Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.10.2005, Az.: 9 MN 43/05

Rechtmäßigkeit des Erlasses eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans; Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsschutzbdürfnisses für einen Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan; Notwendigkeit einer wesentlichen Ausnutzung der Planfestsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans durch eine Baugenehmigung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.10.2005
Aktenzeichen
9 MN 43/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 36130
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2005:1006.9MN43.05.0A

Amtlicher Leitsatz

Das Rechtsschutzbedürfnis, einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan vorläufig außer Vollzug zu setzen, besteht regelmäßig nicht (mehr), wenn die Baugenehmigung für das Vorhaben erteilt worden ist. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der Bebauungsplan umfangreiche Festsetzungen zum Umbau der das Vorhaben erschließenden Straßen trifft.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den im Tenor genannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan, der im Innenstadtbereich der Antragsgegnerin das von den Straßen Am Schlossgarten/Ritterbrunnen/Bohlweg/Georg-Eckert-Straße/Friesenstraße eingegrenzte Schlossparkareal überplant. Der nach Abschluss eines Durchführungsvertrages im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit der Beigeladenen als Trägerin des Vorhabens zeitgleich mit dem dazugehörigen Vorhaben- und Erschließungsplan beschlossene Bebauungsplan setzt für das in diesem Areal liegende 24.610 qm große Grundstück "Bohlweg 74", das die Beigeladene von der Antragsgegnerin erworben hat, im Westen ein eingeschränktes Kerngebiet (MKe) fest, das nach den textlichen Festsetzungen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, Verwaltung und Kultur dienen soll und in dem die in § 7 Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 BauNVO bestimmten Nutzungen mit Ausnahme von Tankstellen und Vergnügungsstätten zulässig sind. Für das übrige Grundstück setzt der Bebauungsplan ein Sondergebiet Einkaufszentrum (SO) fest, das nach den textlichen Festsetzungen vorwiegend der Unterbringung von Läden und großflächigen Einzelhandelsbetrieben dienen soll und in dem auch Schank- und Speisewirtschaften sowie Serviceeinrichtungen für Kunden, Dienstleistleistungsbetriebe und nicht störende Handwerksbetriebe zulässig sind. Der Geltungsbereich des Bebauungsplans erfasst außer der Fläche für das Einkaufszentrum eine diese umgebende, in etwa gleich große Fläche, die als Verkehrsfläche besonderer Zweckbestimmung festgesetzt ist, sowie Teillängen der Straßen Bohlweg und Ritterbrunnen im Westen, Am Schlossgarten im Norden, Georg-Eckert-Straße im Süden und Friesenstraße im Osten. Nach dem Vorhaben- und Erschließungsplan soll auf dem Grundstück von der Beigeladenen das