Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 21.07.2023, Az.: VgK-16/2023

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
21.07.2023
Aktenzeichen
VgK-16/2023
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 45831
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
1. den xxxxxx,
- Antragsgegner zu 1 -
2. den xxxxxx,
- Antragsgegner zu 2 -
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
wettbewerbsfreie Beschaffung eines Fachverfahrens zur Kraftfahrzeugzulassung, bekannt gemacht als "xxxxxx" hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende ORR'in von dem Knesebeck, MR Gause als hauptamtlicher Beisitzer und die ehrenamtliche Beisitzerin M. A. Kehl im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin durch die festgelegte Dauer der Interimsvergabe des Antragsgegners zu 1 in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt ist. Der Interimsvertrag mit der Beigeladenen ist unwirksam, soweit die Vertragslaufzeit über den für die Vorbereitung, Durchführung und den rechtswirksamen Abschluss eines europaweiten förmlichen Vergabeverfahrens erforderlichen Zeitraum von 12 Monaten hinausgeht.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag gegen den Antragsgegner zu 1 zurückgewiesen.

  2. 2.

    Der Nachprüfungsantrag gegen den Antragsgegner zu 2 wird als unzulässig zurückgewiesen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  4. 4.

    Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin zu 2/3 und der Antragsgegner zu 1 zu 1/3 zu tragen. Der Antragsgegner zu 1 ist jedoch von der Entrichtung des auf ihn entfallenden Kostenanteils befreit.

  5. 5.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner zu 1 zu 2/3 und dem Antragsgegner zu 2 in voller Höhe die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Der Antragsgegner zu 1 hat der Antragstellerin zu 1/3 die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war sowohl für die Antragstellerin als auch für die Antragsgegner zu 1 und zu 2 notwendig.

Begründung

I.

Die Antragsgegner sind als Landkreise für die Zulassung von Fahrzeugen zuständig. Im Wege einer Zweckvereinbarung haben sie der xxxxxx die Durchführung des Betriebs von IT-Fachverfahren übertragen, die wiederum die xxxxxx mit der Erbringung von IT-Leistungen beauftragt hat.

Die Antragsgegner haben bis 2022 für sich unter eigenen Vereinbarungen die xxxxxx mit der Bereitstellung eines IT-Fachverfahrens für die Kfz-Zulassung (xxxxxx, nachfolgend "Altverfahren") beauftragt. Dieses Altverfahren ist eine Entwicklung der xxxxxx, die Gesellschafterin der Beigeladenen ist. Die xxxxxx bietet die Bereitstellung des Verfahrens nur über ihre Tochtergesellschaft - die Beigeladene - an. Zum 31.12.2022 hat die xxxxxx bzw. die Beigeladene die Wartung und Pflege des Altverfahrens gegenüber der xxxxxx gekündigt.

Die xxxxxx hat daraufhin zwischen den Jahren 2021 und 2022 gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern das Vergabeverfahren "Lieferung und Installation des Kfz-Zulassungsverfahrens" zur gemeinsamen Beschaffung von Software zur Verwendung in Kfz-Zulassungsstellen erfolgreich durchgeführt. Die Antragstellerin hat den Zuschlag erhalten. Auftragsgegenstand war die Ablösung des bisherigen Altverfahrens der Beigeladenen. Unstimmigkeiten aus diesem Verfahren führten zu einem Nachprüfungsantrag der Beigeladenen vor der hiesigen Kammer (VgK-05/2022) sowie vor dem OLG Celle (Az. 13 Verg 3/22), da die Beigeladene u.a. eine Mindestanforderung nicht erfüllen konnte.

Im Juli 2022 erfolgten die ersten Koordinationsgespräche für eine potentielle Migration vom Altverfahren zum Neuverfahren zum Stichtag 01.01.2023 zwischen den Antragsgegnern und der xxxxxx. Zum Stichtag 01.01.2023 haben die Antragsgegner unabhängig voneinander die xxxxxx mit der Bereitstellung des neuen IT-Fachverfahren xxxxxx der xxxxxx (nachfolgend "Neuverfahren") für die Kfz-Zulassung und mit der Migration der Daten des Altverfahrens in das Neuverfahren beauftragt. Eine direkte Beauftragung der Antragstellerin durch die Antragsgegner hat nicht stattgefunden. Zwischen der Antragstellerin und den Antragsgegnern bestehen keine Vertragsbeziehungen.

