Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 18.10.2012, Az.: 7 B 5550/12

Dienstleistungskonzession; Rettungsdienst; Vergabe

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
18.10.2012
Aktenzeichen
7 B 5550/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44470
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zum Ausschluss vom weiteren Auswahlverfahren wegen nicht vorgelegter Kapitalbescheinigung.

Tenor:

Die Anträge werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 15.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, ein im Gebiet der Antragsgegnerin ansässiges Rettungsdienstunternehmen, das gegenwärtig mit der Durchführung des Rettungsdienstes in einem Rettungswachenbereich beauftragt ist, wendet sich gegen ein Absageschreiben der Antragsgegnerin, mit dem ihre Bewerbung in einem Auswahlverfahren für eine zukünftige Beauftragung im Rettungsdienst abgelehnt worden ist.

Die Antragsgegnerin ist Trägerin des bodengebundenen Rettungsdienstes in ihrem Gebiet mit Ausnahme des Gebiets der E.. Sie hat gegenwärtig Dritte - u.a. die Antragstellerin - mit der Durchführung des Rettungsdienstes beauftragt. Die Vergabekammer Lüneburg hat auf der Grundlage der früheren Rechtslage mit Beschluss vom 3.2.2012 - VgK-01/2012 - entschieden, dass eine Beauftragung an die bisherigen Leistungserbringer ohne förmliches Vergabeverfahren längstens für den Leistungszeitraum bis zum 31. Dezember 2012 erfolgen könne. Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes vom 22.2.2012 (Nds. GVBl. S. 18) - NRettDG - am 7. März 2012 führt die Antragsgegnerin gegenwärtig ein Auswahlverfahren mit dem Ziel durch, Dritte mit Wirkung vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2018 mit der Durchführung von Aufgaben des Rettungsdienstes zu beauftragen.

Hierzu forderte sie mit einer am 21.7.2012 im EU-Amtsblatt und am 23. Juli 2012 auf der Website der Antragsgegnerin veröffentlichen Bekanntmachung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf (Auftragsbekanntmachung). Nach Nr. II.1.5 dieser Bekanntmachung ist Gegenstand des Auswahlverfahrens die Übertragung der Durchführung von Leistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports auf der Grundlage eines zu schließenden öffentlich-rechtlichen Vertrages (Konzessionsvertrages) in sechs Losen mit je drei Rettungswachen (s. auch Nr. 6 der "Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrages. Der Abschluss der Verträge erfolge mittels der Erteilung von Dienstleistungskonzessionen im Sinne von Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18/EG. Das Verfahren folge nicht den Regeln eines förmlichen Vergabeverfahrens zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages gemäß der Richtlinie 2004/18/EG bzw. den Bestimmungen der VOL/A. Das Vergabeverfahren ist von der Antragsgegnerin mehrstufig ausgestaltet: Auf der 1. Stufe werde ein Teilnahmewettbewerb bezogen auf sechs Lose durchgeführt. Dieser diene der Prüfung der Eignung der Bewerber zur Auftragsdurchführung im Hinblick auf Zuverlässigkeit, wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie fachlich/technische Leistungsfähigkeit sowie der Ermittlung derjenigen Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Auf der Grundlage der vorliegenden Teilnahmeanträge würden zehn geeignete Bewerber ausgewählt, die anschließend zur Angebotsabgabe aufgefordert und am weiteren Verfahren (2. Stufe) beteiligt würden. Die Vergabeunterlagen erhielten die zur Angebotsabgabe aufgeforderten Bewerber erst im Rahmen der 2. Stufe. Sofern nicht bereits im Rahmen der 2. Stufe auf Grundlage der eingereichten ersten Angebote eine Zuschlagserteilung erfolge, werde unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf der 3. Stufe eine weitere Verhandlungsrunde durchgeführt. Zur Verhandlungsrunde würden diejenigen sechs Bieter aufgefordert, die im Rahmen der 2. Stufe die höchste Wertungspunktzahl erhalten hätten. Als zuständige Stelle für das Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren wird unter Nr. VI.4.1. der Auftragsbekanntmachung das Verwaltungsgericht Hannover bezeichnet.