Einkaufs- und Dienstleistungszentrum "Schloss-Arkaden Braunschweig" verwirklicht werden, dessen Errichtung mit der Rekonstruktion von Teilen der historischen Fassaden des im Krieg zerstörten Residenzschlosses verbunden werden soll, die das eingeschränkte Kerngebiet im Norden, Süden, Westen und teilweise auch im Osten eingrenzen sollen. Der von den zu rekonstruierenden historischen Fassaden eingegrenzte Baukörper im Westen soll mit einer Bruttogeschossfläche von ca. 13.660 qm zu den öffentlichen Parkflächen hin orientiert insbesondere öffentliche Kultureinrichtungen, z.B. Bibliothek, Kulturinstitut, Stadtarchiv, sowie Verwaltungs- und Büroflächen beherbergen und in den rückwärtigen Bereichen des Erdgeschosses und des 1. Obergeschosses Einzelhandelsnutzungen aufnehmen. Dieser Baukörper soll durch eine zweigeschossige, mit einem Glasdach versehene Halle im Bereich des ehemaligen Innenhofs des Schlosses mit dem Hauptteil des Einkaufszentrums verbunden werden. In diesem Hauptteil des Einkaufszentrums sollen mit einer Bruttogeschossfläche von ca. 42.600 qm im Untergeschoss, Erdgeschoss und 1. Obergeschoss insgesamt drei Ebenen für den Einzelhandel entstehen, die jeweils eine ca. 150 m lange überdachte Einkaufspromenade aufweisen, zu der sich ca. 120 - 150 Einzelhandelsgeschäfte sowie einzelhandelsnahe Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe orientieren. Insgesamt beinhaltet der Komplex maximal 30.000 qm Verkaufsfläche zuzüglich maximal 3.500 qm Nutzfläche für Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe. Auf drei Ebenen oberhalb der drei Einzelhandelsgeschosse des Hauptteils des Einkaufszentrums ist ein Parkhaus mit ca. 1.200 Stellplätzen geplant, das der Autofahrer über eine doppelläufige Spindel mit einer Zufahrt am "Ritterbrunnen" und einer Ausfahrt "Am Schlossgarten" sowie über eine Rampe im Bereich der Georg-Eckert-Straße erreichen kann. Für Fußgänger sind sechs Eingänge geplant. Ein westlicher Zugang vom Bohlweg her ist der Portikus der rekonstruierten Schlossfassade, von wo aus der Fußgänger direkt in die dahinter gelegene Halle mit dem Glasdach und von dort aus in die Einkaufspromenaden wird gelangen können. Eine anderer wichtiger Zugang soll am neu geschaffenen Ritterbrunnenplatz entstehen, von wo aus das Einkaufszentrum ebenfalls über die "Museumspassage" in Richtung Museumstrasse durchquert werden kann. Weitere Zugänge sollen im Süden gegenüber "Magniviertel/Ackerhof" und im Norden beiderseits der "Theaterpassage" angelegt werden. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans sollen die Geschäfte, Dienstleistungs- und Gastronomieeinrichtungen des Einkaufszentrums zwischen 9.00 Uhr und 20.00 Uhr geöffnet sein. Die "Museumspassage" soll der Allgemeinheit als Durchgang von Westen nach Osten zwischen 7.00 Uhr und 1.00 Uhr zur Verfügung stehen. Das Parkhaus soll werktags von 7.00 Uhr bis mindestens eine Stunde nach Ladenschluss geöffnet sein.

