Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 02.06.2004, Az.: 2 A 31/03

Fremdwerbung; Mischgebiet; Satzung; Werbeanlage; örtliche Bauvorschrift

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
02.06.2004
Aktenzeichen
2 A 31/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50628
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbeanlage.

2

Im März 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Werbeanlage. Die Anlage soll Veranstaltungen ankündigen und der Parteien- und Wirtschaftswerbung dienen. Sie hat eine Größe von 2,90 m x 3,90 m und soll an der Wand des Hauses L., Flst. O., Flur P. der Gemarkung M. ausgerichtet nach Osten angebracht werden. Das Grundstück L. ist ein Eckgrundstück an der derzeitigen Einmündung des Q. in die B R.. Der Standort der Anlage liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes E. -M. Nr. S. „Bundesstraße R.“ vom April 2000. Das Gebiet, in dem die Anlage errichtet werden soll, ist im Bebauungsplan als Mischgebiet ausgewiesen. Das dem Grundstück in östliche Richtung gegenüber liegende Gebiet ist als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Der Bebauungsplan sieht vor, dass diese Einmündung geschlossen und dort ein Wendehammer errichtet wird. Bestandteil dieser Satzung ist eine Örtliche Bauvorschrift über die Gestaltung des Planbereichs. In § 2 heißt es u.a.:

3

„Zulässig sind nur Werbeanlagen an der Stätte der Leistung.....

4

Auf Verkehrsflächen öffentlicher Straßen können gem. § 49 Abs. 4 NBauO ausnahmsweise auch andere Werbeanlagen zugelassen werden, soweit diese die Eigenart des Gebiets und das Ortsbild nicht beeinträchtigen.“

5

In der Begründung für diese Örtliche Bauvorschrift ist ausgeführt:

6

„Insbesondere aufgrund der städtebaulichen Bedeutung des Plangebiets als “Einfallstraße“ und der Funktion dieses Bereichs als Eingang in die Stadt wird im Rahmen einer Örtlichen Bauvorschrift über Gestaltung die Zulässigkeit von Werbeanlagen geregelt.

7

Die Bebauung entlang der Straße L. ist insbesondere im westlichen Abschnitt Teil der historischen Ortslage von M. mit einem für den Ortsteil charakteristischen Ortsbild. Die städtebauliche Gestalt wird darüber hinaus durch die Grundstücksfreiflächen und den Gewässerlauf der T. als charakteristische Landschaftselemente bestimmt. Diese vorhandenen stadtgestalterischen und ökologischen Strukturen begründen wesentlich die positive Wahrnehmung dieses Bereichs und sollen in ihrer Wirkung und Funktion gesichert und entwickelt werden.

8

Das Plangebiet ist darüber hinaus trotz der Lage an der Straße und dem Standort einzelner kleiner Betriebe sehr stark durch Wohnnutzung geprägt. Der öffentliche Straßenraum und seine Seitenbereiche haben damit auch eine wichtige Wohnumfeldfunktion, die es zu sichern und zu entwickeln gilt.

9

Um eine Beeinträchtigung der Wohnlage, eine Abwertung des Orts- und Landschaftsbildes, Eingriffe in die ökologischen Strukturen sowie eine Störung des Verkehrsflusses durch eine Häufung von Werbeanlagen zu verhindern, müssen sich in Abwägung öffentlicher und privater Belange Werbeanlagen innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplanes auf die Stätte der Leistung beziehen.....“

10

Mit Bescheid vom 30. Juli 2002 lehnte die Beklagte die beantragte Baugenehmigung im Wesentlichen unter Hinweis auf die Örtliche Bauvorschrift ab. Den hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 6. Januar 2003 zurück.

11

Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Klage erhoben.

