Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 18.06.2004, Az.: 2 B 169/04

Barbetrag; Darlehen; einstweiliger Rechtsschutz; einzusetzendes Vermögen; geringer Betrag; kurzer Zeitraum; Sicherungsgrundschuld; Wohnungseigentum

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
18.06.2004
Aktenzeichen
2 B 169/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 50678
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Gründe

1

Der Antragsgegner wird mit der Maßgabe, dass der Antragsteller sich in der „Rehabilitationseinrichtung für Abhängigkeitskranke“ in K. aufhält, im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 01.06.2004 bis zum 20.07.2004 darlehensweise Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von monatlich 89,00 € (Barbetrag nach § 21 Abs. 3 BSHG) vorläufig zu gewähren.

2

Im Umfang seines Obsiegens wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt E. aus G. bewilligt.

3

Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt.

4

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1/3.

5

Der zulässige Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist nur im tenorierten Umfang begründet.

6

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da nach Wesen und Zweck dieses Verfahrens eine vorläufige Regelung grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Erbringung von Geldleistungen - wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird - in diesem Verfahren nur ausgesprochen werden, wenn der Antragsteller die tatsächlichen Voraussetzungen für den entsprechenden Anspruch (sogenannter Anordnungsanspruch) sowie weiterhin glaubhaft macht, er befinde sich in einer existentiellen Notlage und sei deswegen - mit gerichtlicher Hilfe- auf die sofortige Befriedigung des Anspruchs dringend angewiesen (sogenannter Anordnungsgrund). Im Falle der Gewährung vorläufiger Leistungen spricht die Kammer diese in ständiger Rechtssprechung und in Übereinstimmung mit den Sozialhilfesenaten des Nds. OVG erst ab dem 1. des Monats zu, in welchem die gerichtliche Entscheidung ergeht.

7

Soweit der Antragsteller die vorläufige Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe der Kosten für eine Krankenversicherung (monatliche Kosten - einschließlich Pflichtbeitrag zur Pflegeversicherung - von 123,16 € bei der AOK) begehrt, bleibt der Antrag ohne Erfolg. Denn der Antragsteller ist derzeit noch über seine Ehefrau im Wege der Familienversicherung kranken- und pflegeversichert, eine eigene Versicherung ist somit unnötig.

8

Dass sich die Situation nach der Scheidung des Antragstellers von seiner Ehefrau anders darstellen wird, ist rechtlich unerheblich, denn er benötigt insoweit zur Zeit - und nur darauf kommt es vorliegend an - keine Sozialhilfe.

9

Hinsichtlich der Gewährung eines Barbetrages hat der Antragsteller jedoch sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, also der Anordnungsgrund, ist bei Streitigkeiten um den notwendigen Lebensunterhalt i.S.d. §§ 12, 21 BSHG stets zu bejahen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.02.2004 - 12 ME 536/03, http://www.dbovg.niedersachsen.de/Index.asp). Der Anordnungsanspruch, also das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Hilfeleistung, ergibt sich aus § 21 Abs. 3 BSHG. Dem vermag der Antragsgegner nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, dass der Antragsteller im Hinblick auf sein Grundeigentum die Hilfe nur darlehnsweise erhalten kann und zunächst zur Absicherung des Darlehns eine Grundschuld zu seinen Gunsten zu bestellen habe. Denn letzteres hält die Kammer angesichts des geringen Zeitrahmens, für den im Wege der einstweiligen Anordnung der Barbetrag, der monatlich derzeit lediglich 89,00 € beträgt, erstritten werden kann - nämlich vom 01.06. bis zum 20.07.2004 -, für unangemessen und ermessensfehlerhaft. Ob auch der Umstand, dass die Ehefrau des Antragstellers nach seinem glaubhaften Vorbringen als Miteigentümerin der Bestellung einer Sicherungsgrundschuld nicht zustimmt, eine rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. Brühl in LPK-BSHG, Rn. 5 zu § 89), braucht deshalb in diesem Verfahren nicht entschieden zu werden. Allerdings hat der Antragsgegner die Sozialhilfe nicht als Beihilfe, sondern darlehnsweise zu gewähren, denn der Antragsteller verfügt über nicht von ihm oder einer anderen hilfebedürftigen Person bewohntes Wohnungseigentum, also über einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG. Dass er dieses Vermögen aus Rechtsgründen nicht einzusetzen habe, hat er nicht glaubhaft gemacht. Denn die privatschriftliche Abrede, seine Eigentumshälfte im Falle einer späteren Scheidung auf seine Ehefrau zurückzuübertragen, macht ihn - unbeschadet der Frage der Wirksamkeit einer solchen Abrede - derzeit nicht vermögenslos.

10

Prozesskostenhilfe ist dem Antragsteller, der seine Prozessarmut belegt hat, nur in dem Umfang zu bewilligen, wie seine Rechtsverfolgung aus den oben dargelegten Gründen hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO.