Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.07.2016, Az.: 10 LB 15/16

AFP; Agrarförderung; Agrarinvestitionsförderung; vorsätzliche Falschangabe; Günstigkeitsprinzip; Sanktion; Übergangsvorschrift

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.07.2016
Aktenzeichen
10 LB 15/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43457
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 24.09.2015 - AZ: 12 A 939/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Sanktionen wegen fehlerhafter Anträge nach dem Niedersächsischen Agrarinvestitionsförderungsprogramm für das Jahr 2014 können nur auf Art. 30 Abs. 2 VO (EU) Nr. 65/2011 und nicht auf Art. 35 VO (EU) Nr. 640/2014 gestützt werden (Fortführung des Verfahrens 10 LA 55/15 Senatsbeschl. v. 21.1.2016).

2. Ein Förderantrag ist nicht vorsätzlich falsch i. S. d. Art. 30 Abs. 2 VO (EU) Nr. 65/2011, wenn der Antragsteller zwar einen als Beleg beigefügten Vordruck missverständlich ausfüllt, das zutreffende Verständnis aber in einer Anlage klarstellt (Abgrenzung zum Senatsurt. v. v. 21.4.2015 - 10 LB 31/13 -).

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 12. Kammer - vom 24. September 2015 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 22. Januar 2015 verpflichtet, dem Kläger eine Zuwendung in Höhe von 245.679,40 EUR und einen Betreuungsgebührenzuschuss in Höhe von 10.265,36 EUR jeweils zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab dem 20. Februar 2015 zu gewähren.  Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund dieses Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung einer Zuwendung aus dem niedersächsischen        Agrarinvestitionsförderungsprogramm (= AFP) 2014 für den Neubau eines Bio-Legehennenstalles.

Entsprechende Zuwendungen werden von der Beklagten nach der sog. AFP-Richtlinie vom 29. Oktober 2014 (Nds. MBl. S. 781) gewährt. Nach Nr. 1.2 AFP-Richtlinie besteht kein Anspruch auf Gewährung der Zuwendung; vielmehr entscheidet die Beklagte als Bewilligungsbehörde danach aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens sowie im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach einem in einer Anlage aufgeführten Punktesystem zur Projektauswahl. Nr. 30 der Anlage sieht u.a. die Vergabe von zwei Zusatzpunkten für die Teilnahme an einer sog. einzelbetrieblichen Beratung vor.

Der Kläger ist hauptberuflich Schornsteinfegermeister und im Nebenerwerb Landwirt. Sein Betrieb verfügt über ca. 50 ha Grünland. Er beabsichtigt, den Betrieb um Geflü-gelhaltung zu erweitern. Für das Jahr 2014 plante er den Bau eines Bio-Legehennenstalls.

Der wirtschaftliche Berater des Klägers fragte unter dem 10. September 2014 bei der Beklagten an, ob der Kläger im Rahmen des Antragsverfahrens 2014 die beiden o.a. Zusatzpunkte für eine einzelbetriebliche Beratung auch dann erhalten würde, wenn diese Beratung zwar von seiner Agentur durchgeführt worden sei, der Kläger für diese Beratung aber keinen öffentlich-rechtlichen Zuschuss beantragt und erhalten hätte. Die Beklagte verneinte diese Frage am 10. September 2014 ebenso wie nachfolgend am 12. September 2014 das Landwirtschaftsministerium die gleichlautende weitere Nachfrage des Beraters des Klägers.

Unter dem 17. September 2014 beantragte der Kläger deshalb die Gewährung einer Zuwendung zur Förderung der einzelbetrieblichen Beratung auf der Grundlage der (gesonderten) Richtlinie „Förderung der einzelbetrieblichen Beratung im Hinblick auf den Klimawandel, die Wasserwirtschaft, die biologische Vielfalt und weitere Herausforderungen für die Landwirtschaft“. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 6. Oktober 2014 mit der Begründung ab, der Antrag sei außerhalb des Bewilligungszeitraumes vom 20. März bis 15. Mai 2014 gestellt worden und daher nicht genehmigungsfähig.

