Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.10.2012, Az.: 10 A 423/11
Bombenräumung; Bundeswasserstraße; Evakuierung; Handlungsverantwortlicher; Kampfmittel; Kampfmittelbeseitigung; Kosten einer Evakuierung; Kriegsfolgelast; Staatspraxis; Zustandsverantwortlicher
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 11.10.2012
- Aktenzeichen
- 10 A 423/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44489
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 120 GG
- Art 14 GG
- Art 31 GG
- § 7 SOG ND
- § 6 SOG ND
- § 11 SOG ND
- § 1 VwKostG ND
- § 13 VwKostG ND
- § 5 VwKostG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Bundesrepublik Deutschland ist als Eigentümerin der Bundeswasserstraßen verpflichtet, die der Gefahrenabwehrbehörde entstandenen Kosten einer Evakuierung zu erstatten, die anlässlich der Räumung einer in einer Bundswasserstaße aufgefundenen Bombe erforderlich war.
2. Ob Gemeinden oder Gemeindeverbände aus Art. 120 Abs. 1 GG unmittelbar Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland haben können, bleibt offen.
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 15.982,97 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.01.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten, die ihr durch eine Evakuierung des Stadtgebietes Hoya anlässlich einer Bombenräumung entstanden sind.
Die Beklagte beabsichtigt, den Bereich der Mittelweser für die Nutzung durch Großmotorgüterschiffe auszubauen. Zur Vorbereitung der Ausbaumaßnahme ließ das Wasser- und Schifffahrtsamt Verden durch die Fachfirma A. den durch das Gemeindegebiet der Klägerin führenden Weserabschnitt (km 297,000 bis km 302,300) auf Kampfmittel sondieren. Es wurden etwa 350 sogenannte Verdachtspunkte festgestellt, welche im Anschluss - ab Ende Juni 2009 - durch die Fachfirma im Einzelnen überprüft wurden. Die Kosten der von ihr beauftragten Firma A. trug die Beklagte.
Mit E-Mail vom 02.06.2009 informierte das Wasser- und Schifffahrtsamt Verden die Klägerin über die Sondierungsarbeiten und hob hervor, dass diese eine gegebenenfalls erforderliche Evakuierung zu koordinieren habe. Sie bat um Vorbereitung der dafür notwendigen Maßnahmen.
Mit Schreiben vom 25.08.2009 wandte sich die Klägerin erstmals an das Wasser- und Schifffahrtsamt Verden mit der Bitte, für den Fall zukünftig notwendiger Evakuierungsmaßnahmen eine Kostenübernahme zu erklären. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass sie als Gefahrenabwehrbehörde zwar für die Durchführung einer etwa notwendigen Evakuierung zuständig sei, die Kostenpflicht für eine solche Maßnahme allerdings beim Bund liege. Da es sich bei der Weser um eine Bundeswasserstraße handele, die eine Liegenschaft im Eigentum des Bundes sei, habe der Bund nach Art. 120 GG und der dazu bestehenden Staatspraxis die Kosten für Kampfmittelbeseitigungen aus der Weser zu tragen. Dazu gehörten naturgemäß auch Evakuierungskosten, da ohne eine Evakuierung eine Kampfmittelbeseitigung nicht durchgeführt werden könne.
Am 01.10.2009 musste eine in der Weser am selben Tag aufgefundene Fliegerbombe entschärft werden, nachdem sie im Rahmen der Untersuchung bewegt worden war. Auf Anweisung des hinzugezogenen Kampfmittelbeseitigungsdienstes des Landes Niedersachsen musste in einem Radius von 1000 m um den Fundort der Bombe die gesamte dort lebende und arbeitende Bevölkerung, insgesamt etwa 2.600 Personen, evakuiert werden. Der Leiter des Ordnungsamtes der Klägerin verfügte die notwendigen Maßnahmen. Insgesamt waren etwa 300 Feuerwehrleute, etwa 100 Polizeibeamte und etwa 65 Kräfte des Deutschen Roten Kreuzes, der Johanniter-Unfallhilfe und des Arbeiter-Samariter-Bundes im Einsatz. Für die evakuierten Personen, die einer Betreuung bedurften, wurde eine Sammelstelle eingerichtet.