12

Sie hält das mit der Örtlichen Bauvorschrift verbundene generelle Fremdwerbeverbot in einem als Mischgebiet ausgewiesenen Gebiet für rechtswidrig. Die Gründe für den Erlass der Örtlichen Bauvorschrift überzeugten nicht. Es bedürfe der Bauvorschrift zur Verhinderung einer störenden Häufung und einer Störung des Ortsbildes nicht. Ein sachlicher Grund für die Beschränkung der Werbung auf die Stätte der Leistung sei nicht zu erkennen. Wenn die Beklagte die Wohnnutzung schützen wolle, müsse sie das fragliche Gebiet als Wohngebiet ausweisen. Zudem komme es dadurch zu Wettbewerbsverzerrungen, dass Werbung auf öffentlichen Verkehrsflächen ausnahmsweise zugelassen werden könne und in dem fraglichen Bereich schon zahlreiche andere Werbeanlagen stünden, die zum Teil auch erst nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes Nr. S. errichtet worden seien. Dies stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30. Juli 2002 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 6. Januar 2003 zu verpflichten, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung zur Errichtung einer beleuchteten großflächigen Werbetafel auf dem Grundstück L., Gemarkung M., Flur N., Flst. O. in E. nach Maßgabe der eingereichten Pläne zu erteilen.

15

Die Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Sie bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus: Nur durch eine Örtliche Bauvorschrift könne die Eigenart des Plangebietes mit der im Westen gelegenen historischen Ortslage, die durch kleine Geschäfte und Wohnnutzung geprägt sei, geschützt werden. Bauordnungsrechtliche Mittel reichten hierfür nicht aus. Die von der Klägerin genannten Referenzfälle für Werbeanlagen in dem streitigen Plangebiet trügen ihr Begehren nicht. Entweder genössen diese vor dem Erlass der Örtlichen Bauvorschrift aufgestellten Anlagen Bestandsschutz, oder sie seien auf öffentlichen Verkehrsflächen errichtet, ohne den Zweck der örtlichen Bauvorschrift zu beeinträchtigen.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist begründet.

20

Der Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2002 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 6. Januar 2003 sind rechtswidrig und die Klägerin hat gemäß § 75 Abs. 1 NBauO einen Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, weil ihr Bauvorhaben dem öffentlichen Baurecht entspricht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

21

Dem Vorhaben stehen zunächst keine bauplanungsrechtlichen Versagungsgründe entgegen. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich im vorliegenden Fall nach § 30 Abs. 1 BauGB, weil das Baugrundstück innerhalb eines qualifizierten Bebauungsplanes, dem Bebauungsplan E. -M. Nr. S. “Bundesstraße R.“, liegt.

22

Das fragliche Gebiet ist als Mischgebiet ausgewiesen. In einem solchen Gebiet sind - soweit es die Art der Nutzung betrifft - Gewerbebetriebe, die das Wohnen nicht wesentlich stören, regelmäßig zulässig (§ 6 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 4 BauNVO). Zu derartigen Gewerbebetrieben gehört insbesondere auch die von der Klägerin geplante, als eigenständige (gewerbliche) Hauptnutzung zu qualifizierende Anlage der Fremdwerbung (vgl. BVerwG, U. v. 03.12.1992 -4 C 27.91 -, BVerwGE 91, 234). Auch soweit es das Maß der baulichen Nutzung betrifft, sind Werbetafeln im sog. Euro-Format, wie sie die Klägerin hier zur Genehmigung gestellt hat, bauplanungsrechtlich zulässig. Der maßgebliche Bebauungsplan enthält insoweit nur Regelungen zur überbaubaren Grundstücksfläche und zur Geschossflächenzahl. Werbetafeln sind einer Beurteilung nach diesen Maßfestsetzungen praktisch entzogen. Aus dem Fehlen von Maßfestsetzungen, die der Zulassung einer baulichen Anlage entgegenstehen, folgt, dass diese Anlage auch nach ihrem Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig ist (BVerwG, Urteil vom 16.3.1995 -4 C 3/94-, NVwZ 1995, 899).

23

Das Vorhaben der Klägerin verstößt auch nicht gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften.

24

Die in § 49 Abs. 4 Satz 1 NBauO enthaltene Einschränkung, wonach in bestimmten Baugebieten Werbeanlagen nur an der Stätte der Leistung zulässig sind, greift im vorliegenden Fall nicht, weil das Baugrundstück in einem - von dieser Vorschrift nicht erfassten - Mischgebiet liegt.

