Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 12.04.2022, Az.: 3 B 3712/21
einstweilige Anordnung; Fraktion; Fraktionsausschluss; Kommunalrecht; Kommunalverfassungsstreit; Ratsfraktion; Vorwegnahme der Hauptsache
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 12.04.2022
- Aktenzeichen
- 3 B 3712/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59624
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 57 Abs 2 KomVerfG ND
- § 57 Abs 3 KomVerfG ND
- § 71 KomVerfG ND
- § 123 Abs 1 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Gegen den Fraktionsausschluss ist vorläufiger Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung statthaft, weil weder ein Fraktionsausschluss noch die (ggf. schriftliche) Mitteilung hierüber einen Verwaltungsakt darstellt.
2. Anträgen in Kommunalverfassungsstreitverfahren, die die Hauptsache vorwegnehmen, ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte.
3. Zu berücksichtigungsfähigen Nachteilen hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit des Fraktionsausschlusses und zur Störung des Vertrauens zwischen Fraktion und Fraktionsmitglied.
Tenor:
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, die der E. angehört und seit September 2011 Ratsfrau des Rates der Stadt F. ist, wendet sich gegen den Ausschluss aus der E. -Stadtratsfraktion F. (im Folgenden: Antragsgegnerin).
Während der Vorbereitung auf die Kommunalwahl, die am 12. September 2021 stattfand, bildete die damalige E. -Fraktion Anfang des Jahres 2021 ein Organisationsteam, dem neben der Antragstellerin auch die damalige stellvertretende Bürgermeisterin, Frau J., sowie der damalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Herr K., angehörten. Das Organisationsteam sollte im Hinblick auf die anstehende Kommunalwahl die politische Ausgangslage und die strategische Grundausrichtung des Wahlkampfes zur Kommunalwahl 2021 vorschlagen.
Nach der Kommunalwahl schloss sich die (neue) Antragsgegnerin in der konstituierenden Sitzung am 22. September 2021 zusammen, an der auch die Antragstellerin teilnahm. Herr L. wurde zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt.
Am 7. Oktober 2021 wurde von Herrn M. (Fraktionsmitglied) eine „Wunschliste“ an die Mitglieder der Fraktion versandt mit der Bitte einzutragen, welche politische Mitarbeit gewünscht werde. Nach der von der Antragsgegnerin übersandten Übersicht kreuzte die Antragstellerin die Ausschüsse für Stadtentwicklung, Bauen & Infrastruktur sowie Bildung, Kultur, Jugend & Freizeit und Feuerwehrangeleg., Sicherheit & Ordnung an. Außerdem kreuzte sie unter „Zusätzliche Posten“ „stv. Bürgermeister*in“ an.
In der E. -Fraktionssitzung am 13. Oktober 2021 ließen sich Frau J. und Herr L. als Kandidatin bzw. Kandidat für die Wahl der stellvertretenden Bürgermeisterin bzw. des stellvertretenden Bürgermeisters aufstellen. Die Antragstellerin teilte noch in dieser Fraktionssitzung den anwesenden Mitgliedern der Antragsgegnerin mit, dass sie den Fraktionsbeschluss nicht mittrage. Sie werde den weiteren Ratsmitgliedern mitteilen, dass sie für einen Sitz im Verwaltungsausschuss und für das Amt der stellvertretenden Bürgermeisterin kandidieren werde. Die Nachricht übersandte sie den Ratsmitgliedern mit Schreiben vom 14. Oktober 2021 mit folgendem Text:
„(<Briefkopf, Adresse, Anrede>) ich möchte Dich heute darüber in Kenntnis setzen, dass ich in der konstituierenden Sitzung des Rates der Stadt A-Stadt am 02. November 2021 für einen Sitz im Verwaltungsausschuss kandidieren werde. Gleichzeitig werde ich auch für das Amt der stellvertretenden Bürgermeisterin kandidieren. Über Deine Unterstützung würde ich mich sehr freuen und verbleibe (…).“
Mit Schreiben vom selben Tag teilte die Antragstellerin dem E. -Bezirk Weser-Ems mit, sie trete mit sofortiger Wirkung vom Vorsitz des E. -Ortsverbandes F. zurück.
