Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.10.2005, Az.: 11 ME 297/05

Ausweisung; Dringlichkeit; Ermessensausweisung; Sofortvollzug; Widerspruchsverfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.10.2005
Aktenzeichen
11 ME 297/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50789
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 23.08.2005 - AZ: 5 B 331/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein dringender Fall i.S.d. Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 dürfte vorliegen, wenn die Voraussetzungen für eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erfüllt sind.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die mit ihr vorgebrachten Einwände, die im Beschwerdeverfahren allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), zeigen nichts auf, was die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses in Frage stellen könnte.

2

Der am ... 1985 in I. geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste am 30. November 1985 zusammen mit seiner Mutter zu seinem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Vater ein. Er ist im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom 19. Juni 2001.

3

Der Antragsteller trat seit Oktober 1998 wiederholt strafrechtlich in Erscheinung. Am 11. November 2003 verurteilte ihn das Amtsgericht C. wegen Hausfriedensbruchs in zwei Fällen, davon einmal gemeinschaftlich handelnd in Tateinheit mit Beihilfe zur Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten; dabei wurden die Jugendstrafen aus den Urteilen vom 23. Juni 2003 (Hehlerei, Unterschlagung, vorsätzliche Körperverletzung und Beihilfe zum Diebstahl), vom 18. März 2003 (gemeinschaftlicher sexueller Missbrauch Widerstandsunfähiger) und vom 10. September 2002 (versuchte Nötigung, gemeinschaftliche Körperverletzung, Beihilfe zur gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung und vorsätzliche Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung) einbezogen. Der Antragsteller wurde von der Staatsanwaltschaft D. am 12. Juli 2004 wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in der Jugendanstalt E. angeklagt. Dieses Verfahren wurde am 19. Januar 2005 nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt. Der Antragsteller wurde am 27. September 2005 aus der Haft entlassen.

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Mit Verfügung vom 16. März 2005 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Anordnung des Sofortvollzugs aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Dagegen erhob der Antragsteller Klage, über die noch nicht entschieden ist. Seinen gleichfalls gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 23. August 2005 ab. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

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Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der angefochtene Beschluss unter den von dem Antragsteller dargelegten Gesichtspunkten fehlerhaft ist.

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1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers, zu dessen Gunsten die an sich gegebene Ausweisung im Regelfall gemäß § 54 Nr. 1 AufenthG zu einer Ermessensausweisung gemäß § 55 AufenthG herabzustufen ist (vgl. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 5, Abs. 2 Satz 1 AufenthG sowie Art. 7 Satz 1 und 14 Abs. 1 ARB 1/80), genügt die Begründung der Antragsgegnerin für die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt. Es hat dabei berücksichtigt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa BVerfGE 69, 220, 228 [BVerfG 21.03.1985 - 2 BvR 1642/83]) für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich ist, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Andererseits ist aber auch anerkannt, dass das sofortige Vollzugsinteresse durch das einschlägige materielle Recht bereichsspezifisch vorgeprägt sein kann (vgl. etwa Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rdnr. 148). Dies ist etwa im Ausländerrecht der Fall, wenn - wie hier - die begründete Besorgnis besteht, dass sich die mit der Ausweisungsverfügung bekämpfte Gefahr der erneuten Begehung schwerer Straftaten realisieren wird, bevor es zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache kommt (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 23.1.1996, Nds.VBl. 1996, 137; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 96 u. 98 m.w.N.).

