Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 31.10.2012, Az.: 4 B 5501/12

Nachbarschaftliche Rücksichtnahme hinsichtlich Geruchsbelästigungen bei der Errichtung eines Schweinemaststalls

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
31.10.2012
Aktenzeichen
4 B 5501/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 39780
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2012:1031.4B5501.12.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 06.03.2013 - AZ: 1 ME 205/12

Fundstelle

  • NdsVBl 2013, 4

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Es ist im Einzelfall möglich, dass eine Baugenehmigung für die Neuerrichtung und Sanierung eines Schweinemaststalls das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt, obwohl die Grenzwerte der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) deutlich überschritten werden (hier: 45% der Jahresgeruchsstunden).

  2. 2.

    Im konkreten Fall wird das Rücksichtnahmegebot trotz der erheblichen Überschreitung der Grenzwerte nicht verletzt, weil die von den bestandskräftig genehmigten Stallgebäuden ausgehenden Emissionen durch über den Stand der Technik hinausgehende Maßnahmen (hier: den Einbau von Biofiltern) erheblich gemindert werden, dies auf dem Grundstück des Nachbarn zu einer spürbaren Verbesserung führt (hier: 45% statt zuvor 52% der Jahresgeruchsstunden) und der Beigeladene bei Berücksichtigung des genehmigten Zustands zu der Geruchsbelastung beim Nachbarn nicht mehr nennenswert beiträgt (hier: ca. 2% der Jahresgeruchsstunden).

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Neuerrichtung und die Sanierung eines Schweinemaststalls mit insgesamt 660 Mastplätzen für Schweine in der Ortschaft F..

2

Die Grundstücke des Antragstellers und des Beigeladenen liegen südlich der G. (K104). Der Antragsteller ist seit 1975 Eigentümer des etwa 8.700 m2 großen, u.a. mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks G. 19. Auf diesem Grundstück wurde bis 1971 Landwirtschaft betrieben. Südöstlich liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der landwirtschaftliche Schweinemastbetrieb des Beigeladenen (H. F.). Auf dieser Hofstelle sind ein Güllebehälter sowie ein Stall- und Scheunenkomplex errichtet. Das Wohnhaus des Antragstellers liegt in einer Entfernung von etwa 130 m zu dem Stall- und Scheunenkomplex des Beigeladenen. Für den Güllebehälter erteilte der Antragsgegner am 04.10.1983 eine Baugenehmigung. Die Genehmigung enthält keine Auflagen zur Abdeckung des Güllebehälters. Ebenfalls am 04.10.1983 genehmigte der Antragsgegner den Neubau der nördlichen Betriebseinheit des Stallkomplexes. Die Genehmigung umfasst die Haltung von 300 Mastschweinen. Ein Teil der sich südwestlich anschließenden Betriebseinheit wurde am 17.07.1958 als Anbau an einen Schweinestall genehmigt. Der Anbau umfasst 4 Buchten für Mastschweine zur Größe von jeweils etwa 12 m2 sowie eine Bucht zur Größe von etwa 9 m2. Angaben des Beigeladenen zufolge werden in diesem südwestlichen Stallgebäude (Anbau und Altbestand) seit Jahren fortlaufend 256 Mastschweine gehalten. Etwa 200 m von dieser Hofstelle entfernt hält der Beigeladene nördlich der G. in einer gepachteten Stallanlage in der Straße I. weitere 139 Mastschweine.

3

In der näheren Umgebung des Grundstücks des Antragstellers liegen sieben weitere landwirtschaftliche Betriebe mit Tierhaltung. In südöstlicher Richtung schließt sich unmittelbar an das Grundstück des Antragstellers der landwirtschaftliche Betrieb der J. an. Dort betreibt die J. in vier Betriebseinheiten Kälbermast. Außerdem liegen im Umkreis von 300 m um das Wohnhaus des Antragstellers noch die Betriebe der Landwirte K., die dort Rinder- bzw. Schweinemast betreiben.

4

Unter dem 29.12.2006 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für den Abbruch des vorhandenen Scheunengebäudes, den Neubau eines Schweinemaststalls am Standort des Scheunengebäudes und die Sanierung des vorhandenen Schweinemaststalls. In der neuen Stallanlage sollen insgesamt 660 (statt bisher 556) Mastschweine gehalten werden. Die Ableitung der Abluft soll über eine Biofilteranlage erfolgen. Zudem soll der vorhandene Güllebehälter mit einer Strohhäckselschicht abgedeckt werden.

5

Unter dem 28.09.2007 beantragte die J. eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Betrieb einer Anlage zum Halten von insgesamt 543 Mastkälbern. Bislang genehmigt ist ein Bestand von 256 Kälbern in der Betriebseinheit BE 7. In der Betriebseinheit BE 1 werden 180 Kälber gehalten. Dieses Stallgebäude wurde 1910 als Scheune errichtet und 1967 zum Kälberstall umgenutzt. Die Betriebseinheit BE 5 wurde 1914 als Hühnerstall errichtet und 1968 zum Kälberstall umgenutzt. Dort werden 40 Kälber gehalten. Die Betriebseinheit BE 6 wurde 1902 als Vieh- und Wirtschaftsgebäude errichtet und 1967 zum Kälberstall umgenutzt. Der Antragsgegner betrachtet die Nutzung in den Betriebseinheiten BE 5 und BE 6 als genehmigt.

6

Im Genehmigungsverfahren legte der Beigeladene eine gutachterliche Stellungnahme des L. vom 19.03.2008, ergänzt am 28.03.2011, zu den Geruchsemissionen und -immissionen in der Umgebung der geplanten Anlagen des Beigeladenen und der J. vor. Diese Stellungnahmen enthalten Aussagen zur Gesamtgeruchsbelastung im bisherigen und im geplanten Zustand. Dabei berücksichtigt das Gutachten sowohl die beabsichtigten Änderungen des landwirtschaftlichen Betriebs der J. als auch des Schweinemastbetriebs des Beigeladenen. Das Gutachten geht davon aus, dass der Beigeladene zur Verminderung der Geruchsimmissionen die Schweinemasthaltung auf dem Grundstück I. mit Fertigstellung der neuen Schweinemastställe aufgibt. Der Gutachter kommt in seinen Stellungnahmen zu dem Ergebnis, dass sich die Immissionssituation nach dem Neu- und Umbau und der Nutzungsänderung in den Betrieben des Beigeladenen und der J. am Wohnhaus des Antragstellers verbessern wird; es sei mit einem Rückgang des Immissionswerts von 47,3 % auf 41,9 % der Jahresgeruchsstunden zu rechnen.

