Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.10.2005, Az.: 10 ME 174/05
Voraussetzungen für die notwendige Neubesetzung eines kommunalen Fachausschusses; Wechsel von einem verfassungsrechtlich unbedenklichen Verteilungssystem zu einem ebenso unbedenklichen anderen Verteilungssystem; Bildung und Auflösung von Ausschüssen als Organisationshoheit der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft; Zweck der ordnungsgemäßen Besetzung eines Fachausschusses; Einhaltung der Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auf Ebene der Gemeinden; Notwendigkeit einer erhebliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse; Anforderungen an einen ordnungsgemäß besetzten Ratsausschuss
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.10.2005
- Aktenzeichen
- 10 ME 174/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 36131
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2005:1010.10ME174.05.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 47 Abs. 1 GO, NI
- § 51 Abs. 1 GO, NI
- § 51 Abs. 2 S. 1 GO, NI
- § 51 Abs. 9 S. 2 GO, NI
- Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG
- Art. 57 Abs. 2 NdsVerf. NI
Fundstellen
- DVP 2006, 522
- KommJur 2006, 420-423
- NVwZ-RR 2006, 496-498 (Volltext mit red. LS)
- NdsVBl 2006, 22-24
Gründe
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde, die entgegen der Ansicht der Antragstellerin den Erfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt, hat Erfolg.
Die in der Beschwerdebegründung des Antragsgegners dargelegten Gründe, auf die sich nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die oberverwaltungsgerichtliche Überprüfung beschränkt, führen zu einer Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 VwGO nicht glaubhaft gemacht.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Grundlage eines Anspruchs der Antragstellerin allein § 51 Abs. 9 Satz 2 der Niedersächsischen Gemeindeordnung - NGO - in der Fassung vom 22. August 1996 (Nds. GVBl. S. 382), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 22. April 2005 (Nds. GVBl. S. 110), sein kann.
Diese Vorschrift lautet:
"Ein Ausschuss muss neu besetzt werden, wenn seine Zusammensetzung nicht mehr dem Verhältnis der Stärke der Fraktionen und Gruppen des Rates entspricht und ein Antrag auf Neubesetzung gestellt wird."
Neben dem hier nicht fraglichen Antrag der Antragstellerin auf Neubesetzung der Fachausschüsse, den die Antragstellerin unter dem 12. Juli 2005 gestellt hat, ist Voraussetzung für eine Neubesetzung eines Fachausschusses, dass seine Zusammensetzung nicht mehr dem Verhältnis der Stärke der Fraktionen und Gruppen des Rates entspricht. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
§ 51 Abs. 9 Satz 2 NGO knüpft bereits nach seinem Wortlaut an die tatsächlich vorhandene (personelle) Zusammensetzung des Ausschusses an und stellt diese in ein Verhältnis zur tatsächlichen Stärke der (verschiedenen) Fraktionen und Gruppen des Rates. Dies findet seinen Grund darin, dass die Besetzung der Ausschüsse grundsätzlich den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG und des Art. 57 Abs. 2 NdsVerf zu genügen hat. Danach muss das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Diese Bestimmung überträgt die in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG getroffene Grundentscheidung der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auf die Ebene der Gemeinden (BVerfG, Beschl. vom 15. Februar 1978 - 2 BvR 134, 286/76 -, BVerfGE 47, 253, 272; Urt. vom 31. Oktober 1990 - 2 BvF 2, 6/89 -, BVerfGE 83, 37, 53; BVerwG, Urt. vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 C 18/03 -, NdsVBl. 2004, 229 = DVBl. 2004, 439, 440). