Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 29.06.2004, Az.: 2 A 195/03
Baugenehmigungsverfahren; Baurechtswidrigkeit; Beteiligte; Brandschutz; Brandschutzwand; Brandüberschlag; geschlossene Bauweise; Grenzabstand; Grundstücksgrenze; Immissionskonflikt; Immissionsschutz; nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis; Nachbarrechte; Nachbarschutz; qualifiziertes Personal; selbständig genutztes Gebäudeteil; Treu und Glauben; Wohngebäude; öffentliche Verkehrsfläche
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.06.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 195/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50669
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs 1 BauNVO
- § 8 Abs 4 BauODV ND
- § 7 BauO ND
- § 8 BauO ND
- § 12a BauO ND
- § 30 Abs 5 BauO ND
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich dagegen, dass der Beklagte dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1) gegen eine zuvor dem Kläger erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Dreifamilienwohnhauses einschließlich einer 5 m breiten und 10 m hohen Wand abgeholfen und die Baugenehmigung aufgehoben hat.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks O. in P.. Der Beigeladene zu 1) betreibt auf dem östlichen Nachbargrundstück O. einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er hauptsächlich Schweine hält. Die Häuser an der O. sind in geschlossener Bauweise errichtet worden. Im rückwärtigen (nördlichen) Bereich des Grundstücks des Beigeladenen zu 1) steht ein um 1930 errichtetes Scheunen- und Stallgebäude, welches sich über die gesamte Grundstücksbreite erstreckt. Im westlichen Teil dieses Gebäudes befindet sich (u. a.) ein Schweinestall, der zum Teil durch ein Fenster in der westlichen, auf der Grundstücksgrenze stehende Gebäudemauer belichtet und über eine Öffnung in dieser Mauer be- und entlüftet wird. Dieser Teil des Gebäudes wurde bis etwa 1985 als Kuhstall genutzt. Wie der Stall im Anschluss daran genutzt wurde, ist zwischen den Beteiligten ebenso streitig wie die Frage, ob für dieses Gebäude jemals eine Baugenehmigung erteilt worden ist.
Der Kläger hatte seit 1997 vor, auf dem rückwärtigen Teil seines Grundstücks ein Wohnhaus zu errichten. Der gesamte Bereich gehört zum Sanierungsgebiet von P. und wurde zuvor entkernt. Auf dem größten Teil des ehemaligen Flurstücks wurde eine öffentliche Verkehrsfläche (Parkplatz) angelegt. Der Flecken P. verkaufte jedoch eine Teilfläche von ca. 65 m² an den Kläger. Zu dieser Zeit wurde auch die Bauplanung geändert. Früher galt für dieses Gebiet der Bebauungsplan Nr. 12 in der 2. Änderung; am 21. Januar 1999 wurde der Bebauungsplan Nr. 26 rechtswirksam. Beide Bebauungspläne sehen für das Gebiet geschlossene Bauweise vor und setzen für den Bereich des Parkplatzes eine öffentliche Verkehrsfläche fest. Am 26. Oktober 1998 erstattete die Firma Q. eine gutachterliche Stellungnahme zur Beurteilung der landwirtschaftlichen Emissionen im Plangebiet B-Plan Nr. 26 „O. /R.“. Die Gutachter halten die Geruchssituation westlich des Schweinestalles des Beigeladenen zu 1) für problematisch, kommen allerdings zu keinem klaren Ergebnis. Am Ende des Gutachtens wird ausgeführt:
„In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass in der direkten Nachbarschaft zu den nach Westen gelegenen Öffnungen ein Wohnhaus errichtet werden soll. Aus Brandschutzgründen soll eine 7 m (Bauunterlagen Flecken P.) bzw. 12 m hohe (mündliche Aussage des Nachbarn B.) Brandschutzwand errichtet werden. Aus diesem Grunde wurden weitere Geruchsausbreitungsrechnungen durchgeführt, die den Einfluss dieser Wand auf die Geruchswahrnehmungshäufigkeiten in der Umgebung berücksichtigen.
