Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.07.2016, Az.: 13 LC 21/15

Altersgrenze; Behördenanfechtung; Entziehung; Erwerb; rückwirkender Verlust; Scheinvateranfechtung; Staatenlosigkeit; Staatsangehörigkeit; Unionsbürgerschaft; Vaterschaftsanerkennung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.07.2016
Aktenzeichen
13 LC 21/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43258
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.02.2015 - AZ: 11 A 2497/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das zwischenzeitliche Hinzutreten eines weiteren Anwendungsfalls von § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB (Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB), der sich als verfassungswidrig und nichtig erwiesen hat (BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 -), gibt keinen Anlass, die Anwendung der eingangs genannten Normen, welche einen rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge haben, in den herkömmlichen Fällen der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung (hier: Scheinvateranfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB bei einem dadurch nicht staatenlos werdenden Kleinkind) für verfassungswidrig zu halten.

2. Ebenso wenig bestehen in diesen Fällen im Lichte der neueren Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 02.03.2010 - Rs. C-135/08 [Rottmann]) unionsrechtliche Bedenken gegen einen mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit einhergehenden Entfall der Unionsbürgerschaft.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 11. Kammer - vom 11. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die behördliche Feststellung, deutsche Staatsangehörige zu sein.

Sie wurde am 7. März 2004 in Wilhelmshaven als Tochter der serbischen Staatsangehörigen B. geboren, die seit 1994 lediglich im Besitz fortlaufend verlängerter Duldungen war und der erstmals am 12. Dezember 2013 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden ist. Zunächst wurde die Klägerin auch als Kind des deutschen Staatsangehörigen E. angesehen. E. hatte bereits vor der Geburt der Klägerin (am 3. Dezember 2003) mit Zustimmung der Kindesmutter die Vaterschaft anerkannt. Allerdings traten bald nach der Geburt Zweifel hieran auf, und E. erklärte bereits am 9. Juni 2004 gegenüber der Ausländerbehörde des Beklagten, nicht der Vater der Klägerin zu sein. Am 1. März 2005 erkannte der damals serbisch-montenegrinische und heute serbische Staatsangehörige F. die Vaterschaft gegenüber dem Jugendamt der Stadt Castrop-Rauxel an; ob die Mutter der Klägerin dieser Anerkennung zugestimmt hat, geht aus den Akten nicht hervor. Mit Urteil vom 3. November 2005 - 6 F 304/04 KI - entschied das Amtsgericht - Familiengericht - Wittmund aufgrund eines Abstammungsgutachtens auf den Anfechtungsantrag des E. vom 17. Juni 2004, dass die Klägerin nicht dessen Tochter sei. Rechtskraft dieser Entscheidung trat am 8. Dezember 2005 ein.

Seither wurde die Klägerin als serbische Staatsangehörige behandelt, durchlief erfolglos Asylerst- und -folgeverfahren und wurde ausländerbehördlich geduldet, bis ihr aufgrund des rechtskräftig gewordenen Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 15. Mai 2013 - 11 A 3184/12 - am 6. Mai 2014 wie ihrer Mutter eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 8 Abs. 1 EMRK (faktische Inländerschaft) erteilt wurde, die der Beklagte später rückwirkend auf das Antragsdatum 16. Dezember 2011 erteilte und sodann bis zum 30. Juni 2017 verlängerte.

Bereits unter dem 30. März 2014 hatte die Klägerin bei dem Beklagten die Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Staatsangehörigkeitsgesetz - StAG - beantragt. Zur Begründung führte sie aus, die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung lasse die durch Geburt erworbene deutsche Staatsangehörigkeit nicht rückwirkend entfallen. Dies habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 - für eine erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung durch die Ausländerbehörde festgestellt. Denn für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch die erfolgreiche Behördenanfechtung fehle es im StAG an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage, die dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genüge; daneben bestehe ein Verstoß gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese Grund-sätze seien auch auf die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung durch den Scheinvater anwendbar. Außerdem verstoße der rückwirkende Entfall der deutschen Staatsangehörigkeit gegen europäisches Unionsrecht. Der Europäische Gerichtshof habe mit seinem Urteil in der Sache „Rottmann“ vom 2. März 2010 - Rs. C-135/08 - entschieden, dass selbst bei täuschungsbedingtem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit und damit der Unionsbürgerschaft der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten sei, wenn mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auch der Verlust der Unionsbürgerschaft einhergehe. Diese daraus folgenden Anforderungen seien in ihrem Fall, in dem eine Täuschung oder dgl. nicht vorgeworfen werden könne, nicht gewahrt.

Mit am 19. Juni 2014 zugestelltem Bescheid vom 12. Juni 2014 stellte der Beklagte nach vorheriger Anhörung fest, dass die Klägerin nicht deutsche Staatsangehörige sei. Der Beklagte führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die deutsche Staatsangehörigkeit sei mit der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung durch E. rückwirkend entfallen. Es handele sich, wie das Bundesverfassungsgericht bereits durch Beschluss vom 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 - entschieden habe, nicht um einen unzulässigen Fall der Entziehung der Staatsbürgerschaft. Die in der Entscheidung geforderte Altergrenze (die nunmehr in § 17 Abs. 3 Satz 1, 3. Alt. i.V.m. Abs. 2 StAG n.F. geregelt sei) werde vorliegend gewahrt, da die Klägerin im Verlustzeitpunkt noch nicht einmal zwei Jahre alt gewesen sei. Hingegen sei die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 nicht einschlägig. In diesem Verfahren habe das Bundesverfassungsgericht nur die Nichtigkeit der Regelungen über die sog. Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB festgestellt. Hier liege jedoch eine sog. Scheinvateranfechtung i.S.d. § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB vor. Die Entscheidung vom 17. Dezember 2013 habe einen Bezug hierzu ebenso wenig hergestellt wie zu dem Beschluss vom 24. Oktober 2006. Auch aus der Rechtsprechung des EuGH („Rottmann“) ergebe sich keine andere Beurteilung. Denn der vom EuGH geforderte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei angesichts des geringen Alters der Klägerin bei Entfall der Unionsbürgerschaft nicht verletzt.

Am 21. Juli 2014, einem Montag, hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und darüber hinaus ergänzend vorgetragen hat, in § 17 Abs. 3 StAG werde nicht ausdrücklich vorausgesetzt, dass bei erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung auch die deutsche Staatsangehörigkeit entfalle. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2013 genüge § 17 Abs. 3 StAG nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit. Diese Senatsentscheidung entfalte anders als der Kammerbeschluss vom 24. Oktober 2006 gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung. Außerdem gebe es keinen Grund, Kinder, die durch eine Behördenanfechtung vaterlos geworden seien, anders zu behandeln als solche, bei denen durch die Anfechtung des Scheinvaters Vaterlosigkeit eingetreten sei.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Juni 2014 zu verpflichten, ihre deutsche Staatsbürgerschaft festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen.