7

Mit Bescheid vom 21.07.2011, dem Antragsteller mit Schreiben vom 22.07.2011 übersandt, erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen unter Beifügung zahlreicher Nebenbestimmungen die beantragte Baugenehmigung. Nr. 2 der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen erklärt die o.g. Stellungnahmen der M. zum Bestandteil der Genehmigung. Nach Nr. 3 ist die Schweinemasthaltung auf dem Grundstück I. N. mit Fertigstellung der hier genehmigten Schweineställe aufzugeben. Gemäß Nr. 4, 5 ist die gesamte Abluft des Mastschweinestalls vollständig durch eine Hagola Biofilteranlage zu führen. Nach Nr. 12 ist der Güllebehälter mit einer dichten Abdeckung zu versehen. Die Abdeckung kann entweder aus einer Überhausung, einer Plane oder aus einer dauerhaften Schwimmdecke (mind. 20 cm), z.B. in Form von Strohhäckseln, bestehen.

8

Mit Bescheid vom 25.07.2011 erteilte der Antragsgegner der J. die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Erweiterung der Kälbermast.

9

Der Antragsteller legte gegen beide Genehmigungen mit Schreiben vom 23.08.2011 Widerspruch ein. Beide Widersprüche wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheiden vom 24.01.2012 zurück.

10

Am 24.02.2012 hat der Antragsteller gegen beide Genehmigungen Klage erhoben (4 A 2741/12 betreffend die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und 4 A 2738/12 betreffend die der J. erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung). Über beide Klagen ist noch nicht entschieden.

11

Am 24.08.2012 ergänzte der Gutachter der M., O., sein Geruchsgutachten um eine Berechnung der Gesamtbelastung im Planzustand, die isoliert nur das Bauvorhaben des Beigeladenen, nicht aber das Vorhaben der J. berücksichtigt. Die bisherigen gutachterlichen Stellungnahmen berücksichtigen bei der Berechnung des Planzustands die Veränderungen in dem Betrieb des Beigeladenen und der J., nehmen aber keine isolierte Betrachtung der beiden Betriebe vor. Die nunmehr vorgenommene Berechnung kommt zu dem Ergebnis, dass die Geruchsstundenhäufigkeiten im südlichen, d.h. dem Betrieb des Beigeladenen zugewandten Teil des Wohnhauses von 52,1 % bzw. 52,8 % auf 44,9 % bzw. 45,6 % der Jahresgeruchsstunden zurückgehen. Da die Emissionsfaktoren an die Vorgaben der neuen VDI-Richtlinie 2894, Blatt 1, angepasst wurden, übersteigen die nun errechneten Geruchstundenhäufigkeiten die Werte aus den früheren Berechnungen.

12

Mit Schreiben vom 01.09.2012 verzichtete die Verpächterin P. auf die weitere Nutzung des bislang vom Antragsteller gepachteten Schweinestalls I..

13

Am 26.10.2012 ergänzte O. das Gutachten um eine Aussage zur Zusatzbelastung durch das Vorhaben des Beigeladenen. Danach beträgt die Zusatzbelastung durch das Bauvorhaben des Beigeladenen am Wohnhaus des Antragstellers zwischen 1,4 % und 2,3 % der Jahresgeruchsstunden.

14

Bereits mit Schreiben vom 18.07.2012 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 27.09.2012 ab.

15

Am 28.09.2012 hat der Antragsteller um Gewährung einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung macht er geltend: Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil der in einem Dorfgebiet zulässigen Geruchsrichtwert von 15 % der Jahresgeruchsstunden deutlich überschritten werde. Unter diesen Umständen sei die Erweiterung des Tierbestandes auf 660 Mastschweine nicht zulässig. Der Antragsgegner gehe unzutreffend davon aus, dass der Beigeladene das Emissionsminderungspotential ausschöpfe. Hierfür müsste der Biofilter an der Ostseite des Stalls und damit an der von ihm abgewandten Seite errichtet werden. Soweit der Gutachter ausführe, mit Filteranlagen ausgerüstete Schweineställe verursachten in einem Abstand von 100 m keine Immissionen, habe der Antragsgegner unberücksichtigt gelassen, dass der Abstand von der Stallanlage zu seinem Garten nur 51 m betrage. Die Geruchsbelastung gehe nur geringfügig zurück. Nach wie vor erreiche die Geruchsstundenhäufigkeit mehr als das Doppelte des zulässigen Wertes. Unabhängig hiervon enthalte das Gutachten gravierende Fehler. Der alte Schweinestall des Beigeladenen hätte nicht als Vorbelastung berücksichtigt werden dürfen, da er jahrelang leer gestanden habe und die Genehmigung für diesen Stall deshalb erloschen sei. Zu Unrecht sei der Gutachter bei der Berechnung des genehmigten Zustandes davon ausgegangen, dass das Güllesilo des Beigeladenen mit einer Strohschicht zu bedecken sei. Zudem seien für den Betrieb der J. nicht nur die tatsächlich genehmigten 256 Kälberplätze, sondern auch noch 107 nicht genehmigte Kälberplätze in den Betriebseinheiten BE 5 und BE 6 berücksichtigt worden. Schließlich habe der Antragsgegner die Belastung durch Bioaerosole völlig unberücksichtigt gelassen, obwohl sich nach Umsetzung der geplanten Bauvorhaben im Betrieb des Beigeladenen und im Betrieb der J. der Tierbestand im Umkreis von 200 m um sein Wohnhaus auf 2.965 Mastschweine und 543 Mastkälber belaufen werde.

16

Der Antragsteller beantragt,

17

die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 24.02.2012 gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 21.07.2011 anzuordnen.

18

Der Antragsgegner beantragt,

19

den Antrag abzulehnen.

20

Er erwidert: Die angefochtene Genehmigung verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten, weil sich die Geruchssituation gegenüber dem genehmigten Zustand deutlich verbessere. Das Vorhabengrundstück sei dem Außenbereich zuzuordnen. Dort seien höhere Immissionswerte hinzunehmen als in einem Dorfgebiet. Das Geruchsgutachten sei nicht zu beanstanden. Der genehmigte Zustand sei zutreffend ermittelt worden. Insbesondere lägen keine Erkenntnisse darüber vor, dass der "alte" Schweinestall über sechs Jahre lang leer gestanden habe und 256 Mastschweineplätze deshalb nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Auch für den Betrieb der J. sei der tatsächlich genehmigte Bestand zutreffend ermittelt worden. Die Betriebseinheit BE 5 sei etwa 1914 als Hühnerstall errichtet und 1968 zum Kälberstall umgenutzt worden. Die Betriebseinheit BE 6 sei 1902 als Vieh- und Wirtschaftsgebäude errichtet und 1967 zum Kälberstall umgenutzt worden. Die Umnutzung zum Kälbermaststall sei vor Inkrafttreten der NBauO erfolgt. Es handele sich deshalb um Altbestände, die bei der Berechnung des Istzustandes zu berücksichtigen seien. Der Antragsteller könne sich auch nicht auf unzumutbare Beeinträchtigungen durch Bioaerosole berufen. Es gebe bislang keine Grenz- und Orientierungswerte, welche die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschrieben.