Zur Ausgestaltung des Vergabeverfahrens heißt es in der Auftragsbekanntmachung unter Nr. II.1.5:

"Das Verfahren folgt nicht den Regeln eines förmlichen Vergabeverfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages gemäß der Richtlinie 2004/18/EG bzw. den Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A).

Die Verfahrensausgestaltung erfolgt lediglich in Anlehnung an das Verfahren der freihändigen Vergabe im Sinne des ersten Abschnitts der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A 1. Abschnitt) mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb nach Maßgabe der Auswahlbedingungen. Die Bestimmungen der VOL/A 1. Abschnitt sind ausdrücklich nicht Bestandteil bzw. Grundlage des Vergabeverfahrens. Es besteht kein Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen der VOL/A und/oder sonstiger Bestimmungen des förmlichen Vergaberechts. Dies gilt für sämtliche Stufen des Verfahrens".

Der zweite Absatz ist auch wortgleich unter Nr. 7 der "Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages" enthalten. In der letztbezeichneten Bekanntmachung heißt es zu den Anforderungen an die Teilnahmeanträge unter Nr. 12.1.1 auf der 1. Stufe des Auswahlverfahrens außerdem:

"Die Anforderungen an die einzureichenden Teilnahmeanträge - einschließlich der Frist für die Einreichung der Teilnahmeanträge - ergeben sich aus Ziff. 13 und 14.

Die fristgerecht eingegangenen Teilnahmeanträge werden zunächst anhand der gestellten Nachweisanforderungen (siehe Ziff. 14 und Anlage: 'Mit dem Teilnahmeantrag vorzulegende Unterlagen/Eignungsnachweise' sowie der Vorgaben in den weiteren Anlagen) daraufhin geprüft, ob die gestellten (Mindest-)Anforderun-gen an die Eignung hinreichend nachgewiesen sind.

Die Auftraggeberin behält sich unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Nachforderung fehlender Erklärungen, Angaben und Nachweise vor. Ein Anspruch auf eine Nachforderung besteht nicht. Nachgeforderte Erklärungen, Angaben und Nachweise sind in diesem Fall binnen einer angemessenen Nachfrist von max. 5 Tagen ab Aufforderung bei der in der Aufforderung angegebenen Stelle und in der darin mitgeteilten Form einzureichen.

Bewerber, die ihre Eignung, ggf. nach erfolgter Nachforderung und fristgerechtem Nachreichen von Erklärungen, Nachweisen und Angaben, nicht hinreichend nachgewiesen haben, werden vom weiteren Verfahren ausgeschlossen."

Unter Nr. 14 der vorbezeichneten Bekanntmachung heißt es:

"Mit dem Teilnahmeantrag sind sämtliche geforderten Erklärungen sowie Nachweise zur Beurteilung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde gemäß Bekanntmachung und der Anlage: 'Mit dem Teilnahmeantrag vorzulegenden Unterlagen/Eignungsnachweise' in deutscher Sprache vorzulegen."

Nach Nr. III.2.2. der Auftragsbekanntmachung und nach der vorbezeichneten Anlage zur Bekanntmachung sind u.a. vorzulegen:

"2.1 Nachweis über zur Verfügung stehendes Eigen- (z.B. Bilanz/Bilanzauszug; Eigenkapitalbescheinigung oder Bankauskunft) oder Fremdkapital (z.B. durch aktuelle Bankbestätigung; Bilanz/Bilanzauszug) in Höhe von mindestens EUR 500.000,- jeweils bezogen auf ein Los zwecks Abdeckung möglicher Forderungsausfälle sowie insbesondere einer ggf. vollständigen Uneinbringlichkeit von Forderungen gegenüber Kostenträgern während der ersten 9 Monate bei Nichteinigung zwischen dem Beauftragten und den Kostenträgern über die Höhe der Leistungsentgelte, vgl. § 15a Abs. 4 NRettDG, im Original (zum Zeitpunkt des Ablaufs der Frist zur Einreichung des Teilnahmeantrages nicht älter als 3 Monate).

Hinweis: Stammt der mittels Bestätigung vorgelegte Nachweis über das zur Verfügung stehende Fremdkapital nicht von einem in Deutschland zugelassenen Kreditinstitut, ist dem Teilnahmeantrag zusätzlich ein Nachweis über das zur Verfügung stehende Eigenkapital (z.B. Eigenkapitalbescheinigung oder Bankauskunft) des Fremdkapitalgebers beizufügen" (im Folgenden: Kapitalbescheinigung).

