Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.10.2005, Az.: 8 ME 158/05

Abschiebungshindernis; Kosovo; Rückführung; UNMIK; Verwaltungsabkommen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.10.2005
Aktenzeichen
8 ME 158/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50788
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 01.09.2005 - AZ: 13 B 5156/05

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Aus dem memorandum of understanding vom 31.3.2003 und den Niederschriften über spätere Gespräche zwischen einer deutschen Delegation und UNMIK-Vertretern über die Rückführung von Minderheitenangehörigen in den Kosovo ergeben sich keine Ansprüche der Abzuschiebenden gegenüber deutschen Behörden.

Gründe

1

Die Beschwerde der Antragsteller ist unbegründet, weil das Verwaltungsgericht ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.

2

Der Antrag mit dem Ziel, die Antragsgegnerin durch eine einstweilige Anordnung zu verpflichten, vorerst von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen und den Antragstellern weiterhin eine ausländerrechtliche Duldung zu erteilen, ist für die Antragsteller zu 2) bis 6) mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig, weil ihr gegenwärtiger Aufenthaltsort unbekannt ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7.10.2004 - 8 ME 225/04 - sowie vom 12.11.2003 - 8 ME 184/03 -, m. w. N.; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59). Sie haben sich durch Untertauchen der Abschiebung entzogen.

3

Der Antrag ist überdies unbegründet. Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 60 a Abs. 2 AufenthG für die geltend gemachte Aussetzung ihrer Abschiebung gegeben sind. Dazu muss ihre Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich sein. Beides ist nicht der Fall.

4

Tatsächlich unmöglich ist die geplante Abschiebung in den Kosovo nicht, da die UNMIK gegen die ursprünglich für den 1. September 2005 auf dem Luftweg vorgesehene Rückführung der Antragsteller keine Einwände erhoben hat und keine Anhaltspunkte für eine abweichende Haltung bei einer zukünftigen Abschiebung bestehen. Außerdem findet nach Ziffer 5 der Niederschrift über Gespräche vom 25. und 26. April 2005 zur Rückführung von Minderheiten in den Kosovo (auszugsweise abgedruckt im Asylmagazin6/2005, S. 25 f.) bei Personen, gegen deren Rückführung die UNMIK zwar keine Bedenken angemeldet hat, die aber - wie die Antragsteller - aus tatsächlichen Gründen nicht zurückgeführt werden konnten, ohnehin kein erneutes Prüfverfahren durch die UNMIK statt. Ob die UNMIK bei ihrer Entscheidung, gegen die Rückführung der Antragsteller keine Bedenken zu erheben, etwaige eigene rechtliche Vorgaben zur Überprüfung der Schutzbedürftigkeit des Betroffenen beachtet hat, ist für die hier maßgebliche Frage der tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung unerheblich. Deshalb kommt es nicht auf die Richtigkeit der von den Antragstellern aufgestellten Behauptung an, die UNMIK hätte ihrer Rückführung widersprochen, wenn ihr bekannt gewesen wäre, dass sie - in der Gemeinde I. - über kein Grundeigentum verfügen.

5

Ebenso wenig ist die Abschiebung der Antragsteller aus Rechtsgründen unmöglich. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat mit bestandskräftigen Bescheiden vom 10. Juni 2003 die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung der Antragsteller widerrufen und zugleich festgestellt, dass ihrer Abschiebung nach Serbien und Montenegro, zu dem der Kosovo unverändert gehört, keine Hindernisse gemäß § 53 AuslG bzw. nunmehr § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG entgegen stehen. Ein nachfolgender Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens blieb erfolglos. An die Entscheidung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG bzw. nunmehr des § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG nicht gegeben sind, ist die Antragsgegnerin als Ausländerbehörde gemäß § 42 AsylVfG gebunden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bestehen zudem Gefahren dieser Art im Kosovo auch für Angehörige der Aschkali nicht (vgl. Beschl. v. 5.10.2005 - 8 LA 178/05 -, m. w. N.).

6

Den Antragstellern steht auch kein Abschiebungsschutz aus den von deutschen Behörden mit der UNMIK über die Abschiebung von serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen aus dem Kosovo getroffenen Absprachen einschließlich der oben bereits erwähnten Gespräche vom 25. und 26. April 2005 in Berlin zu. Die Antragsteller sehen diese Absprachen zu Unrecht als zu ihren Gunsten drittschützende, völkerrechtliche Vereinbarung an. Es ist schon sehr zweifelhaft, ob die letztgenannten, für die Abschiebung der Antragsteller maßgebenden “Gespräche“ überhaupt einen völkerrechtlichen Vertrag beinhalten. Unabhängig von diesen Bedenken sind hierdurch und durch die vorhergehenden Absprachen zwischen den deutschen Behörden und der UNMIK allenfalls Verpflichtungen der deutschen Behörden gegenüber der UNMIK begründet worden, nicht aber Schutzansprüche der Betroffenen bei der Abschiebung. Ob ihrer Abschiebung in den Kosovo ausländerrechtlich beachtliche Hindernisse entgegenstehen, ist vielmehr abschließend im Asylverfahrens- und Aufenthaltsgesetz geregelt. Weitergehende Schutzansprüche der Betroffenen können von der Verwaltung nicht wirksam begründet werden und sind dies durch die mit der UNMIK getroffenen Absprachen auch nicht. Die Absprachen dienen im Gegenteil dazu, das tatsächliche Abschiebungshindernis der fehlenden Rücknahmebereitschaft der UNMIK zu beseitigen.

7

Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, gegen welche Bestimmung aus den Absprachen zwischen den deutschen Behörden und der UNMIK die Antragsgegnerin vorliegend verstoßen haben soll. Bei der Anmeldung zur Rückführung an die UNMIK sind die Antragsteller in Übereinstimmung mit ihren jetzigen Angaben als Aschkali bezeichnet worden. Eine Rechtsgrundlage für die von ihnen geltend gemachte Verpflichtung der Antragsgegnerin, der UNMIK bei der Anmeldung zur Rückführung zusätzlich mitzuteilen, dass sie (in der Gemeinde I.) kein Grundeigentum besitzen, ist nicht ersichtlich und wird von den Antragstellern auch nicht konkret benannt.