Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 02.06.2004, Az.: 4 B 206/03
Adressat; Bodenschutzrecht; Bodenveränderung; chlorierte Kohlenwasserstoffe; Einzelrechtsnachfolge; finanziell leistungsfähig; Gefahrenabwehr; Gefährdungsabschätzung; Gesamtrechtsnachfolge; gesundheitsschädliche Stoffe; hinreichender Verdacht; Kosten der Ersatzvornahme; Pelzveredelungsbetrieb; Sanierungsanordnung; Sanierungsbrunnen; Sanierungsmaßnahmen; schädliche Bodenveränderung; Sicherungsbrunnen; sofortige Vollziehung; Störerauswahl; Verursacher
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 02.06.2004
- Aktenzeichen
- 4 B 206/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50827
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs 3 BBodSchG
- § 9 Abs 2 BBodSchG
- § 10 Abs 1 S 1 BBodSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Bodensanierung
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes über die Verpflichtung des Antragstellers zur Durchführung von Maßnahmen zur Bodensanierung.
Der Antragsteller nahm im Jahr 1953 auf dem etwa 9.700 m² großen Betriebsgelände C. in D. als Einzelkaufmann einen Betrieb zur Veredelung von Pelzen auf. Am 02.02.1956 wurde ihm hierfür die Genehmigung zum Betrieb einer „Rauchwarenzurichterei nebst Färberei“ erteilt. Im Jahr 1989 gründete der Antragsteller die „L. mbH“ zum Zweck der Beteiligung als Komplementärin an der in Gründung befindlichen und am 21.09.1989 gegründeten „M. GmbH & Co. KG“. Der Antragsteller war seit der Gründung Geschäftsführer der GmbH; seit 1994 führte er die Geschäfte allein. In den Jahren 1990 und 1991 übernahm er die Einlagen zweier Kommanditisten der GmbH & Co. KG in Höhe von insgesamt 600.000,00 DM. Im Dezember 1994 wurde die Einlage des Antragstellers auf 50.000,00 DM herabgesetzt. Im Januar 1995 übertrug er als Einzelkaufmann sein bereits zuvor verpachtetes Betriebsgrundstück auf die GmbH & Co. KG. Im Februar 1995 wurde die Einzelfirma mit allen Aktiva und Passiva auf die GmbH & Co. KG übertragen und erlosch. Im Jahr 1999 stellte das Unternehmen den Produktionsbetrieb in D. ein und verlagerte die Produktion nach N.. Im November 2001 wurde der Betrieb durch den Antragsgegner stillgelegt.
Innerhalb der betrieblichen Abläufe des Pelzveredelungsbetriebes wurden die mit sog. Walköl behandelten Pelze in Entfettungsanlagen unter Verwendung von chlorierten Kohlenwasserstoffen entfettet. Bereits im Jahr 1988 wurde auf dem Betriebsgelände eine Kontamination des Grundwassers mit chlorierten Kohlenwasserstoffen, insbesondere Trichlorethen und Tetrachlorethen (Perchlorethen) festgestellt, wobei die Werte in den Hauptschadensherden um 60.000 µg/l bzw. 240.000 µg/l lagen. In der Folgezeit wurden Bodenluftuntersuchungen veranlasst. Aus diesen ergab sich eine Verschmutzung des Bodens im Bereich von drei Hauptschadensherden, an denen jeweils ein Sicherungsbrunnen (SB) eingerichtet wurde. Durch die Brunnen wurde Grundwasser gefördert, das sodann in einer Reinigungsanlage von chlorierten Kohlenwasserstoffen gereinigt wurde. Nachdem die Brunnen etwa 10 Jahre lang mit Unterbrechungen betrieben worden waren, kam es im Jahr 2001 zu einem Brand des Betriebsgebäudes, durch den die Stromversorgung unterbrochen wurde. Dies führte zu einer Außerbetriebsetzung der Sicherungsbrunnen. Durch später wieder aufgehobenen Bescheid vom November 2001 verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller erstmals zur Wiederinbetriebnahme der Sicherungseinrichtungen.