Die Frist zur Einreichung der Teilnahmeanträge lief am 12. August 2012, 12.00 Uhr ab und wurde am 27. Juli 2012 "im Interesse der ordnungsgemäßen Erstellung der Teilnahmeanträge" bis zum 20. August 2012, 12.00 Uhr verlängert.

Die Antragstellerin stellte unstreitig unter dem 13. August 2012 einen Teilnahmeantrag, und legte in diesem Zusammenhang ein auf den 17. August 2012 datierendes Schreiben der Bank vor (Bl. 220R, 290 d.A.), das lautet:

"Beantragung einer Bankbürgschaft

…gern bestätigen wir Ihnen, dass wir Ihren Antrag auf Übernahme einer Bankbürgschaft in Höhe von 500.000,-- EUR für die [Antragsgegnerin] aufgenommen haben. Die Bürgschaft wird für die Ausschreibung bzw. Bewerbung auf das Los Nr. … benötigt.

Aufgrund der Urlaubszeit sind wir derzeit nicht in der Lage, den Kreditantrag in der von Ihnen vorgegebenen Frist bis zum 20.08.2012 abschließend zu prüfen und zu bewilligen. Sowie die Kreditentscheidung getroffen wurde, werden wir uns kurzfristig mit Ihnen in Verbindung setzen.

Wir bedauern, Ihnen keinen günstigeren Bescheid geben zu können und verbleiben …"

Mit dem streitbefangenen Absageschreiben vom 3. September 2012 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin darüber, dass ihre Bewerbung im weiteren Auswahlverfahren keine Berücksichtigung mehr finden könne. Eine Aufforderung zur Angebotsabgabe im Rahmen der 2. Stufe erfolge daher nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin den geforderten Nachweis über Eigen- oder Fremdkapital in Höhe von mindestens 500.000,00 € bezogen auf ein Los nicht vorgelegt habe. Die Antragsgegnerin habe von dem Vorbehalt der Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes bezüglich sämtlicher Bewerber keinen Gebrauch gemacht. Das Schreiben enthält keine gesonderte Rechtsbehelfsbelehrung.

Gegen das Absageschreiben erhob die Antragstellerin unter dem 4. Oktober 2012 Widerspruch.

Mit ihrer ebenfalls am 4. Oktober 2012 beim Verwaltungsgericht Hannover eingegangenen Klage begehrt die Antragstellerin die Aufhebung des Absageschreibens sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin, sie an dem Auswahlverfahren weiter zu berücksichtigen - 7 A 5548/12 -. Zugleich sucht sie um vorläufigen Rechtsschutz nach und rügt das Beauftragungsverfahren. Die Antragsgegnerin hätte ein förmliches Verfahren nach dem Submissionsmodell durchführen müssen, weil es sich nicht um eine Dienstleistungskonzession handele, die vergeben werde, sondern um einen (verkappten) Dienstleistungsauftrag. Hilfsweise rügt sie auch Verstöße gegen die Grundsätze, die von der Antragsgegnerin bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession zu beachten seien. Es seien die historisch gewachsenen Strukturen, zu denen ihre gegenwärtige Mitwirkung im Rettungsdienst zähle, zu berücksichtigen. Zur finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bewerber enthalte das NRettDG keine Vorgaben. Auch die R…-versammlung habe entsprechende Vorgaben nicht erlassen. Der Loszuschnitt sei rechtswidrig. Er benachteilige sie entgegen § 97 Abs. 2 GWB und §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 14 Abs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen vom 30.4.1978 (Nds. GVBl. S. 377) - MFG Nds. - als entsprechendes kleines bzw. mittleres Unternehmen. Entsprechend handele es sich bei dem geforderten Leistungsnachweis von 500.000,00 € um ein sach- und vergaberechtswidriges Kriterium. Bereits wegen der Kürze der Zeit sei ihr die Beibringung der Kapitalbescheinigung nicht möglich gewesen und der Ausschluss der Nachforderung durch die Antragsgegnerin rechtswidrig.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 4. Oktober 2012 wiederherzustellen,