Mit Schreiben vom 08.10.2009 kündigte die Klägerin dem Wasser- und Schifffahrtsamt Verden eine Rechnung zu der Evakuierungsmaßnahme an.
Nach Abgabe des Vorgangs vom Wasser- und Schifffahrtsamt Verden an die vorgesetzte Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte lehnte diese mit undatiertem Schreiben, eingegangen bei der Klägerin am 03.12.2009, eine Zahlung für die Evakuierungsmaßnahme ab. Zur Begründung führte sie aus, die Kosten der Evakuierung seien keine Kosten für die unmittelbare Beseitigung von Gefahren, welche durch gefundene Kampfmittel ausgelöst worden seien.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.05.2010 forderte die Klägerin die Wasser- und Schifffahrtsdirektion unter Fristsetzung nochmals zur Kostenübernahme auf. Darin bezifferte die Klägerin ihre Kosten auf 15.982,97 €. In der Kostenaufstellung enthalten waren Kosten für die Leistung von Verdienstausfällen von Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehren, Kosten der Verpflegung der Einsatzkräfte und der Verpflegung in der Sammelstelle sowie Kosten durch die Rechnungsstellungen der eingesetzten Verbände und der Verkehrsbetriebe Hoya. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion lehnte eine Kostenübernahme mit Schreiben vom 03.09.2010 jedoch ab und führte aus, dass für sie eine Rechtspflicht zur Begleichung der Evakuierungskosten nicht erkennbar sei. Eine grundsätzliche Pflicht des Bundes zur Tragung von Kosten für die Kampfmittelbeseitigung werde nicht bestritten. Die unmittelbaren Kosten seien vielmehr stets beglichen worden. Die Verpflichtung des Bundes zur Kostenerstattung erstrecke sich jedoch nicht auf Evakuierungskosten.
Die Klägerin hat am 18.01.2011 Klage erhoben.
Sie trägt vor, die Beklagte sei bereits nach Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet, die notwendigen Kosten der Evakuierung zu übernehmen. Nach dieser Bestimmung und einer seit den 50er Jahren bestehenden Praxis sei der Bund verpflichtet, die Kosten der Beseitigung von alliierten Kampfmitteln zu übernehmen, die auf bundeseigenen Grundstücken gefunden würden. Insoweit enthalte Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG eine Ausnahme von Art. 30 GG, nach dem die Länder und Kommunen für die Gefahrenabwehr zuständig seien. Notwendige Kosten seien dabei nicht nur die eigentlichen Kosten der Entschärfung der gefundenen Bombe. Vielmehr seien auch die Kosten der Evakuierung notwendige Kosten. Die Evakuierung sei immerhin Voraussetzung für eine rechtmäßige Kampfmittelbeseitigung gewesen. Die Beklagte habe im Übrigen für ihre Behauptung, es sei bis zum 01.10.1965 Staatspraxis gewesen, die Kosten einer Evakuierung im Zusammenhang mit einer Kampfmittelbeseitigung auf bundeseigenen Grundstücken nicht dem Bund zu übertragen, keine Nachweise vorgelegt. Auf die in Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG enthaltene Einschränkung auf eine bis zum 01.10.1965 entstandene Staatspraxis könne sie sich deshalb nicht berufen.