21

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

22

den Antrag abzulehnen.

23

Zur Begründung trägt er vor: Die erteilte Genehmigung verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Insbesondere werde er nicht durch unzumutbare Geruchsbelästigungen beeinträchtigt. Die Stellungnahmen der M. zeigten, dass es zu einer deutlichen Geruchsverbesserung komme. Die durch seinen Betrieb verursachten Emissionen gingen durch den Einbau eines Biofilters von 4.676,40 GE pro Sekunde auf 281,40 GE pro Sekunde und damit erheblich zurück. Weiteres Potential zur Minderung von Emissionen gebe es nicht. Das Geruchsgutachten sei nicht zu beanstanden. Zu Recht habe der Gutachter bei der Ermittlung des Istzustandes die Emissionsquelle 1 mit 256 Mastschweinen berücksichtigt. Es treffe nicht zu, dass dieses Stallgebäude jahrelang leer gestanden habe. Vielmehr werde hier seit Jahren Aufzucht betrieben. Zutreffend gehe der Gutachter auch davon aus, dass bei der Prognoseberechnung die Emissionsquelle 3 unberücksichtigt bleibe. Er habe den Betrieb des gepachteten Maststalls I. dauerhaft eingestellt. Die Verpächterin habe gegenüber dem Antragsgegner verbindlich erklärt, zukünftig auf die Inanspruchnahme der bestehenden Baugenehmigung zu verzichten. Unerheblich sei, ob bei der Berechnung des genehmigten Zustandes im Betrieb der J. 107 Mastkälberplätze zuviel zugrunde gelegt worden seien. Selbst wenn dies zutreffen sollte, müssten die entsprechenden Emissionsquellen 5 und 6 auch im Planzustand unberücksichtigt bleiben.

24

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

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Der Antrag hat keinen Erfolg.

26

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zwar gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO i.V.m. § 212a BauGB statthaft und auch ansonsten zulässig. Insbesondere hat der Antragsteller, wie dies § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO vorsieht, vor Antragstellung bei Gericht erfolglos bei dem Antragsgegner um die Aussetzung der sofortigen Vollziehung nachgesucht.

27

Der Antrag ist aber unbegründet. Gemäß § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung der am 24.02.2012 erhobenen Klage in dem hier einschlägigen Fall des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB anordnen, wenn das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung gegenüber dem öffentlichen Interesse oder dem Interesse des Begünstigten an der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung überwiegt. Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers ist zu verneinen, wenn die im Eilrechtsschutzverfahren allein gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass der eingelegte Rechtsbehelf aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. In diesem Fall steht dem Antragsteller kein schutzwürdiges Interesse daran zu, die Vollziehung der (voraussichtlich) rechtmäßigen Baugenehmigung bis zur Hauptsacheentscheidung über seinen (wahrscheinlich unbegründeten) Rechtsbehelf zu verzögern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in einem von einem Dritten angestrengten Rechtsbehelfsverfahren eine objektive Rechtskontrolle nicht stattfindet. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist vielmehr allein die Frage, ob der das Verfahren betreibende Antragsteller in eigenen subjektiven Rechten im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt ist.

28

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Antragsteller in der Hauptsache voraussichtlich unterliegen wird. Denn die angefochtene Baugenehmigung verletzt ihn nicht in seinen Rechten. Aus den Darlegungen des Antragstellers ergibt sich nicht, dass die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nach § 75 NBauO das bei einem faktischen Dorfgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 BauNVO) aus § 15 BauNVO und im Außenbereich aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hergeleitete Rücksichtnahmegebot verletzt. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Es kommt also wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, Urt. v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122). Bei der Bemessung dessen, was den durch ein Bauvorhaben Belästigten zugemutet werden kann, bietet sich eine Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des Bundes-Immissionsschutz-gesetzes an (OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.07.2011 - 1 ME 76/11 -, DVBl 2011, 1105 = NVwZ-RR 2011, 889).

29

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Von der genehmigten Anlage gehen weder in Bezug auf Geruch noch in Bezug auf Bioaerosole unzumutbare Immissionen aus.

30

Hinsichtlich der von der genehmigten Anlage ausgehenden Geruchsimmissionen ist aufgrund des vorliegenden Gutachtens der M. Q. vom 19.03.2008 und den ergänzenden Stellungnahmen des Gutachters vom 28.03.2011, 24.08.2012 und 26.10.2012 zu den Geruchsimmissionen sichergestellt, dass der Antragsteller als Nachbar durch das Vorhaben des Antragstellers nicht unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen ausgesetzt ist. Das Gutachten kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die in der GIRL sowohl für ein Dorfgebiet als auch für den Außenbereich festgelegten Richtwerte von 15 % der Jahresgeruchsstunden deutlich überschritten werden. Die prognostizierten Werte liegen bei über 40 % der Jahresgeruchsstunden. Im Einzelfall lässt die GIRL Geruchsstundenhäufigkeiten bis 20 % in Dorfgebieten und bis 25 % im Außenbereich zu. Darüber hinausgehende Geruchsstundenhäufigkeiten sind nach Auffassung der Kammer nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig. Einen solchen besonders gelagerten Ausnahmefall nimmt die Kammer hier an, weil der Antragsteller aufgrund der Durchführung emissionsmindernder Maßnahmen zu einer erheblichen Verbesserung der Geruchssituation auf dem Grundstück des Antragstellers beiträgt und sein Betrieb darüber hinaus keinen nennenswerten Beitrag an den auf das Grundstück des Antragstellers einwirkenden hohen Geruchsimmissionen leistet. Unter diesen Umständen sieht die Kammer keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Hierzu im Einzelnen.

31

Bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchsimmissionen ist der von dem Gutachter gewählte Ansatz geeignet, die Geruchsbelastung unter Zuhilfenahme der GIRL (2008) zu ermitteln. Für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen fehlen rechtsverbindliche Konkretisierungen. Anhaltspunkte für die Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen bieten im Bereich der Landwirtschaft zunächst die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) und die Abstandsregelungen der VDI Richtlinie 3471 (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2006 - 7 ME 6/06 -, [...]).

32

Die TA Luft ist hier nicht anzuwenden, weil sie gemäß Nr. 1 Abs. 3 nur die - nicht drittschützende - Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen, nicht aber den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen regelt. Zudem hält das Vorhaben den Mindestabstand, der sich aus der Abbildung 1 der Nr. 5.4.7.1 TA Luft ergibt, nicht ein. Da Gerüche mehrerer landwirtschaftlicher Betriebe zusammentreffen, scheidet auch ein Rückgriff auf die VDI Richtlinie 3471 (Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine) aus (vgl. Nr. 3.2.3.2 und 3.2.3.4), die jedenfalls hinsichtlich der Abstandsregelungen nicht von der VDI Richtlinie 3894 Blatt 1 (Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen - Haltungsverfahren und Emissionen Schweine, Rinder, Geflügel, Pferde) von September 2011 ersetzt worden ist. Spezifische neue Abstandsregelungen werden erst durch die aktuell nur im Entwurf vorhandene VDI Richtlinie 3894 Blatt 2 eingeführt.