2

Der Antragsteller ist Miteigentümer zu 1/2 des mit einem Wohnhaus mit drei Wohnungen bebauten Grundstücks "C." etwa 32 m südlich der Georg-Eckert-Straße. Die Entfernung zur Grenze des Plangebietes beträgt ca. 20 m, die Entfernung zum festgesetzten Baukörper des Einkaufsmarktes etwa 66 m. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des rechtsverbindlichen Bebauungsplans IN 210 "Ackerhof Ost" der Antragsgegnerin, der für den Planbereich, in dem das Grundstück des Antragstellers liegt, ein Besonderes Wohngebiet im Sinne von § 4a BauNVO festsetzt, in dem unzulässig sind Schank- und Speisewirtschaften, Vergnügungsstätten, Einzelhandelsbetriebe mit überwiegendem Sexsortiment und Tankstellen.

3

Gegen die der Beigeladenen noch vor der Bekanntmachung des Bebauungsplans im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 30. August 2004 unter dem 24. August 2004 erteilte Baugenehmigung für den "Neubau einer Verkaufsstätte inkl. Parkgarage" legte der Antragsteller Widerspruch ein und suchte am 4. Oktober 2004 beim Verwaltungsgericht Braunschweig um Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nach. Seinen Antrag, die aufschiebende Wirkung des gegen die Baugenehmigung gerichteten Widerspruchs anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2005 ab (2 B 409/04). Zur Begründung legte es im Wesentlichen dar, dass zwar die für die Nacht anzusetzenden Immissionsrichtwerte für ein Besonderes Wohngebiet, die hier wegen der in der Baugenehmigung probeweise für sechs Monate verfügten Öffnung einer Stellplatzebene bis 1.00 Uhr zu beachten seien, am Grundstück des Antragstellers überschritten würden, was eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme nahe lege. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs sei aber dennoch nicht anzuordnen, weil rechtliche Zweifel an der rechtlichen Verbindlichkeit dieser Auflage bestünden und im Übrigen angesichts der erst für Oktober 2006 geplanten Aufnahme der Nutzung im Hauptsacheverfahren genügend Zeit verbleibe, die Baugenehmigung rechtlich eindeutig so zu fassen, dass eine Nachtnutzung nicht zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme führen werde. Erfolgreich war hingegen der von der Eigentümerin des Grundstücks Steinweg 34-36 gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. Mit Beschluss vom 8. Februar 2005 ordnete das Verwaltungsgericht Braunschweig die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung mit der Begründung an, das genehmigte Einkaufszentrum halte zum Grundstück dieser Nachbarin nicht den erforderlichen Grenzabstand von 1 H gemäß § 7 Abs. 3 NBauO ein. Die Beigeladene legte hiergegen Beschwerde beim erkennenden Senat ein (9 ME 52/05) und erzielte während des Beschwerdeverfahrens mit der Eigentümerin des Nachbargrundstücks eine Einigung. Diese nahm daraufhin ihren Widerspruch gegen die Baugenehmigung zurück; das Beschwerdeverfahren wurde aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten mit Beschluss vom 20. April 2005 eingestellt. Der Antragsteller hat zwischenzeitlich beim Verwaltungsgericht Braunschweig Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung erhoben, über die noch nicht entschieden ist (2 A 42/05).

4

Der Antragsteller hat am 9. November 2004 das Normenkontrollverfahren anhängig gemacht und am 22. Februar 2005 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er meint, der Eilantrag sei ungeachtet des Umstandes, dass der Beigeladenen die Baugenehmigung für die Errichtung des Einkaufszentrums bereits erteilt worden ist, zulässig, weil die Festsetzungen des Bebauungsplans dadurch noch nicht so vollständig umgesetzt worden seien, dass eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans nichts mehr zu seinen Gunsten bewirken könnte. Denn der im Bebauungsplan festgesetzte Ausbau und Umbau der öffentlichen Verkehrsflächen, der nach der Begründung des Plans erforderlich sei, um die zusätzlichen Verkehrsströme vom und zum Einkaufszentrum aufnehmen und lenken zu können, und ohne den dessen Errichtung und Nutzung mangels gesicherter Erschließung somit nicht möglich sein werde, stehe noch aus. In materieller Hinsicht rügt der Antragsteller im Wesentlichen, dass in der Abwägung sein nachbarliches Interesse, von zusätzlichen verkehrsbedingten Lärm- und Abgasimmissionen, insbesondere durch den Betrieb des Parkhauses, verschont zu bleiben, nicht hinreichend gewichtet worden sei, die eingeholten Verkehrslärmgutachten an erheblichen Mängeln litten und der Bebauungsplan aus verschiedenen Gründen nicht den Anforderungen des § 12 Abs. 1 BauGB an einen rechtmäßigen vorhabenbezogenen Bebauungsplan genüge.

5

Der Antragsteller beantragt,

den vorhabenbezogenen Bebauungsplan IN 220 "Einkaufszentrum Schlosspark" der Antragsgegnerin vorläufig außer Vollzug zu setzen.

6

Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem Antragsvorbringen entgegen und beantragen übereinstimmend,

den Antrag abzulehnen.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten 9 MN 43/05 und 9 KN 331/04 sowie die zum Parallelerfahren 9 KN 395/04 (9 MN 401/04) beigezogenen Aufstellungsvorgänge zum angegriffenen Bebauungsplan und Verwaltungsvorgänge betreffend die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für das Einkaufszentrum Schlosspark.

8

II.

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig. Ihm fehlte von Anfang an das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Planfestsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans durch die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 24. August 2004 im Wesentlichen ausgenutzt worden waren.