Der Anspruch auf Erstattung der Evakuierungskosten ergebe sich im Weiteren auch daraus, dass die Beklagte polizeirechtlich für die in ihrem Eigentum stehende Bundeswasserstraße uneingeschränkt verantwortlich sei. Die Beklagte habe als Zustandsstörer die Kosten der Kampfmittelbeseitigung zu tragen, die auch die Kosten der durchgeführten Evakuierungsmaßnahme umfassten. Aus Art. 14 GG könnten keine Schranken für die Zustandsverantwortlichkeit der Beklagten für Gefahren, die von Bundeswasserstraßen ausgingen, abgeleitet werden. Auch das verfassungsmäßige Übermaßverbot könne nicht zur Begrenzung der Haftung der Beklagten als zustandsverantwortliche Eigentümerin herangezogen werden. Anderenfalls seien die Kosten einer Gefahrenabwehrmaßnahme von der zuständigen Ordnungsbehörde und damit von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft aufzubringen, die dem störenden Grundstück ferner stehe als der Bund, dem das Grundstück gehöre.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 15.982,97 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, sie trage nur ausnahmsweise die Kriegsfolgenlasten und damit auch die Kosten für die Kampfmittelbeseitigung von auf Bundesgebiet befindlicher Munition. Diese Ausnahme beruhe auf einer Zusage des Bundesfinanzministeriums an die Länder aus dem Jahr 1956, der zu entnehmen sei, dass die Kostenübernahme ausschließlich für die eigentlichen Arbeiten der Kampfmittelräumung erklärt worden sei. Diese direkten Kosten umfassten die Lohnkosten der mit der Kampfmittelbeseitigung betrauten Personen und die Entsorgungskosten. Dies sei die Staatspraxis, auf die sich ihre Zahlungsverpflichtung entsprechend Art. 120 Abs. 1 Satz 2 GG beschränke. Ein Anspruch der Klägerin ergebe sich darüber hinaus auch nicht aus einer polizeirechtlichen Verantwortlichkeit des Bundes. Vielmehr fehle es wie bei allen Gewässern auch beim Eigentum des Bundes an den Wasserstraßen an der dem Eigentümer gewährten wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Eigentums als Rechtfertigung der Zustandsverantwortlichkeit. Ein die ordnungsrechtliche Zurechung ausschließender Grund liege zusätzlich darin, dass die Aufgaben und Verwaltungszuständigkeiten für die allgemeine Wasserwirtschaft einschließlich der Reinhaltung der Bundeswasserstraßen den Ländern oblägen und dem Bund verfassungsrechtlich verwehrt seien. Im Übrigen stehe Art. 120 Abs. 1 GG der Anwendbarkeit landesrechtlicher Anspruchsgrundlagen entgegen.
Schließlich bestreitet die Beklagte, dass die von der Klägerin aufgeführten Maßnahmen sowie die geltend gemachten Kosten dem Grunde nach und in der Höhe erforderlich gewesen und tatsächlich angefallen sind.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von der Klägerin vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sämtlicher Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Leistungsklage ist begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Betrags von 15.982,97 € nebst Zinsen zu.
Dahinstehen lässt die Kammer allerdings, ob sich ein Anspruch der Klägerin aus Art. 120 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 GG in Verbindung mit einer sogenannten Staatspraxis ergibt.
Zwar lässt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen, dass Art. 120 Abs. 1 GG eine Anspruchsgrundlage darstellen kann (vgl. zuletzt Urteil vom 31.05.2012 - 3 A 1.11 -, juris; zuvor Urteil vom 18.11.2010 - 3 A 1.09 -, juris; Urteil vom 14.06.2006 - 3 A 6.05 -, NVwR-RR 2007, S. 75; vgl. auch Schröder, Probleme der Kosten- und Haftungslast bei Kampfmittelräumungen, DVBl. 2008, S. 93). In bestimmten Fällen ist der Grundgesetzartikel unmittelbar als Grundlage für Ansprüche auf Erstattung zu sehen. Das gilt insbesondere für die Räumung von Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Beseitigung von aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden reichseigenen und alliierten Kampfmitteln ist eine Kriegsfolgenlast (BVerwG, Urteil vom 31.05.2012 - 3 A 1.11 -, juris).
Es stellt sich aber die Frage, ob auch die Klägerin als Samtgemeinde einen eigenen Erstattungsanspruch gegen den Bund auf Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG stützen kann. Die Kammer hat Zweifel, ob sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG entnehmen lässt, dass der Grundgesetzartikel in Verbindung mit einer Staatspraxis auch eine Anspruchsgrundlage für Gemeinden und Gemeindeverbände ergibt.
