Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.10.2005, Az.: 9 LA 344/03

Außenbereich; Innenbereich

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.10.2005
Aktenzeichen
9 LA 344/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 50787
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 09.09.2003 - AZ: 2 A 55/02

Gründe

1

Der Antrag hat keinen Erfolg.

2

Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 VwGO führen nicht zur Zulassung der Berufung.

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1. An der Richtigkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichts , dass die für die Bebauung mit einem Wohngebäude nebst carport vorgesehene Teilfläche des Flurstücks 6/1 der Flur 2, Gemarkung Jesteburg, im Außenbereich liegt, bestehen entgegen den Ausführungen im Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel. Ernstliche Zweifel liegen erst dann vor, wenn dafür die besseren Gründe sprechen, wenn also ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (Nds. OVG, Beschluss vom 31.7.1998 - 1 L 2696/98 - NVwZ 1999, 431 = NdsVBl 1999, 93 = NdsRpfl 1999, 87). Die Klägerin geht fehl in der Annahme, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung folgten daraus, dass das Verwaltungsgericht - ihrer Ansicht nach zu Unrecht - die Fläche für das Vorhaben als bewaldet bezeichnet habe. Abgesehen davon, dass das Protokoll der Ortsbesichtigung vom 9 September 2003 den Standort des Bauvorhabens - von der Klägerin anlässlich der Beweisaufnahme unwidersprochen geblieben - als mit Wald und Unterholz bestandene Fläche ausweist, lässt die Klägerin in ihrem Vorbringen nicht ansatzweise erkennen, welche ihr günstigen Folgerungen aus einer vermeintlich falschen Beurteilung des Zustandes der Fläche für den vom Verwaltungsgericht zu Recht verneinten Bebauungszusammenhang zwischen dieser und der südlich des Weges „T.“ gelegenen Bebauung zu ziehen wären.

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Soweit die Klägerin weiter bemängelt, das Gericht habe das westlich ihres Bauvorhabens gelegene eingefallene Einfamilienhaus in seinen Überlegungen nicht gewürdigt, lässt sich ihren Darlegungen nicht entnehmen, inwieweit diese bauliche Anlage - im Protokoll der mündlichen Verhandlung als 1990 ausgebrannter Schuppen mit früherer Wohnnutzung bezeichnet - zu einer Verknüpfung des Bebauungszusammenhangs zwischen der Bebauung südlich der Straße „T.“ und der vereinzelt gebliebenen Bebauung nördlich der T. beiträgt und damit einen Eindruck der Geschlossenheit und das Vorliegen einer organischen Siedlungsstruktur vermitteln soll. Dabei übersieht die Klägerin offenbar auch, dass den Bebauungszusammenhang nur solche baulichen Anlagen herzustellen vermögen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.02.1984 - 4 C 55/81 - NJW 1984, 1576 = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 97; BVerwG, Beschluss vom 02.03.2000 - 4 B 15/00 - BauR 2000, 1310 = ZfBR 2000, 428). Davon ist bei dem ausgebrannten Schuppen - vorausgesetzt die seinerzeitige Wohnnutzung wäre genehmigt - auch unter Berücksichtigung von Bestandsschutzgesichtspunkten nicht auszugehen, denn ein etwaiger Bestandsschutz wäre inzwischen erloschen wie ein Anspruch auf Neuerrichtung nach § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB. Eine ursprünglich baurechtlich genehmigte Nutzung ist u.a. dann nicht mehr von der Baugenehmigung gedeckt und genießt demzufolge keinen Bestandsschutz mehr, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht mehr ausgeübt wird und die Verkehrsauffassung mit ihrer Wiederaufnahme - wie hier - nicht mehr rechnet (BVerwG, Beschluss vom 21.11.2000 - 4 B 36.00 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 72 = NVwZ 2001, 557). Ein Wiederaufbau wäre auch nach § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB nicht genehmigungsfähig, denn die Grundstückssituation war nach einem so langen Zeitraum nicht mehr in einer Weise durch die frühere Bebauung geprägt, die eine etwaige Wiedererrichtung als Fortführung und Ersatz des zerstörten Gebäudes rechtfertigen könnte (vgl. BayVGH, Urteil vom 16.11.1992 - 15 B 91.1546 - zitiert nach juris). Es ist zudem weder dargetan noch ersichtlich - zumal die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, ein Wiederaufbau des 1990 durch einen Brand zerstörten Schuppens sei nicht beabsichtigt -, dass die Beendigung der Nutzung noch nicht endgültig sein sollte.

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Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Bebauung nördlich der „T.“ als Streubebauung im Außenbereich bewertet. Entgegen der Auffassung des Klägerin hat das Verwaltungsgericht weder die Funktion der Straße noch die des nördlich gelegenen Sportplatzes bei der Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich verkannt.

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Ob Straßen oder Wege geeignet sind, einen Bebauungszusammenhang herzustellen, eine trennende Funktion erfüllen oder für die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich ohne jegliche Aussagekraft sind, kann stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. 12. 1972 - IV C 6.71 - BVerwGE 41, 227; Beschluss vom 10.3.1994 - 4 B 50/94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 165; Beschluss vom 01.04.1997 - 4 B 11/97 - NVwZ 1997, 899; BVerwG, , Nds. OVG, Urteil vom 31.3.1995 - 1 L 4063/93 - NdsRpfl 1995, 332 = BauR 1995, 824 = NVwZ - RR 1996, 132). Selbst eine unterstellte "Regelvermutung" für eine trennende Wirkung einseitig bebauter Straßen zwischen Innen- und Außenbereich macht die Berücksichtigung der konkreten örtlichen Gegebenheiten nicht überflüssig (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.04.1997 - 4 B 11/97 - a. a. O., m. w. N.). Dass das Verwaltungsgericht die örtlichen Verhältnisse außer acht gelassen hätte und allein pauschal auf eine trennende Wirkung einer einseitig bebauten Straße abgestellt hätte, lässt sich dem Urteil gerade nicht entnehmen.