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 27. März 1992 - BVerwG 7 C 20.91 -, BVerwGE 90, 104, 105 [BVerwG 27.03.1992 - 7 C 20/91]; Urt. vom 10. Dezember 2003, a.a.O.), die der Senat teilt, folgt daraus, dass die Gemeindevertretung, auch wenn sie kein Parlament, sondern ein Organ der Selbstverwaltungskörperschaft ist, die Gemeindebürger repräsentiert. Diese Repräsentation vollzieht sich nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen des Gemeinderats (BVerwG, Urt. vom 27. März 1992, a.a.O., S. 109 m.w.N.; Urt. vom 10. Dezember 2003, a.a.O.). Daraus folgt weiter, dass grundsätzlich jeder Ratsausschuss ein verkleinertes Bild des Gemeinderates sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Rates widerspiegeln muss. Diese dürfen nicht unabhängig von dem Stärkeverhältnis der Fraktionen und Gruppen besetzt werden, über das die Gemeindebürger bei der Wahl der Ratsmitglieder mitentschieden haben (BVerwG, Urt. vom 27. März 1992, a.a.O., S. 109 m.w.N.; Urt. vom 10. Dezember 2003, a.a.O.; s.a. BayVGH, Urt. vom 17. März 2004 - 4 Bv 03.1159 -, BayVBl. 2004, 429, 431). Denn die Fraktionen und Gruppen steuern und erleichtern den technischen Ablauf der Meinungsbildung und Beschlussfassung in der Vertretungskörperschaft (vgl. BVerfG, Urt. vom 10. Dezember 1974 - 2 BvR 1/73, 2 BvR 902/73 -, BVerfGE 38, 258, 273, 274; Beschl. des Senats vom 17. Januar 2002 - 10 LA 1407/01 -, NdsVBl. 2002, 135) und haben ihren Grund in der Rechtsstellung der gewählten Volksvertreter (vgl. BVerfG, Urt. vom 13. Juni 1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188, 218 [BVerfG 13.06.1989 - 2 BvE 1/88]; Urt. vom 16. Juli 1991 - 2 BvE 1/91 -, BVerfGE 84, 304, 324 [BVerfG 16.07.1991 - 2 BvE 1/91] = NJW 1991, 2474, 2476 zum Zusammenschluss fraktionsloser Abgeordneter zu einer Gruppe; s. a. BVerfG, Beschl. v. 17. September 1997 - 2 BvE 4/95 -, BVerfGE 96, 264, 278) [BVerfG 17.09.1997 - 2 BvE 4/95]. Diese umfasst u.a. das Recht der Ratsmitglieder, sich zu Fraktionen und Gruppen zusammenzuschließen, um dadurch umfassende Entscheidungsprogramme zu entwickeln und durchzusetzen, wozu das Ratsmitglied allein nicht in der Lage wäre. Zur Verbesserung der Mandatstätigkeit ist das einzelne Ratsmitglied auf Unterstützung angewiesen, um seine politischen Vorstellungen verwirklichen zu können (vgl. Beschl. des Senats vom 24. März 1993 - 10 M 338/93 -, NVwZ 1994, 506, 507[OVG Niedersachsen 24.03.1993 - 10 M 338/93]; Wefelmeier in: KVR-NGO, § 39 b Rdnr. 4). Fraktionen und Gruppen sind aus diesen Gründen für das Funktionieren eines demokratischen Repräsentationsprinzips unverzichtbar und über den nach Art. 28 Abs. 1 GG garantierten Repräsentantenstatus ihrer Mitglieder verfassungsrechtlich legitimiert (vgl. Wefelmeier, KVR-NGO, a.a.O.). Deshalb haben die einzelnen Fraktionen und Gruppen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Ausschussbesetzung nach Maßgabe ihrer jeweiligen Mitgliederzahl (BVerwG, Beschl. vom 7. Dezember 1992 - BVerwG 7 B 49.92 -, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 87; Urt. vom 10. Dezember 2003, a.a.O.; zum Ganzen: Nds. OVG, Urt. v. 14. Dezember 2004 - 10 LC 100/03 -, NdsVBl. 2005, 182, 184f. und Beschl. vom 4. Februar 2005 - 10 ME 104/04 -, NdsVBl. 2005, 236, 237).
Ist demnach also die Besetzung der Fachausschüsse nach§ 51 Abs. 9 Satz 2 NGO mit diesen durch die Mitgliederzahl zum Ausdruck kommenden Kräfteverhältnissen der Fraktionen und Gruppen verknüpft, so kann - wie die Formulierung "nicht mehr" in § 51 Abs. 9 Satz 2 NGO ergibt - nur eine tatsächliche Änderung der (Mitglieder)Stärke der Fraktionen und Gruppen im Rat oder deren Struktur (vgl. dazu die Beispiele bei Menzel, a.a.O., § 51 Rdnr. 118 und bei Thiele, Niedersächsische Gemeindeordnung, 7. Aufl. 2004, § 51 Erl. 12 S. 207) sowie eine Änderung der Zahl der von den jeweiligen Fraktionen und Gruppen für den Ausschuss benannten und zu berücksichtigenden Mitglieder (vgl. Urt. v. 14. Dezember 2004 - 10 LC 100/03 -, NdsVBl. 2005, 182) einen Anspruch auf Neubesetzung eines Ausschusses auslösen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts hat dies der Senat bereits in seinem o.g. Urteil vom 14. Dezember 2004 entschieden, indem er dargelegt hat, dass maßgebend für den Erfolg eines Antrages auf Umbildung eines Ausschusses ist, ob sich im Rat oder im (Verwaltungs-)Ausschuss eine Änderung der Kräfteverhältnisse ergibt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Ursache der eingetretenen Kräfteverschiebung in der Zusammensetzung des Rates oder in der Zusammensetzung des (Verwaltungs-) Ausschusses liegt (s.a. Beschl. v. 12. Februar 2003 - 10 ME 239/02 -, NST-N 2003, 92, 93).