hilfsweise

gemäß § 123 Abs. 1 VwGO durch einstweilige Anordnung das Angebots- und Zuschlagsverfahren in dem Vergabeverfahren der Antragsgegnerin zur Vergabe-Nr. … einstweilen auszusetzen und der Antragsgegnerin einstweilen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, Zuschläge an Bieter für Aufträge oder Konzessionen für Rettungsdienstleistungen zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Sie erwidert, der Hauptantrag sei unzulässig, weil das Absageschreiben keinen Verwaltungsakt beinhalte. Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil die Hauptsache vorweggenommen werde. In der Sache sei die Antragstellerin zu Recht von der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren ausgeschlossen worden, weil sie die geforderte Kapitalbescheinigung unstreitig nicht vorgelegt habe. Die Eingangsbestätigung der Bank vom 17. August 2012 genüge nicht. Die Eignungsbedingung sei aus den Gründen der Auftragsbekanntmachung auch erforderlich, um die Erfüllung des Sicherstellungsauftrages nicht zu gefährden. Hinsichtlich der übrigen von der Antragstellerin gerügten Kriterien fehle ihr bereits die Antragsbefugnis. Die Antragstellerin unterscheide nicht Eignungskriterien von Zuschlagskriterien. Die Antragsgegnerin habe zulässigerweise das Konzessionsmodell als Grundlage der Vergabe gewählt. Beim Loszuschnitt habe die Antragstellerin darauf achten müssen, dass die Lose neben den rettungsdienstrechtlichen bzw. einsatztaktischen Gründen gleichmäßig wirtschaftlich interessant seien.

Das … Ministerium für … hat auf Antrag der Antragsgegnerin mit Erlass vom 27. September 2009 angeordnet, dass die Vorlage der vollständigen Verwaltungsvorgänge durch die Antragsgegnerin zu verweigern sei.

Nach Mitteilung der Antragsgegnerin haben am 20. August 2012 zwölf Bewerber Teilnahmeanträge abgegeben, von denen gegenwärtig neun Bewerber auf der 2. Stufe des Auswahlverfahrens zur Abgabe von konkreten Bewerbungen aufgefordert worden seien. Drei Bewerber - unter ihnen die Antragstellerin - seien wegen fehlender Unterlagen ausgeschlossen worden. Der Zuschlag solle am 25. Oktober 2012 erfolgen.

Die Antragstellerin hat die geforderte Kapitalbescheinigung bis zur Entscheidung des Gerichts nicht nachgereicht.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Teils der im Parallelverfahren 7 B 5189/12 vorgelegten Verwaltungsvorgänge verwiesen, den die Antragsgegnerin vorgelegt hat und die im vorliegenden Verfahren beigezogen wurden.

II.

Haupt- und Hilfsantrag haben keinen Erfolg.

Der Hauptantrag ist bereits unzulässig und der Hilfsantrag jedenfalls unbegründet.

1a. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig, weil die Antragstellerin mit ihrem Hauptantrag sicherstellen will, dass sie nicht von einem Auswahlverfahren betreffend eine Dienstleistungskonzession ausgeschlossen wird und das Absageschreiben vom 3. September 2012 unwirksam wird, sie sich mithin weiter am Auswahlverfahren betreffend eine Dienstleistungskonzession beteiligen kann, die die Antragsgegnerin in den Formen des öffentlichen Rechts vergeben will (BGH, Beschluss vom 23.1.2012, NZBau 2012, S. 248 [BGH 23.01.2012 - X ZB 5/11]).

Gemäß § 3 Abs. 2 des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes in der hier anwendbaren Fassung vom 22.2.2012 (Nds. GVBl. S. 18) - NRettDG - obliegt der bodengebundene Rettungsdienst den kommunalen Trägern als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises. Gemäß §§ 4 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 1 NRettDG haben die Träger des Rettungsdienstes den Rettungsdienst in ihren Rettungsdienstbereichen sicherzustellen. Damit ist der Rettungsdienst in Niedersachsen als öffentliche Aufgabe ausgestaltet. Würde die Antragsgegnerin davon absehen, Dritte nach § 5 NRettDG mit der Durchführung des Rettungsdienstes zu beauftragen, müsste sie den Rettungsdienst aufgrund ihres Sicherstellungsauftrages selbst durchführen. Der Beauftragte handelt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 NRettDG auch im Falle der Dienstleistungskonzession im Namen des Trägers des Rettungsdienstes. Dies gilt nach Halbsatz 2 der Vorschrift im Falle der Dienstleistungskonzession lediglich nicht für die Erhebung der Entgelte. Darüber hinaus ist Ziel des streitbefangenen Auswahlverfahrens der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (s. Nr. II.1.5 der Auftragsbekanntmachung der Antragsgegnerin und Nr. 6 ihrer Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrages; ebenso VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 4.11.2011 - 5 L 2864/11.F - BeckRS 2011, 55664).