Der Einfluss der Brandschutzwand auf die Geruchswahrnehmungshäufigkeiten in der näheren Umgebung zeigt sich in einem deutlichen Rückgang der Werte. Bei einer mindestens 10 m hohen Wand gehen die Geruchswahrnehmungshäufigkeiten auf unter 50 % der Immissionswerte für Wohn- und Mischgebiete zurück. Eine derartige Höhe der Wand ist jedoch erforderlich, um die Anwohner in dem unmittelbar an die Auslassöffnungen des Läufer- Frühmaststalles angrenzenden geplanten Wohngebäude vor unzumutbaren Gerüchen zu schützen. Die geruchsbeladene Abluft kann sich hinter der Wand auf ein größeres Volumen verteilen. Bei ungünstigen Strömungsbedingungen ist eine Zuführung der geruchsbeladenen Luft in hoher Konzentration auf direktem Wege von den Auslassöffnungen zu den Fenstern der Anwohner dadurch weniger wahrscheinlich.“
Auf den Bauantrag vom 28. Juni 1997 erteilte der Beklagte nach längerem Schriftverkehr unter dem 29. Januar 1999 die Baugenehmigung für die Errichtung eines Dreifamilienhauses auf den oben genannten drei Flurstücken auf der Grenze zu dem landwirtschaftlich genutzten Grundstück des Beigeladenen zu 1) sowie in nördlicher Richtung an die Grenzwand anschließend einer sog. Brandschutzwand in einer Breite von 5 m und einer Höhe von 10 m. Die Baugenehmigung enthält die Auflage, dass die Brandschutzwand vor der Nutzung des Wohnhauses fertigzustellen und bis zur Fertigstellung eines Nachbargebäudes wieder abzubrechen ist, wenn auf dem östlichen Nachbargrundstück das sich dort befindliche Stallgebäude abgebrochen oder in eine laut Bebauungsplan Nr. 26 zulässige Wohnnutzung geändert werden sollte. Während an das Wohnhaus selbst in ganzer Breite das Gebäude des Beigeladenen zu 1) unmittelbar angrenzt, besteht zwischen der Wand und dem oben erwähnten Schweinestall ein Abstand von ca. 80 cm. Die Wand steht in Gänze auf dem Flurstück, welches dem Flecken P. gehört und als Straßenfläche gewidmet ist. Vor der Sanierung befand sich dort eine alte Scheune. Der Flecken P. hat der Errichtung der Wand zugestimmt und eine entsprechende Baulast eintragen lassen.
Der Beigeladene zu 1) legte am 12. März 1999 Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein mit der Begründung, die Wand halte den Grenzabstand nicht ein, es würden baugestalterische Bedenken bestehen und Lichteinfall sowie Belüftung des Schweinestalles würden erschwert werden. Das Widerspruchsverfahren zog sich in die Länge. Es fand Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und der Bezirksregierung Braunschweig in größerem Umfang statt. Während die Bezirksregierung die Auffassung vertrat, die Baugenehmigung sei wegen Verstoßes gegen Grenzabstandsvorschriften rechtswidrig, beharrte der Beklagte zunächst auf seiner gegenteiligen Rechtsauffassung. Einer unter dem 17. Januar 2001 erteilten Weisung der Bezirksregierung kam er nicht nach. Die Bezirksregierung hielt diese Weisung allerdings auch nicht aufrecht, nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Vorhaben des Klägers bereits im Jahr 1999 vollendet worden war und zwei Eigentumswohnungen in dem Wohngebäude an die Kinder des Klägers (die Beigeladenen zu 2) und 3)) verkauft worden waren.
Mit Bescheid vom 4. April 2003 half der Beklagte sodann dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1) ab und hob die Baugenehmigung vom 29. Januar 1999 vollständig auf. Der Bescheid wird im Wesentlichen wie folgt begründet: Die aufgehobene Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze den Beigeladenen zu 1) in seinen Rechten; die in ihr als Auflage vorgesehene Brandschutzwand verstoße gegen die -ausnahmslos nachbarschützenden - Grenzabstandsvorschriften der §§ 7 ff NBauO; sie müsse wie ein Gebäude Abstand halten; die Ausnahme des § 8 Abs. 1 NBauO greife nicht ein, da die Wand auf einer öffentlichen Verkehrsfläche errichtet worden sei, für die keine geschlossene Bauweise angeordnet worden sei, da es sich nicht um eine überbaubare Fläche handele; auch andere Ausnahmen (§§ 8 Abs. 2, 3, 12 a Abs. 2 u. 3 NBauO) seien nicht einschlägig; Bestandsschutz könne nicht geltend gemacht werden, denn mit dem Abbruch des zuvor auf der Grundstücksgrenze vorhandenen alten Scheunengebäudes sei dieser erloschen.