Dagegen spricht zunächst die wiederkehrende Formulierung des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Urteilen, dass die Vorschrift in bestimmten Fällen unmittelbar Grundlage für Ansprüche eines Bundeslandes gegen den Bund sei (BVerwG, Urteil vom 31.05.2012 - 3 A 1.11 -, juris; Urteil vom 18.11.2010 - 3 A 1.09 -, juris). Darüber hinaus wird Art. 120 Abs. 1 GG wohl einhellig als eine Vorschrift gesehen, die allein die Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern hinsichtlich der Finanzierung der Kriegsfolgelasten regelt (vgl. nur Masing in Dreier (Hrsg.), GG Kommentar, Band III, 2. Aufl. 2008, Art. 120 Rdnr. 5; Heckt, Die Neufassung von Artikel 120 des Grundgesetzes, DÖV 1966, S. 10, 15). Die Gemeinden und Gemeindeverbände werden dabei entsprechend Art. 106 Abs. 9 GG als Bestandteil der Länder angesehen (Masing in Dreier (Hrsg.), a.a.O., Art. 120 Rdnr. 5; Heckt, a.a.O., S. 10, 15; Sturm, Die abschließende Regelung der Kriegsfolgelasten, DVBl. 1965, S. 719, 723), was in der Konsequenz nur heißen kann, dass auch in den Fällen, in denen aufgrund einer Kriegsfolgenlast Kosten bei einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband anfallen, diese das jeweilige Bundesland gegenüber dem Bund geltend machen muss. Diesen Schluss zieht auch Heckt (a.a.O.), der explizit formuliert, auch aus der Erwähnung der Gemeinden und Gemeindeverbände in Satz 3 des Art. 120 Abs. 1 GG folge nicht, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände aus Art. 120 Abs. 1 GG unmittelbare Ansprüche gegen den Bund herleiten könnten (vgl. auch Siekmann in Sachs, Grundgesetz Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 120 Rdnr. 6). Auch Sturm (a.a.O., S. 719, 723) ist der Auffassung, dass Gemeinden ihre Ansprüche gegen das jeweilige Land zu richten hätten.
Die gestellte Frage ist nicht zu entscheiden, da die Klägerin den geltend gemachten Anspruch jedenfalls auf eine andere Rechtsgrundlage stützen kann. Die Kammer merkt deshalb nur an, dass die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 120 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Staatspraxis gegeben sein dürften.
Insbesondere dürfte - entgegen der Ansicht der Beklagten - einem Anspruch der Klägerin die sogenannte Schutzklausel des Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG nicht entgegen stehen. Nicht umfasst von einem Erstattungsanspruch sind Kosten zwar dann, wenn es sich um Aufwendungen im Sinne des Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG handelt, die bis zum 01.10.1965 von den Ländern, Gemeinden (Gemeindeverbänden) oder sonstigen Aufgabenträgern, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen, erbracht worden sind. Nach der sogenannten Schutzklausel muss der Bund also solche Kosten nicht übernehmen, die er auch vor dem 01.10.1965 nicht getragen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch bereits entschieden, dass es zu Lasten des Bundes geht, wenn - wie hier - eine Aufklärung der von den Parteien vor dem Stichtag geübten Erstattungspraxis nicht mehr möglich ist (Urteil vom 20.02.1997 - 3 A 2.95 -, juris). Begründet hat das Gericht dies - in aller Kürze - mit der Feststellung, dass im Falle der Unerweislichkeit der Erstattungspraxis die Voraussetzungen der dem Bund günstigen Ausnahmebestimmung des Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG nicht vorlägen und es deshalb bei der durch Art. 120 Abs. 1 Satz 1 GG begründeten Kostentragungslast bliebe.
Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich jedenfalls aus § 1 Abs. 1 Ziffer 2, § 5 Abs. 1 und § 13 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes (NVwKostG).