Mit Urteil vom 11. Februar 2015 (zugestellt an die Klägerseite am 17. Februar 2015) hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und die Klägerin nicht deutsche Staatsbürgerin. Der rückwirkende Verlust der Staatsangehörigkeit gehe mit dem rückwirkenden Verlust der Vaterschaft einher. Nach allgemeiner Rechtsüberzeugung stehe der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 1 StAG unter dem Vorbehalt, dass die Vaterschaft nicht erfolgreich angefochten werde. Jedoch verbleibe es auch bei einem rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei dem Schutz des Art. 16 Abs. 1 GG vor Verlust oder Entziehung derselben. Eine Entziehung liege nicht vor, weil die Klägerin bei Entfall der Staatsangehörigkeit ein zu geringes Alter aufgewiesen habe und der Entfall in ihr zuzurechnender Weise von dem rechtlichen Vater E. beeinflusst werden konnte. Der Verlust der Staatsangehörigkeit der Klägerin sei verfassungsgemäß. Er beruhe auf § 1599 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG. Diese Normen verstießen nicht gegen das Zitiergebot aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, da ein zielgerichteter Eingriff durch die öffentliche Gewalt nicht vorliege. Aus diesem Grunde sei auch kein Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben. Die Normen hätten die bei einer Scheinvateranfechtung klar vorhersehbare Verlustwirkung ebenso wenig ausdrücklich regeln müssen wie eine Altersgrenze oder eine Vorkehrung gegen Staatenlosigkeit bestimmen müssen. Die Klägerin sei infolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit nicht staatenlos geworden. Die Behördenanfechtung sei auch nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar. Eine unzulässige Beeinflussung des Scheinvaters durch die Mitarbeiter der Beklagten dahin, die Vaterschaft anzufechten, habe nicht vorgelegen, da die autonome Entscheidung über die Anfechtung bei dem Scheinvater verblieben sei. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bestehe ebenfalls nicht. Die Annahme, die Klägerin werde gegenüber Kindern benachteiligt, die aufgrund einer Behördenanfechtung vaterlos geworden seien, gehe fehl. Es fehle an einem tauglichen Vergleichspaar, da zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit im Dezember 2005 die Möglichkeit einer behördlichen Anfechtung noch nicht bestanden habe. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit verstoße zudem nicht gegen Unionsrecht, da der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesichts des nur kurzen Zeitraums der innegehabten Unionsbürgerschaft nicht verletzt werde.

Hiergegen richtet sich die am 18. Februar 2015 eingelegte und am 17. April 2015 begründete Berufung der Klägerin, die das Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Zur Begründung wiederholt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. In verfassungsrechtlicher Hinsicht rügt sie das Fehlen einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage für den rückwirkenden Entfall der deutschen Staatsangehörigkeit, das Vorliegen einer generell unzulässigen Entziehung derselben sowie einen Verstoß gegen das Zitiergebot und macht geltend, wegen der ausländerbehördlichen Einflussnahme auf den Scheinvater E. liege de facto ein Fall der Behördenanfechtung vor. In unionsrechtlicher Hinsicht macht die Klägerin einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot geltend. Da ihr anders als dem Kläger in der Rottmann-Entscheidung des EuGH keine Täuschung zur Last falle, müsse die Abwägung zwingend zu ihren Gunsten ausgehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 11. Kammer - vom 11. Februar 2015 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Juni 2014 zu verpflichten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen,

hilfsweise das Verfahren auszusetzen und den Rechtsstreit zur Vorabentscheidung dem Gerichtshof der Europäischen Union mit folgender Rechtsfrage vorzulegen:

Steht Gemeinschaftsrecht der Rechtsfolge des Verlusts der Unionsbürgerschaft (und der mit dieser verbundenen Rechte und Grundfreiheiten) entgegen, der sich daraus ergibt, dass ein nach einer von mehreren möglichen Auslegungen des nationalen deutschen Rechts möglicher Verlust oder eine Entziehung der durch Geburt erworbenen deutschen Staatsbürgerschaft und damit der Unionsbürgerschaft eintritt, wenn der bisherige Vater die Vaterschaft anficht?,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führt er aus, die zur Behördenanfechtung ergangene Entscheidung des BVerfG vom 17. Dezember 2013 enthalte keinen Hinweis darauf, dass an der Entscheidung vom 24. Oktober 2006, mit der explizit ein Staatsangehörigkeitsverlust nach Scheinvateranfechtung für verfassungsgemäß gehalten worden sei, nicht länger festgehalten werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A bis F) verwiesen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat mangels Begründetheit keinen Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Beklagten verneint und die Klage abgewiesen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

I. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist - vorbehaltlich abweichender Bestimmungen des materiellen Rechts - derjenige des Schlusses der mündlichen Berufungsverhandlung vom 7. Juli 2016, weil es sich um eine Verpflichtungssituation (§ 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO) handelt. Demnach ist grundsätzlich das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1802), - StAG n.F. - anzuwenden.

II. Aus § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG n.F. folgt aber kein Anspruch der Klägerin auf die begehrte positive Feststellung. Denn sie ist im maßgeblichen Zeitpunkt nicht deutsche Staatsangehörige, weil sie die deutsche Staatsangehörigkeit zwar erworben (1.), jedoch danach wieder verloren (2.) hat (§ 30 Abs. 2 Satz 1 StAG n.F.). Für den Erwerb und Verlust ist dabei - in Abweichung von dem unter I. genannten Grundsatz - nach dem materiellen Recht nicht der aktuelle, sondern jeweils derjenige zeitlich letzte Rechtszustand (auch aus der Vergangenheit) maßgeblich, welcher aufgrund des tatsächlichen Geschehens einen Erwerb oder Verlust der Staatsangehörigkeit bewirken konnte und bewirkt hat. Danach ergibt sich hier Folgendes:

1. Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Geburt erworben.

a) Zwar geschah dies nicht bereits wegen der Abstammung von ihrer serbischen Mutter B.. Ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG (eingeschränktes ius soli), in der Fassung, in der die Norm mit Wirkung vom 1. Januar 2000 durch das Staatsangehörigkeitsreformgesetz vom 15. Juli 1999 (BGBl. I S. 1618) eingefügt worden war, schied vorliegend aus. Denn die Mutter der Klägerin verfügte bis zum 11. Dezember 2013 (bzw. 15. Dezember 2011) lediglich über ausländerrechtliche Duldungen nach § 55 Abs. 1 AuslG 1990 bzw. § 60a Abs. 2 AufenthG und hatte damit im Zeitpunkt der Geburt der Klägerin am 7. März 2004 weder eine Aufenthaltsberechtigung noch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis i.S.d. §§ 15 ff., 27 AuslG 1990 (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F.) inne, noch hatte sie gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F. seit mindestens acht Jahren ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