Es kann im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung dahingestellt bleiben, ob die streitbefangene Dienstleistung tatsächlich in der Gestalt einer Dienstleistungskonzession und nicht lediglich in der Gestalt eines verkappten Dienstleistungsauftrages (vgl. hierzu Freese/Schwind, NdsVBl. 2012, S. 201) vergeben wird, weil die Antragstellerin mit ihrem Teilnahmeantrag und ihrem Hauptantrag im vorläufigen Rechtsschutzbegehren gerade die weitere Teilnahme an dem Auswahlverfahren nach Maßgabe der Ausgestaltung und Bedingungen der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession begehrt. Auf Dienstleistungskonzessionen ist der Vierte Teil des GWB nicht anzuwenden (BGH, aaO).

b. Der Hauptantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist jedoch unzulässig, weil das Absageschreiben der Antragsgegnerin vom 3. September 2012 keine Regelung im Sinne von § 35 VwVfG enthält. Mit dem Schreiben wird die Antragstellerin davon unterrichtet, dass ihre Bewerbung im weiteren Auswahlverfahren keine Berücksichtigung mehr finden könne. Es handelt sich bei diesem Schreiben um eine bloße Information. Weder ist damit ein Zuschlag an die begünstigten Bewerber verbunden, noch gar der Abschluss der öffentlich-rechtlichen Verträge über die einzelnen Leistungen (VG Frankfurt a.M., aaO). Der Widerspruch der Antragstellerin vom 4. Oktober 2012 dürfte sich deshalb als unzulässig erweisen.

Statthaft ist lediglich ein Antrag nach § 123 VwGO.

2. Der Hilfsantrag nach § 123 VwGO ist jedoch zumindest unbegründet.

Das Gericht kann gemäß § 123 Abs. 1 VwGO auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen notwendig erscheint.

Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, weil die Antragsgegnerin am 25. Oktober 2012 den Zuschlag erteilen will. Jedoch hat sie keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

a. Mit dem Hilfsantrag, das Auswahlverfahren vorläufig auszusetzen und der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, Dritten den Zuschlag zu erteilen, macht die Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch geltend (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 11.6.2010, NVwZ 2010, S. 1252 [VGH Baden-Württemberg 31.05.2010 - 2 S 2423/08]). Diesen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, zumal keine Rechtsgrundlage für den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch besteht.

aa. Ein solcher Unterlassungsanspruch kann nicht mit der Auffassung der Antragstellerin begründet werden, die Antragsgegnerin hätte richtigerweise ein Vergabeverfahren nach dem Vierten Teil des GWB durchführen müssen, weil es sich nach ihrer Auffassung bei der in Rede stehenden Beauftragung in Wahrheit um einen verkappten Dienstleistungsauftrag handele. Die Antragstellerin hat sich mit ihrem Teilnahmeantrag vom 13. August 2012 auf das Auswahlverfahren eingelassen, wie es von der Antragsgegnerin bekanntgemacht worden ist. Dieses zielt auf die Vergabe einer Dienstleistungskonzession. Mit dieser Vergabeart hat die Antragsgegnerin eine zulässige Wahl getroffen.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NRettDG kann die Antragsgegnerin als Trägerin des bodengebundenen Rettungsdienstes Dritte mit der Durchführung von Leistungen des Rettungsdienstes nach § 2 Abs. 2 NRettDG und der Einrichtung und der Unterhaltung der Einrichtungen nach § 4 Abs. 4 NRettDG beauftragen. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 NRettDG in der vorbezeichneten Neufassung des Gesetzes erfolgt die Beauftragung innerhalb eines Rettungsdienstbereiches einheitlich entweder (1.) durch die Erteilung eines Dienstleistungsauftrages oder mehrerer Dienstleistungsaufträge oder (2.) durch die Erteilung einer Dienstleistungskonzession oder mehrerer Dienstleistungskonzessionen. Vorliegend hat sich die Antragsgegnerin für die Erteilung von Dienstleistungskonzessionen entschieden.