33

Scheiden die TA Luft und die VDI Richtlinie 3471 als Orientierungs- und Entscheidungshilfe zur Ermittlung und Bewertung von Geruchsimmissionen aus, so ist in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass eine Sonderbeurteilung nach Maßgabe der GIRL zu erfolgen hat, die eine hinreichend verlässliche Prognose und Bewertung von Geruchsbelästigungen gewährleistet (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 22.06.2010 - 12 LB 213/07 -, [...]; Beschluss vom 27.06.2007 - 12 LA 14/07 -, [...]; Beschl. v. 27.06.2007 - 12 LA 14/07 -, [...]). Von dieser gestuften Verfahrensweise geht die GIRL in ihrer aktuellen Fassung vom 23.07.2009 selbst aus (vgl. Nr. 1 GIRL und den Auslegungshinweis zu Nr. 1 GIRL "Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich - Abstandsregelungen").

34

Zur Ermittlung der zu erwartenden Geruchshäufigkeit bedarf es grundsätzlich vorbehaltlich von hier nicht vorliegenden Ausnahmen einer Prognose, bei der aus der Vor- und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsberechnung die voraussichtliche Gesamtbelastung ermittelt wird.

35

Für Wohnbebauung, die in einem Dorfgebiet liegt, weist die GIRL in Tabelle 1 zu Nr. 3.1 einen Immissionswert von 15 % relativer Jahresgeruchsstundenhäufigkeit aus. Einen Immissionswert für den Außenbereich regelt die GIRL nicht ausdrücklich. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts den einzelnen Spalten der Tabelle 1 zuzuordnen, so dass aufgrund des Dorfgebietcharakters hier auch bei Annahme einer Außenbereichslage zunächst ein Immissionswert von 15 % der Jahresgeruchsstundenhäufigkeit heranzuziehen ist.

36

Dieser Immissionswert wird nach den Stellungnahmen der M. erheblich überschritten. Die Geruchsstundenhäufigkeiten betragen am Wohnhaus des Antragstellers nach der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 24.08.2012 zwischen 52,1 % und 58,2 % im Istzustand (= bislang genehmigter Zustand) und zwischen 44,9 % und 51,5 % im geplanten Zustand (= unter Berücksichtigung des Bauvorhabens des Antragstellers, aber ohne Berücksichtigung der Veränderungen im Betrieb der J.). Infolge der umfangreichen Vorbelastungen innerhalb der Ortschaft F. wird damit sowohl im gegenwärtigen als auch im geplanten Zustand der Immissionswert von 15 % deutlich überschritten.

37

Die Genehmigungen verletzen den Antragsteller gleichwohl nicht in seinen Rechten. Die Kammer kommt aufgrund der gemäß Nr. 5 GIRL vorzunehmenden Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben des Antragstellers trotz der hohen Überschreitung der in Nr. 3.1 GIRL genannten Immissionswerte nicht rücksichtslos ist. Dabei geht das Gericht zwar entsprechend den Vorgaben der GIRL davon aus, dass eine Einzelfallprüfung grundsätzlich nicht dazu führen kann, die Geruchsstundenhäufigkeiten über die in der GIRL genannten Werte von 20 % der Jahresgeruchsstunden in Dorfgebieten und über 25 % der Jahresgeruchsstunden im Außenbereich zu erhöhen (vgl. hierzu VG Hannover, Beschl. v. 04.07.2012 - 12 B 2648/12 -, [...]). Da die GIRL nur eine methodische Anleitung darstellt, die Anhaltspunkte dafür nennt, unter welchen Voraussetzungen eine angegriffene Nutzung rücksichtslos ist, sieht die Kammer die in der GIRL bzw. in den Auslegungshinweisen genannten Höchstwerte von 20 % bzw. 25 % nicht als starre Grenze (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urt. v. 26.04.2007 - 12 LB 62/07 -, [...]). Die Kammer geht vielmehr davon aus, dass in besonderen Ausnahmesituationen auch eine Überschreitung der Werte von 20 % bzw. 25 % nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt.

38

Nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 GIRL "Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich - Immissionswerte" ist im landwirtschaftlichen Bereich bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen "in jedem Fall" eine Einzelfallprüfung erforderlich, da z.B. aufgrund der Ortsüblichkeit ggf. höhere Geruchsimmissionen toleriert werden können. Diese Einzelfallprüfung beurteilt sich nach Nr. 5 GIRL. Danach ist neben der bisherigen Prägung des Gebietes durch eine bereits vorhandene Geruchsbelastung (Ortsüblichkeit) auch zu berücksichtigen, dass die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sein kann, was insbesondere dann der Fall ist, soweit einer emittierenden Anlage Bestandsschutz zukommt. Nach den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist in Dorfgebieten auf die Belange der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe - einschließlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten - vorrangig Rücksicht zu nehmen. Dem wird zunächst durch die Festlegung eines Immissionswertes von 15 % Geruchsstunden pro Jahr Rechnung getragen. In begründeten Einzelfällen sind sogar Zwischenwerte zwischen Dorfgebieten und Außenbereich möglich, was ausnahmsweise zu Werten von bis zu 20 % Geruchsstunden pro Jahr am Rand des Dorfgebietes führen kann. Im Außenbereich können Werte bis 25 % der Geruchsstunden zugelassen werden. In der Begründung und in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL ist hierzu erläuternd ausgeführt, dass das Wohnen im Außenbereich mit einem immissionsschutzrechtlich geringeren Schutzanspruch verbunden sei. Vor diesem Hintergrund sei es möglich, unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich einen Wert bis zu 0,25 (25 % der Jahresgeruchsstunden) für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen.

39

Diese Vorgaben in der Begründung zu Nr. 3.1 GIRL berücksichtigen zutreffend die Schutzwürdigkeit landwirtschaftlicher Betriebe in Dorfgebieten und im Außenbereich, andererseits wird der Schutzbedarf der Wohnnutzung vor nicht mehr zumutbaren Geruchsbelästigungen sichergestellt.

40

Zugunsten des Beigeladenen ist im Rahmen der Einzelfallprüfung zu berücksichtigten, dass F. geprägt ist von landwirtschaftlichen Betrieben. Seit Jahrzehnten wird in F. intensiv Landwirtschaft auf engem Raum betrieben, so dass die gesamte Umgebung um das Grundstück des Antragstellers durch die Geruchsemissionen von acht landwirtschaftlichen Betrieben massiv vorbelastet ist. Eine Erhöhung des Wertes auf 20 % der Jahresgeruchsstunden bei Annahme eines Dorfgebiets bzw. eine Erhöhung auf 25 % der Jahresgeruchsstunden bei Annahme einer Außenbereichslage ist daher gerechtfertigt.

