - Sondernutzungssatzung/ SNS - vom 15. März 2012 (Bl. 30 ff. GA) i.V.m. Nr. 3.1 der integrierten Sondernutzungsgebührenordnung - SNGO -. Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Satzung sind § 18 Abs. 1 Satz 4 und § 21 Satz 4 Niedersächsisches Straßengesetz - NStrG - in seiner aktuellen Fassung vom 28. Oktober 2009 (Nds. GVBl. S. 372). Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 NStrG kann die Gemeinde durch Satzung bestimmte Sondernutzungen in den Ortsdurchfahrten und Gemeindestraßen von der Erlaubnis befreien und die Ausübung regeln. Nach § 21 Satz 4 NStrG können die Landkreise und Gemeinden die Gebühren durch Satzung regeln, soweit ihnen die Sondernutzungsgebühren zustehen. Die Vorschriften der Sondernutzungsgebührenordnung der Beklagten genügen zwar den einfachgesetzlichen Vorschriften im Ansatz, jedoch verstößt der gewählte Gebührensatz gegen das Äquivalenzprinzip und ist rechtswidrig, was zur Aufhebung der beanstandeten Heranziehung führt.
Bei dem Aufstellen von Tischen und Stühlen vor dem Café der Klägerin handelt es sich unzweifelhaft um Sondernutzung im Sinne der § 2 Abs. 2; § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1; § 9 Abs. 1 SNS i. V. m. Nr. 3.1 SNGO und § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG (vgl. VG Göttingen, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 1 B 81/11 -, juris Rn. 18).
Zwar ist die hier für Zone 1 einschlägige Sondernutzungsgebühr von 20,00 Euro monatlich je m² beanspruchter öffentlicher Fläche mit den einfach-rechtlichen Gebührenmaßstäben des § 21 Satz 5 und Satz 6 NStrG vereinbar. Die Vorschrift ist hier einschlägig, weil die Sondernutzungsgebührensatzung u. a. für öffentliche Gemeindestraßen einschließlich öffentlicher Wege, Plätze und Fußgängerzonen im Gebiet der Beklagten gilt (§ 1 SNS) und der Erlass der Satzung von der Ermächtigungsgrundlage des § 21 Satz 1 und Satz 4 NStrG gedeckt ist, da der Beklagten als Trägerin der Straßenbaulast für Ortsstraßen die Sondernutzungsgebühren zustehen. Nach § 21 Satz 5 NStrG sind bei der Bemessung der Gebühren Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch zu berücksichtigen. Nach Satz 6 kann das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners berücksichtigt werden. Nach diesem Maßstab sind die hier maßgebenden Satzungsbestimmungen im Ansatz rechtmäßig.
Der Einwirkung der Sondernutzung auf die Straße und den Gemeingebrauch wird durch den in Nr. 3.1 SNGO verwendeten Maßstab „Quadratmeter beanspruchter Straßenfläche je Zeiteinheit" Rechnung getragen. Dieser Maßstab orientiert sich zum einen an der Art der den Gemeingebrauch übersteigenden Straßenbenutzung, nämlich der unmittelbaren Inanspruchnahme einer Verkehrsfläche unter gleichzeitigem Ausschluss Dritter vom Gemeingebrauch. Zum anderen erfasst er auch das räumliche und zeitliche Ausmaß der Nutzung. Mit der Staffelung der Gebührenhöhe je nach Stadtzone wird ferner berücksichtigt, dass die Einwirkung auf die Straße wie auch die Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs je nach Dichte und Intensität des Straßenverkehrs unterschiedlich zu bewerten ist (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988 - 7 C 5.87 -, juris Rn. 9). Dabei ist es aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität unumgänglich und nach dem allgemein im Abgabenrecht geltenden Grundsatz der Typengerechtigkeit auch unbedenklich, dass alle diese Parameter Ausdruck einer pauschalierenden Bewertung von Art und Ausmaß der Sondernutzung sind (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988, a.a.O., Rn. 9).