Der Kläger hat am 6. Mai 2003 Klage erhoben. Er trägt vor: Die Brandschutzwand stelle eine untrennbare Einheit mit dem Wohngebäude dar, sei also keine selbständige bauliche Anlage; ohne sie wäre der Einbau von Fenstern in der nördlichen Außenwand des Wohngebäudes nicht statthaft gewesen; er sei auf ihren Fortbestand angewiesen; der Bebauungsplan Nr. 12 in seiner 2. Änderung (der einschlägig sei) setze Kerngebiet und zweigeschossige geschlossene Bauweise fest, woran er sich gehalten habe; der Beigeladene zu 1) nehme hingegen den Bauwich selbst in Anspruch und könne mithin eine entsprechende Bebauung des Nachbargrundstücks nicht abwehren; seine Rechtsausübung sei auch deshalb unzulässig, weil der bestehende Immissionskonflikt durch die Brandwand erheblich entschärft werde, welche mithin auch ihm selbst zugute komme; im Übrigen sei das fragliche Gebäude des Beigeladenen zu 1) nicht bestandsgeschützt, da die Schweinezucht dort erst 1999 aufgenommen worden sei und früher nur Kühe hätten gehalten werden dürfen; die Schweinehaltung sei zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden und auch nicht genehmigungsfähig gewesen, weil die Abluft nicht in ausreichendem Maße abgeführt werden könne; der Abhilfebescheid des Beklagten sei auch deshalb rechtswidrig, weil es ihm an qualifizierten Personal im Sinne von § 64 Abs. 1 NBauO mangele.
Der Kläger beantragt,
den Abhilfebescheid des Beklagten vom 4. April 2003 aufzuheben und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt die Begründung des angefochtenen Bescheides und trägt ergänzend vor: Die Brandschutzwand sei eine selbständig als Einfriedung nutzbare bauliche Anlage, ein baulicher Zusammenhang zwischen ihr und dem Wohngebäude bestehe nicht, das Stallgebäude des Beigeladenen zu 1) genieße Bestandsschutz, denn es sei seit 1986 zumindest periodisch als Schweinestall genutzt worden, während bis 1986 dort Rinder gehalten worden seien; der Stall sei in der Vergangenheit als Ganzes als Viehstall genehmigt worden, was auch die Schweinehaltung umfasst habe; Belüftung dieses Stalles und Lichteinfall in ihn würden durch die Brandwand verschlechtert, die Anforderungen der Schweinehaltungsverordnung würden nicht mehr eingehalten werden.
Der Beigeladene zu 1) beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Er schließt sich dem Vorbringen des Beklagten an und hält die Brandschutzwand ebenfalls für eine selbständige bauliche Anlage, die das Wohngebäude des Klägers vor Geruchsimmissionen schütze.
Die Beigeladenen zu 2) und 3) schließen sich dem Antrag des Klägers an. Sie machen geltend, sie seien vor dem Erlass der angefochtenen Verfügung nicht angehört worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf diverse Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Da der Abhilfebescheid des Beklagten vom 4. April 2003 eine selbständige Beschwer (des Klägers) enthält, muss gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ein Vorverfahren gegen ihn nicht durchgeführt werden. Die Klagefrist von einem Monat nach Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO) ist eingehalten: der Bescheid wurde am 7. April 2003 an den Kläger abgesandt, die Klage ging am 6. Mai 2003 bei Gericht ein.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Abhilfebescheid des Beklagten vom 4. April 2003 ist rechtmäßig.