Am 29. Oktober 2014 stellte der Kläger durch seinen Berater den hier in Rede stehenden Antrag auf Gewährung von Zuwendungen aus dem AFP-Programm 2014 für den Neubau eines Bio-Legehennenstalls. In der vorgedruckten Anlage zum Antrag - Punktesystem zur Projektauswahl (Ranking 2014) - trug dieser unter Ziffer 30 „Antragsteller hat an einzelbetrieblicher Beratung (EB) teilgenommen“ 2 Punkte ein. In seiner ergänzenden schriftlichen Stellungnahme zum Antrag führte er u.a. zu diesem Punkt aus: „Im Ranking verfügt Herr A. über 12 Punkte: ein Punkt für die Geflügelhaltung; sieben Punkte, weil der Betrieb ökologisch bewirtschaftet wird; zwei Punkte für den Besucherbereich und zwei Punkte, weil der Antragsteller an einer einzelbetrieblichen Beratung teilgenommen hat. Die einzelbetriebliche Beratung wurde nicht im Rahmen der ELER-Verordnung bezuschusst. Um Anerkennung wird dennoch gebeten.“ Neben einer Vielzahl weiterer Nachweise legte er als Beleg Nr. 37 das für seinen Betrieb ausgefüllte Formblatt „Verwendungsnachweis/Auszahlungsantrag (Vorlage durch den Beratungsanbieter) über Zuwendungen zur Förderung der einzelbetrieblichen Beratung“ vom 29. Oktober 2014 vor. Das Formblatt stammt jedoch aus einem anderen Fördervorgang, wie sich aus der kleingedruckten anderweitigen Betriebsnummer auf S. 2 unten des Vordrucks ergibt; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 74 f. der Beiakte verwiesen.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2014 hörte die Beklagte den Kläger zu der geplanten Ablehnung seines Förderantrages an. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Kläger im Antrag falsche Angaben gemacht und einen falschen Verwendungsnachweis/Auszahlungsantrag vorgelegt habe. Er habe sich in Ziffer 30 des Antrages zwei Punkte zugeordnet, obwohl er nicht am Förderprogramm für die einzelbetriebliche Beratung teilgenommen habe. Der Verwendungsnachweis sei falsch, weil er den Beratungsnachweis im Zusammenhang mit dem Förderprogramm beinhalte. Der Kläger habe aber an dem „Förderprogramm einzelbetriebliche Beratung“ unstreitig nicht teilgenommen. Dass eine Punktezuordnung nur für den Fall der Beratung im Rahmen des Förderprogrammes zulässig gewesen sei, sei ihm nach den o.a. Auskünften vom 10. und 12. September 2014 auch bewusst gewesen.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2015 erwiderte der Kläger, dass er zwar nicht am „Förderprogramm für einzelbetriebliche Beratung“ teilgenommen, aber trotzdem eine einzelbetriebliche Beratung durch seinen Berater wahrgenommen habe. Die Punktezuordnung sei korrekt, weil im Anhang zum Antrag lediglich die Beteiligung an einer einzelbetrieblichen Beratung (EB), nicht aber zusätzlich auch die Förderung dieser Beratung durch das hierauf bezogene niedersächsische Förderprogramm gefordert werde. Die gegenteiligen Auskünfte vom 10. und 12. September 2014 seien daher falsch. Da der Antrag vor bzw. parallel zu der Veröffentlichung der AFP-Richtlinie habe gestellt werden müssen und streng formgebunden sei, habe er zur Vermeidung von Nachteilen vorsorglich den aus einem anderen Verfahren stammenden Verwendungsnachweis eingereicht; er habe damit aber nicht den Eindruck erwecken wollen, an einer geförderten Beratung teilgenommen zu haben. Die Beratung selbst sei ordnungsgemäß und umfassend, aber unentgeltlich durchgeführt worden.

Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 lehnte die Beklagte den Förderantrag des Klägers gestützt auf Art. 35 Abs. 6 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 ab. Danach werde die Förderung bei Vorlage falscher Nachweise zwecks Erhalts der Förderung abgelehnt. Dies sei vorliegend der Fall. Der Kläger bzw. sein Berater für ihn habe mit dem Verwendungsnachweis für das Förderverfahren „Einzelbetriebliche Beratung“, an dem er tatsächlich nicht teilgenommen habe, einen solchen falschen Nachweis vorgelegt, um zwei Zusatzpunkte für die Förderung zu erhalten. Zusätzlich wurde der Kläger für den Bereich der Agrarinvestitionsförderung für die Jahre 2014 und 2015 von einer anderweitigen Förderung ausgeschlossen.

Am 20. Februar 2015 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Die Versagung könne nicht auf die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 gestützt werden, weil diese Verordnung nur auf Anträge ab dem Jahr 2015 anzuwenden sei; vorliegend gehe es hingegen um einen Antrag aus dem Jahr 2014. Andernfalls seien die danach erforderlichen Voraussetzungen für eine Versagung in der Sache nicht gegeben. Seine Angaben seien nicht fehlerhaft, weil er seine Auffassung zur Vergabe der Zusatzpunkte im Antrag offen gelegt habe - danach komme es allein auf die erfolgte Beratung und nicht auf deren Förderung an. Er habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er für diese einzelbetriebliche Beratung keinen Zuschuss nach der ELER-Verordnung erhalten habe und gleichwohl um Anerkennung bitte. Er habe auch keinen falschen Nachweis vorgelegt. Erst im Folgejahr sei von der Beklagten statt eines Verwendungs- ein Zahlungsnachweis verlangt worden. Die übrigen Bewilligungsvoraussetzungen habe er erfüllt; es hätten im Förderjahr 2014 für alle Antragsteller ausreichende Mittel im Umfang von insgesamt rd. 10 Mio. EUR zur Verfügung gestanden.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die beantragte Zuwendung in Höhe von 247.429,- EUR sowie den Betreuungsgebührenzuschuss in Höhe von 10.283,- EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

Über die Begründung ihres Bescheides vom 22. Januar 2015 hinaus hat sie geltend gemacht, dass die Auszahlungen vorliegend erst im Jahr 2015 hätten erfolgen sollen und damit die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 zeitlich anwendbar sei. Es sei richtig, dass die Antragsteller im Antrag im Wege der Selbsteinschätzung Punkte eintragen sollen; selbstverständlich müssten diese Angaben aber richtig sein und dürften dazu keine falschen Nachweise - wie hier - vorgelegt werden. Der Kläger habe für den Verwendungsnachweis das für einen anderen Betrieb mit der EU-Registriernummer „276 03 358 008 0407“ bestimmte Formblatt verwendet und auf seinen Namen und seine EU-Registriernummer „276 03 452 023 3904“ geändert. Im Übrigen erfolge die Förderung bei nicht ausreichenden Haushaltsmitteln nach der Zahl der Punkte im Ranking.

Das Verwaltungsgericht Oldenburg - 12. Kammer - hat die Verpflichtungsklage durch Urteil vom 24. September 2015 gestützt auf Art. 35 Abs. 6 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 abgewiesen. Es hat nicht begründet, warum diese Verordnung zeitlich anwendbar sei. In Anwendung des Art. 35 Abs. 6 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 sei der Zuwendungsantrag abzulehnen. Der Kläger habe „falsche Nachweise vorgelegt, um die Förderung zu erhalten“. Denn er habe seinem Antrag vom 29. Oktober 2014 u.a. das von einem anderen Betriebsinhaber übernommene, mit dessen o.a. Betriebsnummer versehene Formblatt „Verwendungsnachweis/Auszahlungsantrag … über Zuwendungen zur Förderung der einzelbetrieblichen Beratung“ beigefügt, obwohl sein eigener entsprechender Zuwendungsantrag (für die Förderung der Beratung) insoweit zuvor bestandskräftig abgelehnt worden sei. Ein solcher falscher Nachweis könne nicht nachträglich oder durch ergänzende Angaben korrigiert werden. Ob der Kläger auch falsche Angaben gemacht habe, könne offen bleiben.

Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 21. Januar 2016 - 10 LA 55/15 - (juris; BzAR 2016, 98 ff.; RdL 2016, 108 f.) die Berufung zugelassen. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der die Klageabweisung tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich die Sanktionen für falsche Angaben oder Nachweise vorliegend aus der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 ergeben würden. Denn sie gelte noch nicht für (Grund-)Förderanträge, die - wie hier - im und für das Antragsjahr 2014 gestellt worden seien. Stattdessen komme insoweit allenfalls die übergangsweise Fortgeltung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011 in Betracht. Das Vorliegen der Voraussetzungen der dann maßgebenden -  mit Art. 35 Abs.  6 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 nicht übereinstimmenden, insoweit aber auch nicht ungünstigeren - Sanktionsnorm des Art. 30 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011 sei im Berufungsverfahren zu prüfen.

Nach Zustellung am 26. Januar 2016 hat der Kläger am 26. Februar 2016 seine Berufung begründet. Für Anträge, die sich auf Jahre vor 2015 beziehen - wie seiner -, sei die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 nach ihrem Art. 44 Abs. 2 noch nicht anwendbar. Soweit damit einschlägige Sanktionsnormen nicht überhaupt fehlten, komme allenfalls die übergangsweise Anwendung von Art. 30 Abs. 2 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011 in Betracht. Danach komme es nicht auf die Vorlage falscher Nachweise, sondern auf „vorsätzlich falsche Angaben“ an. Solche Angaben habe er aus den wiederholt vorgetragenen Gründen im Antrag nicht gemacht. Er habe in dem verwandten Vordruck auch nicht den unzutreffenden Eindruck erweckt, an einer geförderten Beratung teilgenommen zu haben. Im Übrigen wäre die Beklagte andernfalls zur Nachfrage verpflichtet gewesen. Mit den ihm zumindest zu gewährenden 10 Rankingpunkten hätte ihm wie allen anderen Antragstellern eine Förderung bewilligt werden müssen. Ggf. sei die Förderung geringfügig zu kürzen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 12. Kammer - vom 24. September 2015 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2015 aufzuheben und sie zu verpflichten, ihm die beantragte Zuwendung in Höhe von 247.429,- EUR sowie den Betreuungsgebührenzuschuss in Höhe von 10.283,- EUR jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht unter Verweis auf eine nicht näher begründete, englischsprachige Stellungnahme der EU-Kommission vom Juni 2015 nunmehr ebenfalls aus zeitlichen Gründen Art. 30 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 65/2011 als Rechtsgrundlage für ihren Bescheid an. (Auch) Dessen Voraussetzungen seien gegeben, weil der Kläger vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe. Denn er habe in Kenntnis der übereinstimmend abweichenden Ansicht des Fachministeriums und der Beklagten allein für die Teilnahme an der Beratung die zwei Zusatzpunkte geltend gemacht. Um zwei Zusatzpunkte zu erhalten, habe er außerdem einen nicht für seinen Betrieb bestimmten Verwendungsnachweis geändert und vorgelegt. Der Kläger habe jedoch nur einen Beratungs-, nicht aber einen Verwendungsnachweis vorlegen dürfen. Mit seiner abweichenden Vorgehensweise habe er bewusst den falschen Eindruck erwecken wollen, an einer geförderten einzelbetrieblichen Beratung teilgenommen zu haben. Bereits eine einzelne wahrheitswidrige Angabe an einer Stelle des Antrages reiche aus; sie könne nicht durch abweichende Angaben an anderer Stelle des Antrages unschädlich gemacht werden. Daher sei es unerheblich, dass der Kläger an anderer Stelle des umfangreichen Antrages ausdrücklich erklärt habe, nicht an einer geförderten Beratung teilgenommen zu haben. Weitergehende Aufklärungspflichten hätten für sie nicht bestanden. (Auch) Mit 10 Punkten wäre dem Antrag des Klägers in der Bewilligungsreihenfolge allerdings entsprochen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Die zulässige, insbesondere fristgerecht begründete Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Verwaltungsgerichts hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ganz überwiegend Erfolg.