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Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 oder aus dem Schlussantrag der Generalanwältin Stix-Hackl gegenüber dem Europäischen Gerichtshof vom 2. Juni 2005 in der Rechtssache C-442/02 (EuGRZ 2005, 282). Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 2. Juni 2005 (- Rs.C-136/03 -, EuGRZ 2005, 319 = InfAuslR 2005, 289) lediglich deutlich gemacht, dass Ausweisungen von Unionsbürgern und von assoziationsrechtlich begünstigten türkischen Staatsangehörigen wegen eines Verstoßes gegen Art. 9 der Richtlinie 64/221/EWG rechtswidrig sind, wenn die dort - außer in dringenden Fällen - vorgesehene Einschaltung einer unabhängigen Stelle neben der Ausländerbehörde durch Abschaffung des Widerspruchsverfahrens entfällt. Dem hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 13. September 2005 - 1 C 7.04 - (Pressemitteilung Nr. 46/2005 v. 13.9.2005) angeschlossen. Diese Rechtsprechung wirkt sich auch in Niedersachsen aus, da seit dem 1. Januar 2005 das Widerspruchsverfahren in Ausländersachen ausgeschlossen ist. Gleichwohl führt dies im vorliegenden Fall nicht zu einem Verfahrensfehler, weil es Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG selbst zulässt, dass „in dringenden Fällen“ auf die sonst vor Abschluss des behördlichen Verfahrens notwendige Beteiligung einer unabhängigen Stelle verzichtet wird. Ein dringender Fall im Sinne dieser Vorschrift dürfte vorliegen, wenn - wie hier - die Voraussetzungen für eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erfüllt sind. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen der Richtlinie 64/221/EWG, die Gegenstand des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 2. Juni 2005 (a.a.O.) waren, durch die Richtlinie 2004/38/EG ersetzt werden (vgl. deren Art. 31 Abs. 1). Allerdings gilt diese Richtlinie noch nicht unmittelbar, da die Umsetzungsfrist erst am 30. April 2006 ablauft (Art. 40 und 41). Auch der angeführte Schlussvortrag der Generalanwältin (a.a.O.) vermag dem Antragsteller nicht weiterzuhelfen. Zwar weist diese darauf hin, dass in der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Fällen unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht die sofortige Vollziehung von Ausweisungsverfügungen gegen Unionsbürger angeordnet worden sei, ohne zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Dringlichkeit vorlagen. Hier ist die Antragsgegnerin dieser Verpflichtung jedoch hinreichend nachgekommen.

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Schließlich ergeben sich Zweifel an der Notwendigkeit des Sofortvollzugs entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht daraus, dass zwischen der rechtskräftigen Verurteilung des Antragstellers und dem Erlass der Ausweisungsverfügung mehr als 15 Monate vergangen waren. Zum einen bedurfte es einer schnelleren Anordnung des Sofortvollzugs schon deshalb nicht, weil sich der Antragsteller seinerzeit in Strafhaft befand, aus der er voraussichtlich nicht vor dem 26. September 2005 entlassen werden konnte. Zum anderen erfuhr die Antragsgegnerin erstmals durch das Schreiben der Staatsanwaltschaft F. vom 22. Januar 2004 von dem Urteil des Amtsgerichts C. vom 11. November 2003. Eine Ablichtung dieses Urteils erhielt die Antragsgegnerin erst am 14. April 2004. Daraufhin zog sie zur Prüfung der Frage, ob die Gefahr besteht, dass der damals 19-jährige Antragsteller auch zukünftig Straftaten begehen werde, Erkundigungen bei der Jugendgerichtshilfe und der Jugendanstalt E. ein. Nachdem deren Auskünfte vorlagen, hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben vom 27. August 2004 zu der beabsichtigten Ausweisung an. Eine Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ging erst am 19. Oktober 2004 bei der Antragsgegnerin ein. Nachdem bekannt geworden war, dass gegen den Antragsteller ein Verfahren wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung anhängig war, wartete die Antragsgegnerin dieses Verfahren vor einer endgültigen Entscheidung ab. Nachdem die Staatsanwaltschaft B. mit Schreiben vom 3. Februar 2005 das Ergebnis jenes Verfahrens der Antragsgegnerin mitgeteilt und in diesem Zusammenhang zugleich auf die Gründe der Ablehnung einer vorzeitigen Entlassung des Antragstellers aus der Jugendanstalt D. hingewiesen hatte, erließ die Antragsgegnerin die angefochtene Verfügung vom 16. März 2005. Dieser Ablauf macht deutlich, dass der Vorwurf des Antragstellers nicht berechtigt ist, es fehle schon deshalb an einer besonderen Dringlichkeit, weil die Antragsgegnerin seine Ausweisung nur zögerlich betrieben habe. Sein weiteres Argument, der Anordnung des Sofortvollzugs könne nur dann eine besondere generalpräventive Wirkung zukommen, wenn sie der strafrechtlichen Verurteilung auf dem Fuße folge, geht ins Leere, weil die Ausweisung des Antragstellers nicht aus generalpräventiven, sondern aus spezialpräventiven Gründen erfolgt ist.

