Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 02.06.2004, Az.: 2 A 209/03

Baudenkmal beeinträchtigt; Denkmal; denkmalrechtliche Beseitigungsverfügung; Denkmalwert; einheitliches Bild; einheitliches Bindeglied; Ensemble; Ensembleschutz; Ermessen; Photovoltaikanlage; schützenswertes Ensemble; Solaranlage; Übermaßverbot

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
02.06.2004
Aktenzeichen
2 A 209/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50631
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 03.05.2006 - AZ: 1 LB 16/05

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer denkmalschutzrechtlichen Anordnung der Beklagten.

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Der am N. geborene Kläger ist zu 1/3 Miteigentümer eines inmitten der Altstadt von D., in der O. Straße .. gelegenen Grundstücks, das mit einem als Wohn- und Geschäftshaus genutzten dreistöckigen Fachwerkgebäude bebaut ist. Das Hausgrundstück befindet sich im östlichen Teil der O. Straße und grenzt mit seiner Westseite an die Straße P.. Mithin liegt es im sog. „Altstadtbereich O. Straße“, der den Straßenzug vom Q. bis zum R. umfasst und nach § 3 Abs. 3 Nds. Denkmalschutzgesetz bereits im Jahre 1985 als Denkmal (Ensemble) ausgewiesen wurde, was dem Kläger schriftlich vom Nds. Landesverwaltungsamt / Institut für Denkmalpflege mitgeteilt worden war.

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Anfang November 2000 stellten Mitarbeiter der Beklagten fest, dass der Kläger auf der nach Süden (zur O. Straße) ausgerichteten Dachseite seines Hauses eine Photovoltaik- und Sonnenkollektoranlage errichtet hatte, die sich fast über die gesamte von der O. Straße sichtbare Dachfläche erstreckt.

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Nach Anhörung des Klägers und der weiteren Miteigentümer (die sich von der streitbefangenen Baumaßnahme sodann distanzierten) verfügte die Beklagte mit Bescheid vom 03.12.2001, dass der Kläger innerhalb von 2 Monaten nach Bestandskraft des Bescheides die Sonnenkollektor- und Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Hauses O. Straße .. zu beseitigen habe. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass es sich bei dem Haus um den Teil eines denkmalgeschützten Ensembles handele, bei dem bauliche Veränderungen nur nach Einholung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung hätten vorgenommen werden dürfen. Eine solche Genehmigung sei weder beantragt worden noch aus denkmalfachlicher Sicht erteilungsfähig. Die Anlage stelle einen Fremdkörper dar, der den Charakter der Denkmalgruppe empfindlich störe, da sie den optischen Eindruck des Denkmals verändere, auch wenn kein eigentlicher Eingriff in die Bausubstanz erfolgt sei. Nur die Beseitigung der Anlage sei geeignet, erforderlich und angemessen, um den Rechtsverstoß zu beseitigen.

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Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde von der Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2003 zurückgewiesen. Die Solaranlage sei bereits formell rechtswidrig errichtet worden, weil es an einer Genehmigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 NDSchG fehle. Sie sei auch materiell denkmalrechtswidrig, da sie großflächig das Dach bedecke, stark reflektiere und dadurch den Eindruck des gesamten Denkmalensembles hinsichtlich seiner geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Bedeutung beeinträchtige. Sie stelle sich als Fremdkörper dar und müsse entfernt werden.

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Der Kläger hat am 14.05.2003 Klage erhoben. Zu ihrer Begründung trägt er im wesentlichen vor, eine formelle Illegalität der Anlage liege schon deshalb nicht vor, weil es sich bei dem streitbefangenen Haus nicht um ein Baudenkmal handele. Eine einheitliche Gruppe von Häusern, die als Ensemble schützenswert seien, könne hier nicht festgestellt werden. Dies gelte um so mehr, als das Haus des Klägers und die Häuser in seiner Umgebung wesentlich gegenüber dem historischen Zustand verändert worden seien. Unabhängig davon sei die Solaranlage von der Straße aus kaum wahrzunehmen und wirke nicht so störend, dass sie zu einer Verunstaltung führe. Eine Einheitlichkeit der Dachlandschaft in der Umgebung des Hauses des Klägers könne man nicht feststellen. Dies gelte sowohl für die Gestaltung der Dächer als auch für die Farbgebung der Ziegel. Schließlich habe die Beklagte verkannt, dass regenerative Energien besonders förderungsfähig seien, was bei der Ermessensentscheidung hätte berücksichtigt werden müssen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 03.12.2001 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 10.04.2003 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und tritt der Klage entgegen.