9

Der 1. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat seine - seit dem Beschluss vom 4.Oktober 2004 (- 1 MN 225/04 - BauR 2005, 532 = DWW 2004, 306 [LS] = NordÖR 2004, 507 [LS]) mittlerweile ständige - Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit eines einstweiligen Anordnungsverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO in den Fällen der (mehr oder weniger vollständigen) Ausnutzung der Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans durch Erteilung von bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen in seinen jüngsten Beschlüssen vom 23. Juni 2005 (- 1 MN 46/05 - Veröffentlichung beabsichtigt) und vom 4. Juli 2005 (- 1 MN 56/05 -) nochmals in folgender Weise zusammengefasst:

"Der Eilantrag gemäß § 47 Abs. 6 VwGO setzt für seine Zulässigkeit - wie der Normenkontrollantrag - das Vorliegen eines allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses voraus. Darunter ist das normativ anerkannte Interesse des Antragstellers zu verstehen, zur Erreichung seines (Rechtsschutz-) Zieles ein Gericht in Anspruch zu nehmen. Erweist sich die Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung bei einem Erfolg seines Antrages nicht verbessern kann, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 - 4 CN 5.99 -, BRS 62 Nr. 47). Bei einem Eilantrag gegen einen Bebauungsplan ist die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplanes nicht mehr geeignet, zugunsten des Antragstellers etwas zu bewirken, wenn die Festsetzungen des Bebauungsplanes durch Verwaltungsakte bereits (nahezu vollständig) umgesetzt sind (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblattsammlung, Stand: September 2003, § 47 Rdn. 151). Die einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO verbietet lediglich die künftige Anwendung der Norm, erklärt sie jedoch weder rückwirkend oder vorläufig für nichtig, noch greift sie - wie auch die Entscheidung in der Hauptsache - in den Bestand der auf ihrer Grundlage etwa bereits ergangenen Verwaltungsakte ein oder verbietet deren Ausnutzung durch den Begünstigten (OVG Münster, Beschl. v. 9.12.1996 - 11 a B 1710/96.NE -, NVwZ 1997, 1006; OVG Koblenz, Beschl. v. 10.4.1983 - 10 D 1/83 -, NVwZ 1984, 43; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdn. 631). Daran gemessen können die Antragsteller mit dem vorliegenden Antrag ihre Rechtsstellung nicht mehr verbessern.

Der Bebauungsplan Nr. 15 schafft in der durch den Flächennutzungsplan - 2. Änderung - der Samtgemeinde H. dargestellten Konzentrationszone für die Windenergienutzung im Wege der Feinsteuerung die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung von sechs Windenergieanlagen mit einer Nennleistung von 2 MW. Auf der Grundlage dieser Festsetzungen hat der Landkreis I. der Beigeladenen mit Bescheid vom 25. Februar 2004 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung von fünf Windenergieanlagen erteilt. Damit könnten die Nachteile, zu deren Abwendung die Antragsteller das vorliegende Verfahren betreiben, nicht mehr vermieden werden. Mit der Erteilung der genannten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist die Beigeladene berechtigt, auch die beiden zu dem Flurstück der Antragsteller nächst gelegenen Windenergieanlagen Nr. 3 und Nr. 4 zu errichten. Das Vorbringen der Antragsteller zielt ausschließlich darauf ab, etwaige negative Auswirkungen des Betriebes dieser beiden, in der Nachbarschaft geplanten Anlagen auf ihr landwirtschaftlich genutztes Grundstück abzuwenden. Dieses Rechtsschutzziel können die Antragsteller nur noch im Widerspruchsverfahren bzw. in einem Eilrechtsschutzverfahren gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfolgen. Die Unzulässigkeit des vorliegenden Antrages wird deshalb auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass bisher für die letzte Windenergieanlage eine Genehmigung noch nicht erteilt und insoweit der Bebauungsplan noch nicht vollständig vollzogen wurde.