Ein Rückgriff auf die Regelungen des Verwaltungskostengesetzes ist auch durch Art. 120 Abs. 1 GG nicht ausgeschlossen. Für die Rechtsauffassung der Beklagten, dass für Erstattungsansprüche im Zusammenhang mit Kriegsfolgenlasten ausschließlich Art. 120 Abs. 1 GG anwendbar sei, gibt es keinen rechtlichen Ansatz. Insbesondere Art. 31 GG - Bundesrecht bricht Landesrecht - führt nicht zu einer Unanwendbarkeit der Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes, da diese weder den gleichen Gegenstand wie Art. 120 Abs. 1 GG regeln noch inhaltlich mit dem Grundgesetzartikel kollidieren.
Nach § 1 Abs. 1 Ziffer 2 NVwKostG werden für Amtshandlungen im übertragenen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften nach dem Verwaltungskostengesetz Kosten (Gebühren und Auslagen) erhoben, wenn die Beteiligten zu der Amtshandlung Anlass gegeben haben. Kostenschuldner ist gemäß § 5 Abs. 1 NVwKostG dabei derjenige, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat. Auslagen werden zwischen Behörden erstattet, wenn diese im Einzelfall 25 € übersteigen, § 13 Abs. 1 Satz 3 NVwKostG.
Mit der Durchführung der Evakuierung lag eine Amtshandlung einer Gebietskörperschaft im übertragenen Wirkungskreis vor. Die Klägerin als Samtgemeinde wurde tätig zur Gefahrenabwehr. Gemäß § 97 Abs. 6, Abs. 1 Nds. SOG obliegt den Gemeinden die Aufgabe der Gefahrenabwehr als solche im übertragenen Wirkungskreis.
Die Amtshandlung war auch rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Evakuierung war § 11 Nds. SOG. Danach kann die Verwaltungsbehörde die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Gefahr abzuwehren. Gemäß § 2 Ziffer 1 Buchst. a) Nds. SOG ist eine - konkrete - Gefahr eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird.
Zum Zeitpunkt der Evakuierung bestand die Sachlage eines absehbaren Schadenseintritts. Da im Zuge der Überprüfung der für den Weserabschnitt innerhalb der Ortschaft Hoya festgestellten 350 Verdachtspunkte eine 125 kg schwere Bombe bewegt worden war, drohte diese zu explodieren und bildet eine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit mehrerer tausend Menschen im Umkreis von 1000 m um den Fundort der Bombe.
Darüber hinaus stellte die Bombe auch bereits vor ihrer Bewegung im Zuge der Arbeiten eine unmittelbare Gefahr dar. Da die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit in den Blick zu nehmen sind, dürfen an den Grad der Wahrscheinlichkeit keine überzogenen Anforderungen gestellt werden und genügt es für die Annahme unmittelbarer Lebensgefahr, wenn die Möglichkeit eines Schadens realistischerweise nicht ausgeschlossen werden kann (BVerwG, Urteil vom 31.05.2012 - 3 A 1.11 -, juris). Ein solcher Schaden kann aber dann nicht mehr ausgeschlossen werden, wenn Boden, in dem eine bisher nicht detonierte Bombe liegt, bewegt werden soll. Letzteres war der Fall, da die Weser in Höhe Hoya ausgebaggert werden sollte.
Die Evakuierung war auch eine notwendige Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie war ersichtlich geeignet, erforderlich und angemessen, da der hinzugezogene Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes Niedersachsen die Evakuierung in einem Radius von 1000 m um den Fundort der Bombe angewiesen hatte und die Bombe ohne die Evakuierung nicht hätte geräumt werden können.
Die Beklagte hatte im weiteren zu der Evakuierung Anlass gegeben.