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Die Kammer hat über die Gestaltung des streitbefangenen Daches  und die Blickbeziehungen sowie die Dächer und baulichen Anlagen in der Umgebung Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Bezirksregierung Braunschweig (Beiakten A - C) Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Die Beseitigungsverfügung der Beklagten vom 03.12.2001 ist rechtswidrig. Deshalb verletzt sie den Kläger in seinen Rechten und ist

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- zusammen mit dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Braunschweig vom 10.04.2003 - gem. § 113 Abs. 1 VwGO aufzuheben.

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Für ein Einschreiten der Beklagten als untere Denkmalschutzbehörde fehlte es an einer Rechtsgrundlage. Auf § 23 Abs. 1 Satz 1 NDSchG kann sich die Beklagte nicht berufen.

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Nach dieser Vorschrift treffen die Denkmalschutzbehörden nach pflichtgemäßen ‚’Ermessen die Anordnungen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der §§ 6 bis 17, 25, 27 und 28 des Gesetzes sicherzustellen. Ein Verstoß gegen die vorgenannten Bestimmungen liegt indessen nicht vor.

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Entgegen der Ansicht der Beklagten ist durch den Einbau der Photovoltaik- und Sonnenkollektorenanlage (im Folgenden: Solaranlage) kein Baudenkmal verändert worden. Folglich bedurfte der Kläger für ihre Errichtung einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 NDSchG nicht. Nach dem in der Beweisaufnahme gewonnenen Eindruck der Örtlichkeit stellt der Teil der O. Straße zwischen Q. und R. kein Baudenkmal dar, er ist - unbeschadet des Vorhandenseins einzelner Baudenkmale wie z.B. des S. Hauses - nicht als Ensemble anzusehen. Als (schützenswertes) Ensemble umschreibt § 3 Abs. 2 NDSchG eine bauliche Anlage, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung von öffentlichem Interesse ist. § 3 Abs. 3 NDSchG erweitert den Kreis der denkmalgeschützten Anlagen um Gruppen baulicher Anlagen, unabhängig davon, ob die einzelnen Gebäude für sich gesehen selbst Baudenkmale sind. Eine solche Gruppe baulicher Anlagen stellt der Straßenzug, in dem das Haus des Klägers liegt, nicht dar. Denn die Annahme eines erhaltenswerten Ensembles setzt voraus, dass die einzelnen baulichen Anlagen durch ein einheitliches Bindeglied, eine einheitliche bauliche Aussage verbunden sind (vgl. OVG Lüneburg, NVwZ 1988, 1143 = BRS 47 Nr. 125).

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Die Grundsätze, wann eine Gruppe baulicher Anlagen erhaltenswert ist, sind vom Nds. Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 08.06.1998 - 1 L 3501/96 - (Nds. Rechtspflege 1999, 41 = BRS 60 Nr. 213) herausgearbeitet worden:

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„Das Haus des Klägers ist für sich allein kein Baudenkmal, es ist aber Bestandteil einer Gruppe von baulichen Anlagen im Sinne des § 3 Abs. 3 NDSchG, an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht. .... Wie ein einzelnes Baudenkmal nicht ohne seine sinngebende, das heißt historische Ausstattung beschrieben werden kann, so kann auch ein Stadtensemble nicht ohne seine Elemente beschrieben werden (vgl. Breuer in Gebeßler/Eberl, Schutz und Pflege von Baudenkmälern in der Bundesrepublik Deutschland, 1980, S. 37). Entsprechend der militärischen Strenge der Gesamtanordnung folgen auch die einzelnen Häuser einheitlichen Gestaltungsprinzipien: roter Ziegelstein, weißgestrichene Kastenfenster mit Sprossen und Klappläden aus Holz, Eingangspodeste über wenigen Stufen, weitgehend geschlossene Dachflächen mit nur kleinen unscheinbaren Schleppgauben sind wesentliche Bestandteile der architektonischen Gestaltung im Sinne einer einfachen und historische Bauformen aufnehmenden Bauweise.