Der Senat trifft diese Entscheidung nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss (§ 130a Satz 1 VwGO), weil er die Berufung ganz überwiegend einstimmig für begründet sowie lediglich hinsichtlich eines geringfügigen Betrages (bezogen auf die Förderung der Baunebenkosten mit einem geringeren Satz) für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht, auch nicht wegen vermeintlich „offener Rechtsfragen“ für erforderlich hält. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf die Förderung im o.a. Gesamtumfang zzgl. Prozesszinsen zu.

Unmittelbare nationale Rechtsgrundlage für die Gewährung der in Rede stehenden Förderung nach dem AFP ist die o.a. AFP-Richtlinie vom 29. Oktober 2014 (Nds. MBl. S. 781) i. V. m.  dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG, vgl. Nds. OVG, Urt. v. 26.9.2013 - 8 LB 205/12 -, juris, Rn. 36, m. w. N.).

Nach Ziffer 1.1 der AFP-Richtlinie  gewährt das Land Niedersachsen „Zuwendungen an landwirtschaftliche Unternehmen für investive Maßnahmen in Niedersachsen zur Unterstützung einer wettbewerbsfähigen, nachhaltigen, besonders umweltschonenden, besonders tiergerechten und multifunktionalen Landwirtschaft.“ Ein Anspruch auf Gewährung der Zuwendung besteht nach Ziffer 1.2 der AFP-Richtlinie  nicht, vielmehr entscheidet die Landwirtschaftskammer (Bewilligungsbehörde) aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens sowie nach den in der Anlage 3 aufgeführten Auswahlkriterien im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel.

Gefördert werden Investitionen in langlebige Wirtschaftsgüter, durch die die baulichen und technischen Voraussetzungen zur Erzeugung, Verarbeitung oder Direktvermarktung von Anhang-I-Erzeugnissen geschaffen werden (Ziffer 2.1). Förderungsfähig sind nach Ziffer 2.1.1 insbesondere die Errichtung und Modernisierung von unbeweglichem Vermögen einschließlich der Erschließung.

Die vom Kläger geplante Errichtung eines Bio-Legehennenstalles stellt danach eine grundsätzlich förderungsfähige Investition dar. Der Kläger erfüllt nach dem Vermerk der Beklagten über die Verwaltungskontrolle vom Winter 2014/2015 (vgl. Bl. 196 ff. BA) auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen nach den Ziffern 3 und 4 AFP-Richtlinie.

Einer Förderung steht nicht entgegen, dass der Kläger in seinem Antrag vom 29. Oktober 2014 falsche Nachweise vorgelegt oder falsche Angaben gemacht habe - wie ihm von der Beklagten vorgehalten wird. Auf die Vorlage eines falschen Nachweises kann die Ablehnung schon deshalb nicht erfolgreich gestützt werden, weil eine so lautende notwendige Rechtsgrundlage für das hier maßgebende Antragsjahr 2014 nicht besteht (1). Vorsätzlich falsche Antragsangaben hat der Kläger nicht gemacht (2).

1.Eine nationale oder - wie hier - regionale Agrarförderung darf (auch in Form der hier maßgebenden Investitionsförderung) grundsätzlich nur nach Maßgabe des Unionsrechts erfolgen.