Durch Bescheid vom 21.03.2003, berichtigt unter dem 27.03.2003, gab der Antragsgegner dem Antragsteller u. a. auf, die Sicherungsbrunnen SB 2 und SB 3 wieder in Betrieb zu nehmen und in Betrieb zu halten sowie notwendige Filterwechsel und andere Instandsetzungsarbeiten unverzüglich zu veranlassen (Ziffer 1 des Bescheides), am Sicherungsbrunnen SB 1 die defekte Reinigungsanlage (Strip-Anlage) instand zu setzen oder durch eine gleichwertige Anlage zu ersetzen (Ziffer 2) und eine Gefährdungsabschätzung durch einen Gutachter in Auftrag zu geben, die eine Bewertung des dreidimensionalen Ausmaßes des Schadens im Bereich des Herdes wie auch einer eventuell vorhandenen Fahne sowie die davon ausgehenden Gefahren für das Grundwasser oder die möglicherweise durch Fahnenausbreitung betroffene Nachbarschaft möglich mache (Ziffer 6).
Für die Punkte 1, 2 und 6 ordnete der Antragsgegner die sofortige Vollziehung an, drohte die Durchführung der Ersatzvornahme an und bezifferte deren voraussichtliche Kosten auf der Grundlage der eingeholten Angebote mit etwa 50.000,00 €. Zur Begründung führte er u. a. aus, der bisherige Schwerpunkt der Maßnahmen habe in der Eingrenzung der bereits nachweisbaren Belastungen im Bereich des Betriebsgrundstücks gelegen. Die Sicherungsbrunnen hätten die Funktion gehabt, eine weitere Ausbreitung der Schadstoffe zu verhindern. Eine Gefährdungsabschätzung sei bisher nicht durchgeführt worden, so dass das Ausmaß der Verunreinigung des Bodens und des Grundwassers nicht in vollem Umfang bekannt sei. Um das Gefahrenpotenzial zu erkennen und effektive Sanierungsmaßnahmen durchführen zu können, sei eine genaue Untersuchung erforderlich. Der Antragsteller sei als Einzelkaufmann für die durch seine Mitarbeiter verursachten Schäden verantwortlich. Er habe diese Verantwortlichkeit nicht mit seinem Einzelunternehmen auf die GmbH & Co. KG übertragen.
Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung führte der Antragsgegner aus, es bestehe eine akute Gefahr der Verschleppung der Schadstoffe in andere Bereiche. Eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt sei nicht auszuschließen. Um das genaue Ausmaß dieser Gefährdung feststellen zu können, sei es notwendig, sofort eine Gefährdungsanalyse durchzuführen. Die Unanfechtbarkeit des Bescheides könne nicht abgewartet werden. Das öffentliche Interesse überwiege gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Verursachers.
Am 28.03.2003 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid vom 21.03.2003 Widerspruch.
Durch Bescheid vom 26.09.2003 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, er beabsichtige, einen Dritten mit der Gefährdungsabschätzung zu beauftragen, und forderte ihn auf, die voraussichtlichen Kosten nach Ziffer 6 des Bescheides vom 21.03.2003 zu zahlen. Am 16.10.2003 erhob der Antragsteller auch gegen diesen Bescheid Widerspruch und beantragte die Aussetzung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde. Durch Bescheid vom 15.01.2004 ersetzte der Antragsgegner den Bescheid vom 26.09.2003 und forderte den Antragsteller nunmehr zur Zahlung eines Betrages von 70.000,00 € auf. Er führte aus, die voraussichtlichen Kosten der Gefährdungsabschätzung hätten neu beziffert werden müssen, da eine Verschleppung der Kontamination mit der Folge erhöhter Erkundungskosten möglich erscheine.
Am 04.02.2004 legte der Antragsteller auch gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Durch Widerspruchsbescheid vom 27.02.2004 wies die Bezirksregierung O. den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 21.03.2003, berichtigt unter dem 27.03.2003, zurück. Sie führte aus, zur Klarstellung würden in Ziffer 6 des Bescheides vom 21.03.2003 hinter dem Wort „Herdes“ die Worte „einschließlich der vorhandenen baulichen Substanzen,“ eingefügt. Die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahmen bezifferte sie bzgl. der Ziffer 2 (SB 1) für das Jahr 2004 mit ca. 30.000,00 €, bzgl. der Ziffer 1 (SB 2 und 3) für das Jahr 2004 mit insgesamt ca. 32.000,00 € (für SB 2 und SB 3 jeweils ca. 16.000,00 €) und bzgl. der Ziffer 6 (Gefährdungsabschätzung) mit ca. 70.000,00 € neu. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie die Ausführungen des Ausgangsbescheides und führte ergänzend aus, zur abschließenden Bewertung der Situation könne nicht auf die bereits vorliegenden Befunde zurückgegriffen werden, da diese zur derzeitigen Verbreitung und Konzentration der Schadstoffe keine auch nur annähernd verbindlichen Aussagen zuließen. Die Störerauswahl und die Heranziehung des Antragstellers als Handlungsstörer vor der Gesellschaft als Zustandsstörer sei nicht zu beanstanden. Am 17.03.2004 erhob der Antragsteller hiergegen Klage (4 A 33/04).