Zum einen hatte die Beklagte als Handlungsverantwortliche Anlass gegeben für die Bombenräumung und damit auch für die dafür notwendige Evakuierung. Sie hatte seinerzeit die Sondierung und Überprüfung von Verdachtspunkten in der Weser bei einer Fachfirma in Auftrag gegeben zur Vorbereitung eines Ausbaus der Wasserstraße, welchen sie plante. Die Arbeiten der Fachfirma waren notwendig für die Feststellung, dass die Durchführung der geplanten Ausbaumaßnahme gefahrlos möglich sein würde. Im Zuge der Arbeiten der beauftragten Firma A. war dann die Bombe aufgefunden und bewegt worden.
Zum anderen hatte die Beklagte als Zustandsverantwortliche Anlass gegeben für die Bombenräumung und Evakuierung.
Geht von einer Sache eine Gefahr aus, ist zustandsverantwortlich der Eigentümer der Sache, vgl. § 7 Abs. 2 Nds. SOG. Dies gilt insbesondere für Grundeigentum. Die Zustandsverantwortlichkeit eines Grundeigentümers ist selbst dann zu bejahen, wenn der polizeiwidrige, gefährliche Zustand durch Dritte oder höhere Gewalt herbeigeführt worden ist, da die ordnungsrechtlichen Vorschriften über die Zustandsverantwortlichkeit allein an die aus der Sachherrschaft des Grundeigentümers hergeleitete Rechtspflicht anknüpfen, dafür zu sorgen, dass von dem Grundstück keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, BVerfGE 102,1; VG Stade, Urteil vom 22.02.2007 - 1 A 338/05 -, juris). Eine solche Zustandsverantwortlichkeit eines Grundeigentümers wird auch im Falle von im Boden aufgefundenen Kampfmitteln aus dem Zweiten Weltkrieg angenommen (Nds. OVG, Beschluss vom 03.11.2005 - 11 ME 146/05 -, juris; Urteil vom 16.04.2002 - 11 LB 59/02 -, n.v.; OVG NW, Urteil vom 03.06.1997 - 5 A 4/96 -, juris; VG Stade, Urteil vom 22.02.2007 - 1 A 338/05 -, juris; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18.06.1998 - 1 B 178.97 -, juris) und von Schröder (a.a.O., S. 93, 94) explizit auf eine im Rahmen der Kampfmittelbeseitigung notwendige Evakuierung bezogen.
Auch für die Beklagte als Eigentümerin der Wasserstraße ist eine solche Zustandsverantwortlichkeit zu bejahen. In der Rechtsprechung ist einhellige Ansicht, dass der Bund für den Zustand seines Eigentums an den Bundeswasserstraßen verantwortlich ist (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 30.11.1990 - 7 C 4.90 -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 21.02.2002 - 7 LB 153/01 -, juris; auch Sander, Grenzen der Zustandshaftung des Gewässereigentümers, ZfW 1999, S. 409, 413 f.; vgl. im Übrigen die zahlreichen Rechtsprechungshinweise bei Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2009, Einleitung Rdnr. 26, der selbst allerdings die Gegenauffassung vertritt). Bundesrecht hindert nicht daran, gestützt auf Landespolizeirecht eine Zustandshaftung an Bundeswasserstraßen anzunehmen, welche den Bund in seiner Eigenschaft als Eigentümer trifft (BVerwG, Urteil vom 30.11.1990 - 7 C 4.90 -, juris; Nds. OVG, Urteil vom 21.02.2002 - 7 LB 153/01 -, juris; vgl. auch VG Schleswig, Urteil vom 02.04.2001 - 14 A 267/99 -, juris; Hess. VGH, Urteil vom 25.03.1992 - 5 UE 3288/88 -, ESVGH 42, 243, 247 ff.). Soweit Friesecke (a.a.O., Einleitung Rdnr. 26) eine Zustandsverantwortlichkeit des Bundes für seine Wasserstraßen demgegenüber ablehnt, ist ihm nicht zu folgen. Er begründet seine Auffassung mit der Feststellung, dass es an einer wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Eigentums als Rechtfertigung für eine Zustandsverantwortlichkeit des Bundes für seine Wasserstraßen fehle. Nur dieser wirtschaftliche Nutzen sei aber wiederum Begründung dafür, das Eigentum zu