Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 24.06.2004, Az.: 2 B 89/04
Abgabe; additive Methode; Anfangswert; Anpassung; Anrechnung; Ausgleichsbeträge; Bebauung; Bebauungsmöglichkeit; Bebauungsplan; Bodenwert; Bodenwerterhöhung; Endwert; Erhöhung; Flurstück; Grundstück; Grundstückssituation; Grundstückswerterhöhung; Kaufpreis; Kaufvertrag; Komponentenverfahren; Modell Niedersachsen; Ordnungsmaßnahme; Sanierung; Sanierungsausgleichsbetrag; sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung; sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge; Sanierungsziel; Struktur; städtebauliche Planung; Verkehrssituation; Vorauszahlung; vorbereitende Maßnahme; Wertermittlung; Wertverhältnis; Zusammenlegung; Zuschneidung; öffentliche Abgaben
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 24.06.2004
- Aktenzeichen
- 2 B 89/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 51021
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs 4 S 3 VwGO
- § 154 Abs 1 S 1 BauGB
- § 154 Abs 2 BauGB
- § 140 Nr 4 BauGB
- § 147 S 1 Nr 5 BauGB
- § 155 Abs 1 Nr 3 BauGB
- § 28 Abs 1 WertV
- § 26 Abs 1 WertV
- § 4 Abs 1 WertV
- § 5 Abs 1 WertV
- § 3 Abs 1 WertV
- § 3 Abs 2 WertV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine bauplanungsrechtliche Veränderung der Grundstückssituation darf bei der Ermittlung sanierungsbedingter Bodenwerterhöhungen im Sinne von § 154 Abs. 1 BauGB nur berücksichtigt werden, wenn diese Veränderung sanierungsgemäß ist.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind zu je ½ Eigentümer der Flurstücke G. und H. der Flur in der Gemarkung E., I.. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich der Satzung der Antragsgegnerin über die förmliche Festlegung der Sanierungsgebiete „Innenstadt“, Gebiet I Stadtkern, Gebiet II S.-Werke vom 29. September 1980 (Amtsblatt für den Landkreis J., Seite 709). In der Begründung dieser Satzung (Seite 93 ff. der Beiakten D) wird wegen der Sanierungsziele auf die vorbereitenden Untersuchungen der Nds. Landesentwicklungsgesellschaft - K. - Bezug genommen. Als Maßnahmen zur Durchsetzung der Sanierungsziele wurden u. a. angegeben:
- | Herstellung einer attraktiven Bindung zwischen Kureinrichtungen und Hauptgeschäftsbereich im Verlauf L., |
- | Städtebauliche Neugestaltung der Hauptstraße als verkehrsberuhigte Fahrerschließung des Hauptgeschäftsbereiches |
- | Anordnung von Flächen des ruhenden Verkehrs in günstiger Lage zum Hauptgeschäftsbereich, |
- | Blockentkernungen und Schaffung von Flächen für den ruhenden privaten Verkehr unter Abwägung der Belange der Bewohner, |
- | Ausbau der Schanzenstraße und Andienungsstraße für die rückwärtige Erschließung der Hauptstraße sowie |
- | Modernisierung von Wohnungen mit ungenügendem Wohnungsstandard. |
Bezogen auf die streitbefangenen Grundstücke sieht der Bericht über das Ergebnis der Vorbereitenden Untersuchungen der K. (Beiakten D, Seite 63) die Schaffung von Parkplätzen an den Randlagen des Hauptgeschäftsbereichs unter Berücksichtigung der Belange des Stadtbildes vor. An der M. /I., das ist der hier betroffene Bereich, sollte eine Parkpalette mit ca. 150 Plätzen entstehen.
Die Antragsteller erwarben das streitbefangene Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 28. Dezember 1989 für einen Kaufpreis von 240,00 DM/m² von der Antragsgegnerin. In § 7 dieses Vertrages verpflichteten sich die Antragsteller, die Grundstücksfläche entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 53 „M. /N.“, und zwar unter Zugrundelegung des von ihnen dem Rat vorgestellten Bebauungsmodells, zu bebauen. Der Quadratmeterpreis entsprach dem Wert der Richtwertkarte aus dem Jahre 1989.