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Ob die Vollzugsanordnung materiell gerechtfertigt ist, ist im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht zu prüfen (vgl. etwa Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., Rdnr. 895).

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2. Der Antragsteller geht zu Unrecht davon aus, dass der angefochtene Bescheid unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK und damit rechtswidrig sei. Die von ihm herangezogenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - EGMR - führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zunächst auf die eingehenden und sorgfältigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 15-20 BA). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen des Antragstellers Folgendes anzumerken:

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Ein wesentlicher Umstand für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist nach Auffassung des EGMR die Schwere der von dem Ausgewiesenen begangenen Straftat. Dabei wird deren Schwere in erster Linie durch die Höhe der verhängten Strafen gekennzeichnet, daneben aber auch bestimmt durch die Art der Straftat. Von Bedeutung kann auch das Alter des Betroffenen bei Begehung der Straftaten sein. Neben der Schwere der Straftaten untersucht der EGMR die familiäre Situation des Ausgewiesenen. Dabei wird insbesondere berücksichtigt, ob er inzwischen mit einer Person verheiratet ist, die die Staatsangehörigkeit seines Aufenthaltslandes besitzt und ob er Kinder hat. Weiter berücksichtigt der EGMR, inwieweit noch ein Bezug des Ausländers zu dem Staat seiner Staatsangehörigkeit besteht. Dabei wird oftmals die Kenntnis der Sprache des Herkunftsstaates als ein bedeutsamer Umstand - im Hinblick auf die Zumutbarkeit einer Integration in die dortigen Lebensverhältnisse - betont (vgl. zum Vorstehenden die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1.3.2004 - 2 BvR 1570/03 -, InfAuslR 2004, 280 = DVBl. 2004, 1037, wiedergegebene Rechtsprechung des EGMR).