b) Aus demselben Grund scheidet ein Erwerb nach § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG a.F. wegen einer Abstammung von dem serbischen Staatsangehörigen F. aus. Dessen biologische Vaterschaft (§ 1592 Nr. 3 BGB) ist nicht z.B. nach § 1600d Abs. 1 BGB gerichtlich festgestellt worden. Dahinstehen kann, ob die von ihm am 1. März 2005 erklärte Vaterschaftsanerkennung wirksam ist, insbesondere ob es insoweit an der nach § 1595 Abs. 1 BGB notwendigen Zustimmung der Mutter der Klägerin gefehlt hat oder ob eine Heilung nach § 1598 Abs. 2 BGB durch Ablauf von 5 Jahren nach Eintragung der Anerkennung in ein Personenstandsregister eingetreten ist. Denn selbst wenn F. aufgrund dieser Anerkennung als rechtlicher Vater (§ 1592 Nr. 2 BGB) der Klägerin anzusehen wäre, ist entscheidend, dass auch er bei Geburt der Klägerin lediglich im Besitz einer ausländerrechtlichen Duldung war und in diesem Zeitpunkt keinen mindestens achtjährigen rechtmäßigen Voraufenthalt vorzuweisen hatte (vgl. Bl. 12, 26 und 116 der Beiakte B).

c) Die Klägerin hat aber aufgrund der vorgeburtlichen Vaterschaftsanerkennungserklärung des deutschen Staatsangehörigen E. vom 3. Dezember 2003 durch Geburt am 7. März 2004 nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StAG (ius sanguinis), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. August 2002 (BGBl. I S. 3322) i.V.m. § 1592 Nr. 2 BGB in der damals geltenden Fassung wegen der Abstammung von einem deutschen rechtlichen Vater die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Der Wirksamkeit dieser Vaterschaftsanerkennung stand nach § 1598 Abs. 1 BGB bereits in der damaligen Fassung nicht entgegen, dass sie angesichts der gegenüber der Ausländerbehörde des Beklagten am 9. Juni 2004 getätigten Einlassungen E. (Bl. 17 der Beiakte B) inhaltlich falsch war und bewusst wahrheitswidrig abgegeben wurde, d.h. in sicherer Kenntnis, nicht der biologische Vater zu sein (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 2013 - 1 BvL 6/10 -, BVerfGE 135, 48, juris Rdnr. 48; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1. Oktober 2004 - 2 M 441/04 - juris Rdnrn. 10 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 5. Juli 2005 - 9 UZ 364/05 -, juris Rdnr. 4). Dadurch ist keine bloße „Schein-Staatsangehörigkeit“, sondern eine vollwertige Staatsangehörigkeit begründet worden (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 24. Oktober 2006 - 2 BvR 696/04 -, BVerfGK 9, 381, juris Rdnr. 12; Beschl. v. 17. Dezember 2013, a.a.O., Rdnr. 27).

2. Jedoch ist die deutsche Staatsangehörigkeit danach wieder verlorengegangen.

a) Denn mit Urteil vom 3. November 2005 - 6 F 304/04 KI - hat das Amtsgericht - Familiengericht - Wittmund rechtkräftig festgestellt, dass die Klägerin nicht von E. abstamme, so dass die deutsche Vaterschaft nach § 1599 Abs. 1 BGB mit Wirkung erga omnes (§ 640h Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.; heutige Regelung: § 184 Abs. 2 FamFG) rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt der Klägerin entfallen ist (vgl. Münchener Kommentar/Wellenhofer, BGB, 6. Aufl. 2012, § 1599 Rdnr. 44; vgl. auch BGH, Urteile v. 3. November 1971 - IV ZR 86/70 -, BGHZ 57, 229 [235], juris Rdnr. 13, zum Entfall der Nichtehelichkeit, sowie v. 11. Januar 2012 - XII ZR 194/09 -, juris Rdnr. 17, und v. 20. Mai 1981, IVb ZR 571/80 -, NJW 1981, 2183 [2184], jeweils im Hinblick auf den Wegfall der Unterhaltspflicht).

Mit der (hier seit dem 8. Dezember 2005 rechtskräftigen) negativen Vaterschaftsfeststellung ist gemäß § 1599 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StAG auch die deutsche Staatsangehörigkeit rückwirkend auf den Geburtszeitpunkt entfallen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnr. 16; Senatsurt. v. 13. April 2011 - 13 LC 98/08 -, S. 6 f. des Urteilsabdrucks; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29. Oktober 2015 - OVG 5 M 21.15 -, juris Rdnr. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 29. Oktober 2014 - 19 E 1060/14 -, juris Rdnr. 3, und v. 31. Juli 2007 - 18 A 2065/06 -, juris Rdnr. 8; Bayerischer VGH, Beschl. v. 11. September 2007 - 5 CS 07.1921 -, juris Rdnr. 3; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1. Oktober 2004, a.a.O., Rdnr. 6; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 10. Februar 2004 - 3 Bf 238/03 -, juris Rdnr. 8; VG München, Urt. v. 16. April 2009 - M 10 K 08.5928 -, juris Rdnr. 33, und Beschl. v. 9. März 2009 - M 12 S 08.5926 -, juris Rdnr. 40; Hailbronner/ Renner/ Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, StAG § 4 Rdnr. 24). Diese Wirkung trat unabhängig davon ein, ob man - wie es das Verwaltungsgericht getan hat - in der familiengerichtlichen Feststellung der Nichtvaterschaft einen Grund für das Unwirksamwerden der nach § 1592 Nr. 2 BGB abgegebenen Vaterschaftsanerkennungserklärung sieht und deshalb rückwirkend einen Mangel i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 StAG erblickt oder - dem unmittelbaren Rechtsbefehl des § 1599 Abs. 1 BGB folgend - bei wirksam bleibender Vaterschaftsanerkennungserklärung lediglich die sich aus § 1592 Nr. 2 BGB ergebende Rechtsfolge (rechtliche Vaterschaft und damit deutsche Abstammung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG) mangels Anwendbarkeit dieser Vorschrift rückwirkend als nicht gesetzt erachtet, was nach Auffassung des Senats näherliegt.

b) Die zwischen den Beteiligten streitige einfachgesetzliche Altersgrenze aus § 17 Abs. 3 Satz 1, 3. Alt. i.V.m. Abs. 2 StAG n.F. von 5 Jahren als nunmehr gesetzlich normierter Verlustausschlussgrund ist im vorliegenden Verfahren nicht anwendbar. Diese Normen wurden durch das Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 158) erst mit Wirkung vom 12. Februar 2009 eingefügt und vermochten daher den bereits zuvor - am 8. Dezember 2005 mit Rückwirkung auf den 7. März 2004 - eingetretenen Verlust nicht zu hindern. Im Übrigen lägen auch ihre Voraussetzungen nicht vor, weil die Klägerin im Verlustzeitpunkt erst ein Jahr und neun Monate alt war.

III. Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin nach § 1599 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 StAG ist entgegen der Berufung weder verfassungs- noch unionsrechtlich zu beanstanden.

1. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen ungeachtet der jüngeren Entscheidung des BVerfG vom 17. Dezember 2013 (a.a.O.) nicht.

a) Ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 GG ist nicht gegeben.

aa) Der Schutzbereich dieses normgeprägten Freiheitsgrundrechts ist vorliegend eröffnet, obwohl die genannten einfachgesetzlichen Vorschriften, wie ausgeführt, einen „rückwirkenden Verlust“ des Schutzguts „deutsche Staatsangehörigkeit“ vorsehen. Die formale Konsequenz, dass diese nach einer ex-post-Betrachtung als „niemals erworben“ anzusehen ist, führt nach der Rechtsprechung des BVerfG - entgegen einer zunächst in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur vertretenen Auffassung (etwa OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1. Oktober 2004, a.a.O., Rdnr. 6; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 10. Februar 2004, a.a.O., Rdnr. 8;  VG München, Urt. v. 16. April 2009, a.a.O., Rdnr. 33; VG Gießen, Urt. v. 8. November 1999 - 10 E 960/99 -, juris Rdnrn. 17-19; VG Düsseldorf, Urt. v. 10. September 1985 - 17 K 10.419/85 -, NJW 1986, 676 [677]) - nicht dazu, dass die diesen rückwirkenden Verlust  bewirkenden Normen allein als Grund für einen „anfänglichen Nichterwerb“ zu betrachten wären und damit der Prüfung am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 GG entgingen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnrn. 13, 15, 16; im Anschluss an das Urt. v. 24. Mai 2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24, juris Rdnr. 54, das zur rückwirkenden Rücknahme erschlichener Einbürgerungen ergangen war). Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin jedenfalls in verfassungsrechtlicher Hinsicht zumindest für eine „juristische“ oder „logische“ Sekunde deutsche Staatsangehörige gewesen ist, welche ihr den Schutz aus Art. 16 Abs. 1 GG vermittelt (ähnliche Formulierung bei Berlit, in: GK-AufenthG, bis einschl. 77. EL Oktober 2014, § 38 Rdnr. 14, dort allerdings für den Fall der rückwirkenden Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung und mit weiterreichender aufenthaltsrechtlicher Konsequenz, die von BVerwG, Urt. v. 19. April 2011 - 1 C 16.10 -, BVerwGE 139, 346, juris Rdnr. 15, abgelehnt wird).

bb) Da §§ 1599 Abs. 1 BGB, 4 Abs. 1 StAG hier zu einem Entfall der sonach geschützten Rechtsposition führen, liegt auch ein Eingriff vor.

cc) Dieser ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

(1) Die Maßstäbe hierfür ergeben sich aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, weil im vorliegenden Fall - entgegen der Ansicht der Berufung - nur ein (einfacher, relativ verbotener) Verlust und keine (qualifizierte, absolut verbotene) Entziehung der Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG gegeben ist.

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist jede - gegen den Willen des Betroffenen bewirkte - Verlustzufügung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, die die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit beeinträchtigt (vgl. BVerfG, Urt. v. 24. Mai 2006, a.a.O., Rdnrn. 35, 46, 49). Diese Qualität kann ein Verlust erst durch Hinzutreten bestimmter Merkmale annehmen, die sich etwa auf eine gewisse Diskriminierungswirkung (a) oder auf das Erreichen eines bestimmten Alters durch den Betroffenen und die fehlende oder unzumutbare Beeinflussbarkeit des Entfalls durch diesen (b) beziehen. Diese Merkmale werden hier jedoch nicht erfüllt, so dass eine Entziehung zu verneinen ist.

(a) Eine Diskriminierung scheidet aus. Die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sahen bereits nach §§ 1592 Nr. 2, 1594  BGB in der 2004 geltenden Fassung vor, dass der Mann Vater eines Kindes ist, der die Vaterschaft anerkannt hat. Die Vaterschaftsanerkennung schafft eine vollgültige, mit allen Rechten und Pflichten verbundene Vaterschaft, auch wenn weder eine biologisches Abstammungsverhältnis noch eine sozial-familiäre Beziehung zwischen anerkennendem Vater und Kind existieren (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 2013, a.a.O., Rdnr. 43). Der Gesetzgeber hat die Vaterschaftsanerkennung der autonomen Entscheidung der Eltern überlassen und darauf verzichtet, die Gründe für eine konkrete Anerkennung zu erforschen oder zu reglementieren. Daher gilt die Anerkennung auch, wenn die Eltern glauben oder sogar wissen, dass der Anerkennende nicht der biologische Vater des Kindes ist. Die Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft ermöglichen, das Kindschaftsverhältnis rückwirkend mit Wirkung für und gegen alle (§ 640h Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F., heute § 184 Abs. 2 FamFG) zu beseitigen (Palandt/Brudermüller, 75. Aufl. 2016, § 1599 Rdnr. 9). Der anerkennende Vater erhält somit durch die Vaterschaftsanfechtung die Möglichkeit, die kindschaftsrechtliche Zuordnung zu korrigieren, wenn diese nicht der biologischen Abstammung entspricht. Durch die Korrektur des kindschaftsrechtlichen Verhältnisses werden viele an die Elternschaft anknüpfende Rechtsverhältnisse beeinflusst, darunter auch - aber nicht nur - die Staatsangehörigkeit. § 4 Abs. 1 StAG ist allgemeiner Natur und knüpft diskriminierungsfrei den Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit an die deutsche Staatsangehörigkeit eines Elternteils (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnr. 20). Diese Anknüpfung läuft dem Sinn und Zweck des Entziehungsverbots des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG nicht per se zuwider, da sie insbesondere nicht die gesicherte Gleichheit des Zugehörigkeitsstatus‘ aller Staatsangehörigen beeinträchtigt.

(b) In Abwesenheit einer Diskriminierung ist eine Beeinträchtigung der deutschen Staatsangehörigkeit in ihrer Bedeutung als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit nur gegeben, wenn die Staatsangehörigkeit in einem Alter verloren wird, in dem Kinder normalerweise bereits ein eigenes Bewusstsein ihrer Staatsangehörigkeit und ein eigenes Vertrauen auf deren Bestand entwickelt haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnrn. 19, 22), und der Betroffene die Verlustzufügung nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann (BVerfG, Urt. v. 24. Mai 2006, a.a.O., Rdnr. 50; Beschl. v. 17. Dezember 2013, a.a.O., Rdnr. 31). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, weil es bereits an der ersten Voraussetzung (als notwendiger Bedingung einer Entziehung) fehlt.

Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Rechtskraft des familiengerichtlichen Urteils vom 3. November 2005, nämlich am 8. Dezember 2005, nur ein Jahr und neun Monate alt. Das vorliegende Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zur Beantwortung der Frage, welche Altersgrenze im Einzelnen zugrunde zu legen ist, insbesondere ob den hierzu im Gesetzgebungsverfahren zu § 17 Abs. 2 und 3 StAG n.F. angestellten Überlegungen (Vollendung des fünften Lebensjahres, vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10528, S. 7, m.w.N.) auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht zu folgen ist. Denn jedenfalls in diesem geringen Alter - ein Jahr und neun Monate - konnte die Klägerin (ebenso wie in dem Fall, welcher dem Beschluss des BVerfG vom 24. Oktober 2006 zugrunde lag, a.a.O., Rdnr.  23, dort: anderthalb Jahre) noch kein Bewusstsein für und kein Vertrauen auf den Bestand ihrer Staatsangehörigkeit entwickelt haben. Dass die in diesem Zeitpunkt geltenden einfachgesetzlichen Normen (insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG a.F.) einen durch erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft bedingten Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auch in einem Alter, in dem sich die Frage nach einer Beeinträchtigung der Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus‘ stellte, nicht ausschlossen (die einfachgesetzliche Altersgrenze von 5 Jahren aus § 17 Abs. 3 Satz 1, 3. Alt., Abs. 2 StAG n.F. existierte - wie ausgeführt - im Jahre 2005 noch nicht), hinderte nach Ansicht des BVerfG (Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnr. 26 f.) deren Anwendung auf einen in altersmäßiger Hinsicht „materiell-verfassungsrechtlich eindeutig unproblematischen“ Fall wie den vorliegenden nicht. Soweit das BVerfG in seinem Beschluss vom 17. Dezember 2013 (a.a.O., Rdnr. 84) im (durch § 17 Abs. 3 Satz 2 StAG n.F. bewirkten) Fehlen einer ausdrücklichen Altersgrenze einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gesehen hat, bezog sich diese Kritik allein auf die neuartige Regelung zur Behördenanfechtung aus § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, nicht hingegen auf § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG selbst, zu welchem sich das BVerfG bereits geäußert hat.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf die weitere Voraussetzung einer Entziehung, dass der Betroffene die Verlustzufügung nicht oder nicht auf zumutbare Weise beeinflussen kann, nicht mehr an (so ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnr. 23). Den zwischen den Beteiligten streitigen Fragen zu einer Zurechnung der Vaterschaftsanfechtung des - nicht sorgeberechtigten - rechtlichen Scheinvaters E. vom 17. Juni 2004 an die minderjährige Klägerin, zur Unmittelbarkeit einer Einflussnahme des E. auf die Staatsangehörigkeit der Klägerin als solche und zur Zumutbarkeit der Wahrnehmung etwaiger zurechenbarer Einflussmöglichkeiten auf den Beginn und/oder das Ende einer „instabilen“ deutschen Staatsangehörigkeit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 2013, a.a.O., Rdnr. 37) muss der Senat daher im vorliegenden Berufungsverfahren nicht nachgehen.

(2) Der nach alledem „einfache“ Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin wahrt die Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Nach dieser Norm darf der Verlust der Staatsangehörigkeit nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird. Die Voraussetzungen dieses besonderen Gesetzesvorbehalts und der bei seiner Ausfüllung als „Schranken-Schranken“ zu beachtenden weiteren verfassungsrechtlichen Normen sind erfüllt.

(a) Eine gesetzliche Grundlage („Schranke“) zur Legitimierung eines unfreiwilligen Verlustes der Staatsangehörigkeit war mit § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB in der im Jahre 2005 geltenden Fassung gegeben. Diesen Regelungen zu den Folgen der Vaterschaftsanfechtung durch den Scheinvater mangelt es im Gegensatz zu den Regelungen der Behördenanfechtung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 2013, a.a.O., Rdnrn. 81 ff.). auch nicht an der hinreichenden Bestimmtheit (Art. 20 Abs. 3 GG). Vielmehr hat das BVerfG eben diese Normen in seinem Beschluss vom 24. Oktober 2006 (a.a.O., Rdnrn. 21 und 28) gewürdigt und für verfassungsrechtlich unbedenklich - insbesondere für hinreichend bestimmt - gehalten.

(aa) Die betreffende Auslegung und Anwendung sowohl des § 1599 Abs. 1 BGB als auch des § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V. Satz 2 StAG werden seit langem einhellig in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie der Zivil- und Verwaltungsgerichte und in der Literatur vertreten und führen nach Ansicht des Senats eindeutig zu der Rechtswirkung eines rückwirkenden Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit bei der Klägerin. Ihrer mit der Berufung vertretenen Behauptung, das Familien- und Staatsangehörigkeitsrecht enthalte keine Normen, die diese Wirkung mit hinreichender Bestimmtheit vorsähen, kann für den hier einschlägigen Fall der Scheinvateranfechtung nicht gefolgt werden. Insbesondere ist § 4 Abs. 1 StAG nach alledem nicht nur als eine Erwerbs-, sondern zugleich auch als eine Verlustgrundlage im Hinblick auf den Status „Staatsangehörigkeit“ zu qualifizieren. Dass diese Art eines „Verlusts wegen Nicht(mehr)vorliegens der Erwerbsvoraussetzungen“ (vgl. die dahin gehende Diktion des BVerfG im Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnr. 25) nicht auch in § 17 (Abs. 1) StAG aufgeführt wurde und wird, ist unerheblich, denn die dortige Aufzählung konnte und kann entgegen ursprünglicher Zielsetzung (vgl. Hailbronner/ Renner/ Maaßen, a.a.O., § 17 Rdnr. 5) ohnehin nicht als abschließend betrachtet werden (vgl. BVerfG, Urt. v. 24. Mai 2006, a.a.O., Rdnrn. 81, 84). Auch der ändernde Gesetzgeber ging bei Schaffung der Absätze 2 und 3 des § 17 StAG n.F. mit Wirkung vom 12. Februar 2009 durch das Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 158) ohne Weiteres davon aus, dass der von ihm vorgefundene § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG neben dem Erwerb zugleich einen automatischen Verlust als Folge einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung regelte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 10. Oktober 2008, BT-Drs. 16/10528, S. 7).

(bb) Entgegen der Ansicht der Berufung folgt auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 17. Dezember 2013 (a.a.O.), mit dem die Regeln über die Behördenanfechtung von zunächst angenommenen Vaterschaften (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB in der seit dem 1. Juni 2008 geltenden Fassung, eingefügt durch Gesetz vom 13. März 2008, BGBl. I S. 313), für nichtig erklärt wurden, nichts anderes.