Die grundlegenden unionsrechtlichen Bestimmungen zur Agrarinvestitionsförderung waren in Art. 20 Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 enthalten. Gemäß Art. 15 dieser Verordnung waren dazu vorab Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum bezogen auf den siebenjährigen Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum Jahresende 2013 aufzustellen. Für den sich anschließenden Förderzeitraum wurde die Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 durch Art. 88 ihrer Nachfolgebestimmung, die Verordnung (EU) Nr. 1305/2013, aufgehoben. Allerdings waren die neuen Entwicklungsprogramme nach der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013  nicht bereits bei deren Inkrafttreten im Jahr 2014 genehmigt worden. Deshalb wurde die Verordnung (EU) Nr. 1310/2013 mit Übergangsbestimmungen erlassen, um den Übergang von den bestehenden Förderregelungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 auf den neuen Rechtsrahmen für den am 1. Januar 2014 beginnenden Programmplanungszeitraum zu erleichtern und damit keine „Förderlücke“ entstehen zu lassen. Nach ihrem Absatz 1 konnten die Mitgliedsstaaten „unbeschadet des Artikels 88 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 im Jahr 2014 weiterhin neue rechtliche Verpflichtungen in Bezug auf Begünstigte hinsichtlich der Maßnahmen gemäß Artikel 20 … der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 im Rahmen der Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum eingehen, die auf der Grundlage der genannten Verordnung angenommen wurden, selbst wenn die finanziellen Mittel für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 ausgeschöpft sind, sofern der Antrag auf finanzielle Unterstützung vor der Genehmigung des betreffenden Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 eingereicht“ wurde. Letztere Voraussetzung traf für Niedersachsen hinsichtlich der AFP-Förderanträge für das Jahr 2014 zu, da diese im Oktober 2014 und damit noch vor der erst am 26. Mai 2015 erfolgten Genehmigung des neuen Landesentwicklungsprogramms für den ländlichen Raum („PFEIL“) eingereicht werden mussten.

Die demnach insoweit entgegen Ziffer 1.1 der AFP-Richtlinie für das Jahr 2014 fortgeltende Grundverordnung (EG) Nr. 1698/2005 enthält keine Sanktionsvorschriften, die den Kläger von der Förderung ausschließen würden. Diese waren vielmehr Inhalt der dazu ergangenen verfahrensrechtlichen Durchführungsverordnung, ursprünglich der Durchführungsverordnung Nr. 1975/2006. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 trat an ihre Stellung die Nachfolgedurchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011. Art. 30 Abs. 2 Satz 1 der letztgenannten (Durchführungs-)Verordnung bestimmt:

„Wird festgestellt, dass ein Begünstigter vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat, so wird das betreffende Vorhaben von der ELER-Stützung ausgeschlossen.“

Die Verordnung (EU) Nr. 65/2011 enthält hingegen keine gesonderte Regelung, wonach ein solcher Ausschluss auch bei Vorlage falscher Nachweise erfolgt. Dies ist vielmehr erst Regelungsinhalt des Art. 35 Abs. 6 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014, die insoweit ergänzende Bestimmungen u.a. bei Verstößen gegen die Förderbedingungen nach der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 enthält. Allerdings gilt diese Verordnung nach ihrem Art. 44 Satz 2 erst bezogen auf Antragsjahre oder Prämienzeiträume ab dem 1. Januar 2015. Um für das Jahr 2014 keine zeitliche Lücke entstehen zu lassen, muss entsprechend der auf die Grundverordnung bezogenen o.a. Übergangsregelung in Art. 1 Verordnung (EU) Nr. 1310/2013 für dieses Jahr übergangsweise noch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011 fortgelten. Art. 43 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014, der die Aufhebung und übergangsweise Fortgeltung u. a. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011 regelt, d.h. den Übergang von der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011 auf die  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 normiert, ist daher im vorgenannten Sinne zu verstehen.

In der Folge besteht für das vorliegend maßgebende Jahr 2014 schon keine - für eine Sanktion aber erforderliche (vgl. nur Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Verordnung (EG/Euratom) Nr. 2988/85) - Norm, nach der „allein“ die Vorlage eines förderrelevanten falschen Nachweises zum Ausschluss der Förderung führt. Entgegen der Annahme der Beklagten und des Verwaltungsgerichts kann hierauf also die Versagung nicht gestützt werden. Ob es sich bei dem Verwendungsnachweis/Auszahlungsantrag vom 29. Oktober 2014 überhaupt um einen „falschen Nachweis“ handelt, kann deshalb offen bleiben.