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Dem Schutz der Roten Siedlung als Ensemble steht die Größe der Siedlung und die stattliche Zahl der geschützten Gebäude nicht entgegen. § 3 Abs. 3 NDSchG erstreckt den Denkmalschutz auf Gruppen baulicher Anlagen, die aus den in Abs. 2 genannten Gründen erhaltenswert sind, auch wenn die einzelnen baulichen Anlagen für sich keine Baudenkmale sind. Diese Begriffsbestimmung des Ensembles ist nicht auf eine kleine Zahl von baulichen Anlagen beschränkt, sondern kann auch eine Vielzahl von Bauten erfassen, wenn die Gesamtheit durch eine übergreifende Idee, ein Gestaltungsprinzip oder ähnliches verbunden ist. Nicht die Zahl der baulichen Anlagen ist für das Ensemble entscheidend, sondern die Tatsache, daß sich alle baulichen Anlagen als Bestandteile des Ensembles in ein Ganzes einordnen, "das aus einem einheitsstiftenden Prinzip erklärt werden kann", das der eigentliche Träger der geschichtlichen Botschaft eines solchen Ensembles ist (vgl. Breuer, a.a.O., S. 36). Der Auffassung des Klägers, die Terminologie des Gesetzes zeige mit dem Begriff "Gruppe", daß nur eine begrenzte kleine Anzahl auf lokal begrenztem Raum ein Ensemble sein könne, geht fehl. Auch ein Stadtviertel und sogar eine ganze Altstadt kann eine Gruppe von baulichen Anlagen sein, auf die sich der Ensembleschutz erstreckt (vgl. Wiechert in Schmaltz/Wiechert, NDSchG 1998, § 3 Rdn. 9). Aus dem Begriff der Gruppe läßt sich keine zahlen- oder flächenmäßige Grenze ableiten.

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Entgegen der Auffassung des Klägers ist es nicht Voraussetzungen des Ensembleschutzes nach § 3 Abs. 3 NDSchG, daß das Haus des Klägers selbst auch Baudenkmal im Sinne des § 3 Abs. 2 NDSchG wäre oder wenigstens als "Nichtdenkmal" am Gruppenschutz benachbarter Baudenkmale teilhätte. Die Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 3 NDSchG macht deutlich, daß eine Gruppe baulicher Anlagen auch dann Baudenkmal sein kann, wenn alle baulichen Anlagen für sich keine Baudenkmale sind, aber als Elemente sich einem einheitlichen Ganzen einordnen (vgl. Breuer, a.a.O., S. 36; Wiechert, a.a.O., § 3 Rdn. 9). Die baulichen Anlagen müssen mit anderen Worten zum Denkmalwert des Ensembles beitragen (OVG Lüneburg, Urt. v. 2.10.1987 - 6 A 71/86 - NVwZ 1988, 1143).

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An der Erhaltung der Roten Siedlung besteht wegen ihrer geschichtlichen und städtebaulichen Bedeutung ein Öffentliches Interesse. Die Rote Siedlung ist mit ihren Straßenzügen mit rechtwinkligen Querverbindungen, an denen die typenmäßig einheitlichen Häuser aufgereiht sind, städtebaulicher Ausdruck militärischer Strenge. Sie ist auch ein einmaliges Zeugnis des "militärischen Siedlungsbaues" der 30er Jahre, als für den Fliegerhorst Faßberg ein völlig neuer Ort geplant und gebaut wurde. An der Erhaltung der Roten Siedlung besteht auch ein öffentliches Interesse. Nicht jede noch so geringe geschichtliche oder städtebauliche Bedeutung rechtfertigt es, dem Eigentümer der baulichen Anlagen eine Erhaltungspflicht aufzuerlegen und die bauliche Anlagen vor Veränderungen zu schützen. Vielmehr ist eine zusätzliche Eingrenzung auch und gerade im Hinblick auf die Auswirkungen des Veränderungsverbotes auf die Rechtsstellung des Eigentümers erforderlich. Die Erhaltung der baulichen Anlage muß nach dem Wissens- und Kenntnisstand sachverständiger Kreise geboten sein.“

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Die Kammer schließt sich den vorstehend genannten Grundsätzen uneingeschränkt an. Angewandt auf den hier zu entscheidenden Fall kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die danach zwingend notwendige Verbindung zwischen den einzelnen Objekten des Ensembles hier nicht festzustellen ist.