Das südlich an die antragstellerischen Flurstücke angrenzende Flurstück O. (früher P.) erwarb eine Familie Q. im Jahre 1994 für einen Quadratmeterpreis von 340,00 DM. Dies entsprach dem Wert der Richtwertwertkarte des Jahres 1994.
Bauplanungsrechtlich waren die streitbefangenen Grundstücke ursprünglich im Bebauungsplan Nr. 9a in seiner 1. Änderungsfassung vom 29. Dezember 1977 als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen. Dieser Bebauungsplan wurde am 9. August 1984 aufgehoben. Alsbald begann die Antragsgegnerin mit der Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 53 „M. /N.“ (im Folgenden: B-plan Nr. 53). Eine entsprechende Beschlussfassung des Rates der Antragsgegnerin erfolgte nach langwierigen Planungsarbeiten erst am 19. Oktober 1989 und die Veröffentlichung am 31. Juli 1990 (Amtsblatt des Landkreises J., Seite 370). In diesem Bebauungsplan ist das Gebiet, in dem die streitbefangenen Grundstücke liegen, erstmals als Kerngebiet ausgewiesen. Die Geschossflächenzahl war mit 0,85 und die Grundflächenzahl mit 0,45 festgesetzt. Gleichzeitig war die Errichtung einer Parkpalette im südlich gelegenen Grundstücksteil vorgesehen. Diese Planung basierte auf einem Planentwurf des Antragstellers zu 1). Mit der 1. Änderung dieses Bebauungsplanes durch Beschluss des Rates der Antragsgegnerin vom 6. Juli 1992 wurde die Geschossflächenzahl auf 1,2 erhöht. Mit der 2., am 25. November 1997 beschlossenen Änderung dieses Bebauungsplanes erfolgte eine weitere Erhöhung der Geschossflächenzahl auf 2,0 sowie der Grundflächenzahl auf 0,7, wobei maximal vier Vollgeschosse erlaubt waren. Gleichzeitig nahm die Antragsgegnerin von der Absicht Abstand, eine Parkpalette zu errichten.
Auf Antrag der Antragsgegnerin ermittelte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises J. in einem für die streitbefangenen Grundstücke erstellten Einzelgutachten die sanierungsbedingte Bodenwertveränderung auf den Stichtag 5. November 2003. Der Gutachterausschuss ermittelte einen sanierungsunbeeinflussten Anfangswert von 166,00 Euro sowie einen sanierungsbedingten Endwert in Höhe von 174,00 Euro/m². Bei der im Rahmen des sog. „Modell Niedersachsen“ vorgenommenen Klassifizierung der Missstände im Bereich der Bebauung, der Struktur, der Nutzung und des Umfeldes ging der Ausschuss durchgehend von einem Wert von 1 aus. Die durchgeführten Maßnahmen bewertete der Ausschuss im Bereich der Bebauung mit 1, im Bereich der Struktur mit 2, im Bereich der Nutzung mit 8 und im Bereich des Umfeldes mit 3. Dem Gutachten selbst ist eine Begründung für diese Klassifizierung nicht zu entnehmen. Auf Nachfrage des Gerichts erläuterte der Vorsitzende des Gutachterausschusses zur Klassifizierung der Maßnahmen im Bereich Struktur, das Bewertungsobjekt habe - entsprechend der ursprünglichen Bebauung - aus zahlreichen ungeordnete Flurstücken bestanden, die so zusammengelegt und zugeschnitten worden seien, wie es den Vorstellungen und Wünschen des jetzigen Eigentümers entsprochen habe. Darüber hinaus sei die Erschließung durch den Ausbau von R. - und L., die Anlegung von Fahrradweg und Straßenbegleitgrün („Sicherheitsstreifen“) sowie eines großen Parkplatzes hinter dem Rathaus verbessert worden. Zur Klassifizierung im Bereich Nutzung erklärte der Vorsitzende des Gutachterausschusses, die hohe Ausnutzung des Grundstücks basiere auf der 1. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 53 (M. /N.). Darin sei die ursprüngliche (vor Einleitung der Sanierung) festgelegte Geschossflächenzahl von 0,85 (B-Plan 9 A, 1. Änderung) auf 1,2 heraufgesetzt worden. Diese Maßnahme sei speziell auf das Grundstück der Antragsteller bezogen. Der Gutachterausschuss sei davon ausgegangen, dass der B-Plan Nr. 53 mit seinen Änderung insgesamt während der Sanierung aufgestellt worden sei und die (möglicherweise seit Einleitung geänderten) Ziele der Sanierung umgesetzt habe, zumal die Antragsgegnerin bei der Antragstellung des Gutachten speziell auf den B-Plan Nr. 53 mit Änderungen hingewiesen und diesen beigefügt habe.