Das BVerfG hat in dieser Entscheidung in Rdnr. 16 (aber auch in Rdnrn. 27, 28 und 33) ausdrücklich betont, mit dem rückwirkenden Wegfall der Vaterschaft entfalle ex tunc auch die sich nach § 4 Abs. 1 oder 3 StAG auf Abstammung gründende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes, und damit seine im Beschluss vom 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnr. 16, gefundene Auslegung bestätigt. Keinesfalls hat es sich insoweit von dem einschlägigen Beschluss aus 2006 distanziert. Vielmehr wird letztgenannter Beschluss (mit der Fundstelle aus der Amtlichen Sammlung von Kammerentscheidungen BVerfGK 9, 381 [383 f.]) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Scheinvateranfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB sogar in Rdnr. 27 zitiert. Soweit das BVerfG in der Entscheidung vom 17. Dezember 2013 (später) unter Rdnr. 82 moniert hat, die im Wege der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 GG) zu überprüfenden familienrechtlichen Normen (insbesondere § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB, Hervorhebung durch den Senat) enthielten selbst - ungeachtet ihrer staatsangehörigkeitsrechtlichen Zielrichtung - keine ausdrückliche Regelung der Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit, sondern bedienten sich lediglich - in defizitärer Weise - zweier ungeschriebener Rechtsregeln (1. Annahme der Rückwirkung einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung; 2. Annahme, das Staatsangehörigkeitsrecht folge in vollem Umfang den Abstammungsregeln des Familienrechts), beziehen sich diese Ausführungen lediglich auf einen völlig anderen Anwendungsfall des § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG (Behördenanfechtung), nicht aber auf § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG selbst. Sie tragen daher für die vorliegende Konstellation der Scheinvateranfechtung, die lediglich aus gesetzessystematischen Gründen ebenfalls zur Anwendung dieser staatsangehörigkeitsrechtlichen Norm führt, nichts aus. Die dieser Variante entsprechende familienrechtliche Norm, die eine Anfechtungsberechtigung des rechtlichen Scheinvaters gewährt (§ 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB), unterliegt im vorliegenden Rechtsstreit nicht der (verfassungs-)rechtlichen Überprüfung durch den Senat. Denn mit dem Urteil des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wittmund vom 3. November 2005 liegt eine rechtskräftige Feststellung zum Nichtbestehen der deutschen Vaterschaft vor, die gemäß § 640h Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. erga omnes wirkt. Nicht zu untersuchen ist daher - anders als in dem Fall, der dem Beschluss des BVerfG vom 17. Dezember 2013 zugrunde lag und der aufgrund einer Vorlage eines Familiengerichts im Rahmen eines abstammungsrechtlichen Verfahrens ergangen war -, ob die Anfechtungsberechtigung des E. in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise bestanden hat und das von diesem erwirkte Urteil mithin selbst verfassungsgemäß ist.

Aber auch in der Sache ist der zur Behördenanfechtung ergangene Beschluss vom 17. Dezember 2013 entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die Anfechtung des Scheinvaters übertragbar. Die Behördenanfechtung zielte explizit darauf ab, die durch Vaterschaftsanerkennung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes zu Fall zu bringen, um so die nicht gewollten aufenthaltsrechtlichen Folgen der Vaterschaftsanerkennung zu beseitigen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. Dezember 2013, a.a.O., Rdnr. 82). In einem solchen Fall, so das BVerfG, hätten die Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit in den familienrechtlichen Vorschriften oder im Staatsangehörigkeitsrecht ausdrücklich geregelt werden müssen. Nichts deutet darauf hin, dass dieser strenge Maßstab auch auf andere Varianten der Vaterschaftsanfechtung, die ihre Urheberschaft allein im familiären Kontext finden und gleichermaßen Anwendungsfälle des § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG in seiner Dimension als Verlustgrundlage darstellen (§ 1600 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 BGB: Anfechtung durch den rechtlichen Vater, den mutmaßlichen biologischen Vater, die Mutter oder das Kind), zu übertragen wäre.

Das zwischenzeitliche Hinzutreten eines weiteren Anwendungsfalls von § 4 Abs. 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB (Behördenanfechtung), der sich als verfassungswidrig und nichtig erwiesen hat, gibt keinen Anlass, die Anwendung der genannten Normen in den herkömmlichen Fällen der Vaterschaftsanfechtung für verfassungswidrig zu halten.

Aus dem von der Klägerin ins Feld geführten § 31 BVerfGG folgt kein anderes Ergebnis. Die durch § 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG statuierte Gesetzeskraft des Senatsbeschlusses des BVerfG vom 17. Dezember 2013 erstreckt sich nur auf dessen Tenor (Nichtigerklärung des § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB und der zugehörigen Übergangsvorschrift aus Art. 229 § 16 EGBGB), vgl. Rennert, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), BVerfGG, § 31 Rdnr. 103. Aus der Bindungswirkung (§ 31 Abs. 1 BVerfGG), die dem Beschluss vom 17. Dezember 2013 als Senatsentscheidung zukommt (vgl. Rennert, a.a.O., § 31 Rdnr. 70), folgt jedenfalls nicht, dass darin aufgestellte abstrakte Rechtssätze zur Auslegung oder Konkretisierung der Verfassung oder des sonstigen prüfungsmaßstäblichen Bundesrechts den erkennenden Senat bänden (vgl. Rennert, a.a.O., § 31 Rdnr. 71 m.w.N.); vielmehr ist die Bindung von Normenkontrollentscheidungen wie dem Beschluss vom 17. Dezember 2013 im Hinblick auf Parallelnormen zu verneinen (a.a.O., Rdnrn. 59, 66).

(b) Entgegen der Ansicht der Berufung sind die für die Behördenanfechtung entwickelten strengeren Maßstäbe auch nicht deshalb an die Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG i.V.m. § 1599 Abs. 1 BGB anzulegen, weil der vorliegende Fall einer „verkappten“ Behördenanfechtung gleichkäme oder sich als Umgehung einer nicht zur Verfügung stehenden behördlichen Anfechtungsmöglichkeit darstellte. Die Anfechtung der Vaterschaft durch E. war - anders als in dem vom BVerfG mit Beschluss vom 17. Dezember 2013 (a.a.O., Rdnr. 39) entschiedenen Fall der Behördenanfechtung - der freien Verfügung des Staates entzogen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht eine Gleichstellung der unterschiedlichen Konstellationen verneint. Für eine staatliche bzw. kommunale Einflussnahme sprechen, entgegen der Auffassung der Klägerin, auch nicht die Einwirkungen der Ausländerbehörde des Beklagten auf E. im Rahmen dessen Vorsprache vom 9. Juni 2004. Nach dem Vermerk (Bl. 17 der Beiakte B) verblieb diesem auch nach der Einflussnahme weiterhin die Möglichkeit, sich gegen eine Vaterschaftsanfechtung zu entscheiden. Er hätte sich, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt, rechtliche Beratung dazu einholen können, wie er sich verhalten solle bzw. ob die angedrohten Konsequenzen zutreffen. Er hat erst acht Tage später (am 17. Juni 2004) die Vaterschaft angefochten. Bereits dieser zeitliche Abstand deutet darauf hin, dass die Anfechtung nach reiflicher Überlegung und aus freiem Willensentschluss heraus eingeleitet worden ist. Anlass, an dieser Annahme zu zweifeln, sieht der Senat nicht.