Der Einwand der Antragsteller, nur eine unanfechtbare Genehmigung führe zum Fortfall des Rechtsschutzbedürfnisses im vorliegenden Rechtsschutzverfahren, greift nicht durch. Für das Rechtsschutzinteresse an der begehrten vorläufigen Außervollzugsetzung kommt es nicht darauf an, ob die erteilte Genehmigung bereits unanfechtbar ist. Ob eine Genehmigung noch anfechtbar oder inzwischen bestandskräftig ist, lässt den allein maßgeblichen Umstand, dass sie schon erteilt worden ist, unberührt (OVG Münster, Beschl. v. 22.4.1994 - 10 a B 3422/93.NE -, BRS 56 Nr. 38). Die Rüge der Antragsteller, sie seien vor Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht angehört worden, verhindert nicht, dass die Beigeladene von der unter dem 25. Februar 2004 erteilten Genehmigung Gebrauch machen darf. Es ist bereits fraglich, ob die Nichtbeteiligung der Antragsteller verfahrensrechtlich fehlerhaft ist. Im Übrigen führte ein solcher denkbarer Mangel im Regelfall nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts, weil die Voraussetzungen eines besonders schwerwiegenden Fehlers und der Offenkundigkeit dieses Fehlers im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG im Falle des Unterbleibens einer Anhörung nicht gegeben sind. Dass hier eine Ausnahme vorliegen könnte, machen die Antragsteller nicht geltend.

An dieser Auffassung ist entgegen der Annahme aller Beteiligten uneingeschränkt festzuhalten. Weder die in den Vordergrund gerückten Fragen effizienten Rechtsschutzes noch der Prozessökonomie können darüber hinwegtäuschen, dass die Antragsteller durch eine antragsgemäße Bescheidung ihre Rechtsstellung im Verfahren des (einstweiligen und endgültigen) Rechtsschutzes gegen die o.g. Baugenehmigung des Landkreises Hameln-Pyrmont nicht verbessern können. Das liegt an den Rechtswirkungen, welche eine antragsgemäße Entscheidung entfaltet. Diese beschränken sich darauf, in Zukunft dürften keine den Antragstellern nachteilige Rechtswirkungen aus dem angegriffenen Bebauungsplan abgeleitet werden. Auf Sachverhalte, welche bereits durch Bescheid geregelt worden sind, wirkt sich der Beschluss hingegen nicht aus (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Komm., § 47 Rdnr. 151; Kopp/Schenke, VwGO, Komm. 13. Aufl. 2003, § 47 Rdnr. 149). Der Justizgewährleistungsanspruch ändert daran nichts; denn er ist keine Grundlage dafür, sich über geltendes, hier in der Form des Rechtsschutzbedürfnisses zu beachtendes Prozessrecht hinwegzusetzen (vgl. OVG Münster, B. v. 22.2.1994 - 10a B 3422/93.NE -, ZfBR 1994, 195 = BRS 56 Nr. 38). Er setzt vielmehr eine Rechtsposition voraus, welche in zulässiger Weise verteidigt werden kann, begründet eine solche aber nicht. Dasselbe gilt für die von den Beigeladenen favorisierten Effizienzgesichtspunkte. Deren Bestreben mag verständlich sein, schon jetzt eine Entscheidung des Senates zu erhalten. Einen Anspruch darauf, dass prozessrechtliche Voraussetzungen beiseite geschoben werden, haben sie aber nicht. Das Rechtsschutzbedürfnis kann auch nicht durch allseitigen Verzicht auf die Einhaltung dieser Verfahrensvoraussetzung geschaffen werden."

10

Der erkennende Senat tritt diesen Ausführungen des 1. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts bei und hält an ihnen auch für den hier zu entscheidenden Fall fest.