Die Antragsgegnerin übernahm diese Berechnung und erließ am 18. Dezember 2003 für die streitbefangenen Grundstücke einen Bescheid über die Erhebung einer Vorausleistung zum Sanierungsausgleichsbetrag und setzte diesen auf 22.880,00 Euro fest. Der Betrag errechnet sich aus der Grundstücksgröße von 2.860 m² multipliziert mit einer sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung von 8,00 Euro/m².
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2004 zurück.
Hiergegen haben die Antragsteller am 10. März 2004 Klage erhoben und gleichzeitig um Gewährung einstweiligen Rechtschutzes nachgesucht.
Sie rügen im Wesentlichen eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Grundstück der Familie Q.. Ferner machen sie geltend, die Grundstücke aus eigenen Mitteln saniert und ausgebaut zu haben. Dadurch, dass sie die Bebauung des Grundstückes entsprechend dem notariellen Kaufvertrag vom 28. Dezember 1989 auf die seinerzeit noch geplante Parkpalette ausgerichtet hätten, hätten sie das Grundstück nicht wirtschaftlich optimal ausgenutzt. In Folge dessen sei vielmehr eine Wertminderung ihres Grundstückes dadurch eingetreten, dass die Antragsgegnerin von ihren ursprünglichen Planungen Abstand genommen haben. Es sei weder eine Verbesserung der Verkehrssituation, der Grundstücksstruktur noch der Nutzungsmöglichkeit ihrer Grundstücke eingetreten. Nachdem sie die Grundstücke von der Antragsgegnerin erworben hätten, seien sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen nicht mehr eingetreten. Es sei in 200 m Entfernung zu diesen Grundstücken lediglich zu einer Begradigung der Bundesstraße 27 (I.) gekommen. Hierneben machen sie geltend, der von ihnen 1989 entrichtete Kaufpreis von 240,00 DM/m² enthalte bereits sanierungsbedingte Werterhöhungen, da bereits zu diesem Zeitpunkt die Sanierung bekannt gewesen sei. Im Übrigen sei die Sanierungssatzung aus dem Jahre 1980 rechtswidrig und der Gutachterausschuss sei nicht ordnungsgemäß zusammengesetzt gewesen.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer am 10. März 2004 erhobenen Klage gegen den Heranziehungsbescheid der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Antragsgegnerin vom 18. Februar 2004 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag anzulehnen.
Sie tritt dem antragstellerischen Vorbringen im Wesentlichen mit folgenden Argumenten entgegen:
Die Sanierungssatzung aus dem Jahr 1980 sei rechtmäßig. Die Ermittlung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung durch den Gutachterausschuss sei zutreffend. Da die Sanierung noch nicht abgeschlossen sei, sei diese Satzung auch noch nicht aufgehoben worden. Deshalb verlange sie eine Vorausleistung. In dem zwischen ihr und den Antragstellern 1989 vereinbarten Kaufpreis sei eine sanierungsbedingte Werterhöhung nicht enthalten gewesen, weil der Bebauungsplan Nr. 53 erst im Jahre 1990 wirksam geworden sei. Anders als im Fall der Antragsteller habe die bauplanungsrechtliche Entwicklung bei der Ende 1994 erfolgten Veräußerung an die Familie Q. berücksichtigt werden können. Deshalb sei hier ein höherer Kaufpreis vereinbart worden, der bereits sanierungsbedingte Werterhöhungen enthalte. Deshalb sei ein Ausgleichsbetrag insoweit nicht festgesetzt worden, wobei jedoch zu berücksichtigen sei, dass der jeweils ermittelte sanierungsbedingte Endwert übereinstimmend 174,00 Euro betrage. Der Vortrag der Antragsteller, zwischen 1990 und 1994 seien keine Sanierungsmaßnahmen durchgeführt worden, treffe nicht zu. Ohne eine Änderung des Bebauungsplanes wäre eine wirtschaftliche Nutzung der antragstellerischen Grundstücke nicht möglich gewesen. Der B-plan Nr. 53 sei erst im Rahmen der Stadtsanierung aufgestellt worden, um die in dem Bericht über das Ergebnis der Vorbereitenden Untersuchung der K. relativ grob dokumentierten Sanierungsziele zu konkretisieren und ihre Umsetzung planungsrechtlich zu ermöglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beschlussfassung gewesen.