Der Vorstand der Antragsgegnerin lud zunächst unter dem 20. Oktober 2021 zur nächsten Fraktionssitzung am 27. Oktober 2021 ein. Mit einem weiteren Schreiben vom 20. Oktober 2021 lud der Vorstand der Antragsgegnerin zur nächsten Fraktionssitzung am Sonntag, den 31. Oktober 2021 um 11:00 Uhr ein, wobei es in der Einladung auch heißt, „Die Einladung vom 20.10.2021 betreffend Sitzung am 27.10.2021 bitte ich zu verwerfen.“ Die „Vorläufige Tagesordnung“ lautete:
„(…)
3. Diskussion und anschließende Abstimmung über den Fraktionsausschluss von A., gem. § 3 (3) u. (4) der Richtlinien für die Tätigkeit der E. -Fraktionen in den Städten, Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreisen im E. -Bezirks Weser-Ems, aufgrund von schädigendem Verhalten gegenüber der Fraktion, u.a. der Kontaktaufnahme in Form von Unterstützungswerbung bei anderen Fraktionen zum Thema „Mitgliedschaft Verwaltungsausschuss“ und „Aufstellen als stv. Bgm*in“ nach eindeutigem Fraktionsbeschluss (Nichtaufstellung A. durch Fraktion).
(…)“
Gemäß dem Verlaufsprotokoll der Sitzung vom 31. Oktober 2021 beschloss die Antragsgegnerin mit acht Stimmen bei zwei Gegenstimmen den Ausschluss der Antragstellerin, die an der Sitzung teilnahm.
Daraufhin hat die Antragstellerin am 30. November 2021 Klage erhoben (3 A 3711/21) und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Im Klageverfahren beantragt die Antragstellerin festzustellen, dass der Beschluss der Antragsgegnerin vom 31. Oktober 2021 rechtswidrig gewesen ist und sie durch den Beschluss die Fraktionszugehörigkeit nicht verloren hat.
Zur Begründung macht sie - teilweise unter Bezugnahme auf ihre eidesstattliche Versicherung vom 2. Dezember 2021 - im Wesentlichen geltend, während der Vorbereitung auf die Kommunalwahl habe Frau J. mit Blickrichtung auf die Zukunft der E. -Fraktion vorgeschlagen, sie - die Antragstellerin - als Kandidatin für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin vorzuschlagen. Das Organisationsteam habe Entscheidungen und Handlungen vorgenommen, die letztlich in verbindliche fraktionelle Entscheidungen münden sollten, insbesondere die Entscheidung zur Aufstellung der Kandidatin für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin. Es habe nie persönliche Auseinandersetzungen in der Fraktion gegeben, in die sie involviert gewesen sei. Die Fraktionsarbeit habe ihr immer Spaß gemacht. All die Jahre als Fraktionsmitglied und noch unmittelbar bis zur Sitzung am 31. Oktober 2021 habe sie Unterstützung durch ihre Fraktionskollegen genossen. Umso mehr sei sie von dem Vorgehen überrascht gewesen. Sie habe mit ihrem Hinweis in der Sitzung am 13. Oktober 2021, wie sie mit dem Ergebnis dieser Sitzung umgehen werde, entsprechend § 6 Abs. 3 der Richtlinien für die Tätigkeit der E. -Fraktionen in den Städten, Gemeinden, Samtgemeinden und Landkreisen im E. -Bezirk Weser-Ems gehandelt. Dabei habe sie nicht angekündigt, „andere Mehrheiten zu suchen in Form von Unterstützungsanfragen“. Sie habe mitgeteilt, Mitglieder des Stadtrats im Wege eines demokratischen Willensbildungsprozesses über den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin entscheiden zu lassen. Mit der Nachricht an die Ratskollegen habe sie genau diesen über Monate im Raum stehenden Vorschlag neuer politischer Verantwortung nach Vorankündigung und ohne Widerspruch umzusetzen versucht. Sie sei dabei keinesfalls diffamierend oder abrückend gegenüber der Antragsgegnerin aufgetreten oder habe versucht, die Kandidatur ihrer Ratskollegin Frau J. und ihres Ratskollegen Herrn L. zu gefährden. In der Fraktionssitzung am 31. Oktober 2021 habe die Antragsgegnerin ihr kein konkretes Fehlverhalten dargelegt. Sie - die Antragstellerin - habe vielmehr auf Basis des (abgeänderten) Tagesordnungspunkts zu den Vorwürfen Stellung nehmen können und sollen. Sie habe insofern betont, dass sie nicht erkenne, dass ihr Verhalten ordnungswidrig gewesen sei. Sofern ihr potenziell eine mögliche Diskriminierung des Alters der letztlich aufgestellten Kandidaten für den Posten des stellvertretenden Bürgermeisters habe vorgeworfen werden sollen, habe sie sich hierfür in aller Form entschuldigen wollen. Eine Diskriminierung habe sie nie gewollt. Das für die Fortsetzung der engen politischen Zusammenarbeit in einer Fraktion erforderliche gegenseitige Vertrauensverhältnis sei nie nachhaltig gestört gewesen.