Diese Voraussetzung ist vorliegend allerdings nicht erfüllt. Denn - wie der Antragsgegner in der Beschwerdebegründung nachvollziehbar dargelegt hat - fehlt es an einer solchen tatsächlichen Änderung der Stärke der Fraktionen und Gruppen entweder im Rat oder in den Fachausschüssen des Rates der Stadt A. mit der Folge, dass der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erfolglos bleiben muss.
Daran ändert auch der vom Verwaltungsgericht und der Antragstellerin hervorgehobene Umstand nichts, dass sich die Frage, ob eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses mit der Folge einer Neubesetzung des Ausschusses vorliegt, seit dem 30. April 2005 mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes vom 22. April 2005 nach dem nunmehr in § 51 Abs. 2 NGO geregelten Verteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer richtet. Diese Frage stellt sich nämlich erst dann, wenn eine der oben dargestellten tatsächlichen Änderungen der Stärke der Fraktionen und Gruppen im Rat oder in der Zusammensetzung des Ausschusses vorliegt und zu prüfen ist, ob diese Änderung eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse bewirkt, die im Wege der Neubesetzung des Ausschusses abzubilden ist. Denn nicht jede der beschriebenen Änderungen hat ohne Weiteres auch eine rechtlich erhebliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse zur Folge (vgl. dazu auch Menzel, a.a.O.,§ 51 Rdnr. 122).
Dieses Ergebnis bedarf auch aus verfassungsrechtlichen Gründen keiner Korrektur.
Wie oben bereits ausgeführt soll jeder Ratsausschuss infolge des auch auf der Ebene der Gemeinde geltenden Repräsentationsprinzips ein verkleinertes Bild des Rates sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Rates widerspiegeln. Dem Gedanken der Spiegelbildlichkeit ist bei der Bildung eines Ausschusses (§ 51 Abs. 1 NGO) durch ein rechtlich unbedenkliches Verteilungs- und Besetzungsverfahren Rechnung zu tragen, das geeignet ist, das Repräsentationsprinzip in den Ausschüssen eines Gemeinderates umzusetzen (vgl. dazu Menzel, a.a.O.,§ 51 Rdnrn. 5 und 110). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 C 18.03 -, DVBl. 2004, 439; Beschl. vom 25. Februar 1997 - BVerwG 8 B 19.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 43; Beschl. vom 16. Juli 1996 - BVerwG 8 PKH 10.96 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 40; Beschl. vom 26. März 1996 - BVerwG 8 B 42.96 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 39) ist das vom Gesetzgeber nach § 51 Abs. 2 NGO in der Fassung vom 22. August 1996 (Nds. GVBl. S. 382), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 16. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 638), vorgesehene sog. Höchstzahlverfahren nach d'Hondt ein geeignetes und bundesrechtlich unbedenkliches Verfahren zur Sitzverteilung entsprechend einem vorgegebenen Stimmen- oder Stärkeverhältnis. Soweit es bei seiner Anwendung zu Abweichungen vom mathematisch genauen Proporz kommt, ist dies durch die Notwendigkeit bedingt, dass zu vergebende ganze Sitze Zahlenbruchteilen zuzuordnen sind. Diese Notwendigkeit besteht allerdings ebenso bei der Anwendung anderer Systeme der Verhältnisrechnung einschließlich des hier von der Antragstellerin bevorzugten Systems nach Hare-Niemeyer. Das Verfassungsrecht - Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2, Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 8 Abs. 1, Art. 57 Abs. 2, Art. 3 der Niedersächsischen Verfassung - gibt entgegen den Ausführungen der Antragstellerin in ihrer Antragsschrift keine Anhaltspunkte dafür, welches der verschiedenen Systeme den Vorzug verdient (vgl. BVerfG, Beschl. vom 17. September 1997 - 2 BvE 4/95 -, BVerfGE 96, 264, 282f [BVerfG 17.09.1997 - 2 BvE 4/95]; Beschl. der 3. Kammer des 2. Senats vom 8. September 1994 - 2 BvR 1484/94 -, NVwZ-RR 1995, 213, 214 [BVerfG 08.09.1994 - 2 BvR 1484/94]; Beschl. vom 24. November 1988 - 2 BvC 4/88 -, BVerfGE 79, 169, 171) [BVerfG 24.11.1988 - 2 BvC 4/88]. Unter diesen Umständen ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. vom 24. November 1988 - 2 BvC 4/88 -, BVerfGE 79, 169, 171 [BVerfG 24.11.1988 - 2 BvC 4/88] zur Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Wahlrecht; s.a. Beschl. vom 17. September 1997 - 2 BvE 4/95 -, BVerfGE 96, 264, 282f [BVerfG 17.09.1997 - 2 BvE 4/95];), der der Senat folgt, dem Gesetzgeber überlassen, für welches System er sich entscheiden will (ebenso BVerwG, Urt. vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 C 18.03 -, DVBl. 2004, 439, 441; Beschl. vom 25. Februar 1997 - BVerwG 8 B 19.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 43; Urt. vom 29. November 1991 - BVerwG 7 C 13.91 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 35; Beschl. vom 12. Januar 1989 - BVerwG 202.88 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 32; Beschl. vom 13. Juli 1981 - BVerwG 7 B 23.81 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 24).
Hiernach entspricht die bisherige Besetzung der Fachausschüsse des Rates der Stadt A., die dem Verteilungsverfahren nach d'Hondt folgte, dem Repräsentationsprinzip und dem daraus folgenden Gebot der spiegelbildlichen Abbildung der Kräfteverhältnisse des Rates, ohne dass dagegen mit Erfolg verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden können. Die durch Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes vom 22. April 2005 geänderte Regelung des § 51 Abs. 2 NGO, die nunmehr ohne eine Übergangsregelung und damit mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes seit dem 30. April 2005 für die Bildung der Ausschüsse statt des Verteilungsverfahrens nach d'Hondt das - verfassungsrechtlich ebenso unbedenkliche (vgl. nur BVerwG, Beschl. vom 25. Februar 1997 - BVerwG 8 B 19.97 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 43) - Verteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer vorsieht, zwingt nach dem oben dargelegten Inhalt der Vorschrift nicht zu einer Neubesetzung der Fachausschüsse des Rates der Stadt A.. Denn der Wechsel von einem verfassungsrechtlich unbedenklichen Verteilungssystem zu einem ebenso unbedenklichen anderen Verteilungssystem gebietet es nicht, aus verfassungsrechtlichen Gründen unter Außerachtlassung der fehlendenübrigen tatbestandlichen Voraussetzungen des einfachen Gesetzesrechts die dem Repräsentationsprinzip entsprechenden Fachausschüsse des Rates der Stadt A. neu zu besetzen.
Auch der systematische Regelungszusammenhang des § 51 Abs. 9 Satz 2 NGO verlangt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten eine solche Neubesetzung nicht.