II.
Der zulässige Antrag hat im tenoriertem Umfang Erfolg. Das Gericht entscheidet über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aufgrund einer umfassenden Abwägung des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller. Mangels eines besonders normierten gerichtlichen Entscheidungsmaßstabs ist die für das behördliche Aussetzungsverfahren geltende Regel des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechend anzuwenden, denn auch bei der Erhebung von sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB handelt es sich um öffentliche Abgaben im Sinne dieser Vorschrift (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1992 - 4 C 30.90-, DVBl 1993, 441). Demnach soll die Aussetzung dann erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 1. Alternative VwGO bestehen bereits, wenn ein Obsiegen in der Hauptsache mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. März 1997 - 1 M 4892/96-; Beschluss der Kammer vom 10. September 2003 - 2 B 118/03 -).
Die Kammer hält ein Obsiegen der Antragsteller in der Hauptsache in Höhe eines geschätzten Betrages von 11.440,00 Euro für wahrscheinlich. Insoweit erweisen sich die angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin bei der in diesem Verfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Rechtmäßigkeitsprüfung voraussichtlich nicht als rechtmäßig.
Grundlage für die Heranziehung des Eigentümers eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zur Finanzierung durch einen Ausgleichsbetrag ist § 154 BauGB. Der Ausgleichsbetrag ist in der Höhe in Geld zu entrichten, die der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwertes seines Grundstücks entspricht (§ 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die sanierungsbedingte Erhöhung des Bodenwertes besteht gem. § 154 Abs. 2 BauGB aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert).
Zwar ist der Ausgleichsbetrag erst nach Abschluss der Sanierung zu entrichten (§ 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB); jedoch kann die Gemeinde nach § 154 Abs. 6 BauGB von den Eigentümern Vorauszahlungen auf den Ausgleichsbetrag verlangen, sobald auf dem Grundstück eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig ist, was hier unstreitig der Fall ist.
Die Voraussetzungen des § 154 Abs. 1 BauGB sind voraussichtlich nicht für die gesamte, mit den angefochtenen Bescheiden geforderte Summe von 22.880,00 Euro gegeben.
Allerdings liegen die Grundstücke der Antragsteller in einem durch Satzung wirksam festgelegten Sanierungsgebiet. Gründe für die Rechtswidrigkeit der Sanierungssatzung der Antragsgegnerin vom 10. Dezember 1980 sind von den Antragstellern weder vorgetragen noch für die Kammer sonst ersichtlich.
Die - teilweise - Rechtswidrigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 18. Dezember 2003 ergibt sich jedoch daraus, dass die vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte für den Bereich des Landkreises J. vorgenommene und von der Antragsgegnerin in dem angefochtenen Bescheid übernommene Berechnung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhung voraussichtlich nicht im vollen Umfang den gesetzlichen Vorgaben des § 154 Abs. 1 BauGB entspricht.