beschränken, welches im Rahmen des Art. 14 GG gewährleistet sei. Da dem Bund eine nützliche Verwendung seiner Wasserstraßen schon aufgrund der Einschränkungen seiner Verfügungsmacht durch die Wassergesetze nicht mehr gegeben sei, müsse man die Zustandsverantwortlichkeit des Bundes verfassungskonform dahingehend reduzieren, dass ihm nicht zusätzlich die Verantwortung für den Gefahrenzustand der Wasserstraße auferlegt werde. Damit argumentiert Friesecke an der eigentlichen Begründung der Zustandshaftung aber vorbei. Unabhängig von jedweden Fragen nach wirtschaftlichem Nutzen oder gesetzlichen Einschränkungen der Nutzbarkeit fußt die Zustandsverantwortlichkeit allein auf der durch die Sachherrschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeit auf das Gefahren verursachende Eigentum (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, BVerfGE 102, 1; VG Stade, Urteil vom 22.02.2007 - 1 A 338/05 -, juris). Allein der Eigentümer ist berechtigt, über seinen Grund und Boden - oder über seine Wasserstraße - zu verfügen und sich um den Zustand seines Eigentums zu sorgen. Auch im Eigentum Privater mag es Grundstücke geben, welche - aufgrund der Topografie oder einer Altlastenbelastung - wirtschaftlich nutzlos oder durch gesetzliche Vorgaben in ihrer Nutzung eingeschränkt sind. Selbst für diese Grundstücke wird aber eine Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers gesehen (vgl. nur die Fälle der Kriegsfolgenlasten auf privatem Boden: Nds. OVG, Beschluss vom 03.11.2005 - 11 ME 146/05 -, juris; OVG NW, Urteil vom 03.06.1997 - 5 A 4/96, juris; VG Stade, Urteil vom 22.02.2007 - 1 A 338/05 -, juris), sie wird in der Höhe lediglich begrenzt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und als nicht mehr gerechtfertigt angesehen, wenn - und soweit - die Belastung des Eigentümers mit den Kosten unzumutbar ist (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 -, BVerfGE 102, 1; Nds. OVG, Beschluss vom 03.11.2005 - 11 ME 146/05 -; OVG NW, Urteil vom 03.06.1997 - 5 A 4/96 -, juris; VG Stade, Urteil vom 22.02.2007 - 1 A 338/05 -, juris).
Die Kosten der Evakuierung stellen Auslagen dar, die die Klägerin gegenüber der Beklagten geltend machen kann.
Die Auslagen sind offensichtlich angefallen. Soweit die Beklagte die Kosten pauschal als nicht entstanden bestreitet, ist ihr entgegen zu halten, dass im Verwaltungsvorgang der Klägerin detaillierte Rechnungen und dazugehörige Zahlungsanweisungen dokumentiert sind, welche - soweit ersichtlich - mit den Kostenaufstellungen der Klägerin übereinstimmen. Die angegebene Kostenhöhe lässt sich auch insofern nachvollziehen, als die Klägerin im Laufe des vorgerichtlichen Verfahrens ihre Kostenaufstellung gegenüber der Beklagten mehrfach korrigiert hat und dies jeweils dem Eingang weiterer Einzelrechnungen geschuldet war. Die Beklagte hat ihr Bestreiten des Kostenanfalls und der Kostenhöhe bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert und die von der Klägerin vorgelegten Rechnungsunterlagen zu keiner Zeit im Verfahren eingesehen.
Die Auslagen lagen schließlich ersichtlich über der gesetzlich vorgesehenen Geringfügigkeitsgrenze.
Die geltend gemachten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz stehen der Klägerin entsprechend § 291 Satz 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab dem Tag der Klageerhebung, dem 18.01.2011, zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.05.2012 - 3 A 1/11 -, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils gegen Sicherheitsleistung beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.