25

Dass die geplante Werbetafel zu einer erheblichen Belästigung im Sinne des § 49 Abs. 2 NBauO oder ggf. zu einer unzumutbaren Verkehrsbehinderung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 3 NBauO führt, wird weder von der Beklagten geltend gemacht noch ist dies für das Gericht nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck der Fall.

26

Dem Vorhaben steht schließlich auch nicht die Örtliche Bauvorschrift über die Gestaltung des Planbereichs des Bebauungsplanes E. -M. Nr. S. entgegen. Zwar liegt das jeweilige Baugrundstück im Geltungsbereich dieser Satzung, nach dessen § 2 Abs. 1 Werbeanlagen nur an der Stelle der Leistung zulässig sind. Diese Satzung ist jedoch unwirksam und stellt deshalb keine taugliche Grundlage für die Versagung der beantragten Baugenehmigung dar.

27

Rechtsgrundlage für den Erlass Örtlicher Bauvorschriften ist § 56 NBauO. Nach § 56 Abs. 1 Nr. 2 NBauO können die Gemeinden, um bestimmte städtebauliche, baugestalterische oder ökologische Absichten zu verwirklichen oder um die Eigenart oder den Eindruck von Baudenkmalen zu erhalten oder hervorzuheben, durch örtliche Bauvorschrift besondere Anforderungen an die Art, Gestaltung oder Einordnung von Werbeanlagen stellen, sie insbesondere auf bestimmte Gebäudeteile, auf bestimmte Arten, Größen, Formen und Farben beschränken oder in bestimmten Gebieten und an bestimmten baulichen Anlagen ausschließen. Diese Vorschrift rechtfertigt den in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Ausschluss von Anlagen der Fremdwerbung hier jedoch nicht.

28

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören baugestalterische Regelungen über die Nutzung von Grundstücken zum Zwecke der Werbung zu den Vorschriften, durch die Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt werden. Inhaltsbestimmungen und Beschränkungen des Eigentums sind nach dieser Vorschrift jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit sie von dem geregelten Sachbereich her geboten und ihrer konkreten Ausgestaltung nach sachgerecht sind. Dabei müssen insbesondere die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten eines sozialgebundenen Privateigentums und das daraus ableitbare Gebot an die rechtssetzende Gewalt berücksichtigt werden, bei der Bestimmung des Eigentumsinhalts die Belange der Gemeinschaft und die privaten Interessen des Einzelnen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Im Rahmen einer solchen Abwägung ist es zwar grundsätzlich möglich, eine Beschränkung von Werbeanlagen in solchen Baugebieten oder sonstigen Bereichen vorzunehmen, die - wie dies etwa für Dorf-, Kleinsiedlungs- und Wohngebiete anerkannt worden ist (vgl. BVerwG, U. v. 22.02.1980 - 4 C 44.76 -, BRS 36, Nr.  149; U. v. 03.12.1992 - 4 C 27.91-, BRS 54 Nr. 126) - eines besonderen Schutzes vor funktionswidrigen Anlagen bedürfen. Andererseits muss die planende Gemeinde in diesem Zusammenhang aber berücksichtigen, was in bestimmten Baugebieten aufgrund ihrer allgemeinen Funktion als angemessen und was als funktionswidrig empfunden wird und darf deshalb beim Erlass einer baugestalterischen Regelung über die Zulässigkeit von Werbeanlagen nicht an der planungsrechtlich bestimmten bzw. vorgegebenen Nutzungsweise vorbeigehen. Angesichts dessen ist ein genereller Ausschluss von Anlagen der Fremdwerbung (oder auch eine generelle Beschränkung derartiger Anlagen auf bestimmte Höchstmaße) in einem Mischgebiet grundsätzlich unzulässig, weil derartige Gebiete - ohne dass insoweit von Gesetzes wegen ein bestimmtes Verhältnis zwischen Wohn- und Gewerbenutzung bzw. ein entsprechender flächenmäßiger Anteil vorgegeben ist - in „gleichgewichtiger“ Weise dem Wohnen und der Unterbringung nicht wesentlich störender Gewerbebetriebe dienen. Vielmehr sind Werbeanlagen der hier beantragten Art in einem Mischgebiet grundsätzlich zulässig und können deshalb nicht in generalisierender Weise aus einem solchen Gebiet verdrängt werden (vgl. zum Vorstehenden BVerwG, U. v. 28.04.1972 - IV C 11.69 -, BRS 25 Nr. 127; OVG Münster, U. v. 29.01.1999 - 11 A 4952/97 -, BauR 2000, 92; ebenso für Kerngebiete: BVerwG, U. v. 16.03.1995 - 4 C 3.94 -, NVwZ 1995, 899; OVG Münster, U. v. 06.02.1992 - 11 A 2232/89 -, BRS 54 Nr. 112; für Gewerbe- und Industriegebiete: VGH Mannheim, U. v. 29.04.1981 - 5 S 1909/80 -, BRS 38 Nr. 147; U. v. 16.06.2003 - 3 S 2533/02 -; für Hauptverkehrsstraßen allgemein: OVG Koblenz, U. v. 22.07.1987 - 1 A 128/85 -, BRS 48 Nr. 120).