Im Grundsatz bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gutachterausschuss die Berechnung der Bodenanfangs- und Bodenendwerte durch die als „Modell Niedersachsen“ bekannt gewordene und in mehreren Bundesländern verwendete Berechnungsmethode, die als additive Methode der Bodenwerterhöhung in einem sog. Komponentenverfahren charakterisiert werden kann, ermittelt hat (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 8. Mai 2000 - 1 M 1287/00 -; Urteil vom 17. April 1997 - 1 L 6618/95 -; Urteil vom 17. Januar 1997 - 1 L 1218/95 -, BRS 59 Nr. 250; dem folgend die ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. zuletzt Beschluss vom 31. März 2004 - 2 B 306/03 -).
Allerdings hat sich der Gutachterausschuss und mit ihm die Antragsgegnerin bei der Bewertung der Maßnahmen für die Kriterien Struktur und Nutzung nicht im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehalten. Denn es wurden hierbei Veränderungen der Grundstückssituation berücksichtigt, die nicht sanierungsbedingt sind. So hat der Vorsitzende des Gutachterausschusses auf gerichtliche Nachfrage erklärt, bei der Klassifizierung der Strukturmaßnahmen berücksichtigt zu haben, dass die ursprünglich zahlreichen und ungeordneten Flurstücke so zusammengelegt und zugeschnitten worden seien, wie es den Vorstellungen und Wünschen des jetzigen Eigentümers, der Antragsteller, entsprochen habe. Daneben sei für die Klassifizierung der Nutzungsmaßnahmen von maßgeblicher Bedeutung die 1. Änderung des B-planes Nr. 53 gewesen.
Hierzu ist zunächst zu sagen, dass der Gutachterausschuss insoweit offenbar von einem falschen Sachverhalt ausgegangen ist. Denn er meint irrig, die ursprünglich (vor Einleitung der Sanierung) festgelegte Geschossflächenzahl im B-Plan 9 A 1. Änderung sei von 0,85 auf 1,2 heraufgesetzt worden. Richtig ist jedoch, dass der Bebauungsplan Nr. 9 A 1. Änderung vom 29. Dezember 1977 für die streitbefangenen Grundstücke eine Bebauung dadurch ausgeschlossen hatte, dass die Fläche als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen worden war. Eine Bebauung ist erst durch den B-plan Nr. 53 vom 19. Oktober 1989 durch Ausweisung als Kerngebiet bei einer Geschossflächenzahl von 0,85 möglich gemacht worden. Unabhängig hiervon, und ohne dass die Kammer zu entscheiden hat, ob dieser Sachverhaltsirrtum Auswirkungen auf die Berechnungen der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen hat, ist der im Gutachten vom 5. November 2003 vorgenommenen Berechnung aus Rechtsgründen entgegenzutreten.
Sanierungsbedingt ist eine Bodenwerterhöhung nach § 154 Abs. 1 BauGB, die durch die Aussicht auf die Sanierung, durch ihre Vorbereitung oder ihre Durchführung eingetreten ist. Inhaltlich sind die Vorbereitung und Durchführung der Sanierung in den §§ 140 ff. und §§ 146 ff. BauGB definiert. Danach können weder die Zusammenlegung und Zuschneidung von Flurstücken noch der Erlass des Bebauungsplanes Nr. 53 als sanierungsbedingt angesehen werden. Diese Maßnahmen gehören weder zur Vorbereitung noch zur Durchführung der Sanierung.
Ersichtlich handelt es sich dabei weder um vorbereitende Maßnahmen im Sinne von § 140 BauGB noch um Baumaßnahmen im Sinne von § 148 BauGB.
Die Zusammenlegung und das Zuschneiden von Flurstücken stellt sich auch nicht als Ordnungsmaßnahme im Sinne von § 147 S. 1 Nr. 5 BauGB dar. Danach gehören zu den Ordnungsmaßnahmen sonstige Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Baumaßnahmen durchgeführt werden können. Welche Maßnahmen hiervon betroffen sind, ergibt sich beispielhaft aus den Verwaltungsvorschriften zum Baugesetzbuch (VV-BauGB), Runderlass des MS vom 02.05.1988 (abgedruckt in Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, Städtebauförderungsrecht, 2 E). Die vom Gutachterausschuss für maßgeblich gehaltenen Maßnahmen finden sich im Abschnitt 216.6 nicht.