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Hieran gemessen kann nicht festgestellt werden, dass die Ausweisung des Antragstellers unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist. Dass er bei Begehung seiner Straftaten noch minderjährig bzw. heranwachsend war, macht seine Ausweisung nicht unverhältnismäßig. Denn ihm ist die Zahl, Art und Schwere der von ihm begangenen Straftaten sowie seine dabei zutage getretene Gefährlichkeit entgegen zu halten. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich bei den Taten, die den Verurteilungen vom 10. September 2002 und vom 18. März 2003 zugrunde lagen, von der Intensität her noch um jugendtypisches Verhalten gehandelt habe. Das Schwergewicht dieser Taten lag in Angriffen des Antragstellers auf die sexuelle Selbstbestimmung von jungen Mädchen, bei denen er vor Drohungen und Gewaltanwendung nicht zurück schreckte. Es handelte sich auch nicht um einen einmaligen Ausrutscher, sondern um kontinuierliche Verfehlungen des Antragstellers. Er war bereits in der Hauptschule durch aggressives Verhalten gegenüber nicht muslimischen Mädchen und Frauen aufgefallen. Es ist nichts dafür erkennbar, dass der Antragsteller in dieser Hinsicht seine Einstellung grundlegend geändert hat. Die bei der Jugendanstalt E. tätige Diplom-Psychologin G. kam in ihrer Stellungnahme vom 4. Januar 2005 zur Frage einer vorzeitigen Entlassung des Antragstellers zu dem Ergebnis, dass dieser bisher seine Straftaten nicht selbstkritisch reflektiert habe. So habe er weiterhin deutliche Bagatellisierungstendenzen vor allem bezüglich der Sexualdelikte gezeigt. Auch sei bei dem mit ihm geführten Gespräch am 27. Dezember 2004 keinerlei Opferempathie erkennbar gewesen. Eine vorzeitige Entlassung stelle deshalb ein nicht vertretbares Risiko dar. Nach dem Bericht der Vollzugsplanungskonferenz vom 24. Januar 2005 hat sich der Antragsteller zwar gut geführt und auch an sozialen Trainingskursen teilgenommen, doch sei die nicht tiefgreifend bearbeitete Problematik um die Sexualstraftaten ein Ausschlussgrund für jegliche Form von Vollzugslockerung sowie erst recht für eine vorzeitige Entlassung. Das Landgericht D. lehnte den Antrag des Antragstellers auf vorzeitige Entlassung am 14. April 2005 ab und führte zur Begründung u.a. an, von einer Änderung des rigiden Rollenverständnisses des Antragstellers sei nicht auszugehen, so dass eine Rückfallgefahr für Sexualdelikte bestünde. Auf Veranlassung des Verwaltungsgerichts übersandte die Jugendanstalt E. eine weitere Fortschreibung des Berichts der Vollzugsplanungskonferenz vom 17. April 2005. Danach wurden trotz beanstandungsfreier Führung des Antragstellers Vollzugslockerungen wegen weiterhin bestehender Wiederholungs- und Missbrauchsgefahr abgelehnt. Angesichts dessen liegen keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Behauptung des Antragstellers vor, die der Ausweisungsverfügung zugrunde liegenden Straftaten seien im Wesentlichen auf ein jugendtypisches Verhalten zurückzuführen und er habe sich geändert. Vielmehr besteht die ernsthafte Gefahr, dass der Antragsteller wegen seiner bisher nicht reflektierten und verarbeiteten Einstellung zu nicht muslimischen Frauen und Mädchen vergleichbare Straftaten begehen könnte. Ebenso trifft die weitere Behauptung des Antragstellers nicht zu, dass das Verwaltungsgericht die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände wie die positive Entwicklung seines Sozialverhaltens und seine Mitarbeitsbereitschaft in der Jugendanstalt nicht hinreichend berücksichtigt habe. Das Gegenteil ist der Fall, wie sich aus den Ausführungen auf S. 15 bis 18 des angefochtenen Beschlusses ergibt.

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Die persönliche und familiäre Situation des Antragstellers steht seiner Ausweisung ebenfalls nicht entgegen. Auch dies ist vom Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt worden (S. 19 f. BA). Selbst wenn der Antragsteller nach seinen Angaben aufgrund seines lebenslangen Aufenthalts im Bundesgebiet zu seinem Herkunftsstaat keinerlei Bindungen mehr aufweist und seine Muttersprache nur unzureichend beherrscht, hat der Schutz der öffentlichen Ordnung und die Verhütung von Straftaten Vorrang vor dem Interesse des Antragstellers an einem Verbleib im Bundesgebiet. Er ist volljährig, ledig und kinderlos. Es ist auch nicht erkennbar, dass er auf die Unterstützung und Hilfe seiner in Deutschland lebenden Eltern und Geschwister angewiesen ist. Dass er die türkische Sprache nur unzureichend beherrscht, führt nicht dazu, dass seine Ausweisung als unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft anzusehen ist. Dieser Umstand stellt im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung auch nach der Rechtsprechung des EGMR lediglich einen Teilaspekt bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung nach Art. 8 EMRG dar. Angesichts der Zahl, Art und Schwere der vom Antragsteller begangenen Straftaten, der bestehenden Wiederholungsgefahr und seiner mangelnden Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse geht das öffentliche Interesse an einer möglichst baldigen Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet aber vor. Es bestand deshalb auch kein Anlass für die Antragsgegnerin oder das Verwaltungsgericht, zu der Frage der türkischen Sprachkenntnisse des Antragstellers nähere Ermittlungen anzustellen.