Die fragliche Gebührenregelung berücksichtigt auch das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners. Bei der Frage, ob dieses Interesse ausreichend erfasst wird, ist zu berücksichtigen, dass § 21 Satz 6 NStrG die Einbeziehung des wirtschaftlichen Interesses in das Ermessen des Satzungsgebers stellt und darüber hinaus nicht vorgibt, in welchem Umfang wirtschaftliche Interessen zu berücksichtigen sind. Insbesondere ist eine lineare Umsetzung wirtschaftlicher Vorteile in eine bestimmte Gebührenhöhe nicht vorgeschrieben. Auch beim Maßstab des wirtschaftlichen Interesses ist der Satzungsgeber befugt, eine typisierende, an den Regelfall anknüpfende und die Besonderheiten atypischer Einzelfälle außer Acht lassende, generalisierende Betrachtung anzustellen. Maßgebend ist also der objektivierte wirtschaftliche Nutzen einer bestimmten Art von Sondernutzung, während ein besonders großer oder geringer wirtschaftlicher Vorteil einzelner Gebührenschuldner unbeachtlich ist (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988, a.a.O., Rn. 10).
Dass das Satzungsrecht über Sondernutzungsgebühren wirtschaftliche Interessen berücksichtigt, machen schon die Regelungen in § 3 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 7 SNS deutlich, wonach für nichtgewerbliche, sondern politisch oder religiös bedingte Sondernutzungen, schon keine Antrags- und Erlaubnispflicht besteht. Zudem sieht § 9 Abs. 3 SNS eine Gebührenbefreiung im Ausnahmefall vor, wenn eine Sondernutzung im öffentlichen Interesse liegt oder wenn damit politische, kirchliche (religiöse), mildtätige oder gemeinnützige Zwecke verfolgt werden. Innerhalb der vom Gebührentarif erfassten Sondernutzungen, die (auch) dem wirtschaftlichen Interesse des Nutzenden dienen, findet sich bei gleicher Flächenbeanspruchung und im Wesentlichen auch gleicher Störungsintensität eine differenzierte Staffelung der Gebührenhöhe, die zeigt, dass die Beklagten hiermit die je nach Art und Gegenstand der Sondernutzung unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen erfassen wollte. So wird für die hier in Rede stehende und von § 3 Abs. 1 Nr. 1 SNS erfasste Sondernutzung „Aufstellen von Tischen und Stühlen … zu gewerblichen Zwecken" nach der örtlichen Lage der Flächen durch die Zuordnung zu gemeindlichen Zonen differenziert (vgl. Nr. 3.1 SNGO). Dass darüber hinaus eine noch genauere, noch stärker differenzierende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen, wie die Berücksichtigung der mutmaßlichen Zahl der Kunden, möglich ist, begründet für sich noch nicht die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelung (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1988 - 4 C 14.88 -, juris Rn. 20).
Der Gebührensatz verstößt aber unter Berücksichtigung der Gesamtumstände gegen verfassungsrechtliche Maßstäbe, nämlich gegen die die Anforderungen des Äquivalenzprinzips.
Das Äquivalenzprinzip als gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes besagt, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von der Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988, a.a.O., Rn. 14, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Eine Sondernutzungsgebühr ist die Gegenleistung dafür, dass die Benutzung einer öffentlichen Straße über den Gemeingebrauch hinaus erlaubt und damit gleichzeitig eine Beeinträchtigung der gemeingebräuchlichen Nutzungsmöglichkeiten in Kauf genommen wird. Berücksichtigt die Sondernutzungsgebührensatzung - wie hier - auch wirtschaftliche Interessen des Inhabers der Sondernutzungserlaubnis, ist deren wirtschaftlicher Wert im Rahmen des Äquivalenzprinzips ebenfalls in den Blick zu nehmen. Danach darf eine Sondernutzungsgebühr ihrer Höhe nach weder außer Verhältnis zu Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße und den Gemeingebrauch noch außer Verhältnis zum wirtschaftlichen Wert der Sondernutzung stehen (BVerwG, Beschluss vom 17. Oktober 2008 - 9 B 24.08 -, juris, im Anschluss an Urteil vom 15. Juli 1988, a.a.O. und Beschluss vom 25. Oktober 2000 - 3 B 42.00 -, jeweils juris). Maßgeblich sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, bei denen auch Vergleichsbetrachtungen mit einschlägigen Baulandpreisen und Gewerbemieten fester Verkaufslokale angestellt werden dürfen. Hiervon ausgehend ergibt sich hier ein zu beanstandendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