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 21.04.2004 wies die Bezirksregierung O. auch den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 15.01.2004 zurück. Hiergegen erhob der Antragsteller am 05.05.2004 Klage (4 A 60/04).
Bereits am 29.10.2003 hat der Antragsteller um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung macht er geltend, es sei nicht nachgewiesen, dass er Verursacher der Kontamination sei. Die Verunreinigungen könnten bereits durch eine Brauerei oder eine Käserei entstanden sein, die in früherer Zeit auf dem Grundstück produziert hätten. Es sei fehlerhaft, ihn als Einzelkaufmann in Anspruch zu nehmen. Das Einzelunternehmen sei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die GmbH & Co. KG übertragen worden. Dadurch sei seine Handlungsstörer-Eigenschaft auf die GmbH & Co. KG übergegangen. Er hafte nach §§ 28 Abs. 3, 26 HGB bzw. in Anwendung des Rechtsgedankens des § 160 HGB mit Art. 35 EGHGB nicht, da zwischen der Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister am 03.02.1995 und dem Erlass des Bescheides vom 21.03.2003 mehr als 5 Jahre verstrichen seien. Die Störerauswahl sei fehlerhaft. Er sei nicht Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Dies sei die GmbH & Co. KG als Grundstückseigentümerin. Diese hätte herangezogen werden müssen. Die Maßnahme verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Maßnahmen nach Nrn. 1 und 2 des Bescheides seien nicht geeignet, die Verunreinigungen zu beseitigen. Die Brunnen hätten keinen Einfluss auf den Gehalt des Bodens an leicht flüchtigen halogenierten Kohlenwasserstoffen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht rechtmäßig, weil die Verhältnisse sich nicht zum Negativen verändert hätten und die Behörde nach dem Brand im Jahr 2001 zweieinhalb Jahre habe ins Land gehen lassen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage (4 A 33/04) gegen die Anordnungen zu den Ziffern 1, 2 und 6 des Bescheides des Antragsgegners vom 21.03.2003, berichtigt unter dem 27.03.2003, und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung O. vom 27.02.2004 wiederherzustellen,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage (4 A 60/04) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung O. vom 21.04.2004 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge abzulehnen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide und trägt vertiefend vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im vorliegenden und in den Klageverfahren sowie auf die Akten des Antragsgegners Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
II. Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO sind zulässig. Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Anfechtungsklage (4 A 33/04) gegen die Anordnungen zu den Ziffern 1, 2 und 6 des Bescheides des Antragsgegners vom 21.03.2003, berichtigt unter dem 27.03.2003, und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung O. vom 27.02.2004 entfällt, da der Antragsgegner insoweit gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (4 A 60/04) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.01.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung O. vom 21.04.2004 entfällt gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 4 des Nds. Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung - Nds. SOG - (ehemals: Nds. Gefahrenabwehrgesetz - NGefAG -).
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage anordnen bzw. wiederherstellen, wenn die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Das ist dann der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt nach der im Rahmen der genannten Vorschrift vorzunehmenden summarischen Überprüfung aller Wahrscheinlichkeit nach als rechtswidrig darstellt, da an der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Verfügung kein überwiegendes öffentliches Interesse anerkannt werden kann. Andererseits ist das überwiegende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung dann anzunehmen, wenn diese sich mit großer Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig darstellt.
Hier führt eine summarische Prüfung zu dem Ergebnis, dass die vom Antragsgegner unter Ziffern 1, 2 und 6 des Bescheides vom 21.03.2003 ausgesprochenen Sanierungsanordnungen, die Androhung der Ersatzvornahme und die Anforderung der voraussichtlichen Kosten der Gefährdungsabschätzung mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtmäßig sind.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der in den Ziffern 1, 2 und 6 des Bescheides des Antragsgegners vom 21.03.2003 getroffenen Regelungen genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Der Antragsgegner hat zur Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung ausgeführt, es bestehe eine akute Gefahr der Verschleppung von Schadstoffen vom ehemaligen Betriebsgrundstück des Antragstellers aus in andere Bereiche. Im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der Umwelt könne die Unanfechtbarkeit des Bescheides nicht abgewartet werden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Durchsetzung des Bescheides überwiege gegenüber den wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers. Diese Ausführungen gehen über bloße formelhafte Wendungen hinaus und begründen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides hinreichend.