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Denn die Vielfalt der in diesem Straßenzug verwirklichten Stilrichtungen und Bauformen unterschiedlichen Alters und Epochen spricht deutlich gegen eine Ensemble-Eigenschaft. Maßgeblich ist hier, dass die vorgefundenen Bürgerhäuser in der O. Straße gerade in ihrer vielfältigen Ausgestaltung die Bebauung nicht als Einheit tragen. Die Häuser mögen zwar jeweils für sich in geschichtliche Bedeutungskategorien einzuordnen sein, machen aber als Ganzes historische Ereignisse oder Entwicklungen dem Betrachter nicht anschaulich.

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Anders gewendet: Städtebauliche Gründe i.S.d. Denkmalschutzes sind nur gegeben, wenn stadtbaugeschichtliche oder stadtentwicklungsgeschichtliche Unverwechselbarkeiten vorliegen, die entweder auf eine einheitliche Planung zurückzuführen oder aus anderen Gründen im Laufe der Zeit zusammengekommen sind und einem Bauwerk als historischem Bestandteil einer konkreten städtebaulichen Situation eine stadtbildprägende Bedeutung verleihen, so dass es charakteristischerweise zum überlieferten Bestand gehört (vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 1992, 531,533). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, konnte die Beklagte dem Gericht nicht deutlich machen. Die Gebäude in der Hauserzeile O. Straße .. bis .. stammen aus völlig unterschiedlichen Epochen, nämlich aus der Zeit zwischen dem 16. und dem 19. Jahrhundert. Durch die unterschiedliche Traufhöhen und unterschiedlich breite Dachgauben, die in großer Formenvielfalt anzutreffen sind, ergibt sich eine abwechselungsreiche Dachlandschaft, die durch unterschiedliche Dachneigung zu keinem einheitlichen Bild zusammengefasst wird. Die einheitliche Deckung durch rote Tonziegel ist dabei mehr vom Zufall abhängig, wie ein Vergleich mit benachbarten Straßenzügen, wo auch dunkel eingefärbte Ziegel Verwendung finden, zeigt.

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Aber selbst dann, wenn man mit der Beklagten bei dem Straßenabschnitt, in dem das Haus des Klägers liegt, von einem schützenswerten Ensemble ausgehen würde, hätte die Klage - dies trägt die Entscheidung der Kammer selbstständig - Erfolg. Denn der Denkmalwert des Ensembles wäre durch die Errichtung der Solaranlage nicht beeinträchtigt. Die Frage, wann von einer Beeinträchtigung eines Baudenkmals auszugehen ist, beantwortet sich nach dem Urteil eines Sachverständigen auf dem Gebiet des Denkmalschutzes, dessen Sicht von einem breiten Kreis von Sachverständigen getragen wird. Hintergrund dieses Maßstabes ist dabei die Erwägung, dass eine sachgemäße Einschätzung ein Vertrautsein mit den historischen und baugeschichtlichen Hintergründen des zu schützenden Baudenkmals in seiner Epoche voraussetzt (so die st. Rspr. des OVG Lüneburg seit dem Urt. v. 05.09.1985, OVGE 39, 323 (324f.) = BRS 44 Nr. 124). Insoweit wird das erforderliche Fachwissen regelmäßig von den Behörden der Denkmalpflege vermittelt. In der Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalpflege vom 11.02.2003 (Blatt 41 f der Beiakte A), die die Beklagte ihrer Auffassung wesentlich zugrunde legt, kommt zum Ausdruck, dass es dem Denkmalschutz hier nicht so sehr um die Erhaltung der Gestaltung der einzelnen Häuser und der Dachlandschaften geht, sondern vielmehr um städtebauliche Gesichtspunkte. Leitlinie bei der Denkmalausweisung war seinerzeit, die in Grund- und Aufriss erhaltene Struktur der umwallten Kernstadt von D., also deren siedlungshistorisch, stadtbaugeschichtlich und städtebauliche Bedeutung zu erhalten.