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Mit ihrer Rüge, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass größere Freiflächen wie der Sportplatz und die Reitwiese bei der Beurteilung des Gebietscharakters unbeachtlich seien, kann die Klägerin nichts für einen Bebauungszusammenhang herleiten. Als Bebauungszusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht eine "aufeinander folgende Bebauung" gekennzeichnet, die "trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt" (BVerwG, Urteil vom 19.9.1986 - BVerwG 4 C 15.84 - BVerwGE 75, 34). Bebauung in diesem Sinne ist nicht jede bauliche Anlage im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB. Der innere Grund für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB liegt darin, dass die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung eines Bereichs zugelassen werden soll. Dies setzt eine Bebauung voraus, die maßstabsbildend ist. Unter den Begriff der "Bebauung" im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB fallen deshalb nur bauliche Anlagen, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter mitzuprägen (BVerwG, Urteil vom 14.9.1992 - BVerwG 4 C 15.90 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 152 S. 67). Ein Sportplatz stellt keinen Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB her (BVerwG, Beschluss vom 10.7.2000 - 4 B 39/00 - BauR 2000, 1851 = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 201 = NVwZ 2001, 70).

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Fehl geht die Klägerin weiter in ihrer Einschätzung, das Urteil des 1. Senats vom 31.3.1995 - 1 L 4063/93 - (a. a. O.) enthalte Ausführungen, die geeignet seien, Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu begründen. Denn in dieser Entscheidung wird gerade maßgeblich darauf abgestellt, dass nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist, ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstellt oder ob ihr trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich zukommt und welches Gewicht der vorhandenen Bebauung entlang der Straße beizumessen ist. Im vorliegenden Fall sind die nördlich der „T.“ gelegenen beiden Häuser bereits wegen ihrer Größe und Anzahl weniger gewichtig und daher mit der Bebauung, die Gegenstand des Urteils des 1. Senats vom 31.3.1995 war, nicht vergleichbar.

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2. Besondere tatsächliche und/oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wirft der Rechtsstreit nicht auf.

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Besondere Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO weist eine Rechtssache auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 124 Rn. 9; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner-Meyer-Ladwig, Verwaltungsgerichtsordnung, § 124 Rn. 28). Bei der Beurteilung, ob dies der Fall ist, kommt es nicht entscheidend auf die jeweils fachspezifischen Schwierigkeiten einer Materie an (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - NVwZ 2000, 1163, 1164), sondern darauf, ob die Angriffe des Rechtsmittelführers einen solch begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geben, dass diese Zweifel sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen (Nds. OVG, Beschluss vom 31.08.1998 - 1 L 3914/98 - Nds. Rpfl. 1999, 44; OVG Münster, Beschluss vom 31.7.1998 - 10 A 1329/98 - NVwZ 1999, 202; Kopp/Schenke, a. a. O.). Einen solchen Anlass vermag der Senat dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Im vorliegenden Fall ist entgegen der Auffassung der Klägerin weder der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt noch gibt die angefochtene Entscheidung nach dem vorliegenden Sachverhalt Anlass zu erheblichen Zweifeln. Durch das vorliegende Kartenmaterial sowie die Beweisaufnahme vor Ort ist der Sachverhalt ausreichend aufbereitet; der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf es dafür nicht mehr.

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Ebenso wenig wirft der vorliegende Fall rechtliche Schwierigkeiten auf; die Beurteilungsmaßstäbe für eine Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich sind in der Rechtsprechung geklärt. Das Vorbringen der Klägerin lässt auch nicht konkret erkennen, worin im vorliegenden Fall eine rechtliche Schwierigkeit begründet sein könnte.

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3. Der Rechtssache kommt schließlich auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Für die von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen gilt, dass sie nur nach Maßgabe des Einzelfalls und nicht fallübergreifend beantwortet werden können. Im Übrigen ist die Frage, ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstellen kann oder einen solchen abschließt, nicht klärungsbedürftig. Denn sie wird in der Rechtsprechung - wie bereits dargelegt - dahingehend beantwortet, das die Funktion einer Straße im Hinblick auf die Frage eines vorliegenden Bebauungszusammenhangs stets nur das Ergebnis einer Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts im jeweiligen Einzelfall sein kann.

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4. Die von der Klägerin gerügte Abweichung von der Entscheidung des Nds. OVG vom 31. 3.1995 vermag der Senat ebenfalls nicht festzustellen. Es ist weder dargetan noch erkennbar, dass das angefochtene Urteil einen abstrakten Rechtssatz aufstellt und dieser zu einem Rechtssatz des Berufungsgerichts in Widerspruch steht. Ganz im Gegenteil:

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Der 1. Senat hat in seinem Urteil vom 31.3.1995 ausdrücklich betont, dass nach den Umständen des Einzelfalls eine komplexe Beurteilung der gesamten örtlichen Gegebenheiten vorzunehmen ist. Deshalb kann dieser Entscheidung eine verallgemeinerungsfähige Aussage zur Frage, ob eine Straße einen Bebauungszusammenhang herstellt oder ob ihr trennende Funktion zwischen Innen- und Außenbereich zukommt, nicht entnommen werden.