Er leidet zunächst nicht an formellen Fehlern. Der Beklagte ist gemäß § 72 VwGO für seinen Erlass zuständig. Die Beigeladenen zu 2) und 3) mussten zuvor nicht angehört werden, denn sie waren und sind nicht verfahrensbeteiligt. Am Baugenehmigungsverfahren ist nur der Kläger als Bauherr beteiligt und nicht der Rechtsnachfolger in dem Eigentum an der baulichen Anlage; ein Bauherrenwechsel ist nicht eingetreten (§ 57 Abs. 1 und 6 NBauO). Die von den Beigeladenen zu 2) und 3) angezogene Vorschrift des § 75 Abs. 6 NBauO verhält sich nicht dazu, wer Beteiligter am Baugenehmigungsverfahren ist. Unerheblich ist schließlich, ob der Beklagte - wie der Kläger behauptet - im April 2003 über qualifiziertes Personal im Sinne von § 64 NBauO verfügte, denn dabei handelt es sich um eine rein organisationsrechtliche Norm, die die Rechtstellung eines Bauherrn nicht berührt. Das Gericht geht deshalb dieser - unsubstantiierten - Behauptung des Klägers nicht nach.
Der Bescheid vom 4. April 2003 erweist sich auch in der Sache als rechtmäßig.
Der Widerspruch des Beigeladenen zu 1) gegen die Baugenehmigung vom 29. Januar 1999 war zulässig. Die Widerspruchsfrist wurde eingehalten: die Baugenehmigung wurde am 9. Februar 1999 an den Beigeladenen zu 1) abgesandt und galt mithin gemäß § 41 Abs. 2 S.1 VwVfG am 12. Februar 1999 als zugegangen; Widerspruch legte der Beigeladene am 10. März 1999, also innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO ein.
Der Widerspruch war auch begründet, denn die Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt den Beigeladenen zu 1) in seinen Rechten.
Die in nördlicher Verlängerung der östlichen Gebäudewand in einer Breite von 5 m und einer Höhe von 10 m errichtete sogenannte Brandschutzwand verstößt - wie der Beklagte zu Recht ausführt - gegen Grenzabstandsvorschriften. Sie ist - für sich genommen - kein Gebäude, weil sie weder überdeckt ist noch von Menschen betreten werden kann (§ 2 Abs. 2 NBauO). Sie dient aber zweifellos dem Wohngebäude des Klägers, indem sie Gerüche aus dem Schweinestall des Beigeladenen zu 1) von ihm fernhält und den Brandüberschlag auf das bzw. von dem auf der Grundstücksgrenze stehenden landwirtschaftlichen Gebäude des Beigeladenen zu 1) verhindert. Sie ist jedoch nicht Teil des Wohngebäudes, weil sie nicht im Zusammenhang mit ihm, sondern selbständig genutzt wird. Als (untergeordnete) Gebäudeteile nennt das Gesetz in § 7 b Abs. 1 u. 2 NBauO beispielsweise Eingangsüberdachungen, Windfänge, Hauseingangstreppen, Kellerlichtschächte, Balkone, Gesimse, Dachvorsprünge, Erker, Blumenfenster, Antennen, Geländer und Schornsteine. Mit diesen Gebäudeteilen weist die hier streitbefangene Wand keinerlei Ähnlichkeit auf. Sie hat vielmehr eine Bedeutung wie jede andere an ein Gebäude angebaute Wand, die ohne weiteres hinweggedacht werden kann, ohne dass eine Veränderung des Gebäudes selbst eintreten würde. Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass dem Kläger zwar aufgegeben wird, die Wand vor Beginn der Nutzung des Wohngebäudes zu errichten, andererseits jedoch auch, sie unter Umständen später wieder abzubrechen (ohne dass die Gebäudenutzung in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden würde).