Die Antragstellerin beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, sie bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zuzulassen und insbesondere an ihren Sitzungen wieder teilnehmen zu lassen.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Sie erwidert im Wesentlichen unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen des Herrn L. vom 22. Dezember 2021 und der Frau J. vom 27. Dezember 2021, das Organisationsteam sei zu keinem Zeitpunkt legitimiert gewesen, eine Ausrichtung bezüglich persönlicher parteipolitischer Posten zu fixieren bzw. festzulegen. Aus der Mitte der von den jeweiligen Fraktionen in den Verwaltungsausschuss gewählten Mitgliedern würden die jeweiligen stellvertretenden Bürgermeister bzw. Bürgermeisterinnen gewählt. Die Festlegung und Wahl der Mitglieder, die für die Antragsgegnerin in den Verwaltungsausschuss entsandt würden, erfolgten durch die gewählten Mitglieder der Fraktion. In der Fraktionssitzung vom 13. Oktober 2021, in der es um die Besetzung der zur Verfügung stehenden Posten bezüglich der Ausschüsse des Rates gegangen sei, habe die Antragstellerin den Fraktionsvorsitzenden L. und Frau J. verbal attackiert und diese aufgrund ihres Alters diskriminiert. In dieser Sitzung habe die Antragstellerin sich dahingehend eingelassen, dass sie, falls die Antragsgegnerin sie nicht als stellvertretende Bürgermeisterin aufstelle, versuchen werde, andere Mehrheiten zu suchen in Form von Unterstützungsanfragen bei anderen Fraktionen. Die formellen Voraussetzungen für den Fraktionsausschluss seien eingehalten worden.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen und die vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, sie bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zuzulassen und insbesondere an ihren Sitzungen wieder teilnehmen zu lassen, ist gemäß den §§ 88, 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, sie bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren (3 A 3711/21) mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zuzulassen. Diese begehrte einstweilige Anordnung würde insbesondere auch die Teilnahme an Fraktionssitzungen erfassen und praktisch dazu führen, dass die Antragstellerin vorläufig wieder in der E. -Fraktion „mit allen Rechten und Pflichten“ mitwirken könnte.
Der so verstandene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zwar zulässig (a), aber unbegründet (b).
a) Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für den von der Antragstellerin gestellten Antrag sind nach der erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erfüllt.
aa) Insbesondere ist für den vorliegenden Rechtsstreit um die Wahrnehmung der Rechte eines Fraktionsmitglieds der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Der Streit um die Mitgliedschaft in einer Fraktion der Gemeindevertretung ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die keiner anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen ist. Fraktionen und Gruppen steuern und erleichtern den technischen Ablauf der Meinungsbildung und Beschlussfassung in der Vertretungskörperschaft und haben ihren Grund in der Rechtsstellung der gewählten Volksvertreter. Diese umfasst u.a. das Recht der Abgeordneten, sich zu Fraktionen und Gruppen zusammenzuschließen, um dadurch umfassende Entscheidungsprogramme zu entwickeln und durchzusetzen, wozu einzelne Abgeordnete allein nicht in der Lage wären. Zur Verbesserung der Mandatstätigkeit ist das einzelne Ratsmitglied auf Unterstützung angewiesen, um seine politischen Vorstellungen verwirklichen zu können. Fraktionen und Gruppen sind aus diesen Gründen für das Funktionieren eines demokratischen Repräsentationsprinzips unverzichtbar und über den nach Art. 28 Abs. 1 GG garantierten Repräsentantenstatus ihrer Mitglieder verfassungsrechtlich legitimiert (Nds. OVG, Beschluss vom 10. Oktober 2005 - 10 ME 174/05 -, juris Rn. 7; Blum in Blum/Meyer, NKomVG, Komm., 5. Aufl. 2021, § 57 Rn. 3). Damit hat der Ausschluss eines Abgeordneten aus einer Fraktion öffentlich-rechtlichen Charakter (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 30. August 2002 - 2 B 2780/02 -, NdsVBl. 2003, 163 <163>; Nds. OVG, Beschluss vom 24. März 1993 - 10 M 338/93 -, juris Rn. 2; Blum in Blum/Meyer, NKomVG, Komm., 5. Aufl. 2021, § 57 Rn. 35; Wefelmeier, NdsVBl. 2021, 129 <139>, m.w.N.).