Die Verpflichtung des Antragstellers, die Sicherungsbrunnen SB 1, SB 2 und SB 3 wieder in Betrieb zu nehmen und auf Dauer zu unterhalten, findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 10 Abs. 1 S. 1 i.V.m. 4 Abs. 3 des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) und wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierzu kommen gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 BBodSchG bei Belastungen durch Schadstoffe neben Dekontaminations- auch Sicherungsmaßnahmen in Betracht (vgl. auch § 2 Abs. 7 BBodSchG), die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Zur Erfüllung der sich aus § 4 BBodSchG ergebenden Pflichten kann die zuständige Behörde gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG die notwendigen Maßnahmen treffen.
Der Antragsgegner war für den Erlass der angefochtenen Bescheide zuständig. Gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 des Nds. Bodenschutzgesetzes (NBodSchG) nimmt ein H. I., das für die Überwachung einer nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftigen Anlage zuständig ist, auch die Aufgaben der zuständigen Behörde nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz wahr, wenn durch die Anlage auf dem Betriebsgrundstück eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast hervorgerufen wird. Bei dem Pelzveredelungsbetrieb des Antragstellers handelte es sich um eine Anlage i.S.v. Nr. 7.14 (Spalte 2) des Anhangs zur 4. BImSchV und damit um eine genehmigungsbedürftige Anlage i.S.d. Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Die Zuständigkeit nach § 10 Abs. 2 S. 1 NBodSchG endet regelmäßig zehn Jahre nach Einstellung des Betriebs der Anlage (§ 10 Abs. 2 S. 2 NBodSchG); diese Frist ist noch nicht verstrichen, da der Betrieb erst im Jahr 1999 eingestellt worden ist. Der Antragsgegner ist für den Bereich des Landkreises Northeim auch örtlich zuständig.
Das Betriebsgrundstück in D. weist eine schädliche Bodenveränderung i.S.v. § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG auf. Schädliche Bodenveränderungen im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 2 Abs. 3 BBodSchG Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen (§ 2 Abs. 2 BBodSchG), die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Die mit dem Eintrag erheblicher Mengen chlorierter Kohlenwasserstoffe in den Boden entstandene Kontamination stellt eine derartige schädliche Bodenveränderung dar. Chlorierte Kohlenwasserstoffe sind giftig, können Krebs erzeugen und werden der Wassergefährdungsklasse 3 zugeordnet. Die im Bereich der Hauptschadensherde ermittelten Werte von 60.000 µg/l bzw. 240.000 µg/l zeigen auf, dass eine Menge dieser gesundheitsschädlichen Stoffe in den Boden eingedrungen ist, die weit jenseits des durch die Länderarbeitsgemeinschaft Wasser - LAWA - bei derartigen Substanzen angenommenen Sanierungsschwellenwertes von 50 µg/l liegt.
Für die Kammer steht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Antragsteller Verursacher dieser schädlichen Bodenveränderung ist. In den drei als Hauptschadensschwerpunkte festgestellten Bereichen des Grundstücks befanden sich zu der Zeit, als der Antragsteller sein Unternehmen noch als Einzelkaufmann betrieb, die Entfettungsanlagen und ein Perchlorethentank (SB 1 mit sog. Stripanlage = Reinigungsanlage), eine Abwassersammelgrube (SB 2) und - bis Mitte der 80-er Jahre - ein Trichlorethen-Erdtank (SB 3). Es spricht alles dafür, dass die Schadstoffe infolge unsachgemäßen Umgangs an diesen Stellen in das Erdreich gelangt sind. Demgegenüber erscheint es unwahrscheinlich, dass andere Firmen, die das Grundstück vor dem Antragsteller genutzt haben, Urheber der Bodenveränderungen sind. Denn während der Nutzung durch den Antragsteller befanden sich im Bereich der Hauptschadensherde Anlagen, in denen ständig mit chlorierten Kohlenwasserstoffen gearbeitet wurde. Hingegen gibt es keinen Hinweis darauf, dass sich dort in früherer Zeit Gebäude oder Einrichtungen befanden, die als Emissionsquellen in Frage kämen.
Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass seine in § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG begründete Verpflichtung zur Sanierung infolge der Übertragung seines einzelkaufmännischen Unternehmens und des Betriebsgeländes auf die Firma M. GmbH & Co. KG untergegangen ist. Zum einen hat der Gesetzgeber mit der Aufnahme des Gesamtrechtsnachfolgers in den Kreis der Sanierungspflichtigen eine Erweiterung dieses Kreises bezweckt. Der Gesamtrechtsnachfolger tritt daher als Sanierungspflichtiger neben den Verursacher, nicht aber an dessen Stelle. Zum anderen stellt der Übergang eines einzelkaufmännischen Unternehmens keinen Fall der Gesamtrechtsnachfolge dar. Die erwerbende Gesellschaft trat die Rechtsnachfolge nur hinsichtlich des Erworbenen und nicht etwa hinsichtlich aller Rechte und Pflichten des Antragstellers an. Es handelt sich deshalb um einen Fall der Einzelrechtsnachfolge (vgl. insoweit VGH Kassel, Urt. v. 09.09.1999 - 8 UE 656/95 -, NVwZ 2000, 828 [OVG Mecklenburg-Vorpommern 15.04.1999 - 3 K 36/97]). Hierfür spricht im Übrigen auch, dass das Betriebsgelände und die sonstigen Vermögensgegenstände des einzelkaufmännischen Unternehmens getrennt auf die Gesellschaft übertragen worden sind. Die Verantwortlichkeit des Antragstellers als Verursacher der schädlichen Bodenveränderung wird auch durch Regelungen des Handelsgesetzbuches nicht berührt. Die handelsrechtlichen Bestimmungen regeln schuldrechtliche Pflichten bzw. sehen schuldrechtliche Haftungsbeschränkungen vor, während § 4 BBodSchG öffentlich-rechtliche Handlungspflichten begründet, die nicht zur rechtsgeschäftlichen Disposition stehen.
Die Verpflichtung des Antragstellers zum fortgesetzten Betrieb der Sanierungsbrunnen ist nach summarischer Prüfung durch die Kammer geeignet, erforderlich und angemessen, so dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt ist. Die Brunnen wurden Anfang der 90-er Jahre an den Grundstücksgrenzen im Bereich der Hauptschadensherde eingerichtet, um die aus dem Boden in das Grundwasser übergehenden chlorierten Kohlenwasserstoffe abzupumpen und das Grundwasser nach einer Reinigung in der sog. Stripanlage der Kanalisation zuzuführen. Sie dienten und dienen daher weiterhin dem Zweck, das Grundwasser und den Boden zu reinigen. Darüber hinaus haben sie die Funktion, ein Abdriften der Schadstoffe in den Bereich angrenzender Grundstücke zu verhindern. Diese Funktion erfüllen sie nach wie vor. Dagegen spricht auch nicht, dass die im Grundwasser vorgefundene Schadstoffbelastung über die Jahre hinweg nicht geringer geworden ist. Dies lässt vielmehr erkennen, dass der angestrebte Zweck allein mit der Einrichtung der Brunnen nicht erreicht werden kann, sondern zusätzliche Maßnahmen notwendig sind.
Auch die Anordnung der Durchführung einer Gefährdungsabschätzung ist voraussichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlagen sind §§ 9 Abs. 2, 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG. Gemäß § 9 Abs. 2 des Gesetzes kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, sofern aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine Gefährdungsabschätzung auch nicht deshalb entbehrlich, weil im Zusammenhang mit der Einrichtung der Sicherungsbrunnen in verschiedenen Bereichen des Grundstücks Bohrungen vorgenommen worden sind. Diese lang zurückliegenden Maßnahmen sind nicht geeignet, eine abschließende Bewertung insbesondere der Entwicklung der Schadstoffausbreitung im Boden zu gewährleisten. Bereits im Jahr 2001 hat das die Sicherungsmaßnahmen begleitende Gutachterunternehmen „Das Baugrundinstitut“ weitere Maßnahmen befürwortet, um das Abstromverhalten des Grundwassers zu überprüfen. Die Gutachter vertraten seinerzeit die Ansicht, dass die in der Vergangenheit betriebenen Sicherungsmaßnahmen hinsichtlich der Grundwasserbehandlung nur ein Minimum dessen darstellten, was fachlich geboten sei. Im August 2002 kam es sodann zu Besprechungen des Antragsgegners mit dem „Baugrundinstitut“ und dem Nds. Landesamt für Ökologie (NLÖ). Die Gutachter kamen weitgehend übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die bislang angeordneten Sicherungsmaßnahmen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht ausreichend seien, um das Abdriften der chlorierten Kohlenwasserstoffe vom Grundstück dauerhaft zu verhindern. Angesichts der erheblich über dem Sanierungsschwellenwert liegenden Kontamination und der von den chlorierten Kohlenwasserstoffen möglicherweise ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit erscheint die Anordnung der Gefährdungsabschätzung auch verhältnismäßig.