Von der Wand gehen jedoch Wirkungen wie von einem Gebäude aus, denn sie kann die Sicht versperren, den Lichteinfall behindern, Schatten werfen, erdrückend wirken und die Durchlüftung behindern (vgl. Große-Suchsdorf u.a., NBauO, 7. Auflage, § 12 a, RN 3 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Mithin muss sie gemäß § 12 a Abs. 1 NBauO wie ein Gebäude Abstand nach den §§ 7 bis 10 des Gesetzes von den Grundstücksgrenzen halten. Der Grenzabstand beträgt entweder 1H (§ 7 Abs. 3 und 4 NBauO) oder - wenn das Schmalseitenprivileg des § 7 a Abs. 1 NBauO greift - ½ H, also bei einer Höhe von 10 m mindestens 5 m. Die Wand steht jedoch in einem Abstand von 80 cm zu der Grundstückgrenze des Beigeladenen zu 1). Eine der gesetzlichen Ausnahmen von dieser Regel liegt nicht vor. Die Bestimmungen des § 12 a Abs. 2 und 3 NBauO sind nicht einschlägig, da die Wand höher als 3 m ist. Einschlägig könnte § 8 Abs. 1 NBauO sein, denn der im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung gültige Bebauungsplan Nr. 26 des Fleckens P. schreibt in diesem Bereich Grenzbebauung vor. Allerdings ist diese Festsetzung gemäß § 22 Abs. 1 BauNVO nur für Gebäude getroffen, die ihrerseits nur auf der überbaubaren Grundstücksfläche errichtet werden dürfen, wozu Verkehrsflächen nicht gehören, weil sie keine Baugrundstücke darstellen. Mithin muss das Gericht nicht der Frage nachgehen, ob man bei einer in einem Abstand von 80 cm zur Grundstücksgrenze stehenden Anlage noch von Grenzbebauung sprechen kann (vgl. dazu etwa Barth/Mühler, Abstandsvorschriften der Nds. Bauordnung, 2. Auflage, § 8 NBauO, RN 5 m.w.N.). Als Nebenanlage dürfte die Wand zwar nach § 23 Abs. 5 NBauO auf der nicht überbaubaren Grundstücksfläche zugelassen werden; auch das hilft dem Kläger jedoch nicht, weil damit nur die Fläche des Baugrundstücks (und nicht eine öffentliche Verkehrsfläche) angesprochen ist. Eine Befreiungsmöglichkeit nach § 86 Abs. 1 NBauO besteht ersichtlich nicht, denn von einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Härte kann hier keine Rede sein; im Übrigen beruft sich der Kläger darauf nicht. Der Kläger kann schließlich keinen Bestandsschutz geltend machen, denn er hat nach dem Abriss der alten Scheune, die dort vorher gestanden hat, eine völlig neue Anlage errichtet.
Die Nichteinhaltung der Grenzabstandsvorschriften durch die Wand des Klägers verstößt gegen die Rechte des Beigeladenen zu 1), der unmittelbarer Grundstücksnachbar des Klägers ist. Das gilt nämlich für Gesetzesverstöße dieser Art ausnahmslos (vgl. Große-Suchsdorf u.a., a.a.O., § 7, RN 16). Der Beigeladene zu 1) ist auch nicht wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf diese Rechtsverletzung zu berufen. Zwar kann ein Nachbar, der selbst Abstandsvorschriften in vergleichbarer Weise nicht einhält, billigerweise nicht verlangen, dass der andere Nachbar sie einhält, wobei auf den derzeitigen Rechtszustand abzustellen ist und es weder auf eine unter früherem Recht erteilte Baugenehmigung noch auf Bestandsschutz ankommt. Es geht nämlich insoweit nicht darum, dass dem sich gestört fühlenden Nachbarn sein baulicher Bestand streitig gemacht werden soll, sondern ob er eine Rechtsverletzung des anderen Nachbarn mit Erfolg soll rügen kann (vgl. dazu Barth/Mühler, a.a.O., Einführung RN 23; OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. März 1999 - 1 M 897/99 -, Nds VBl 2000, Seite 11; OVG Weimar, Beschluss vom 5. Oktober 1999 - 1 EO 698/99 -, NVwZ - RR 2000, Seite 350). Das gegenüber der Wand stehende landwirtschaftliche Gebäude des Beigeladenen zu 1) müsste nach den einschlägigen Vorschriften der NBauO jedoch keinen Grenzabstand gegenüber der öffentlichen Verkehrsfläche einhalten. Zum einen setzt der bereits erwähnte Bebauungsplan Nr. 26 des Fleckens P. auch für das Grundstück des Beigeladenen zu 1) geschlossene Bauweise fest, zum anderen dürfte in Anwendung von § 9 Abs. 1 S. 1 NBauO die öffentliche Verkehrsfläche - die an dieser Stelle deutlich länger als 20 m ist - für die Bemessung des Grenzabstandes bis zur Mittellinie dem Baugrundstück zugerechnet werden. Dass das Gebäude deshalb nicht auf der Grenze stehen dürfte, weil der Bebauungsplan einen Geländestreifen von 5 m Breite durch Festlegung einer Baugrenze (§ 23 Abs. 3 BauNVO) von der Bebauung ausnimmt, ist unerheblich, weil ein Verstoß gegen diese Bestimmung dem Verstoß gegen (bauordnungsrechtliche) Grenzabstandsvorschriften nicht vergleichbar ist. Aus derselben Erwägung heraus kann der Kläger in diesem Zusammenhang auch nicht damit gehört werden, die Wand würde den bestehenden Immissionskonflikt entschärfen und diene mithin auch dem Beigeladenen zu 1).