Folglich erfolgte die Klassifikation der Maßnahmen im Bereich Struktur jedenfalls teilweise rechtswidrig.
Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin darf auch eine Grundstückswerterhöhung, die durch den Bebauungsplan Nr. 53 eingetreten ist, bei der Klassifizierung nicht berücksichtigt werden, weil diese Bodenwerterhöhung nicht sanierungsbedingt ist.
Erwähnung findet die städtebauliche Planung bei der Sanierung als vorbereitende Maßnahme i. S. v. § 140 Nr. 4 BauGB. Sie ist als Vorbereitungsmaßnahme jedoch nur insoweit erfasst, als sie für die Sanierung erforderlich ist. Die Kammer hat schon erhebliche Bedenken, ob eine Planung, die erst neun Jahre nach Erlass der Sanierungssatzung einsetzt, noch als vorbereitende Maßnahme im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann. Selbst wenn man der planenden Gemeinde das Recht zuerkennen wollte, ihre städtebauliche Planung je nach Fortgang der Sanierung zu verfeinern und ggf. anzupassen oder fortzuschreiben (so wohl Bielenberg/Koopmann/Krautzberger a.a.O., § 140 Rn. 47), kann hier von einer derartigen Anpassung an die Sanierungsziele nicht ausgegangen werden. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Ausweislich der Begründung für die Sanierungssatzung vom 10. Dezember 1980, die sich auf den Bericht über das Ergebnis der Vorbereitenden Untersuchungen der K. bezieht, ist ein wesentliches Ziel der Sanierung die Schaffung von Parkplätzen an den Randlagen des Hauptgeschäftsbereichs. Dieses Ziel sollte ausweislich des Berichts (Seite 63) durch die Errichtung einer Parkpalette mit ca. 150 Plätzen auch auf dem Grundstück M. /I., bei dem es sich um die antragstellerischen Grundstücke handelt, verwirklicht werden. Die Antragsgegnerin hat nicht nachvollziehbar darlegen können, dass sie insoweit ein anderes Sanierungsziel entwickelt hat, dem der B-Plan Nr. 53 dienen sollte. Aus der Begründung dieses Bebauungsplanes ergeben sich vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass die Ausweisung dieses Gebietes als Kerngebiet mit der damit verbundenen Möglichkeit der Bebauung dem Sanierungsziel zuwiderliefen. Zwar heißt es auf Seite 3 oben der Begründung, die ursprüngliche Zielvorstellung sei durch Beschluss des Rates Anfang 1989 insoweit modifiziert worden, dass der Parkplatz M. /L. einer Bebauung zugeführt werden solle und die nachzuweisenden Stellplätze bzw. darüber hinaus gehende öffentliche Parkplätze durch Flächen für Stellplätze sowie einer Parkpalette festgesetzt werden sollten; dies dürfte jedoch eher auf den Planungsvorstellungen und dem Planungsentwurf der Antragsteller beruhen als mit dem Sanierungszweck zusammenhängen. Dementsprechend heißt es in der Begründung auf Seite 4:
„Nach der Beschlussempfehlung des Sanierungsausschusses wurde festgestellt, dass das Konzept F 3 (Anmerkung des Gerichts: Dieses Konzept liegt dem B-plan Nr. 53 zugrunde) unter Wahrung folgender Inhalte:
Freihaltung des Parkplatzes (B 27) von jeglicher Bebauung, Vergrößerung des Parkplatzes (B 27) in den südlich brachliegenden Gartenflächen bis in Höhe des Hauses L. ,
Abriss des Kiosk S., des ehemaligen Hauses des Kurgastes und Bahnwärterhäuschens.“
Zwar blieb dieser Satz grammatikalisch unvollendet, sein Sinn erhellt sich jedoch gleichwohl. Denn der Sanierungsausschuss hat sich für den streitbefangenen Bereich für die Freihaltung von jeglicher Bebauung ausgesprochen und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine Bebauung dem Sanierungszweck zuwider liefe. Auf derselben Seite der Begründung des Bebauungsplanes weiter unten findet sich dann der Grund für das Zulassen der Bebauung. Dieser zeigt keinerlei Zusammenhang mit den Sanierungszielen. Ein wesentlicher Grund für die Zulassung der Bebauung sei nämlich gewesen, dass das Grundstück von Alters her bebaut gewesen sei. Hier habe das Hotel T. gestanden und den Straßenraum der B 27 nach Süden eingegrenzt. Das stadtbildbedeutende Fachwerkgebäude sei aufgrund damaliger anderer Zielvorstellungen Anfang der 60iger Jahre abgebrochen worden. Bedingt durch die jetzt gültigen Sanierungsziele solle die Herstellung des Stadtbildes auch in dem Bereich gelten. Deshalb sei seine Bebauung der Fläche städtebaulich wünschenswert.