11

Die der Beigeladenen unter dem 24. August 2004 erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin nutzt entgegen der Annahme des Antragstellers die Planfestsetzungen des angefochtenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans so wesentlich aus, dass dies zum Fortfall des Rechtsschutzbedürfnisses führt. Denn mit der Erteilung der Baugenehmigung ist die Beigeladene berechtigt, das großflächige Einkaufszentrum Schlosspark zu errichten, durch dessen zukünftigen Betrieb zusätzlicher Kraftfahrzeugverkehr - u.a. auf der Georg-Eckert-Straße - erzeugt und zum Parkhaus hingeleitet und vom Parkhaus weggeführt wird, wodurch der Antragsteller die Wohnqualität seines Grundstücks als beeinträchtigt ansieht. Das Begehren des Antragstellers zielt mithin ausschließlich darauf ab, negative Auswirkungen des Betriebs des Einkaufszentrums auf sein Wohngrundstück zu verhindern. Dieses Ziel lässt sich indes nach Erteilung der Baugenehmigung nur noch in dem gegen diese gerichteten Klageverfahren verfolgen. Eine (vorläufige) Außervollzugsetzung des Bebauungsplans könnte hingegen die Erteilung der Baugenehmigung nicht mehr verhindern. Der Umstand, dass der Bebauungsplan weiterhin die Rechtsgrundlage für zukünftig die Baugenehmigung ändernde bzw. ergänzende Bauvorbescheide - so der Bauvorbescheid vom 17. März 2005 - und/oder Änderungsgenehmigungen darstellt, führt ebenso wie die Möglichkeit, dass die Baugenehmigung in dem vom Antragsteller betriebenen Klageverfahren aufgehoben werden könnte, zu keiner anderen Beurteilung. Denn all dies lässt den hier allein maßgeblichen Umstand, dass die Baugenehmigung schon erteilt worden ist und zur Zeit noch vorliegt, unberührt. Der Senat folgt dem Antragsteller auch nicht in der Beurteilung, dass bei einer vorläufigen Außervollzugsetzung des Bebauungsplans die Erschließung des Einkaufszentrums nicht gesichert werden könnte, weil dann die festgesetzten Anbau- und Umbaumaßnahmen an den umgebenden Straße unterbleiben müssten. Denn die Antragsgegnerin als Trägerin der Straßenbaulast für das städtische Verkehrsnetz wäre rechtlich an der Durchführung dieser Baumaßnahmen auch dann nicht gehindert, wenn es dafür keinen Bebauungsplan gäbe. Allein die Hoffnung des Antragstellers, die Antragsgegnerin könnte sich von einer vorläufigen Außervollzugsetzung des angefochtenen Bebauungsplans so beeindruckt zeigen, dass sie die Straßenbauarbeiten freiwillig einstellen würde, vermag ein Rechtschutzbedürfnis des Antragstellers für seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu begründen. Auch ist nach den vom Antragsteller vorgelegten Pressemeldungen zumindest ein Teil der Umgestaltung der Straßen im Bereich der geplanten Schloss-Arkaden, insbesondere die Neugestaltung des Bohlwegs zur Flaniermeile, unabhängig von der Errichtung des Einkaufszentrums beabsichtigt, um als "Wiedergutmachung der Bausünden der 60er Jahre die Attraktivität des östlichen Innenstadtbereichs zu erhöhen". Entscheidender Gesichtspunkt für die Unzulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt aber, dass die zwecks Einpassung des Einkaufszentrums in die vorgegebene verkehrliche und städtebauliche Situation ausschließlich zu seiner Verwirklichung vorgesehenen Baumaßnahmen an den umgebenden Straßen als solche die Nachbarrechte des Antragstellers nicht nachteilig berühren können, sondern diese jetzt nur noch durch die Ausnutzung der erteilten Baugenehmigung, also durch die Errichtung und den Betrieb des Einkaufszentrums Schlosspark, berührt werden. Deshalb sind die wesentlichen Folgen des angegriffenen Plans durch die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 24. August 2004 realisiert worden und kann der Antragsteller durch eine vorläufige Außervollzugsetzung des angefochtenen Bebauungsplans seine Situation nicht (mehr) verbessern.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig zu erklären, da diese die Ablehnung des Antrags beantragt hat und damit nach § 154 Abs. 3 VwGO ein eigenes Kostenrisiko eingegangen ist.