(c) Staatenlosigkeit trat, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, im Falle der Klägerin nicht ein, weil diese durch Geburt von ihrer Mutter zunächst die serbisch-montenegrinische (und serbische) und nach Auflösung der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro am 3. Juni 2006 (vgl. Kraljic/Kraljic, in: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Stand: 216. EL Mai 2016, Kapitel Serbien, S. 4 Fn. 4) allein die serbische Staatsangehörigkeit ableitete. Der Senat folgt - wie im Hinblick auf die in § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 17 StAG in der damals (2005) anzuwendenden Fassung nicht geregelte Altersgrenze (siehe oben unter III. 1. a) cc) (1) (b)) - der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine gesetzliche Regelung zur „Vorsorge“ für den hier nicht einschlägigen Ausnahmefall des drohenden Eintritts von Staatenlosigkeit  in dem hier auch insoweit gegebenen „verfassungsrechtlich unproblematischen Fall“ nicht erforderlich war. § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. kann nicht deshalb für insgesamt verfassungswidrig gehalten werden, nur weil er und die ihn umgebenden Normen des StAG diesen hier nicht vorliegenden Ausnahmefall - einen anderen Sachverhalt als den zu beurteilenden - nicht regelten (vgl. zu dieser aus dem Gedanken des subjektiven Rechtsschutzes folgenden Überlegung BVerfG, Urt. v. 24. Mai 2006, a.a.O., Rdnrn. 86 f., und Beschl. v. 24. Oktober 2006, a.a.O., Rdnrn. 26 f.).

(d) Ein Verstoß gegen das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG liegt ebenfalls nicht vor. Diese Vorgabe ist zwar grundsätzlich auf Grundrechtseinschränkungen nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG anwendbar (Maunz/Dürig/Remmert, GG, 76. EL Dezember 2015, Art. 19 Abs. 1 Rdnr. 53). Im vorliegenden Fall war es jedoch nicht zu beachten.

(aa) Dabei kann dahinstehen, ob der Begründung des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, die Norm sei deshalb nicht anwendbar, weil es sich nicht um einen zielgerichteten - finalen - Eingriff durch die öffentliche Gewalt i.S.d. Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Beschl. v. 11. August 1999 - 1 BvR 2181-2183/98 -, juris Rdnr. 56; BVerfG, Beschl. v. 18. Februar 1970 - 2 BvR 531/68 -, BVerfGE 28, 36, juris Rdnr. 45) handele. Offenbleiben kann auch, ob im Falle der Vaterschaftsanfechtung durch den Scheinvater nach § 1599 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 StAG tatsächlich ein nur mittelbarer Eingriff mit der Begründung vorliegt, es komme auf die Zielrichtung bzw. Motivation des Scheinvaters an, der in aller Regel nur die kindschaftsrechtliche Zuordnung korrigieren wolle und - anders als die Behörde im Rahmen der Behördenanfechtung nach dem für nichtig erklärten § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB - nicht auch die Staatsangehörigkeit des Kindes zu beseitigen beabsichtige.

(bb) Denn Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG war (jedenfalls) aus einem anderen Grunde nicht anwendbar.  Diese Norm gilt nach Sinn und Zweck ohnehin nur für nachkonstitutionelle Gesetze; sie wendet sich an den nachkonstitutionellen Gesetzgeber, der neue Grundrechtseinschränkungen vornimmt. Das Zitiergebot soll ihn veranlassen, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut auszuweisen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10. Februar 1953 - 1 BvR 787/52 -, BVerfGE 2, 121 [122 f.], juris Rdnr. 4). Hier spricht bereits viel dafür, jedenfalls die maßgebliche Norm aus § 4 Abs. 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (früher: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes) vom 22. Juli 1913, das ungeachtet der nachkonstitutionellen Änderungen an anderen Stellen (etwa der §§ 4 Abs. 3, 10, 35 StAG) und trotz der Umbenennung zum 1. Januar 2000 (durch Gesetz vom 15. Juli 1999, BGBl. I S. 1618) nie neu bekannt gemacht wurde, als vorkonstitutionelle  Regelung einzustufen. Die Frage bedarf jedoch im Berufungsverfahren keiner abschließenden Beantwortung. Denn auch ein nachkonstitutionelles Gesetz hat das Zitiergebot nicht zu beachten, wenn es bereits eine im vorkonstitutionellen Recht enthaltene Grundrechtseinschränkung unverändert oder mit geringfügigen Abweichungen wiederholt; Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG soll lediglich verhindern, dass neue, dem bisherigen Recht fremde Möglichkeiten des Eingriffs in Grundrechte geschaffen werden, ohne dass der Gesetzgeber sich darüber Rechenschaft legt und dies ausdrücklich zu erkennen gibt  (BVerfG, Beschl. v. 10. Februar 1953, a.a.O.; v. 25. Mai 1956 - 1 BvR 190/55 - BVerfGE 5, 13 [16], juris Rdnr. 10; v. 19. Februar 1963 - 1 BvR 610/62 -, BVerfGE 15, 288 [293], juris Rdnr. 18; v. 30. Mai 1973 - 2 BvL 4/73 -, BVerfGE 35, 185, juris Rdnr. 14). Eine neue Ermächtigung zum Grundrechtseingriff liegt nicht vor. § 4 Abs. 1 Satz 1 (Ru)StAG gilt, soweit es um den Staatsangehörigkeitserwerb durch Abstammung von einem deutschen Vater geht, schon seit Anbeginn, und zwar sowohl in seiner Erwerbs- als auch in seiner Verlustdimension. Selbst wenn man also davon ausginge, dass das StAG durch die Gesetzesänderungen inzwischen nachkonstitutionell geworden sei, wäre die Grundrechtseinschränkung bereits im RuStAG vom 22. Juli 1913 angelegt, da sich die Regelungen in der hier interessierenden Alternative nur geringfügig verändert haben.

Die Entscheidung des BVerfG vom 17. Dezember 2013 (a.a.O., Rdnr. 82) ändert an diesem Ergebnis nichts. Unmittelbar hatte das BVerfG dort § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB zu würdigen, der erst 2008 eingefügt worden war, eine völlig neuartige zusätzliche Anfechtungsmöglichkeit darstellte und deshalb nach jeder Betrachtungsweise nachkonstitutionell war und das Zitiergebot zu beachten hatte.

b) Auch der allgemeine Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Diese Norm schützt davor, dass Wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird.