Zwar wird hiermit der Eindruck erweckt, die Bebauung stünde im Zusammenhang mit den Sanierungszielen; dies lässt sich jedoch anhand der Begründung der Sanierungssatzung und des Berichtes über das Ergebnis der Vorbereitenden Untersuchungen der K. nicht nachvollziehen. Vielmehr dürfte es so sein, dass der B-plan Nr. 53 dazu diente, den Bauwünschen der Antragsteller nachzukommen, ohne den Eindruck zu erwecken, sich in Widerspruch zu den Sanierungszielen zu setzen. Folglich stellt dieser Bebauungsplan sowohl in seiner Originalfassung als auch in seinen Änderungsfassungen keine städtebauliche Planung dar, die für die Sanierung erforderlich ist. Folglich hätte er bei der Bewertung der sanierungsbedingten Bodenwerterhöhungen auch nicht berücksichtigt werden dürften.
Dem stehen die bei der Ermittlung des Sanierungsausgleichsbetrages anzuwendenden Vorschriften der Verordnung über Grundsätze für die Wertermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Wertermittlungsverordnung -WertV-) vom 6. Dezember 1988 (BGBl I S. 2209) nicht entgegen. Gemäß § 28 Abs. 1 WertV finden für diese Ermittlung die §§ 26 und 27 WertV entsprechende Anwendung. § 26 Abs. 1 WertV seinerseits nimmt Bezug auf die Vorschriften der §§ 4 und 5 WertV. Gleichzeitig ist die allgemeine Regelung in § 3 WertV zu beachten. Nach § 3 Abs. 1 WertV sind für die Ermittlung des Verkehrswertes eines Grundstücks die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt zugrunde zu legen, wobei dies auch für den Zustand des Grundstücks gilt. Zwar bestimmt sich gemäß Abs. 2 der Vorschrift der Zustand eines Grundstücks u.a. nach der Art und dem Maß der baulichen Nutzung im Sinne von § 5 Abs. 1 WertV, die sich wiederum in der Regel aus den für die städtebauliche Zulässigkeit von Vorhaben maßgeblichen §§ 30, 33 und 34 BauGB ergeben. Diese Vorschriften, die planungsrechtliche Festsetzungen bei der Wertermittlung für beachtlich erklären, gelten indes nur für die Berechnung des Sanierungsausgleichsbetrages. Die rechtlichen Vorgaben dessen, was in die Berechnung einzustellen ist, ergeben sich demgegenüber allein aus § 154 Abs. 1 BauGB, so dass bauplanungsrechtliche Veränderungen nur beachtlich sind, wenn sie sich als Instrument der rechtlichen Neuordnung des Sanierungsgebietes darstellen. Ein vorhandener rechtsverbindlicher (nicht sanierungsgemäßer) Bebauungsplan ist demgegenüber unbeachtlich, soweit davon auszugehen ist, dass seine Ausweisungen der Sanierung nicht zugrunde gelegt werden (Bielenberg/Koopmann/Krautzberger, a.a.O. § 28 WertV, Rdnr. 33). So ist es hier.
Wie hoch die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung ohne Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte ist, lässt sich für die Kammer nur schätzen. Da jedenfalls auch sonstige Sanierungsmaßnahmen durchgeführt worden sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsteller überhaupt keinen Sanierungsausgleichsbetrag zu leisten hätten. Die Kammer schätzt daher den Wert der sanierungsbedingten Bodenwertsteigerung in diesem Verfahren, in dem es letztlich um Vorausleistungen geht, auf die Hälfte des später festzusetzenden Wertes. Eine weitergehende Reduzierung ist nicht angezeigt, denn die übrigen rechtlichen Bedenken der Antragsteller greifen nicht durch, so dass ihr Antrag im Übrigen abzulehnen ist.