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Dies führte dazu, dass mehrere große Gruppen baulicher Anlagen ausgewiesen wurden, die sich zwar in je eigener Charakteristik im Hinblick auf formale Gestaltung, historische Entwicklung bzw. städtebauliche Bezüge zum Teil voneinander unterscheiden, jedoch fast flächendeckend die historischen Straßenräume umfassen. Der Straßenzug T. Straße/U., der in Ost-Westrichtung verläuft und somit nicht die bevorzugte Verkehrsachse Nord-Süd aufnimmt, stellt gleichsam das Rückgrat des D. Straßenrasters dar. Seine Endpunkte markieren im Westen das V. /oder W. Tor und im Osten das X. oder auch Y. Tor. Schützenswert ist nach diesem Konzept also der Aufbau der D. Innenstadt. Hierbei spielt die Gestaltung der Dachlandschaften nur eine untergeordnete Rolle. Deshalb ist die Kammer nicht von der Richtigkeit der Argumentation der Beklagten, dass es aus städtebaulicher Sicht erforderlich sei, die Dächer der Häuser in ihrem „Originalzustand“ zu erhalten, überzeugt. Ob auf einzelnen Häusern (die keine Einzeldenkmale sind) Solaranlagen montiert sind oder nicht, berührt somit nicht den städtebaulichen Eindruck, den man von der Innenstadt D. gewinnt.

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Die Errichtung der Solaranlage beeinträchtigt auch nicht den Denkmalwert geschützter Häuser in der Nachbarschaft des Hauses T. Straße Nr. .., insbesondere nicht das Haus Nr..., das sog. S. Haus, das ein vortreffliches Beispiel der „Weserrenaissance“ darstellt. Gem. § 8 NDSchG dürfen in der Umgebung eines Baudenkmals Anlagen nicht errichtet, geändert oder beseitigt werden, wenn dadurch das Erscheinungsbild dieses Baudenkmals beeinträchtigt wird. Eine Beeinträchtigung liegt bereits aufgrund des Abstandes, der sich zwischen beiden Häusern befindet, nicht vor. Blickbeziehungen zwischen beiden Häusern bestehen nur marginal. Hinzu kommt, dass die streitige Solaranlage nur Betrachtern, die einen Standpunkt am Eingang der Z. straße oder am Beginn des R. wählen, ins Auge zu springen vermag. Steht man in der O. Straße direkt vor den Häusern Nr. .. oder .., so nimmt man die Dachlandschaft des Hauses Nr. .. nur dann wahr, wenn man den Blick bewusst auf sie lenkt. Betrachter des Hauses Nr..., die vor dessen Fassade stehen, werden nur unmerklich vom Haus Nr. .. abgelenkt; jedenfalls fällt die streitige Solaranlage dort nicht in einem so großen Maße auf, dass es zu einer ins Gewicht fallenden Beeinträchtigung der Wahrnehmung des Denkmals kommt.

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Schließlich erweist sich die angefochtene Verfügung - was das Urteil ebenfalls selbstständig trägt - auch deshalb als rechtswidrig, weil sie ermessensfehlerhaft ergangen ist.

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Denn die Anordnung, die gesamte Solaranlage zu entfernen, verstößt gegen das Übermaßverbot. Soweit nämlich Kollektoren auf der Schleppgaube des Hauses des Klägers aufgestellt wurden, sind diese wegen der Neigung der Gaube praktisch dem Auge des auf der Straße stehenden Betrachters (aus welcher Blickrichtung auch immer) verborgen. Deshalb hat der Kläger selbst unter Anlegung der Maßstäbe der Beklagten einen Anspruch darauf, diesen Teil des Daches weiterhin für die Solaranlage zu nutzen. Zuwenig Berücksichtigung hat zudem der Umstand erfahren, dass die Solaranlage nicht „irreparabel“ mit dem Dach verbunden und zudem ihre Lebensdauer begrenzt ist.

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Da die Beklagte bei dem Erlass einer denkmalrechtlichen Beseitigungsverfügung selbst Ermessen auszuüben hat und die Kammer die insoweit zu treffende Entscheidung hier nicht als „teilbar“ ansieht, kommt eine Teilaufhebung der streitigen Verfügung nicht in Betracht.

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Abschließend weist das Gericht - ohne dass es auf ihn wegen des Zeitpunktes seines Inkrafttretens aus Rechtsgründen ankäme - auf den Erlass des Nds. MWK vom 11.06.2003 - 34-5770/1 - hin. Dort wird zutreffend ausgeführt, dass es einen allgemeinen Vorrang des Denkmalschutzes gegenüber dem Umweltschutz nicht gibt, sondern beide Aspekte in Vereinbarung miteinander zu bringen sind. Ein solches Vorgehen der Beklagten hat die Kammer hier vermisst.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; ihre vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, 711 ZPO.