bb) Gegen den Fraktionsausschluss ist auch vorläufiger Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung statthaft, weil weder ein Fraktionsausschluss noch die (ggf. schriftliche) Mitteilung hierüber einen Verwaltungsakt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG i.V.m. § 35 Satz 1 VwVfG darstellt. Der Vorsitzende der Antragsgegnerin bat die Antragstellerin nach Verkündung des „Wahlergebnisses“ am 31. Oktober 2021, den Saal und somit die Fraktionssitzung zu verlassen. Die Voraussetzungen für einen Verwaltungsakt liegen schon deshalb nicht vor, weil die Fraktion keine Behörde im Sinne von § 1 Abs. 4 Nds. VwVfG ist. Sie stellt keine Stelle dar, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Mithin kommt vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht in Betracht (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).
b) Der Antrag ist aber unbegründet.
Eine einstweilige Anordnung ist nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Lediglich eine derartige Regelungsanordnung kommt in Betracht, da die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis - ihre weitere Mitgliedschaft bzw. ihr weiteres Mitwirken in der Antragsgegnerin - begehrt. Dieser Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nur dann begründet, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 294, 920 Abs. 2 ZPO).
aa) Dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung steht bereits entgegen, dass die Antragstellerin einen Anordnungsgrund nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat. Der Anordnungsgrund muss zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch) vorliegen. Andernfalls ist der Antrag abzulehnen (vgl. Thür. OVG, Beschluss vom 24. Februar 2020 - 3 EO 769/19 -, juris Rn. 6; BeckOK VwGO/Kuhla, 60. Ed. 1.7.2021, VwGO § 123 Rn. 120).
Ein Anordnungsgrund ist gleichzusetzen mit einem spezifischen Interesse gerade an der begehrten vorläufigen Regelung. Dieses Interesse ergibt sich regelmäßig aus einer besonderen Eilbedürftigkeit der Rechtsschutzgewährung (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29. Juli 2015 - 8 ME 33/15 -, juris Rn. 10). Anträgen, die die Hauptsache vorwegnehmen, ist im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 6 VR 3.13 -, juris Rn. 5, m.w.N.; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Juli 2015 - 8 ME 33/15 -, juris Rn. 10). Diese Grundsätze sind - wie hier - auch auf Anträge nach § 123 VwGO im sog. Kommunalverfassungsstreitverfahren anzuwenden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.). Dass die Beteiligten insoweit nicht um die Durchsetzung von Grundrechten, sondern „nur“ um die von „wehrfähigen, eigenständigen“ Innenrechten streiten, rechtfertigt es nach zutreffender Ansicht nicht, insoweit weitergehende Anforderungen zu stellen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.).
Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin nicht eine vorläufige Regelung, sondern eine Vorwegnahme der in der Hauptsache erstrebten Entscheidung, auch wenn wahrscheinlich bis zur nächsten Kommunalwahl im September 2026 eine (rechtskräftige) Entscheidung in der Hauptsache ergehen wird. Das Ziel der von ihr begehrten Regelungsanordnung ist mit dem Ziel des Klageverfahrens identisch. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung zugunsten der Antragstellerin für den zu erwartenden langen Zeitraum von einigen Jahren bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung in der Hauptsache würde diese insoweit rechtlich und tatsächlich vorwegnehmen. Diese vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache würde der Antragstellerin die mit dem Klageverfahren erstrebte Rechtsposition vermitteln und sie - ohne dass diese Rechtsstellung rückwirkend wieder beseitigt werden könnte - vorweg so stellen, als wenn sie im Klageverfahren bereits obsiegt hätte (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 29. Juli 2015 - 8 ME 33/15 -, juris Rn. 11).