Soweit die Beklagte unter Berufung auf die Rechtsprechung des OVG Magdeburg (Urteil vom 5. November 1998 - A 1 S 224/98 -, juris) vorrangig auf einen Vergleich des monatlichen Gebührensatzes je m² mit dem Baulandpreis je m² in entsprechenden Lagen abstellt und danach hier ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ausschließt (weil der Gebührensatz von 20 Euro/m²/Monat nur 2,5 % des Baulandpreises 2012 [800,00 Euro/m²] bzw. 2 % des gegenwärtigen Baulandpreises [1.000 Euro/m²] ausmacht), überzeugt dies nicht. Die dort genannte Schwelle betrifft einen wesentlich anders gelagerten Fall und bedeutet nicht, dass ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip aus anderen Vergleichsbetrachtungen bzw. Einzelfallumständen ausscheidet. Das OVG Magdeburg beanstandete die dort zu beurteilende Sondernutzungsgebühr für die Ablagerung von Baumaterial auf öffentlichen Straßen wegen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip deshalb, weil dort schon der auf den Monat hochgerechnete (Tages-)Gebührensatz die Höhe des Kaufpreises für erschlossenes Bauland je m² in vergleichbaren Lagen erreichte. Außerdem stellte es auf deutlich niedrigere Gebührensätze anderer Gemeinden für diese Art der Sondernutzung ab. Ein Hinweis darauf, dass die angestellte Vergleichsbetrachtung mit Baulandpreisen abschließend sein könnte, findet sich nicht und wäre auch nicht überzeugend, weil die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang grundsätzlich auf die gesamten Umstände des Einzelfalles abstellt. Aus Sicht der Kammer ergibt sich im Gegenteil bei einem gebotenen weitergehenden Vergleich zumindest ein Hinweis auf ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Denn der streitige Gebührensatz führt bei Betrachtung längerer Zeiträume zu einem Betrag, für den die Klägerin schon innerhalb von drei Jahren und vier Monaten sogar das Eigentum an einem Quadratmeter des sondergenutzten Straßenraums erwerben könnte, wenn dieser denn veräußerlich wäre und zu den Baulandpreisen nach dem Grundstücksmarktbericht 2012 (Blatt 64 ff. GA) in Höhe von 800,00 Euro/m² angeboten würde. Dieses Indiz für ein Missverhältnis wiegt umso mehr, als die Baulandpreise in den vergangenen Jahren schon allgemein stark gestiegen sind und hier offenbar wegen der besonderen Attraktivität und des Mangels an Bauland auf der Inselgemeinde sogar außergewöhnlich hoch ausfallen. Im Verhältnis zu den von der Klägerin benannten Baulandpreisen touristischer Gemeinden auf dem Festland ließe sich das Eigentum der sondergenutzten Flächen noch viel schneller - möglicherweise in Bruchteilen eines Jahres - erwerben.
Allerdings liegt es bei straßenrechtlichen Sondernutzungen zum Zwecke der Außenbewirtschaftung näher, im Rahmen des Äquivalenzprinzips einen Vergleich mit entsprechenden Gewerbemieten fester Verkaufslokale anzustellen. Denn der Sache nach geht es um eine Art „Miete“ öffentlichen Straßenraums für Verkaufszwecke (BVerwG, Urteil vom 15. Juli 1988, a.a.O., juris, Rdnr. 16). Zwar lässt sich aus dem Äquivalenzprinzip kein bestimmter, an gewerblichen Mieten für feste Verkaufslokale außerhalb öffentlicher Verkehrsflächen ausgerichteter Gebührenhöchstsatz für alle Arten von Sondernutzungen herleiten (BVerwG, Beschluss vom 17. Oktober 2008, a.a.O., Rn. 8). Als Ausgangspunkt einer wertenden Vergleichsbetrachtung bieten sich jedoch wegen der besonderen Sachnähe gewerbliche Mieten fester Verkaufslokale an, wobei zusätzlich nach den Umständen des Einzelfalls die jeweilige Einwirkung auf die Straße und die Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs mit zu betrachten ist. Danach sieht die Kammer hier ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin bewegt sich die ortsübliche Gewerbemiete fester Verkaufslokale in vergleichbarer Lage in Höhe von etwa 10,00 bis 12,00 Euro/m²/Monat. Die streitige monatliche Sondernutzungsgebühr je Quadratmeter von 20,00 Euro ist etwa doppelt so hoch. Selbst wenn zugunsten der Beklagten angenommen würde, dass wegen der Besonderheiten der Insellage die genannte Gewerbemiete für das Referenzjahr 2012 und die mit zu prognostizierenden Erhöhungen für die Zukunft tatsächlich etwas höher liegen, ergibt sich ebenso ein Missverhältnis, das die Beklagte nicht mit sachlich überzeugenden Erwägungen rechtfertigen konnte. Auch wenn bei entsprechend günstigen Wetterlagen der Betrieb einer Außenwirtschaft kurzfristig unter Umständen lukrativer sein mag als die gleiche Bewirtung in geschlossenen Lokalen, erklärt dieser Umstand bei der gebotenen typisierenden und pauschalisierten Betrachtung nicht schlüssig, dass ständig eine annähernd doppelt so hohe Sondernutzungsgebühr als „Miete“ der gewerblich genutzten Fläche vorgesehen ist. Das Missverhältnis rechtfertigt sich ebenso wenig in anderer Weise.