41

Da es hinsichtlich der Geruchsbelastung keine den Immissionsrichtwerten für die Lärmbelastung (Nr. 6 TA Lärm) vergleichbaren Grenzwerte gibt, die wegen gesundheitlicher Gefahren oder Schädigungen bei einer Wohnnutzung einzuhalten sind, geht die Kammer davon aus, dass unter Umständen Geruchsbelastungen hinzunehmen sind, die einen Immissionswert von 0,20 deutlich übersteigen (OVG Lüneburg, Urt. v. 10.11.2009 - 1 LB 45/08 -, BauR 2010, 195; Urt. v. 12.11.2008 - 12 LB 17/07 -, [...]; Urt. v. 26.04.2007 - 12 LB 62/07 -, NdsVBl. 2008, 128; Urt. v. 25.07.2002 - 1 LB 980/01 -, NVwZ-RR 2003, 24). Auch bei ungünstigen Situationen darf aber die Zumutbarkeit von Geruchshäufigkeiten nicht beliebig erhöht werden. Eine Geruchshäufigkeit über 20 % in Dorfgebieten bzw. 25 % darf deshalb allenfalls in besonderen Ausnahmesituationen zulässig sein.

42

Allein die massive Vorbelastung durch jahrzehntelang betriebene intensive Landwirtschaft auf engen Raum kann nach Auffassung der Kammer nicht zu einer Erhöhung der Werte über 20 % bzw. 25 % hinaus führen. Die massive Vorbelastung wird entsprechend der Vorgaben der GIRL bereits durch eine Erhöhung des in Nr. 3.1 GIRL genannten Wertes von 15 % der Jahresgeruchsstunden auf 20 % bzw. 25 % berücksichtigt.

43

Ein besonders gelagerter Ausnahmefall ist hier auch nicht deshalb gegeben, weil nur Landwirte untereinander betroffen wären. Es ist anerkannt, dass landwirtschaftsbezogenen Wohngebäuden, die einem praktizierenden landwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet sind, höhere Immissionen zuzumuten sind als einer uneingeschränkten Wohnnutzung (vgl. hierzu OVG Münster, Beschl. v. 18.03.2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390). Auf dem Grundstück des Antragstellers wird aber seit Jahrzehnten keine Landwirtschaft mehr betrieben. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, den Schutzanspruch des Antragstellers einzuschränken, weil er aus der "Schicksalsgemeinschaft" der Tierhalter ausgeschert ist und die durch landwirtschaftliche Tierhaltung geprägte Situation nachwirkt (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urt. v. 25.07.2002 - 1 LB 980/01 -, NVwZ-RR 2003, 24). Allerdings liegen in der näheren Umgebung nicht ausschließlich landwirtschaftliche Betriebe, vielmehr findet sich dort auch sonstiges Wohnen. Zudem stellt sich die Frage nach der Dauer einer Nachwirkung. Auf dem Grundstück des Antragstellers wird bereits seit 1971 keine Landwirtschaft mehr betrieben.

44

Gründe für eine Erhöhung der Werte über 20 % bzw. 25 % der Jahresgeruchsstunden hinaus sind auch nicht deshalb gegeben, weil es sich hier um nicht besonders belastende Gerüche handelte. Das OVG Lüneburg betont in seiner Entscheidung 10.11.2009 (- 1 LB 45/08 -, BauR 2010, 195), dass, soweit Gerüche in mehr als 50 % der Jahresstunden für zumutbar gehalten wurden, dies für Rinderhaltung neben landwirtschaftsbezogenen Wohnen galt. Auf Wohnnutzung ohne landwirtschaftlichen Bezug neben Schweinemastbetrieben lasse sich dies nicht übertragen.

45

Das Rücksichtnahmegebot wird durch das Bauvorhaben des Beigeladenen trotz der erheblichen Überschreitung der Immissionswerte nicht verletzt. Denn der Beigeladene verringert die von den bestandkräftig genehmigten Stallgebäuden ausgehenden Emissionen und Immissionen durch - teilweise - über den Stand der Technik hinausgehende Emissionsminderungsmaßnahmen deutlich (vgl. hierzu VG Regensburg, Urt. v. 08.05.2012 - RN 6 K 11.1187 -, [...]), was zu einer spürbaren Verbesserung der Immissionssituation auf dem Grundstück des Antragstellers beiträgt sowie dazu, dass der Beigeladene bei Berücksichtigung des genehmigten Zustandes zu der Geruchsbelastung auf dem Wohngrundstück des Antragstellers nicht mehr nennenswert beiträgt.

46

Für die Beurteilung, ob das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt wird, ist - wie oben dargelegt - eine alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigende Beurteilung erforderlich. Wäre wie im vorliegenden Fall aufgrund der hohen Vorbelastungen ohne Berücksichtigung des genehmigten Bestandes überhaupt keine Tierhaltung durch den Antragsteller genehmigungsfähig, hätte dies zur Folge, dass der Beigeladene die bisherige Situation beibehalten könnte, was für den Antragsteller gegenüber der genehmigten Betriebsänderung hinsichtlich der Geruchsbelastung wesentlich schlechter wäre. Dass überhaupt eine Verringerung der Immissionen eintritt, genügt allerdings nicht. Anderenfalls wäre es möglich, dass ein Betriebsinhaber bei alten, ohnehin renovierungsbedürftigen Anlagen zwar Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen trifft, den Tierbestand aber gleichzeitig so stark erhöht, dass die Gesamtbelastung die früheren Immissionen fast erreicht. Durch den so entstehenden neuen Betrieb und die diesbezügliche Baugenehmigung würde die hohe Immissionsbelastung der Umgebung dauerhaft verfestigt, was trotz geringfügiger Verbesserungen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzen würde, da ein rechtswidriger Zustand verfestigt würde, ohne dass eine Anpassung über den Stand der Technik hinausgehender Maßnahmen mit nachhaltiger Verringerung der Emissionen erfolgte (vgl. VG Regensburg, Urt. v. 08.05.2012, a.a.O.).

47

Bei der Prüfung der Frage, ob das Rücksichtnahmegebot bei einer Verringerung der Geruchsimmissionen durch das Bauvorhaben verletzt ist, orientiert sich die Kammer daher an § 6 Abs. 3 BImSchG, der durch Art. 2 des Rechtsbereinigungsgesetzes Umwelt vom 11.8.2009 (BGBl I 2723) zum 1.3.2010 in das Bundes-Immissions-schutzgesetz eingefügt wurde. Danach ist eine Sanierungsänderung zulässig, wenn der Immissionsbeitrag einer rechtmäßig betriebenen Anlage durch über den Stand der Technik hinausgehende Maßnahmen deutlich gesenkt wird.