Die Antragstellerin macht bezüglich des Anordnungsgrundes geltend, es stelle für sie einen wesentlichen Nachteil dar, wenn sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu Unrecht von der Mitwirkung bei der fraktionsinternen Willensbildung ausgeschlossen werde, weil sie als fraktionslose Kommunalvertreterin nur eingeschränkt Einflussmöglichkeiten im Stadtrat und seinen Ausschüssen habe. Ihr werde die Partizipation an den den Fraktionen durch das NKomVG und durch die Geschäftsordnung für den Rat, den Verwaltungsausschuss und die Ratsausschüsse der Stadt A-Stadt - GO-Rat - zugewiesenen besonderen Kompetenzen vorenthalten. Zu nennen seien insoweit etwa die den Fraktionen, nicht aber „einzelnen“ Ratsmitgliedern vorbehaltenen Befugnisse im Zusammenhang mit der Besetzung und der Arbeitsweise der Ausschüsse (§ 71 NKomVG; § 23 GO-Rat) sowie mit den in der Geschäftsordnung zu regelnden Zuwendungen zu den Kosten der Fraktionsarbeit (§ 57 Abs. 3 NKomVG; § 18 GO-Rat).
Soweit die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen sinngemäß geltend macht, sie habe keine Möglichkeit, wie Fraktionsmitglieder in Fachausschüsse entsandt zu werden und Ausschussarbeit zu verrichten, handelt es sich zwar um einen Nachteil. Dieser ist aber hinsichtlich der Frage der Rechtmäßigkeit des Fraktionsausschlusses nicht berücksichtigungsfähig.
Dabei kann offenbleiben, ob die Antragstellerin nach der Fraktionssitzung am 13. Oktober 2021 noch gemäß der in der betreffenden Niederschrift protokollierten Verteilung der Ausschusssitze von der Antragsgegnerin entsandt und nach dem Fraktionsausschluss wieder abberufen wurde oder ob sie gar nicht mehr entsandt wurde. Wäre sie zunächst entsandt und nach dem Fraktionsausschluss wieder abberufen worden, würde es sich bei der Abberufung um eine eigenständige Maßnahme handeln, die rechtlich oder tatsächlich nicht zwingend von der Rechtmäßigkeit des Fraktionsausschlusses abhängen würde. Denn die Entscheidung über die Abberufung eines von einer Fraktion entsandten Mitglieds aus einem gemeindlichen Ausschuss und die Ersetzung durch ein anderes Mitglied ist schon nach dem Wortlaut des § 71 Abs. 9 Satz 3 Nr. 1 NKomVG nicht an besondere Gründe wie einen Fraktionsausschluss gebunden. Für die Abberufung aus einem Ausschuss reicht ein nachträglich weggefallenes Vertrauen der übrigen Fraktionsmitglieder aus (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.).
Hier ist das Vertrauen zwischen der Antragstellerin und jedenfalls der Mehrheit der Mitglieder der Antragsgegnerin schwerwiegend gestört, wie sich insbesondere aus den Inhalten der von beiden Seiten vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen ergibt.
So erklärte die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 2. Dezember 2021 u.a., in Vorbereitung auf die Kommunalwahl im September 2021 habe die E. -Fraktion ein Organisationsteam gebildet, „zu welchem“ neben ihr auch Frau J. sowie Herr N. angehörten. Mit Blickrichtung auf die Zukunft der E. -Fraktion habe Frau J. vorgeschlagen, sie - die Antragstellerin - als Kandidatin für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin vorzuschlagen. Bei der Umsetzung des Vorschlags habe sie anfangs stark gezögert. Nach vielen Gesprächen mit ihrer Familie und mit Blick darauf, möglicherweise irgendwann in die Position der Bürgermeisterin der Stadt F. zu kommen, habe sie irgendwann Frau J.s. Vorschlag zugestimmt. Frau J. sei ihre politische Ziehmutter und habe sie für den Vorschlag immer wieder und auch öffentlich (bei einem Restaurantbesuch) bestärkt. Sie habe sich daher monatelang darauf eingestellt, als Kandidatin für den Posten als stellvertretende Bürgermeisterin aufgestellt zu werden. Das sei auch in einer „Mund-zu-Mund-Propaganda“ in der Fraktion kommuniziert worden. In der Sitzung der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2021 sei sie völlig überrumpelt worden und gänzlich überrascht gewesen. Frau J. habe sich als Kandidatin für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin zur Wahl aufstellen lassen nebst Herrn L.. Im Vorfeld habe sich zu keinem Zeitpunkt abgezeichnet, dass Frau J. sich doch noch aufstellen lasse und ihre Absprachen nichts mehr wert sein sollten.