29

Insoweit geht der Hinweis der Beklagten fehl, die Eigenart des Baugebietes mit überwiegender Wohnnutzung rechtfertige die Einschränkung der Baufreiheit. Denn die Eigenart bestimmt sich nach den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen für dieses Gebiet und danach handelt es sich um ein Mischgebiet. Die unterschiedliche Gebietsausweisung - andere Bereiche des Plangebiets sind als Allgemeines Wohngebiet ausgewiesen - hat die Beklagte nicht differenziert genug betrachtet (vgl. OVG Münster, Urteil vom 06.02.1992, a.a.O.); damit aber hat sie im Rahmen der erforderlichen Abwägung wiederum nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass - wie bereits dargelegt - Anlagen der Fremdwerbung aus solchen Gebieten, die jedenfalls auch durch gewerbliche Nutzung geprägt werden und wie sie hier im Plangebiet tatsächlich auch existiert, grundsätzlich nicht in generalisierender Weise verdrängt werden können.

30

Ein genereller Ausschluss von (Fremd-)Werbeanlagen kann jedoch - unabhängig von der städtebaulichen Funktion des betreffenden Baugebiets und der dort an sich zulässigen Nutzungen - dann gerechtfertigt sein, wenn dies zum Schutz von bestimmten, aus geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Sicht bedeutsamen Teilen des Gemeindegebiets oder zum Schutz von Bau- und Kulturdenkmalen geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.02.1980 u. 16.03.1995, jeweils a.a.O.). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

31

Eine derart weitgehende Ausschöpfung der durch § 56 NBauO ermöglichten - andererseits durch die o.g. verfassungsrechtlichen Grundsätze beschränkten - Gestaltungsmöglichkeiten wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn davon auszugehen wäre, dass die dem Geltungsbereich der Örtlichen Bauvorschrift unterfallenden Gebiete als solche oder die an dieser Straße vorhandene Bebauung insgesamt besonders schützenswert wären. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. Vielmehr lässt sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck eine derartige Annahme für das streitbefangene Baugrundstück verneinen.