48

Zwar regelt das Baurecht die sog. Verbesserungsgenehmigung nicht. Ob hieraus der Schluss zu ziehen ist, dass im Baurecht nicht auf § 6 Abs. 3 BImSchG zurückgegriffen werden könne, kann dahinstehen. Vorliegend geht es nur um die Frage, ob im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots der in § 6 Abs. 3 BImSchG verankerte Rechtsgedanke herangezogen werden kann. Für einen Nachbarn, der aufgrund unzumutbarer Geruchsbeeinträchtigungen einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot geltend macht, dürfte es keine Rolle spielen, ob für das Vorhaben eine Baugenehmigung oder eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erforderlich ist. Der Rechtsgedanke des § 6 Abs. 3 BImSchG kann daher auch bei der Frage, ob eine Baugenehmigung gegenüber dem Nachbarn rücksichtslos ist, herangezogen werden.

49

Der Antragsteller nimmt mit der Neustrukturierung seines Betriebes über den Stand der Technik hinausgehende Maßnahmen vor, die zu einer deutlichen Verringerung der Emissionen und der Immissionen i.S.v. § 6 Abs. 3 BImSchG führen.

50

Was eine deutliche Verringerung des Immissionsbeitrags ist, muss nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden. Da eine deutliche Verringerung verlangt wird, muss sie prinzipiell umso größer ausfallen, je größer die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte ist. Umgekehrt kann bei einer geringen Überschreitung auch eine in Bezug auf die Gesamtbelastung geringe Minderung der Immissionsbelastung die Voraussetzungen einer Verbesserungsgenehmigung erfüllen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Alexander Schlink, "Die Verbesserungsgenehmigung nach § 6 Abs. 3 BImSchG" in NuR 2011, 250, 253).

51

Gemessen hieran ist von einer deutlichen Verbesserung der Immissionsbelastung auf dem Grundstück des Antragstellers auszugehen. Zwar ist die Überschreitung des Immissionsgrenzwertes sehr hoch. Die Geruchsbelastung auf dem Grundstück des Antragstellers erreicht im Bereich der schützenswerten Wohnbebauung einschließlich der schützenswerten Außenbereiche (Terrassen) 52,1 % und 58,2 % im Istzustand und zwischen 44,9 % und 51,5 % im geplanten Zustand. Die Belastung geht aber durch die Neustrukturierung des Betriebes des Beigeladenen um 7 % der Jahresgeruchsstunden zurück. Vor dem Hintergrund, dass in unmittelbarer Nachbarschaft sieben weitere emittierende landwirtschaftliche Betriebe liegen, die, weil sie noch keine emissionsmindernden Maßnahmen durchgeführt haben, erheblich zu der Geruchsbelastung auf dem Grundstück des Antragstellers beitragen, ist eine Verringerung um 7 % der Jahresgeruchsstunden durch einen einzelnen Betrieb erheblich.

52

Mit seinen Einwendungen gegen die gutachterlichen Stellungnahmen hat der Antragsteller keinen Erfolg.

53

Insbesondere fällt die Verbesserung der Geruchsimmissionen nicht deshalb geringer aus, weil der Gutachter im Istzustand den Mastschweinestall für 256 Schweine im Betrieb des Beigeladenen nicht hätte berücksichtigen dürfen. Dieser Stall ist zu Recht in die Berechnung des Istzustandes eingeflossen. Ein Teil dieses Stallkomplexes wurde am 17.07.1958 als Anbau an einen Schweinestall genehmigt. Der Anbau umfasst 4 Buchten für Mastschweine zur Größe von jeweils etwa 12 m2 sowie eine Bucht zur Größe von etwa 9 m2. Unter Zugrundelegung eines Platzbedarfs von 0,75 m2 pro Schwein errechnen sich 76 Mastschweineplätze. Hinsichtlich des Altbestandes liegt zwar eine Baugenehmigung nicht vor. Die Kammer geht bei solchen Altbeständen, die nach Angaben der Landwirte als Stall errichtet (und eventuell auch genehmigt) worden sind, von einem im Rahmen der Vorbelastung zu berücksichtigenden Altbestand aus. Aufgrund der Gesamtgröße des Altbestandes nimmt die Kammer bei summarischer Prüfung eine zu berücksichtigende Tierzahl von 180 Mastschweinen an. Anhaltspunkte dafür, dass der Stall über Jahre leer gestanden hätte und deshalb nicht mehr zu berücksichtigen wäre, gibt es nicht. Auch der Antragsteller trägt nicht vor, einen Leerstand beobachtet zu haben. Er zieht diesen Schluss allein aus der Nichtberücksichtigung dieses Stalls in einem früheren Gutachten der M.. Der Beigeladene bestreitet einen Leerstand. Nach seinen Angaben hat er fortlaufend Schweineaufzucht in diesem Stall betrieben. Dieser Behauptung ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegen getreten. Der Frage mag gegebenenfalls im Hauptsacheverfahren weiter nachgegangen werden.

54

Unerheblich ist der Einwand des Antragstellers, die Betriebseinheiten BE 5 und BE 6 im Betrieb der J. hätten bei der Ermittlung des Istzustandes nicht berücksichtigt werden dürfen, weil der Tierbestand von 107 Kälbern in diesen Betriebseinheiten nicht genehmigt sei. Selbst wenn dieser Bestand im Istzustand tatsächlich nicht zugrunde gelegt werden dürfte, führte dies nicht dazu, dass die vom Gutachter ermittelte Geruchsverringerung durch die Neustrukturierung des Betriebs des Beigeladenen geringer anzusetzen wäre, da die Betriebseinheiten BE 5 und BE 6 konsequenterweise auch im Planzustand keine Berücksichtigung finden könnten. Fallen die Betriebseinheiten BE 5 und BE 6 aus der Berechnung heraus, errechnet sich sowohl eine geringere Geruchsbelastung im Istzustand als auch im geplanten Zustand. Die Berücksichtigung dieser Betriebseinheiten wirkt sich in der Betrachtung daher allenfalls für den beigeladenen Landwirt negativ aus, da sie zu höheren Immissionswerten führt.

55

Soweit das Gutachten bei der Ermittlung des Istzustandes die Abdeckung des Güllesilos voraussetzt, trifft der Einwand des Antragstellers zu, dass die Genehmigung von 1983 eine solche Abdeckung nicht vorsieht. Dies wirkt sich aber insbesondere dahingehend aus, dass die Verbesserung der Geruchsbelastung durch die Neustrukturierung des Betriebs des Beigeladenen tatsächlich noch größer ist als im Gutachten berechnet, da sich bei der Berechnung des Istzustandes unter Zugrundelegung der Emissionen eines nicht abgedeckten Güllebehälters ein höherer Wert ergeben müsste.