Frau J. erklärte dagegen in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 27. Dezember 2021 u.a., „Es gabe keine interfraktionelle Fixierung der Klägerin und Antragstellerin als Kandidatin der E. -Fraktion für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin vorzunehmen.“ Sie - Frau J. - sei vor der Kommunalwahl 2021 normales Mitglied der E. -Fraktion im Rat der Stadt F. gewesen. Es sei nicht möglich, dass „eine angebliche Äußerung eines Mitgliedes der E. -Fraktion berechtigt und legitimiert ist“, der Antragstellerin gegenüber „rechtsbindend“ zu erklären, dass eine interfraktionelle Fixierung der Antragstellerin als Kandidatin der Fraktion für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin vorgenommen werde. Es habe hierzu keinen Fraktionsbeschluss im Rahmen einer interfraktionellen Fixierung gegeben. Sie persönlich habe auch keine derartige Erklärung für die Antragsgegnerin abgegeben. Hierzu sei sie zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen. Das damalige Organisationsteam, zu dem sie gleichfalls gehört habe, sei zu keinem Zeitpunkt berechtigt gewesen, Entscheidungen und Handlungen vorzunehmen, die letztendlich in verbindlicher fraktioneller Entscheidung münden sollten, insbesondere in die Entscheidung zur Aufstellung der Kandidaten für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Entscheidung der vorherigen E. -Fraktion dahingehend gegeben, dass das Organisationsteam berechtigt sei, für den Zeitraum nach der Kommunalwahl 2021 eine Festlegung insoweit zu treffen. Weder sie noch das Organisationsteam habe zu irgendeinem Zeitpunkt eine derartige Entscheidung getroffen bzw. eine derartige Entscheidung gegenüber der Antragstellerin dezidiert erklärt. Weder die damalige E. -Fraktion noch die Antragsgegnerin habe bei der Antragstellerin bewusst ein Vertrauen erzeugt, dass sie in ihrer politischen Verantwortung berechtigt sei, sich auf kommunaler Ebene im Rahmen einer Tätigkeit der Antragsgegnerin hervorzutun. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine interfraktionelle Entscheidung „weder der E. Fraktion vor der Kommunalwahl 21 noch eine interfraktionelle Absprache nach der Kommunalwahl 21 gegeben“, dass die Antragstellerin für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin vorgeschlagen werden solle. Herr L. gab insoweit unter dem 22. Dezember 2021 eine im Wesentlichen inhaltlich gleiche eidesstattliche Versicherung ab.
Ergänzend hat die Antragstellerin erklärt, ihr sei bewusst, dass das Organisationsteam nicht befugt gewesen sein solle, eine verbindliche Entscheidung hinsichtlich des Postens der stellvertretenden Bürgermeisterin zu treffen. Das Organisationsteam habe jedoch Entscheidungen und Handlungen vorgenommen, die letztlich in verbindliche fraktionelle Entscheidungen münden sollten, insbesondere die Entscheidung zur Aufstellung der Kandidatin für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin. Die Entscheidungen des Organisationsteams hätten der Gestaltung des politischen Prozesses der Antragsgegnerin in der Kommunalwahl 2021 gedient und damit im Vorfeld eine maßgebende Ausrichtung für die Zukunft der Fraktion abgebildet. Die Antragsgegnerin selbst sei es gewesen, die sie, die Antragstellerin, zumindest interfraktionell für eine Kandidatur für die Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin habe unterstützen wollen.
Die Antragsgegnerin hat sich ergänzend dahingehend geäußert, es werde rein vorsorglich bestritten, dass Frau J. vorgeschlagen habe, eine innerparteiliche Fixierung der Antragstellerin als Kandidatin für den Posten der stellvertretenden Bürgermeisterin vorzunehmen. Darüber hinaus habe sie die Antragstellerin nicht bei einem Restaurantbesuch als entsprechende Kandidatin „angepriesen“ und insoweit immer wieder interfraktionell hervorgehoben.
Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, die Antragsgegnerin habe nicht dargelegt, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört sein solle. Unmittelbar nach dem Fraktionsausschluss habe der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Herr N., mit ihr den Saal verlassen, mit ihr konstruktiv über den Fraktionsausschluss gesprochen und sein Bedauern ausgedrückt. Die Antragsgegnerin hat aber erklärt, der Umstand, dass die Antragstellerin keine Bereitschaft gezeigt habe, ein demokratisches Abstimmungsergebnis der Fraktion anzuerkennen, habe den Fraktionsmitgliedern gezeigt, dass es bei einer derartigen Uneinsichtigkeit ausgeschlossen sei, weiterhin vertrauensvoll mit ihr in der Fraktion zusammenzuarbeiten. Hierzu ist anzumerken, dass es rechtlich unerheblich ist, dass (nur) acht Fraktionsmitglieder für und zwei Fraktionsmitglieder gegen den Ausschluss stimmten.
Dass das Vertrauensverhältnis zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin auch gegenwärtig noch gestört ist, wird dadurch deutlich, dass der von der Antragstellerin mit ihrer E-Mail vom 7. März 2022 ausgesprochenen Bitte, zur Antragsgegnerin zurückkehren zu dürfen, nicht entsprochen wurde. In der Sitzung der Antragsgegnerin vom 9. März 2022 stimmten acht Fraktionsmitglieder bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung gegen die Wiederaufnahme der Antragstellerin, obwohl sie die Mitglieder der Antragsgegnerin „ein weiteres Mal um Verzeihung“ bat und außerdem erklärte, sie habe mit dem nötigen Abstand auf ihr damaliges Verhalten schauen können und habe akzeptiert, was zu ihrem Ausschluss geführt habe. Es sei ein Fehler gewesen, dass sie die demokratische Abstimmung nicht mitgetragen habe und dagegen angegangen sei. Das Schreiben an die Kollegen des Stadtrats sei ebenfalls ein Fehler gewesen. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang zwar erklärt, Hintergrund dieser E-Mail sei insbesondere ihr Verdacht, dass die Mitglieder der Antragsgegnerin nicht vollumfänglich über die Verfahren informiert und die Verfahren ausschließlich von der Antragsgegnerin durch Herrn L. und Frau J. geführt würden. Für sie bleibe fortwährend der Eindruck bestehen, dass die Mitglieder der Antragsgegnerin im Übrigen an einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit interessiert seien. Angesichts des Abstimmungsergebnisses in der Sitzung vom 9. März 2022 ist die Einschätzung der Antragstellerin aber aller Voraussicht nach unzutreffend.
Gemäß der zweiten Alternative - also wenn die Antragstellerin noch gar nicht in die Ausschüsse entsandt worden wäre - wäre es angesichts des Verhaltens der Antragstellerin auch ohne den Fraktionsausschluss - ggf. auch bei Verhängung einer weniger einschneidenden Sanktion - möglich gewesen, dass sie nicht in die Ausschüsse entsandt worden wäre, für die sie vorgesehen war.
Außerdem hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, dass der Umstand, dass sie die Zuwendungen zu den der Antragsgegnerin gewährten sachlichen und personellen Aufwendungen (s. § 18 Abs. 6 GO-Rat) nicht in Anspruch nehmen kann, einen schweren und unzumutbaren Nachteil darstellt. Nicht ausreichend ist ihr Vorbringen, der Fraktionsapparat sei in praktischer Hinsicht auch für sie die Bündelung an sachlicher Hilfestellung, ohne die sie ihre Arbeit nur kaum zu bewältigen vermöge.
Für die Antragstellerin verbleibt somit der Verlust der zusätzlichen Mitwirkungsrechte eines fraktionsangehörigen Ratsmitglieds. Dieser Verlust wiegt hier aber weniger schwer als die andernfalls für die Antragsgegnerin eintretende Beeinträchtigung ihrer ebenfalls nach § 57 Abs. 2 NKomVG gesetzlich geschützten Funktionsfähigkeit. Dabei sind die für die Antragstellerin eintretenden Nachteile einzelfallbezogen unter Berücksichtigung der Größe und der Aufgaben der Fraktion, der verbleibenden Wahlperiode und der konkret wegfallenden Mitwirkungsrechte zu würdigen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.). Die Antragstellerin trägt vor, neben der Bündelung an sachlicher Hilfestellung sei der Fraktionsapparat in praktischer Hinsicht auch für sie die Bündelung an personeller Hilfestellung, ohne die sie ihre Arbeit nur kaum zu bewältigen vermöge. Ihr blieben die in der politischen Wirklichkeit bestehenden, in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzenden Einflussmöglichkeiten einer Fraktion und der in ihr vereinigten Ratsmitglieder verschlossen. Dieses Vorbringen macht deutlich, dass sie weiterhin ihre vormals vorhandenen politischen Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Fraktion wiedererlangen möchte. Dieses Ziel kann sie aber gerichtlich nicht erreichen.