Die in nachbarschützender Weise vorhandene Baurechtswidrigkeit der Wand bedingt die Baurechtswidrigkeit des klägerischen Wohnhauses. Die Wand ist nämlich unverzichtbar für die Einhaltung von Brandschutzvorschriften. Gemäß § 30 Abs. 5 NBauO i.V.m. § 8 Abs. 4 DVNBauO sind geeignete Maßnahmen gegen eine Brandübertragung zu treffen, wenn zwei Außenwände in einem Abstand bis zu 5 m vom Schnittpunkt mit einer Brandwand einen Winkel von weniger als 120 Grad bilden. Diese Vorschrift ist hier einschlägig, denn der Winkel zwischen der westlichen Außenwand des dem Beigeladenen zu 1) gehörenden Stallgebäudes und der nördlichen Außenwand des klägerischen Wohnhauses beträgt ca. 90 Grad, während die östliche Außenwand des Wohnhauses, die auf der Grenze steht, als Brandwand - oder jedenfalls feuerhemmend - ausgebaut ist. Die streitbefangene Wand ist geeignet, einen Feuerüberschlag von dem einen Gebäude auf das andere Gebäude zu verhindern. Deshalb wird sie Brandschutzwand genannt. Wird sie hinweggedacht, sind andere geeignete Maßnahmen insoweit zu treffen. Beispielsweise könnte die Baugenehmigung für das Wohnhaus anordnen, dass in dem oben genannten 5-m-Bereich in der nördlichen Außenwand des klägerischen Wohnhauses keine Fensteröffnung vorhanden sein dürfe. Sie enthält aber weder diese noch eine vergleichbare Anordnung. Deshalb ist sie rechtswidrig - und verletzt Nachbarrechte des Beigeladenen, denn die Brandschutzbestimmungen, gegen die sie verstößt, dienen auch seinem Schutz.
Mithin hat der Beklagte dem Widerspruch des Beigeladenen zu 1) gegen die Baugenehmigung zu Recht abgeholfen. Für diese Erkenntnis kommt es weder auf einen - von den Beteiligten kontrovers diskutierten - etwaigen Bestandsschutz des Scheunen- und Stallgebäudes des Beigeladenen zu 1) bzw. der Schweinehaltung in diesem Gebäude noch darauf an, ob nicht bereits das Rücksichtnahmegebot (§ 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO) ein nahes Heranrücken von Wohnbebauung an den emittierenden und seit alters her bestehenden Hof des Beigeladenen zu 1) verbietet. Insoweit mag auch die Frage gestellt werden, ob der zur Zeit gültige Bebauungsplan den Nutzungskonflikt zwischen landwirtschaftlicher Betrauung und Wohnbebauung befriedigend gelöst hat. Das im Tatbestand erwähnte Gutachten äußert sich zu diesen Fragen jedenfalls nicht verbindlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Da die Beigeladenen zu 2) und 3) auf der Seite des unterlegenen Klägers gefochten haben, hält das Gericht es für angemessen, sie jeweils in gleicher Weise wie den Kläger an den Verfahrenskosten zu beteiligen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1) sind von den kostenpflichtigen Beteiligten zu erstatten, da er notwendig beigeladen war und erfolgreich einen Antrag gestellt hat. Über die von dem Kläger beantragte Kostenfolge des § 162 Abs. 2 S. 1 VwGO ist nicht zu entscheiden, da ihm niemand Kosten zu erstatten hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Es ist nicht die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung (§ 709 ZPO) auszusprechen, denn das Urteil ermöglicht keine Vollstreckung eines der Kostengläubiger gegen einen der Kostenschuldner in Höhe von jeweils mehr als 1.500,- €.