56

Auch mit seinem Einwand, der Abstand von der Stallanlage zu seinem Garten betrage nur 51 m, weshalb er von dem Einbau eines Biofilters nicht profitiere, hat der Antragsteller keinen Erfolg. Nach Angaben des Gutachters in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26.10.2012 ist der Eigengeruch einer Abluftreinigungsanlage, wie sie im Betrieb des Beigeladenen vorgesehen ist, ab einer Entfernung von 100 m nicht mehr wahrnehmbar. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen, welche die Kammer in einem anderen Verfahren gewonnen hat. Nach den Erklärungen des dort tätigen Gutachters ist sogar bereits bei einer Entfernung von 50 m ein Geruch nicht mehr wahrzunehmen, wenn eine Anlage ein DLG-Zertifikat trägt oder die Voraussetzungen erfüllt, welche an die Erteilung eines DLG-Zertifikats gestellt werden. Abgesehen davon, dass der hier genehmigte Hagola Biofilter DLG-zertifiziert sein dürfte (vgl. DLG-Prüfbericht 5699, "Hagola Biofilter GmbH"), setzt die angefochtene Baugenehmigung in Nr. 4 der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen fest, dass die Geruchskonzentration im Reingas nur maximal 300 Geruchseinheiten pro m3 betragen darf und - dies sei die wichtigste Voraussetzung - im Reingas kein rohgasspezifischer Geruch sein darf. Dies sind nach Aussagen des Gutachters die Voraussetzungen, welche an die Erteilung eines DLG-Zertifikats gestellt werden. Bei Erfüllung dieser Voraussetzungen soll die Geruchswahrnehmungsschwelle bei ungefähr 50 m liegen. Die Kammer geht daher davon aus, dass jedenfalls ab einer Entfernung von 100 m keine Emissionen mehr auftreten. Da sich das Wohnhaus des Antragstellers und der geschützte Außenwohnbereich außerhalb dieses Radius befinden, konnten die von dem Schweinestall ausgehenden Emissionen unberücksichtigt bleiben. Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen ist nicht die Einwirkung auf das gesamte Grundstück, sondern nur die Einwirkung auf das Wohnhaus und den geschützten Außenwohnbereich. Hierzu zählen Terrassen, nicht aber der gesamte Garten (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 21.10.2004 - 1 LA 287/03 -, BauR 2005, 68).

57

Die Immissionen werden - wie es § 6 Abs. 3 BImSchG vorsieht - durch über den Stand der Technik hinausgehende Maßnahmen gesenkt. Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sieht in ihren immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen den Einbau eines Biofilters vor. Die Abluft des gesamten Mastschweinestalls ist gemäß Nr. 4 der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen vollständig durch eine Abluftreinigungsanlage zu führen. Der Einbau einer solchen Biofilteranlage stellt eine Maßnahme dar, die über den Stand der Technik hinausgeht. Mit Biofiltern ist eine durchgreifende Geruchsminderung erreichbar. Entsprechend sieht Nr. 4 der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen vor, dass die Geruchsstoffkonzentrationen im Reingas 300 GE/qm nicht überschreiten dürfen. Nach Angaben des Gutachters in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26.10.2012 ist der Eigengeruch der im Betrieb des Beigeladenen vorgesehenen Abluftreinigungsanlage ab einer Entfernung von 100 m nicht mehr wahrnehmbar.

58

Auch das OVG Lüneburg geht davon aus, dass der Einsatz von Biofiltern über den Stand der Technik hinausgeht. Der Einsatz von Biofiltern entspräche zwar bei der Schweinehaltung noch nicht dem Stand der Technik, im eigenen Interesse eines landwirtschaftlichen Betriebes könne es aber liegen, wenn dessen Erweiterung sonst an Immissionskonflikten scheitern würde (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 10.11.2009 - 1 LB 45/08 -, BauR 2010, 195).

59

Da der vorgesehene Biofilter einen Abstand von mehr als 100 m zum Wohnhaus des Antragstellers hält, war der Beigeladene aus Gründen der Rücksichtnahme nicht verpflichtet, den Biofilter östlich des Stallgebäudes und damit noch weiter vom Antragsteller entfernt einzurichten.

60

Die in der angefochtenen Baugenehmigung geforderte Abdeckung des Güllesilos durch eine dauerhafte Schwimmdecke geht dagegen sicherlich nicht über den Stand der Technik hinaus. Vielmehr ist auch der Inhaber einer uneingeschränkten Baugenehmigung ohnehin dazu verpflichtet ist, die sich aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ergebenden Grundpflichten, die nach § 24 BImSchG durchgesetzt werden können, einzuhalten (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urt. v. 10.11.2009 - 1 LB 45/08 -, DVBl. 2010, 60). Da aber auch eine dauerhafte Schwimmdecke schon zu einer Emissionsminderung von 80 % führen soll, kann es dem Hauptsacheverfahren überlassen werden zu klären, ob der Beigeladene aus Rücksichtnahmegesichtspunkten nicht zu noch effektiveren Abdeckungen verpflichtet werden könnte (in Betracht kommt insbesondere ein Abdecksystem aus einzelnen schwimmfähigen Elementen zur Aufbringung als Schwimmbelag für offene Güllebehälter <Hexa-Cover>, das je nach Temperatur und Windgeschwindigkeit zu einer Geruchsminderung von 81 % bis 96 % führen soll, oder eine Abdeckung durch Folie oder eine Überhausung).

61

Auch wenn unter Einbeziehung der Vorbelastungen Geruchshäufigkeiten vorliegen, welche die Werte der GIRL deutlich überschreiten, wird vor dem Hintergrund der Verringerung der Geruchsimmissionen und der Vornahme erheblicher Emissionsminderungsmaßnahmen das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt. Zwar wird eine Geruchsbelastung dauerhaft zugelassen, die zusammen mit den erheblichen Vorbelastungen nicht nur für die Nachbarschaft eine nur unter Berücksichtigung der früheren Situation zu erduldende Beeinträchtigung darstellt. Bei entsprechender Heranziehung des Rechtsgedankens aus § 6 Abs. 3 BImSchG kann aber vom Beigeladenen nicht mehr als die Verringerung der Emissionen durch das Gesamtbauvorhaben in der beantragten Form verlangt werden. Insbesondere kann nicht gefordert werden, dass er zwar einen Biofilter einbaut, auf eine noch maßvolle Erhöhung des Tierbestandes (von 556 auf 660 Tiere an diesem Standort) aber verzichtet. Im Übrigen ist es aufgrund des Einbaus des Biofilters für die Immissionsbelastung am Wohnhaus des Antragstellers unerheblich, wie viele Schweine der Beigeladene hält. Denn unabhängig von der Anzahl der Schweine bewirkt der Biofilter, dass jedenfalls ab einer Entfernung von 100 m kein Geruch mehr wahrzunehmen ist. Zugunsten des Beigeladenen ist weiter zu berücksichtigen, dass er zwar auf seiner Hofstelle den Bestand von 556 auf 660 Mastschweine erhöht, im Gegenzug aber nicht nur durch den Einbau des Biofilters emissionsmindernde Maßnahmen durchführt, sondern zugleich den gepachteten Schweinestall I. nicht weiter betreibt. Von dieser Stilllegung, welche die Verpächterin verbindlich gegenüber dem Antragsgegner erklärt hat, profitiert auch der Antragsteller, da der stillzulegende Schweinestall weniger als 100 m von seinem Grundstück entfernt liegt. Langfristig wird eine immer noch erforderliche weitere erhebliche Verbesserung der Geruchsbelastung der näheren Umgebung nur dadurch erreicht werden können, dass geruchsmindernde Maßnahmen auch bei den anderen Landwirten vorgenommen werden.