Soweit die Beklagte auf die vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 15. Juli 1988, a.a.O.) gebilligte Sondernutzungsgebühr für einen mobilen Verkaufswagen in der Innenstadt Düsseldorfs in Höhe von 55,00 DM pro Quadratmeter beanspruchter Straßenfläche je Monat verweist, überzeugt dies nicht, denn die Fälle sind nicht vergleichbar. Dort ging es um einen mobilen Verkaufswagen, der zusätzlich in besonderer Weise zu Beeinträchtigungen des Gemeingebrauchs anderer Verkehrsteilnehmer führte, die mit abgegolten werden konnten. Das regelmäßige Halten des Verkaufswagens am Fahrbahnrand verschiedener, nicht immer genau vorhersehbarer Haltestellen beeinträchtigte aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts den fließenden Verkehr von Kraftfahrzeugen in besonderer Weise. Eine zusätzliche Gefahrenquelle sah es im Verkehrsverhalten der Kunden. Ferner wurde auf den Verlust öffentlicher Parkflächen und den Mangel an entsprechendem Parkraum in der Innenstadtlage verwiesen. Demgegenüber konnte die Beklagte hier keine bedeutsame Beeinträchtigung des Gemeingebrauchs für den fließenden Verkehr von Kraftfahrzeugen mit entsprechenden Gefahrenpotentialen darlegen. Auch ihr Hinweis auf die Beeinträchtigung des öffentlichen Verkehrs von Fußgängern und ggf. Radfahrern bzw. anderen zugelassenen Fahrzeugen blieben pauschal. Ebenso wenig haben die behaupteten engen räumlichen Verhältnisse im inneren Gemeindebereich die Beklagte bislang gehindert, der Klägerin und anderen Lokalbetreibern seit längerem größere Straßen- bzw. Wegeflächen (hier etwa 50 m²) zur Sondernutzung zur Verfügung zu stellen. Offenbar sind die zahlreichen Verkehrsteilnehmer selbst zu den touristisch interessanten Zeiten ohne weiteres in der Lage gewesen, sich ohne Beeinträchtigungen und Gefährdungen auf den verbleibenden Straßen- und Wegeflächen zu bewegen. Von einer störenden Beeinträchtigung knappen Parkraums in der grundsätzlich autofreien Inselgemeinde war ebenso wenig die Rede. Anders als in dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall eines Verkaufswagens ist der Betreiber eines ortsfesten Lokals auch nicht in der Lage, durch wechselnde Standorte den für seinen Umsatz günstigsten Verkaufsort aufzusuchen.