Nach § 51 Abs. 2 Satz 1 NGO ist das Verteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer bei der Bildung der Ausschüsse ("Die Ausschüsse werden in der Weise gebildet...") durch den Rat anzuwenden. Diese Regelung erfasst u.a. die erstmalige Bildung eines Ausschusses und die (Neu-)Bildung eines oder mehrerer Ausschüsse nach der - fakultativen - Auflösung eines oder mehrerer Ausschüsse (§ 51 Abs. 1 und 9 Satz 1 NGO). Diese Befugnis des Rates, mit der Mehrheit der Stimmen nach § 47 Abs. 1 NGO Ausschüsse zu bilden und aufzulösen, ist ebenso Bestandteil der der Gemeinde und dem Hauptorgan der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaft zukommenden Organisationshoheit wie die Befugnis des Rates, von den gesetzlichen Vorgaben über das Verfahren zur Bildung der Ausschüsse abzuweichen (§ 51 Abs. 10 NGO). Diese Befugnis ist allerdings begrenzt durch das Gebot der Spiegelbildlichkeit der Ausschussbesetzung und durch den Schutz von Minderheiten (vgl. Menzel, a.a.O.,§ 51 Rdnr. 5). Diesem Minderheitenschutz dient u.a. die hier in Rede stehende Vorschrift des § 51 Abs. 9 Satz 2 NGO, die es beispielsweise kleineren Fraktionen im Rat ermöglicht, durch einen Antrag auf Neubesetzung eine Spiegelbildlichkeit, die durch Änderungen der Stärken der Fraktionen und Gruppen im Rat verlorengegangen ist, wieder herzustellen, sog. obligatorische Neubildung eines Ausschusses (vgl. Menzel, a.a.O., § 51 Rdnr. 116). Diese Regelung, die - wie dargelegt - eine Grenze der Organisationshoheit des Rates bildet, ist allerdings an - enge - tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft, nämlich neben dem Antrag auf Neubesetzung an eine tatsächliche Änderung der Stärke der Fraktionen und Gruppen im Rat oder der Zusammensetzung des Ausschusses. Dieser Regelungsinhalt nach § 51 NGO bietet ein ausgewogenes, verfassungsrechtlich unbedenkliches System zwischen dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltungs- und Organisationshoheit einerseits und dem dem Repräsentationsprinzip entsprechenden Gebot der Spiegelbildlichkeit und dem Minderheitenschutz andererseits. Vor diesem Hintergrund ist es hier nicht geboten, ohne dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 9 Satz 2 NGO erfüllt sind, die dem Repräsentationsprinzip und dem Minderheitenschutz bisher entsprechenden Besetzungen der Fachausschüsse des Rates der Stadt A. zu ändern und die Fachausschüsse neu zu besetzen.
Von diesen Gründen ist, wie die gesetzeshistorische Entwicklung zeigt, auch der Gesetzgeber ausgegangen.
Bereits durch Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes vom 15. Juni 1977 (Nds. GVBl. S. 180) ist das durch § 51 Abs. 2 der Niedersächsischen Gemeindeordnung in der Fassung vom 7. Januar 1974 (Nds. GVBl. S. 1) vorgesehene Verteilungsverfahren nach d'Hondt durch das Verteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer ersetzt worden. Der damalige Gesetzgeber hatte in Art. VIII Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Gesetzes vom 15. Juni 1977 dazu eine - wenig geglückte - Regelung zum In-Kraft-Treten vorgesehen, die die Anwendung der (neuen) Verteilungsregelung nach Hare-Niemeyer zwar auch für die Vertretungen vorsah, die nach § 51 Abs. 9 NGO in der geänderten Fassung Ausschüsse neu bildeten. Zugleich hatte der Gesetzgeber aber in Art. VIII Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 des Gesetzes vom 15. Juni 1977 bestimmt, dass ein Antrag auf Neubildung, Neubesetzung oder Neubestimmung (eines Ausschusses) unzulässig ist, wenn er ausschließlich mit der Einführung des neuen Sitzverteilungsverfahrens durch dieses Gesetz begründet wird. Diese Regelung, die während der Beratungen in den Ausschüssen wegen ihrer befürchteten geringen Wirksamkeit und Präzision kritisch begleitet worden ist (vgl. Nds. Landtag, Stenogr. Protokolle, 8. Wahlperiode, Spalte 6607), macht trotz ihrer möglichen Mängel den Willen des Gesetzgebers deutlich, dass die Änderung des Verteilungsverfahrens ohne eine gleichzeitig vorliegende Änderung der Stärken der Fraktionen und Gruppen des Rates allein keinen Anlass geben soll, die Ausschüsse umzubilden (siehe dazu ausdrücklich Nds. Landtag, Stenogr. Protokolle, 8. Wahlperiode, Spalte 6607). Zwar hat der Gesetzgeber in den Vorschriften des Gesetzes vom 22. April 2005 eine solche entsprechende Regelung nicht vorgesehen. Der Senat geht allerdings davon aus, dass dem Fehlen einer solchen klarstellenden Bestimmung ein redaktionelles Versehen zugrunde liegt, das offenbar nun durch eine zügige Korrektur behoben werden soll (vgl. Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 28. September 2005 - 31.1-1000-25 - und Rundblick vom 30. September 2005). Dies ergibt sich insbesondere aus der Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen der CDU und der FDP im Niedersächsischen Landtag vom 28. September 2005, in der besonders hervorgehoben wird, dass nach zutreffender Ansicht nur eine tatsächliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse eine Neubesetzung eines Ratsausschusses rechtfertigt (Landtags-Drucksache 15/2265).