Auf das Verfahren zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession finden der Vierte Teil des GWB und damit auch die VgV und die VOL/A keine Anwendung (BGH ebd.). Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe vom 20.12.2011, KOM (2011) 897 ist noch nicht realisiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Antragsgegnerin verpflichtet, auch bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen die primärrechtlichen Grundregeln des AEUV, insbesondere die Art. 49 und 56 AEUV sowie die daraus fließende Transparenzpflicht zu beachten, wenn an dem betreffenden Vertrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (EuGH, Urteil vom 10.3.2011, Rdnr. 49, u.a. EuZW 2001, S. 353 = BayVBl. 2011, S. 497; vgl. insoweit bereits auch Nds. OVG, Beschluss vom 7.2.2006, NdsVBl. 2006, S. 165 zur früheren Rechtslage). Dies hat auch der Niedersächsische Gesetzgeber zur Grundlage des Änderungsgesetzes zum NRettDG gemacht (LT-Drs. 16/3826, S. 8 vorletzter Absatz). Das grenzüberschreitende Interesse besteht vorliegend schon deshalb, weil sich aus dem Parallelverfahren 7 B 5189/12 ergibt, dass an dem Auswahlverfahren mindestens ein Bewerber teilnimmt, der sich selbst als Teil eines ausländischen Rettungsdienstkonzerns bezeichnet und der im Bundesgebiet tätig werden will. Das NRettDG selbst enthält mit Ausnahme von § 5 Abs. 1 Satz 3 NRettDG (Bei der Auswahl der Beauftragten können die Eignung und Bereitschaft zur Mitwirkung am Katastrophenschutz sowie zur Bewältigung von Großschadensereignissen berücksichtigt werden) keine besonderen Bestimmungen für die Vergabe der Dienstleistungskonzession.

Die Antragsgegnerin hat sich für ihr Verfahren nach der Auftragsbekanntmachung und ihrer Aufforderung zur Einreichung eines Teilnahmeantrages selbst folgende Grundlagen gegeben:

"Die Verfahrensausgestaltung erfolgt lediglich in Anlehnung an das Verfahren der freihändigen Vergabe im Sinne des ersten Abschnitts der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A 1. Abschnitt) mit einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb nach Maßgabe der Auswahlbedingungen. Die Bestimmungen der VOL/A 1. Abschnitt sind ausdrücklich nicht Bestandteil bzw. Grundlage des Vergabeverfahrens. Es besteht kein Anspruch auf Einhaltung der Bestimmungen der VOL/A und/oder sonstiger Bestimmungen des förmlichen Vergaberechts. Dies gilt für sämtliche Stufen des Verfahrens".

Die Berücksichtigung von Vorschriften der VOL/A auch bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession wird im Rahmen des Ermessens der Behörde bei der Verfahrensausgestaltung (vgl. OVG Magdeburg, Urteil vom 22.2.2012 - 3 L 259/10 -, Rdnr. 67) für zulässig erachtet (vgl. VG Frankfurt a.M., aaO, für die VOL/A-EG). Da das vorliegende Auswahlverfahren letztendlich auf Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im Sinne von § 1 NVwVfG in Verbindung mit den §§ 54ff. VwVfG gerichtet ist, hat die Antragsgegnerin darüber hinaus gemäß § 9 VwVfG auch die Bestimmungen des VwVfG über das Verwaltungsverfahren zu beachten. Denn Verwaltungsverfahren im Sinne des VwVfG ist auch die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet ist; es schließt den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ein (vgl. zur Anwendbarkeit der Maßstäbe des VwVfG im rettungsdienstrechtlichen Auswahlverfahren auch OVG Magdeburg, aaO, Rdnr. 74).

