Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 02.09.2014, Az.: 4 W 127/14

Streitwert eines selbständigen Beweisverfahrens auf Feststellung konkret bezeichneter Mängel

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
02.09.2014
Aktenzeichen
4 W 127/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 22425
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0902.4W127.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 22.07.2014

Fundstellen

  • AGS 2014, 560-561
  • BauR 2014, 2145-2146
  • IBR 2014, 777
  • MDR 2014, 1344-1345
  • RVG prof 2015, 74

Amtlicher Leitsatz

1. Für die Bemessung des Streitwerts des selbständigen Beweisverfahrens ist der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert weder bindend noch maßgeblich; das Gericht hat vielmehr nach Einholung des Gutachtens den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16. September 2004 - III ZB 33/04, juris Rn. 18).

2. Gemessen hieran ist für die Wertfestsetzung auch dann allein die Höhe der vom Sachverständigen ermittelten Mangelbeseitigungskosten maßgeblich, wenn diese den Betrag, den der Antragsgegner dem Antragsteller vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens im Hinblick auf den streitgegenständlichen Mangel bereits gezahlt hat, nicht übersteigen.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner wird der Streitwertbeschluss der 5. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Lüneburg vom 22. Juli 2014 abgeändert.

Der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren wird auf 1.650 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragsteller haben ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet mit dem Ziel, das Vorhandensein eines konkret bezeichneten Mangels festzustellen und die diesbezüglichen Mangelbeseitigungskosten ermitteln zu lassen. Den voraussichtlichen Gegenstandswert haben die Antragsteller in der Antragsschrift mit 13.500 € angegeben. Bereits vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens hatte der Haftpflichtversicherer der Antragsgegner an die Antragsteller im Hinblick auf den streitgegenständlichen Mangel einen Betrag in Höhe von 3.000 € geleistet. Im selbständigen Beweisverfahren hat der vom Gericht beauftragte Sachverständige den Mangel bestätigt und voraussichtliche Mangelbeseitigungskosten in Höhe von brutto 1.650 € veranschlagt. Nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens hat das Landgericht den Wert des selbständigen Beweisverfahrens auf bis 500 € festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass das Gericht nach Einholung des Gutachtens den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers festzusetzen habe. Dies führe dazu, dass der Streitwert vorliegend auf die niedrigste Gebührenstufe anzusetzen sei, da nach den Feststellungen des Sachverständigen ein über die gezahlten 3.000 € hinausgehender Schaden nicht bestehe. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner, mit der er begehrt, den Streitwert auf 13.500 € festzusetzen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, dass dieser Wert der Wertvorstellung der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens entspreche.

II.

Die gemäß §§ 68 Abs. 1 GKG, 32 Abs. 2 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner hat nur zum Teil Erfolg. Der Streitwert für das selbständige Beweisverfahren ist in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung auf 1.650 € festzusetzen; eine Festsetzung auf 13.500 €, wie von dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner begehrt, kommt dagegen nicht in Betracht.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ist der vom Antragsteller bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert weder bindend noch maßgeblich. Das Gericht hat vielmehr nach Einholung des Gutachtens den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass dann, wenn im Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen sind, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären (vgl. BGH, Beschl. v. 16. September 2004 - III ZB 33/04, juris Rn. 18).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Wert des selbständigen Beweisverfahrens auf 1.650 € festzusetzen. Der Sachverständige hat den - im vorliegenden Verfahren einzig streitgegenständlichen - Mangel bestätigt und die diesbezüglichen Mangelbeseitigungskosten mit brutto 1.650 € veranschlagt. Dies ist nach den vorstehend gemachten Grundsätzen der "richtige" Hauptsachewert; entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kommt es auf die Wertvorstellung der Antragsteller zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, die sich im Nachhinein als objektiv unrichtig herausgestellt hat, nicht an.

3. Die vorstehend gemachten Ausführungen entsprechen zunächst auch denen, die das Landgericht in seinem Ausgangspunkt getätigt hat. Den hieran anknüpfenden weiteren Überlegungen des Landgerichts vermag sich der Senat dagegen nicht anzuschließen. Der Senat versteht die Argumentation des Landgerichts so, dass dieses gemeint hat, dass das selbständige Beweisverfahren deshalb keinen eigenständigen Wert habe und folglich die niedrigste Gebührenstufe anzusetzen sei (wobei allerdings dann das Landgericht den Streitwert konsequenterweise auf bis 300 € hätte festsetzen müssen), weil das Gutachten gerade nicht geeignet sei, in einem späteren Hauptsacheverfahren verwendet zu werden, da die vom Sachverständigen ermittelten Mangelbeseitigungskosten bereits den seitens der Antragsgegner gezahlten Entschädigungsbetrag unterschreiten würden.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Argumentation des Landgerichts geht nach dem Verständnis des Senats dahin, dass das "Interesse" (i. S. der Entscheidung des BGH, aaO., juris Rn. 18) nur darin bestehe, dass der Sachverständige Mangelbeseitigungskosten von mehr als 3.000 € ermittle, da alles andere für ihn im Hinblick auf die bereits erhaltene Entschädigung in Höhe dieses Wertes für ihn wirtschaftlich ohne Bedeutung sei. Mit dieser Argumentation aber würde das Landgericht nach Auffassung des Senats im Ergebnis doch wieder maßgeblich auf die subjektive Vorstellung des Antragstellers von der Höhe der Mangelbeseitigungskosten abstellen, was nach der o. g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber gerade nicht maßgeblich sein soll. Im Übrigen ist anzumerken, dass es für die Antragsteller auch bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden durchaus von Interesse sein kann, dass der Sachverständige überhaupt den von ihnen behaupteten Mangel feststellt, auch wenn er bei den diesbezüglichen Mangelbeseitigungskosten unter dem Betrag bleibt, den sie von der Gegenseite bereits vorab erhalten haben. Denn unter Umständen müssen die Antragsteller bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden damit rechnen, dass die Gegenseite die - ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens - zu viel bezahlten Beträge zurückfordert. Es muss daher auch bei einer Fallkonstellation wie der vorliegenden nach Auffassung des Senats dabei verbleiben, dass maßgeblich für die Wertfestsetzung allein die vom Sachverständigen ermittelte Höhe der Mangelbeseitigungskosten (soweit dieser - wie hier - dem Grunde nach alle streitgegenständlichen Mängel bestätigt) ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 68 Abs. 3 GKG, 32 Abs. 2 RVG.