62

Im Rahmen der Prüfung der Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist darüber hinaus maßgeblich zu berücksichtigen, dass von dem neu strukturierten Betrieb des Beigeladenen nur eine irrelevante Zusatzbelastung ausgeht. Die GIRL enthält unter Nr. 3.3 eine sog. Irrelevanzklausel dergestalt, dass die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden soll, wenn der von der zu beurteilenden Anlage zu erwartende Immissionsbeitrag (Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung) auf keiner Beurteilungsfläche den Wert 0,02 überschreitet. Bei Einhaltung dieses Wertes ist davon auszugehen, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Geruchsbelastung nicht relevant erhöht. So verhält es sich hier im Bereich des Wohnhauses des Antragstellers. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 26.10.2012 ist die Zusatzbelastung der von dem Bauvorhaben des Beigeladenen zu erwartenden Geruchsimmissionen am Wohnhaus des Antragstellers zwischen 1,4 % und 2,3 % der Jahresgeruchsstunden zu bewerten. Sie überschreitet damit die Erheblichkeitsschwelle von 2 % der Jahresstunden nur in einem kleinen Teilbereich des Wohnhauses, ist aber ganz überwiegend als irrelevant anzusehen. Soweit die Erheblichkeitsschwelle teilweise minimal überschritten wird, ist zu berücksichtigen, dass die Immissionen allein auf den Güllebehälter zurückzuführen sind. Insoweit muss im Hauptsacheverfahren ohnehin noch der Frage nachgegangen werden, ob der Beigeladene gegebenenfalls zu einer noch effektiveren Abdeckung verpflichtet werden könnte.

63

Die Baugenehmigung verletzt den Antragsteller auch in Bezug auf die emittierenden Bioaerosole nicht in seinen Rechten. Konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Antragsteller Gefahren in Form von Bioaerosolen zu erwarten hat, liegen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand nicht vor. Immissions- oder Emissionswerte sieht die TA Luft insoweit nicht vor. Es gibt bislang auch sonst keine Grenz- oder Orientierungswerte, welche die Schädlichkeitsschwelle für Bioaerosole beschreiben.

64

Es ist zwar davon auszugehen, dass von Tierhaltungsbetrieben luftgetragene Schadstoffe wie insbesondere Mikroorganismen und Endotoxine ausgehen, die grundsätzlich geeignet sind, nachteilig auf die Gesundheit zu wirken (OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.03.2012 - 12 ME 270/11 -, [...]). Derzeit liegen aber zuverlässige Erkenntnisse darüber, bei welchen Entfernungen Schadstoffe aus Tierhaltungsbetrieben beeinträchtigend wirken könnten, nicht vor. Medizinisch begründete Immissionsgrenzwerte für Bioaerosole existieren zurzeit ebenfalls nicht. Ausgehend von diesem Erkenntnisstand greift die den Nachbarn schützende immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG als Instrument der Gefahrenabwehr nicht ein, weil ungewiss ist, ob mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.08.2011 - 12 LA 55/10 -, NVwZ-RR 2012, 18).

65

Potentiell schädliche Umwelteinwirkungen, ein nur möglicher Zusammenhang zwischen Emissionen und Schadenseintritt oder ein generelles Besorgnispotential können allerdings Anlass für Vorsorgemaßnahmen sein (vgl. BVerwG zu Nanopartikeln, Urt. v. 11.12.2003 - 7 C 19.02 -, BVerwGE 119, 329). Vor diesem Hintergrund bezeichnet der Entwurf der VDI-Richtlinie 4250 (Bioaerosole und biologische Agenzien, Umweltmedizinische Bewertung von Bioaerosol-Immissionen) in Nr. 7 jede Erhöhung der Immissionskonzentration gegenüber den Hintergrundwerten als umwelthygienisch unerwünscht, fügt aber hinzu, dass dabei das Gesundheitsrisiko nicht quantifiziert werden könne. Aus Gründen der Vorsorge seien Bioaerosol-Konzentrationen zu vermeiden, die gegenüber der Hintergrundbelastung erhöht seien. Davon ausgehend wird die Einhaltung der in Anhang C des Richtlinienentwurfs genannten Abstände nicht den drittschützenden Betreiberpflichten i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG, sondern den Vorsorgeanforderungen nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG zugeordnet (OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.03.2012, a.a.O.). Dem aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG hergeleiteten Vorsorgegrundsatz kommt aber eine drittschützende Wirkung nicht zu, weil die Vorsorgepflicht nicht der Begünstigung eines individualisierbaren Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potenziell schädlichen Umwelteinwirkungen generell vorzubeugen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.2003 - a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 09.08.2011, a.a.O.; Beschl. d. Kammer v. 05.07.2012 - 4 B 2951/12 -).

66

Da hier somit nur die immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflicht greift, der eine drittschützende Wirkung nicht zukommt, muss die Kammer nicht der Frage nachgehen, ob dem Beigeladenen die Einholung eines Gutachtens zu den Bioaerosol-Immissionen aufgegeben werden könnte (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 13.03.2012, a.a.O.). Im Übrigen wird dem Beigeladenen mit der angefochtenen Genehmigung der Einbau eines Abluftreinigungssystems aufgegeben. Diese Anlage begrenzt neben Geruchsemissionen auch Staub- und Ammoniakemissionen. Da angenommen wird, dass bei einer Staubreduzierung auch mit einer Reduzierung der Bioaerosolbelastung zu rechnen ist, leistet der Antragsteller bereits einen Beitrag zur Vermeidung unzumutbarer Belastungen durch Bioaerosole.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht die geltend gemachte Beeinträchtigung des Grundstücks des Antragstellers mit 15.000 € bewertet und diesen Wert im einstweiligen Rechtsschutzverfahren halbiert.