2.Eine Förderung hätte dem Kläger daher insoweit nur gestützt auf Art. 30 Abs. 2 Satz 1 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 65/2011 versagt werden können, der aus den vorgenannten Gründen für Antragsteller nicht ungünstiger i. S. d. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EG/Euratom) Nr. 2988/85 als die bis heute fortgeltende Nachfolgebestimmung des Art. 35 Abs. 6 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 ist. Vorsätzlich falsche Angaben hat der Kläger jedoch nicht gemacht.

Eine solche Angabe muss sich auf Tatsachen und nicht auf Rechtsansichten beziehen (vgl. Senatsurt. v. 21.4.2015 - 10 LB 31/13 -, juris, Rn. 72). Zudem muss sich entsprechend den allgemeinen Auslegungsregeln (§ 133 BGB) die Unrichtigkeit der Angabe aus den gesamten dem Empfänger bekannten Umständen ergeben (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 22, Rn. 59, m. w. N.), soweit eine Angabe nicht aus sich heraus eindeutig - sei es richtig oder falsch -, sondern auslegungsfähig und -bedürftig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.9.2015 - 4 CN 2/15 -, juris, Rn. 12). Abweichende und gegenüber dem nationalen Verwaltungsrecht vorrangige Auslegungsregeln des (auch ungeschriebenen) Unionsverwaltungsrechts für den Vollzug durch die Mitgliedsstaaten sind nicht ersichtlich.

a)Hieran gemessen war die „Selbstvergabe“ von zwei Punkten durch den Kläger nicht falsch, weil darin als solche keine Tatsachenbehauptung lag. Vielmehr wurde damit nur die Rechtsansicht des Klägers zum Ausdruck gebracht, dass ihm seiner Ansicht nach allein auf Grund der Teilnahme an der einzelbetrieblichen Beratung - unabhängig von deren gesonderter Förderung - zwei Zusatzpunkte zu gewähren seien.
b)In dieser Erklärung zu der Selbstvergabe von Punkten und im Antrag im Übrigen hat der Kläger angegeben, an einer (am 27. und 29. Oktober 2014 durchgeführten) einzelbetrieblichen Beratung teilgenommen zu haben. Die Richtigkeit dieser Angabe wird aber auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
c)Damit bliebe als mögliche unrichtige Angabe allein eine Behauptung des Klägers, an einer gesondert geförderten einzelbetrieblichen Beratung teilgenommen zu haben.

Eine solche Behauptung wäre falsch, weil die Beklagte eine solche Förderung durch den bestandskräftigen Bescheid vom 6. Oktober 2014 abgelehnt hat.

Der Kläger hat jedoch weder ausdrücklich noch konkludent eine solche Behauptung aufgestellt.