32

Die Begründung der Örtlichen Bauvorschrift nimmt im Wesentlichen zwei städtebauliche Aspekte in Bezug. Zum einen soll die positive Wahrnehmung des Bereichs, der durch Grundstücksfreiflächen und den Gewässerlauf der T. als charakteristische Landschaftselemente bestimmt werde, in ihrer Wirkung und Funktion gesichert und entwickelt werden; zum anderen soll die Wohnumfeldfunktion in dem stark durch Wohnnutzung bestimmten Planbereich gesichert und entwickelt werden. Es mag offen bleiben, ob diese allgemein gehaltenen Ausführungen, die nicht erkennen lassen, warum diese Gebäude bzw. Grünanlagen unter den o.g. Kriterien insgesamt besonders schützenswert sind bzw. „als Gebiet“ eine einheitliche städtebauliche Funktion aufweisen, die durch Werbeanlagen nicht gestört werden darf, als Begründung nach § 56 NBauO ausreichen. Denn sie tragen eine Beschränkung der grundsätzlich zulässigen Werbung nur dort, wo diese städtebaulichen Erwägung auch greifen. Dies ist hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks nicht nur nach der bauplanungsrechtlichen Festlegung als Mischgebiet, sondern auch nach den tatsächlichen Gegebenheiten nicht der Fall. Denn es gibt die zitierten Grundstücksfreiflächen und ökologischen Verhältnisse in diesem Bereich nicht. Das Grundstück L. zeichnet sich durch eine geschlossene Bauweise aus, die städtebaulichen Besonderheiten nicht erkennen lässt. Diese erweckt auch nicht annähernd den Eindruck einer historischen Ortslage, die sich, was gerichtsbekannt ist, in einiger Entfernung weiter nördlich vom Plangebiet befindet. Darüber hinaus ist wird der offene Bachlauf der T. in Höhe der östlich gelegenen Straßenseite des Q. in ein unterirdisches Rohr geführt und ist in Höhe des streitbefangenen Grundstücks nicht mehr zu sehen. Ferner befinden sich Grundstücksfreiflächen in dem als Mischgebiet ausgewiesenen Bereich nicht. Eine solche Freifläche befindet sich allerdings auf der östlich gegenüberliegenden Straßenseite des streitbefangenen Grundstücks. Sie wird derzeit als unbefestigter Parkplatz genutzt und hat erkennbar weder eine besondere ökologische noch eine städtebauliche Funktion. Da diese Freifläche im Bebauungsplan E. -M. Nr. S. “Bundesstraße R.“ als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist, hat die Kammer erwogen, ob der Schutz dieses Gebietes vor großflächigen Werbeanlagen den Erlass einer Örtlichen Bauvorschrift rechtfertigen könnte. Das Gericht sieht sich jedoch rechtlich gehindert, eigene, nicht von der Beklagten als Begründung für den Erlass der Örtlichen Bauvorschrift herangezogene, abwägungsrelevante Erwägungen anzustellen. Denn insoweit liegt die Planungshoheit bei der Beklagten.

33

Auch die in der Begründung herangezogene städtebaulichen Bedeutung des Plangebiets als “Einfallstraße“ und der Funktion dieses Bereichs als Eingang in die Stadt rechtfertigt die Beschränkung der grundsätzlich zulässigen Werbung nicht. Eine derart pauschale Begründung geht der Sache nach nicht über die Erwägung hinaus, die in Stadtgebieten existierenden Haupt- und Ausfallstraßen seien die „Visitenkarten einer Stadt“, die den Besuchern die ersten Eindrücke der städtebaulichen Gestaltung vermittelten und deshalb eines besonderen Schutzes vor (größeren) Werbeanlagen bedürften. Ein derartiges „Konzept“ aber ist von der Rechtsprechung bereits mehrfach als städtebaulich nicht gerechtfertigt verworfen worden, weil es sich um eine unzulässige Pauschalierung im Sinne einer Blankettausführung handelt, die auf nahezu alle Ausfallstraßen jeder Stadt angewendet werden könnte (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 29.04.1986, a.a.O.; VG Osnabrück, Urteil vom 12.12.2003 -2 A 57/02-, m.w. Rechtsprechungsnachweisen, zitiert nach der Datenbank des Nds. Oberverwaltungsgerichts).

34

Gemessen an ihrem Zweck ist die streitbefangene Örtliche Bauvorschrift darüber hinaus deshalb rechtswidrig, weil sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Denn sie sieht für die Errichtung von Werbeanlagen auf privaten Flächen anders als in § 2 Abs. 3 für Verkehrsflächen öffentlicher Straßen keine Ausnahmegenehmigung für den Fall vor, dass die Eigenart des Gebietes und das Ortsbild nicht beeinträchtigt wird. Für die Unterscheidung zwischen privaten und öffentlichen Flächen vermag die Kammer in Bezug auf die städtebaulichen Aspekte der Begründung der Örtlichen Bauvorschrift keinen sachlichen Grund zu erkennen.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

36

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.