Der - im Übrigen pauschale - Hinweis der Beklagten auf infolge jährlich steigender Gästezahlen nach Art und Ausmaß erhöhte Einwirkungen auf die öffentlichen Straßen und einen besonderen Unterhaltungs- und Instandsetzungsbedarf der gepflasterten Wegeflächen angesichts des nicht mehr zeitgemäßen Unterbaus überzeugt die Kammer nicht. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Gästezahl zwar in den letzten zwei Jahrzehnten bedeutsam angestiegen sein mag, nicht aber in einem solchen Maß, das den nunmehr geregelten Gebührensprung plausibel erklärt. Ferner war zu berücksichtigen, dass die Sondernutzung im Wesentlichen durch leichte Tische und Stühle sowie gehende, stehende oder sitzende Personen bei Betrieb des gastronomischen Lokals stattfindet. Im Übrigen bestehen Zweifel daran, ob die von der Beklagten eingeräumten Versäumnisse bei der Straßenunterhaltung über die Sondernutzungsgebühr ausgeglichen werden können.
Schließlich überzeugen die vom Rat der Beklagten nach eigenem Bekunden angestellten Vergleiche mit entsprechenden Gebührensätzen anderer Gemeinden oder touristischer Orte nicht. Ein derart übliches oder jedenfalls nach einer nennenswerten Anzahl von Vergleichssatzungen anderer Gemeinden vergleichbar hohes Niveau der Sondernutzungsgebühren für das Aufstellen von Tischen und Stühlen zur Außenbewirtschaftung vermochte die Beklagte nicht überzeugend darzulegen. Im Gegenteil ist die streitige Gebührenhöhe auch nach Recherche der Kammer außergewöhnlich hoch. So fordert etwa die Inselgemeinde Wangerooge 10,00 Euro/m²/Monat bzw. 80,00 Euro/m²/Jahr (vgl. Bl. 93 ff., 100 GA), während die Inselgemeinde Borkum 5,00 Euro/m²/Monat (vgl. Bl. 102 ff., 104 GA) und die Gemeinde Norden (für etwa Norddeich) 2,50 Euro/m²/Monat (vgl. Bl. 106 ff., 110 GA) angesetzt haben. Allein aus dem Umstand, dass derzeit auch die Inselgemeinde Norderney eine - mit der hier streitigen -vergleichbare Erhöhung ihrer Sondernutzungsgebühren erwägen mag, folgt ohne Angabe zusätzlicher straßenrechtlich relevanter Argumente nichts für die Beklagte Günstiges. Auch im landes- und bundesweiten Vergleich mit allgemein veröffentlichten Sondernutzungssatzungen ergibt sich tendenziell, dass ein Sondernutzungsgebührensatz von 20,00 Euro/m²/Monat für das Aufstellen von Stühlen und Tischen zur Außenbewirtschaftung außergewöhnlich hoch liegt, während für vergleichbare Sondernutzungen in Hannover 12,84 Euro/m²/Monat bzw. maximal 79,07 Euro/m²/Jahr, in Hamburg maximal 8,00 Euro/m²/Monat oder in Wyk auf Föhr 7,50 Euro/m²/Monat bzw. maximal 85,00 Euro/Stuhl/Jahr gefordert werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor. Weder weicht die Kammer von einer Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts oder des Bundesverwaltungsgerichts ab (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 VwGO) noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsstreitigkeit wirft keine über den Fall hinausgehende rechtliche oder tatsächliche Fragen auf, die im Sinne der Rechtseinheit einer Klärung bedürfen (§ 124 Abs. 2 Nr. 4, § 124a Abs. 1 VwGO; vgl. Kopp/ Schenke, VwGO, 17. Auflage 2011, § 124 Rn. 12).
BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 15. Juli 2013 (BGBl. I S. 2379) - GKG a.F. -, auf 9.000 Euro (Betrag der im angefochtenen Verwaltungsakt bezifferten Geldleistung) festgesetzt. Für die bereits am 16. Mai 2012 anhängig gemachte Streitigkeit findet § 52 Abs. 3 Satz 2 GKG in der ab dem 1. August 2013 geltenden Fassung vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586, 2665) - GKG n.F. - keine Anwendung, wonach offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte durch eine Erhöhung bis auf das Dreifache des Werts zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu Nds. OVG, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - 9 OA 271/14 - juris). Denn nach § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG werden in Rechtsstreitigkeiten, die - wie hier - vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Kosten nach bisherigem Recht erhoben (OVG NW, Beschluss vom 18. Oktober 2013 - 1 E 987/13 - Rn. 8, juris). Daher kam hier entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Beklagten keine Erhöhung in Betracht.