Rechtlich unbeachtet ist dabei zunächst der Einwand, das Grundstück der Antragsteller habe durch die Aufgabe der Planung, dort eine Parkpalette zu errichten, eine Wertminderung erfahren. Diese etwaige Wertminderung hat mit der Sanierung nichts zu tun und vermag deshalb die sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung nicht zu beeinflussen.
Der Einwand, es habe weder eine Verbesserung der Verkehrssituation noch der Grundstücksstruktur noch der Nutzungsmöglichkeit stattgefunden, verfängt ebenso wenig. Für die Beurteilung dieser Frage ist entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht lediglich auf den Zeitraum abzustellen, in dem sie Eigentümer des Grundstücks sind. Sanierungsbedingt sind vielmehr alle Wertveränderungen, die ab Beginn der Sanierung im Jahre 1981 eingetreten sind. Abgesehen von den oben dargelegten Bedenken haben die Antragsteller substantiiert nichts vorgetragen, was die Feststellungen des Gutachterausschusses zu erschüttern vermag. Dass dieser Ausschuss nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei, rügen die Antragsteller ebenfalls zu Unrecht. Es ist schon nicht zu erkennen, dass sich aus einer nicht ordnungsgemäßen Besetzung des Gutachterausschusses eine Rechtsverletzung der Antragsteller ergeben könnte. Im Übrigen bestehen in Ansehung der Regelung in § 192 Abs. 2 BauGB keine Bedenken gegen die Besetzung des Gutachterausschusses. Danach bestehen die Gutachterausschüsse aus einem Vorsitzenden und ehrenamtlichen weiteren Gutachtern. So ist es hier gewesen. Weitere Voraussetzungen für die Zusammensetzung stellt das BauGB nicht auf.
Zugunsten der Antragsteller streitet ferner nicht die Regelung in § 155 Abs. 1 Nr. 3 BauGB. Danach sind auf den Ausgleichsbetrag die Bodenwerterhöhungen des Grundstücks anzurechnen, die der Eigentümer beim Erwerb des Grundstücks als Teil des Kaufpreises in einem den Vorschriften der Nr. 1 und 2 sowie des § 154 entsprechenden Betrag zulässigerweise entrichtet hat. Wie die Antragsgegnerin auf gerichtliche Anfrage nachgewiesen hat, sind in dem mit notariellen Kaufvertrag vom 28. Dezember 1989 vereinbarten Kaufpreis von 240 DM/m² sanierungsbedingte Bodenwerterhöhungen nicht enthalten. Dieser vereinbarte Kaufpreis ist der Richtwertkarte des Jahres 1989 entlehnt, die diesen Wert festlegt und daneben die Buchstaben “SAN“ sowie “A“ enthält. Daraus folgt, dass die Wertfestsetzung in einem Sanierungsgebiet erfolgte, ohne dass die rechtliche und tatsächliche Neuordnung dabei Berücksichtigung gefunden hätte.
Abschließend bleibt anzumerken, dass auch eine Ungleichbehandlung gegenüber dem Grundstück der Familie Q. nicht vorliegt. Abgesehen davon, dass sich die Antragsteller auf eine Ungleichbehandlung nicht berufen könnten, soweit die Erhebung des Ausgleichsbetrages ansonsten den rechtlichen Vorgaben entspräche, liegt eine solche auch nicht vor. Denn die Familie Q. hat das Grundstück im Jahr 1994 zu einem Kaufpreis von 340 DM/m² erworben. Dies entspricht dem vom Gutachterausschuss ermittelten sanierungsbedingten Endwert. Folglich findet hier die Vorschrift des § 155 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zugunsten der Familie Q. Anwendung.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und beträgt ¼ der von den Antragstellern erhobenen Vorauszahlungsbeträge.