Selbst bei einer in Folge einer gerichtlichen Entscheidung aus Sicht der Antragsgegnerin „erzwungenen“ Wiederaufnahme der Antragstellerin in die Fraktion ist wegen des - oben dargelegten - gestörten Vertrauensverhältnisses nicht zu erwarten, dass sie wieder als gleichberechtigtes Mitglied aufgenommen werden würde. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine „erzwungene“ Wiederaufnahme der Antragstellerin zu einer nicht unerheblichen Unruhe in der Fraktion führen würde. Dafür spricht insbesondere, dass die Antragsgegnerin die Wiederaufnahme der Antragstellerin mit Beschluss vom 9. März 2022 ablehnte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sie für einen aller Voraussicht nach langen, eventuell sogar mehrjährigen Zeitraum Mitglied der Antragsgegnerin wäre, was wahrscheinlich für die Arbeit in der Fraktion belastend wäre. Abgesehen hiervon hätte sie bei einer solchen Wiederaufnahme auch keinen Anspruch darauf, dass sich die Fraktion mit ihren Anträgen inhaltlich näher beschäftigen oder diese gar im Rat unterstützen würde. Ein derartiger Anspruch besteht bei dem nach § 57 Abs. 1 NKomVG freiwilligen Zusammenschluss von Abgeordneten nicht (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.).
Die Antragstellerin könnte sich insoweit auch nicht erfolgreich auf einen in ihrem Wahlerfolg zum Ausdruck kommenden Bürgerwillen berufen. Die eventuell bestehende Annahme der Wähler, ein auf der E. -Liste aufgeführter, erfolgreicher Wahlbewerber werde sich mutmaßlich als Abgeordneter einer E. -Fraktion im Rat anschließen, vermittelt nach dem Grundsatz des freien Mandats gemäß § 54 Abs. 1 NKomVG sowie der Freiwilligkeit der Fraktionsbildung gemäß § 57 Abs. 1 NKomVG kein Recht oder keine Pflicht der Abgeordneten, eine solche Fraktion zu bilden. Die beschriebene Erwartungshaltung der Wähler ist damit nicht rechtlich geschützt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.).
Die Antragstellerin hat schließlich nicht hinreichend dargelegt, dass sie ohne Zugehörigkeit zu der Antragsgegnerin von Informationen abgeschnitten wäre, die zur Mandatsausübung notwendig sind. Dies ist angesichts der auch einem fraktionslosen Abgeordneten zustehenden Rechte, insbesondere nach § 56 NKomVG, auch nicht zu erkennen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2015 - 10 ME 46/15 -, V.n.b.).
bb) Abgesehen von vorstehenden Ausführungen kann einem Begehren, eine Entscheidung zu erwirken, die eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegnähme, nur stattgegeben werden, wenn diese schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. November 2013 - 6 VR 3.13 -, juris Rn. 7; Nds. OVG, Beschluss vom 29. Juli 2015 - 8 ME 33/15 -, juris Rn. 14, das eine hohe, mithin weit überwiegende Erfolgswahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren als Voraussetzung nennt). Ob die Voraussetzungen für den Fraktionsausschluss erfüllt sind, kann angesichts des Inhalts der eidesstattlichen Versicherungen des Herrn L. und der Frau J. sowie der Antragstellerin erst im Rahmen des Hauptsacheverfahrens beantwortet werden. Diese Frage braucht indes aufgrund der Ausführungen zum Anordnungsgrund unter aa) nicht entschieden zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
2. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG unter entsprechender Berücksichtigung der Empfehlung Nr. 22.7 des Streitwertkataloges 2013 (NVwZ-Beil. 2013, 57 ff.), wonach der Streitwert bei einem Kommunalverfassungsstreit 10.000,00 € beträgt. Dieser Betrag ist im Hinblick auf den auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Charakter des Verfahrens auf die Hälfte und damit auf 5.000,00 € zu reduzieren (s. Nr. 1.5. des Streitwertkataloges 2013).