Auch die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller als Störer in Anspruch zu nehmen, hält einer summarischen rechtlichen Überprüfung stand. Der Antragsteller ist als Betreiber des Pelzveredelungswerkes für die Entstehung der Kontamination verantwortlich und damit Verursacher i.S.v. § 4 Abs. 3 BBodSchG. Diese Norm enthält keine zwingende Rangfolge für die Störerauswahl (Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2002, § 4 Rn. 88); allerdings gilt wie auch im allgemeinen Gefahrenabwehrrecht der Grundsatz, dass im Regelfall eine vorrangige Heranziehung eines Verhaltensstörers geboten ist. Dementsprechend hat der Antragsgegner den Antragsteller als Verursacher der Bodenveränderung ausgewählt. Er hat sich dabei auch mit der Heranziehung der GmbH & Co. KG als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt und als Eigentümerin der Grundstücke auseinander gesetzt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Abwägung zu dem Ergebnis geführt hat, den Antragsteller, der für die Verunreinigung verantwortlich ist und gleichzeitig als einziger Kommanditist der Kommanditgesellschaft und als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH den erforderlichen Zugriff auf das Grundstück hat, als Adressat der Sanierungsmaßnahmen heranzuziehen. Auch unter dem Aspekt, dass der Antragsteller insbesondere infolge der Herabsetzung des Stammkapitals der Gesellschaft finanziell leistungsfähiger sein dürfte als diese, ist die Auswahl unter dem Gesichtspunkt der Effektivität der Gefahrenabwehr nicht zu beanstanden.
Die Androhung der Ersatzvornahme findet ihre rechtliche Grundlage in §§ 64 Abs. 1, 65 Abs. 1 Nr. 1, 66, 70 Nds. SOG und ist nicht zu beanstanden. Die Heraufsetzung der gemäß § 70 Abs. 4 Nds. SOG anzugebenden voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme ist darauf zurückzuführen, dass die voraussichtlichen Kosten vom Antragsgegner im Laufe des Verfahrens aufgrund konkreter Anhaltspunkte höher eingeschätzt worden sind.
Die Anforderung der Kosten für die Gefährdungsabschätzung durch den Bescheid des Antragsgegners vom 15.01.2004 erscheint nach summarischer Prüfung gleichfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 66 Abs. 2 S. 1 Nds. SOG. Danach kann bestimmt werden, dass die betroffene Person die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im voraus zu zahlen hat. Der Antragsgegner hat ausgeführt, es sei dem Land Niedersachsen, in dem eine angespannte Haushaltslage herrsche, nicht zuzumuten, die Kosten vorab zu verauslagen, nachdem der Antragsteller über eine lange Zeit hinweg untätig geblieben sei. Mit diesen Erwägungen hat er sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt.
Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht notwendig, weil die Behörde nach dem Brand im Jahr 2001 längere Zeit untätig gewesen sei. Dies entspricht nach Aktenlage nicht den Tatsachen. Der Antragsgegner hat das Verfahren vielmehr in der Folgezeit im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten stetig vorangetrieben.
Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 und Abs. 2 GKG. Soweit der Antragsgegner für die Gefährdungsabschätzung Kosten in Höhe von 70.000,00 Euro angefordert hat, wird dieser Betrag auch in Anwendung der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605 ff., Abschnitt I Ziffer 8) zugrundegelegt. Soweit darüber hinaus die Kosten für den weiteren Betrieb der Sicherungsbrunnen mit insgesamt 62.000,00 Euro angenommen worden sind, setzt die Kammer den Wert in Höhe der Hälfte dieser Summe fest, da die Entscheidung die Hauptsache nicht vorwegnimmt.