Diese Maßstäbe sind jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht zu beanstanden.

bb. Einen Anordnungsanspruch kann die Antragsgegnerin auch nicht damit begründen, einzelne Vorgaben und Kriterien des Auswahlverfahrens seien unzulässig. Ein solcher Vortrag ist im vorliegenden Verfahrensstadium unerheblich, in dem die Antragstellerin von der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren wegen unstreitig unterbliebener und bis heute nicht nachgeholter Vorlage eines geforderten Eignungsnachweises auf der 1. Stufe des mehrstufigen Auswahlverfahrens ausgeschlossen worden ist.

Dessen ungeachtet steht die Anzahl der Lose, die zum Gegenstand des Auswahlverfahrens gemacht werden, im Ermessen der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Antragsgegnerin die Anzahl der Lose nach ihren Vorstellungen ausrichtet. Ein solcher Anspruch kann nicht auf § 97 Abs. 2 GWB gestützt werden, der vorliegend - wie bereits ausgeführt - bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession nicht zur Anwendung gelangt. Entsprechendes gilt für § 14 Abs. 2 MFG Nds., der sich ebenfalls auf öffentliche Aufträge bezieht. Dessen ungeachtet ist die Aufteilung der Lose des Rettungsdienstbereichs der Antragsgegnerin, der das Gebiet der Stadt F. ringförmig umschließt, in 6 x 3 Rettungswachen auf den ersten Blick nicht ermessenfehlerhaft und hat in erster Linie rettungsdienstlichen Notwendigkeiten zu folgen.

Soweit die Antragstellerin sinngemäß fordert, es seien die gewachsenen Strukturen des Rettungsdienstes, zu denen sie zähle, zu berücksichtigen, so hat der Gesetzgeber dieses Kriterium bereits durch Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Änderung des NRettDG vom 12.7.2007 (Nds. GVBl. S. 316) aus dem NRettDG herausgenommen.

Dass die Antragstellerin eine Kapitalbescheinigung in Höhe von 500.000,00 € je Los fordert, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Rettungsdienst hat die überragenden Rechtsgüter Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Der mit der Durchführung des Rettungsdienstes Beauftragte erfüllt den Sicherstellungsauftrag der Kommune und handelt gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 NRettDG - wie bereits oben dargestellt - auch im Falle der Erteilung einer Dienstleistungskonzession im Namen des Trägers des Rettungsdienstes mit Ausnahme der Erhebung der Entgelte. Die Antragsgegnerin hat deshalb insbesondere im Fall der Erteilung einer Dienstleistungskonzession darauf zu achten, dass der ihr obliegende Sicherstellungsauftrag durch den Beauftragten auch dann erfüllt wird, wenn sie keinen Einfluss mehr auf die Leistung der Entgelte an den Konzessionsnehmer hat. Zutreffend verweist sie darauf, dass der Konzessionsnehmer gemäß § 15a Abs. 4 NRettDG Einnahmeausfälle von bis zu neun Monaten überbrücken muss. Die Höhe des in der Kapitalbescheinigung geforderten Betrages ist deshalb entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin keineswegs überzogen.

b. Selbst wenn die Kammer den Hilfsantrag der Antragstellerin nach § 123 VwGO in der Zusammenschau mit dem Hauptantrag gemäß § 88 VwGO dahingehend auslegt, dass mit ihm vorläufig die weitere Teilnahme der Antragstellerin am Auswahlverfahren gesichert werden soll, wäre diesem Antrag kein Erfolg beschieden.

Denn auch insoweit hätte die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu Recht von der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren ausgeschlossen hat, weil die geforderte Kapitalbescheinigung nicht vorliegt. Die Eingangsbescheinigung der Bank vom 17. August 2012 über einen Bürgschafts-/Kreditantrag genügt nicht. Die Antragstellerin hat auch zwei Monate nach diesem Antrag die Kapitalbescheinigung noch nicht vorgelegt. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob das Nichtgebrauchmachen von der Nachforderungsmöglichkeit nach Nr. 12.1.1 der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages  im Falle der Antragstellerin ermessensgerecht ist.

3) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

4) Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Abweichend von der Streitwertangabe der Antragstellerin, die sich auf 50.000,00 € beläuft, legt das Gericht - wie im Parallelverfahren 7 A 5189/12 - im vorläufigen Rechtsschutzverfahren einen Streitwert von 15.000,00 € zugrunde.