Die Klägerin ist jedoch entgegen der Berufung nicht mit Kindern vergleichbar, „die durch eine Behördenanfechtung vaterlos geworden sind“. Offenbar soll mit dieser nicht unmittelbar einsichtigen Gegenüberstellung geltend gemacht werden, dass die Klägerin als von einer Scheinvateranfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 1 BGB Betroffene in gleichheitswidriger Weise ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe, während und weil diese Folge bei von einer Behördenanfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB tangierten (gleichaltrigen?) Kindern nach dem Beschluss des BVerfG vom 17. Dezember 2013 (a.a.O.) nicht eingetreten sei. Zu Recht hat jedoch das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Möglichkeit einer behördlichen Anfechtung nach § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB erst durch das Gesetz vom 13. März 2008 (BGBl. I S. 313) mit Wirkung vom 1. Juni 2008 geschaffen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin bereits vaterlos geworden, so dass bereits ein taugliches Vergleichspaar in der Tat nicht bestand. Sollte mit dem von der Klägerin aufgemachten Vergleich in Wahrheit - im Gewand einer gleichheitsrechtlichen Rüge - postuliert werden, dass an die Folgen der Scheinvateranfechtung in freiheitsrechtlicher Hinsicht die gleichen Maßstäbe wie an die Behördenanfechtung anzulegen seien, ist dies zu verneinen und zur Begründung auf die obigen Ausführungen unter III. 1. a) zu verweisen.

2. Ein Verstoß gegen das europäische Unionsrecht ist ebenfalls zu verneinen.

Der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin infolge der Anfechtung des Scheinvaters verstößt nicht gegen die unionsrechtlichen Regelungen aus Art. 20 Abs. 1 AEUV (bzw. Art. 8 EGV a.F.) oder Art. 9 Satz 2 EUV, denen zufolge eine Unionsbürgerschaft eingeführt wurde, die der mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit folgt. Das ergibt sich zweifelsfrei aus dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des EuGH. Bei dieser Sachlage bedurfte es keiner Vorlage nach Art. 267 AEUV.

a) Der Senat ist nicht bereits aufgrund des Hilfsantrags der Klägerin verpflichtet, die von ihr formulierte Frage

„Steht Gemeinschaftsrecht der Rechtsfolge des Verlusts der Unionsbürgerschaft (und der mit dieser verbundenen Rechte und Grundfreiheiten) entgegen, der sich daraus ergibt, dass ein nach einer von mehreren möglichen Auslegungen des nationalen deutschen Rechts möglicher Verlust oder eine Entziehung der durch Geburt erworbenen deutschen Staatsbürgerschaft und damit der Unionsbürgerschaft eintritt, wenn der bisherige Vater die Vaterschaft anficht?“

dem EuGH vorzulegen. Ob die Voraussetzungen des Art. 267 AEUV gegeben sind, hat das erkennende Gericht von Amts wegen zu prüfen. Sie sind nicht erfüllt. Eine Vorlagepflicht nach § 267 Abs. 3 AEUV besteht nicht, denn der Senat als zweitinstanzliches Gericht ist nicht das letztinstanzliche Gericht (vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 58. EL 2016, AEUV Art. 267 Rdnr. 53). Der Senat hat keine Zweifel i.S.d. Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV an der Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts über die Unionsbürgerschaft, so dass eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 2 AEUV unterbleiben kann. Die von der Klägerin gestellte Frage ist klar zu verneinen. Der Senat gelangt zu dem Ergebnis, dass hier ein Verlust der Unionsbürgerschaft vorliegt, den das Unionsrecht zulässt, der insbesondere nicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen unionsrechtswidrig mit der Konsequenz ist, dass der ihn bewirkende Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bereits zu unterbleiben hätte und die mitgliedstaatlichen Normen, die diesen bewirken (§§ 1599 Abs. 1 BGB, 4 Abs. 1 Satz 1 StAG), deshalb unangewendet bleiben müssten.

b) Es ist den Mitgliedstaaten nicht generell durch das Unionsrecht untersagt, ihre Staatsangehörigkeit verlustig gehen zu lassen. Ein generelles Verbot würde gegen Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EUV verstoßen, der die Verpflichtung der Union zur Achtung der nationalen Identität ihrer Mitgliedstaaten normiert und den Mitgliedstaaten alle nicht der Union übertragenen Zuständigkeiten - so auch die Regelung über die Staatsangehörigkeit, d.h. die Zugehörigkeit zum Staatsvolk - gemäß Art. 5 EUV belässt. Die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit unterliegt nach Völkerrecht der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten; von dieser Zuständigkeit ist unter Beachtung des Unionsrechts Gebrauch zu machen (EuGH, Urt. v. 19. Oktober 2004 - Rs. C-200/02 [Zhu und Chen], juris Rdnr. 37, und v. 20. Februar 2001 - Rs. C-192/99 [Kaur], juris Rdnr. 19). Denn mit dem Verlust der mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit geht auch die - an sich akzessorische - Unionsbürgerschaft verloren, so dass wegen der Eingriffswirkung in diesen Status die staatsangehörigkeitsrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten unionsrechtlichen Grenzen unterliegt (vgl. EuGH, Urt. v. 7. Juli 1992 - Rs. C-369/90 - [Micheletti], DVBl. 1995, 32 [33], juris Rdnr. 10, und v. 2. März 2010 - Rs. C-135/08  - [Rottmann], juris Rdnr. 45). Eine mitgliedstaatliche Entscheidung über den Verlust der Staatsangehörigkeit muss daher jedenfalls hinsichtlich der Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen verhältnismäßig sein (vgl. EuGH, Urt. v. 2. März 2010, a.a.O., Rdnr. 55). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt indes nicht vor.

Der von der Berufung geltend gemachte Umstand, dass es sich in der Rottmann-Entscheidung um einen Fall der Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten (erschlichenen) Einbürgerung handelte und gleichwohl bestimmte Gesichtspunkte in die unionsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung (Schwere des Verstoßes, bisherige Dauer des Innehabens der Unionsbürgerschaft, Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen, a.a.O., Rdnr. 56) einzustellen gewesen seien, führt ersichtlich nicht zu dem von der Klägerin postulierten pauschalen Ergebnis, dass nach Unionsrecht jeder Verlust der Unionsbürgerschaft als unverhältnismäßig bezeichnet werden müsste, der nicht auf eine Täuschung oder ein sonstiges Vertretenmüssen bei Erwerb der mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit zurückgeht.

Allenfalls könnte der Rottmann-Entscheidung entnommen werden, dass es bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung - erst recht in einem Fall der fehlenden Täuschung durch das betroffene Kind - allgemein darauf ankommen kann, wieviel Zeit zwischen Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit vergangen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 2. März 2010, a.a.O., Rdnr. 56). Diese Kategorie fällt bei dem hier in Rede stehenden Geburtserwerb mit dem Alter der Betroffenen zusammen. Es ist damit nicht erkennbar, dass das Unionsrecht über das mitgliedstaatliche Verfassungsrecht hinausgehende Anforderungen aufstellte. Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit und somit auch die Unionsbürgerschaft nicht einmal zwei Jahre lang besessen und die Staatsangehörigkeit darüber hinaus in einem Alter verloren, in dem sie sich noch kein Bewusstsein für Staatsangehörigkeit und Unionsbürgerschaft sowie kein entsprechendes Vertrauen auf deren Bestand hat bilden können. Deren Verlust erscheint demnach nicht als unverhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.