Für sich genommen könnte zwar der ausdrücklich auch so genannte Auszahlungsantrag vom 29. Oktober 2014 in diesem Sinne verstanden werden. Denn ein Auszahlungsantrag unter Benennung einer Kontonummer macht regelmäßig nur Sinn, wenn man auch eine Auszahlung begehrt. Diese setzte wiederum eine vorhergehende Förderung voraus. Allerdings ist der Auszahlungsantrag in diesem Sinne - anders als die Erklärung des Klägers in dem von der Beklagten angeführten, vom Senat durch das bereits o.a. Urteil vom 21. April 2015 entschiedenen Fall mit dem Aktenzeichen 10 LB 31/13 - nicht eindeutig, sondern auslegungsfähig und -bedürftig. Denn der Kläger hat darin gerade nicht ausdrücklich behauptet, an einer geförderten Beratung teilgenommen zu haben. Vielmehr hat er offenbar bewusst die auf eine Förderung bezogenen Antragsfelder des Vordrucks nicht ausgefüllt, also nicht auf einen fiktiven oder falschen Zuwendungsbescheid verwiesen; dieses Feld ist offen geblieben. Weiterhin wurde der Auszahlungsantrag hier - wiederum anders als in dem o.a. Verfahren mit dem Aktenzeichen 10 LB 31/13 - nicht als solcher, sondern als Nachweis für die Erfüllung der Fördervoraussetzungen des Grundantrages vorgelegt. Zusätzlich kommt es nach den vorherigen Ausführungen nicht auf die Unrichtigkeit eines Nachweises, sondern des Antrages an. Der Auszahlungsantrag stellte nur einen Nachweis/Beleg zu dem ergänzend begründeten Antrag des Klägers dar. Darin hatte der Kläger ausdrücklich angegeben, dass er zwar beraten, diese Beratung aber nicht gefördert worden sei. Schließlich war der Beklagten als Bewilligungsbehörde und dem übergeordneten Fachministerium aus dem vorhergehenden Schriftwechsel ohnehin die Ansicht des Klägers bekannt, ihm stünden allein aufgrund der Teilnahme an einer einzelbetrieblichen Beratung und unabhängig von der Förderung die umstrittenen zwei Zusatzpunkte zu. Es  erscheint danach zwar „anmaßend“, dass der Berater des Klägers dem Fachministerium das von ihm präferierte Verständnis einer grundsätzlich in dessen Ermessen stehenden Bewilligungsvoraussetzung aufzwingen will; für einen gezielten Willen zur Täuschung spricht dies hingegen nicht. Andernfalls wäre nicht bereits vorab wiederholt und dann nochmals im Antrag ausdrücklich auf diese Ansicht hingewiesen worden.

Sonstige Versagungsgründe sind nicht ersichtlich und von der Beklagten trotz gerichtlicher Nachfrage auch nicht geltend gemacht worden.

Sind damit Versagungsgründe nicht gegeben und erfüllt der Kläger die materiellen und formellen Fördervoraussetzungen, so steht ihm nach Ziffer 1.1 AFP-Richtlinie grundsätzlich gleichwohl noch kein Anspruch auf eine Bewilligung, sondern nur ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den übrigen Antragstellern zu. Allerdings standen im Jahr 2014 ausreichende Haushaltsmittel für eine AFP-Förderung nach der o.a. unionsrechtlichen Grundlage zur Verfügung, so dass hierauf gestützt die Förderung nicht abgelehnt werden kann. Im Übrigen ist das Ermessen der Beklagten auf Null i. S. d. der zwingenden Bewilligung reduziert, da sie im Rahmen der vorhandenen Haushaltsmittel auch allen übrigen förderfähigen Anträgen des Jahres 2014 entsprochen hat und kein sonstiger Grund vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, warum hiervon im Rahmen des Ermessens beim Kläger eine Ausnahme gemacht werden sollte.

Die Höhe der beantragten Bewilligung einschließlich des Betreuungsgebührenzuschusses ist im Rahmen der Verwaltungskontrolle überprüft und bis auf den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Abzug für förderfähig erkannt worden (vgl. Bl. 204 BA). Der Abzug ergibt sich aus dem geringeren Fördersatz von 20% (statt der beantragten 30%) für Baunebenkosten und einer geringfügigen Kürzung der förderfähigen Betreuungskosten.

Zugleich entfällt damit die Grundlage für den Ausschluss des Klägers von einer weiteren ELER-Förderung in den Jahren 2014 und 2015 nach Art. 30 Abs. 2 Satz 2 (Durchführungs-)Verordnung(EU) Nr. 65/2011.

(Prozess)Zinsen auf den bezifferten Anspruch stehen dem Kläger ab der mit Klageeinreichung (§ 90 VwGO) entstandenen Rechtshängigkeit in entsprechender Anwendung von §§ 288, 291 BGB zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.