Der Antragsgegner zu 2 beauftragte mit Schreiben vom 08.08.2022 die xxxxxx mit der zur Verfügungstellung des Neuverfahrens. Der Antragsgegner zu 1 beauftragte am 06.12.2022 die xxxxxx ebenfalls mit der Zurverfügungstellung des Neuverfahrens.

Mit E-Mail vom 15.11.2022 wies die xxxxxx den Antragsgegner zu 2 darauf hin, dass eine Umstellung der Verfahren zum 01.01.2023 mit "erheblichen Risiken" verbunden sei. Die Migrationsroutinen seien noch nicht fertiggestellt. Der Produktivtermin solle daher in das erste Quartal 2023 gelegt werden. Dennoch wurde die Migration auf Drängen der xxxxxx zum 01.01.2023 durchgeführt, obgleich die xxxxxx, als auch die Antragstellerin zuvor selbst von der Umstellung abrieten. Durch die Umstellung kam es zu Kunden-Wartezeiten von über 4 Stunden, so dass innerhalb der regulären Servicezeiten der Zulassungsstelle die Anfragen der Bürgerinnen und Bürger nicht bearbeitet werden konnten. Es kam zum Teil zu außerplanmäßigen Schließungen einzelner Zulassungsstellen.

Es gelang auch in der Folgezeit nicht, das Neuverfahren in einen abnahmebereiten Zustand zu versetzen.

Mit einer Beschlussvorlage vom xxxxxx.2023 stellte die Verwaltung des Antragsgegners zu 2 für den Kreisausschuss die in Aussicht gestellten Kosten xxxxxx für die Migration, Lizenz und Schulung etc. dar. Und erläutert:

"xxxxxx war zwar in den laufenden monatlichen Kosten günstiger, aber trotzdem ist xxxxxx wirtschaftlicher. Es können mehr Vorgänge in gleicher Zeit bearbeitet werden und die Fehlerquote ist geringer. Das bewährte Verfahren wird nun sogar günstiger - xxxxxx €/mtl.) im Vergleich zu den Vorjahren. Hierzu und bzgl. weiterer Einsparungen auf Grund der Effektivität wird auf die Anlage (1) verwiesen."

ln der Anlage 1 "Kostendarstellung" (vgl. Seite 19 des Vergabevermerks xxxxxx) werden zunächst die angesetzten Kosten der bisherigen Migration sowie die dazugehörigen monatlichen Verfahrenskosten aufgezeigt. Im Anschluss werden die Kosten der (Rück-) Migration zu xxxxxx, unterteilt nach den Kosten für die einmalige Migration der Altdaten sowie den Kosten für die monatliche Verfahrenskosten, dargestellt. Außerdem wird - entsprechend der vorgenannten Erläuterungen in der Beschlussvorlage - dargestellt, dass die monatlichen Kosten bis zum 31.12.2022 höher waren, als die nunmehr veranschlagten monatlichen Kosten.

Daraufhin beschloss der Kreisausschuss des Antragsgegners zu 2 am xxxxxx.2023 den Ausstieg vom Neuverfahren und die übergangsweise Reaktivierung des Altverfahrens, wenn nicht die xxxxxx bis spätestens zum 28.02.2023 sämtliche Defizite im Verfahren beseitigen würde. Mit Schreiben vom 17.02.2023 teilte der Antragsgegner zu 2 dies der xxxxxx mit.

Der Antragsgegner zu 1 setzte seinerseits der xxxxxx eine Frist bis zum 28.02.2023 zur Mangelbeseitigung, die verstrich. Mit dem Update des Systems vom 04.03.2023 sollten die Fehler des Neuverfahrens behoben werden. Der Antragsgegner zu 1 war jedoch am 06.03.2023 nicht in der Lage, produktiv Anträge zu bearbeiten.

Das durch den Antragsgegner zu 1 eingeschaltete Justiziariat, als auch das Rechnungsprüfungsamt sind zu der Einschätzung gelangt, dass zur Aufrechterhaltung der Verwaltungsleistungen eine Dringlichkeitsvergabe als Interimsvergabe erfolgen könne. Beide sind zu diesem Zeitpunkt von einer Überschreitung des EU-Schwellenwertes ausgegangen, weshalb eine Beschlussvorlage für den Kreisausschuss erstellt wurde.

Aufgrund der aus Sicht des Antragsgegners zu 1 erforderlichen anderweitigen Beauftragung, um zum Fachverfahren xxxxxx zurückzukehren, wurde mit Datum vom 14.02.2023 eine Kostendarstellung zum KfZ-Zulassungswesen erstellt.

Im Rahmen dieser Kostendarstellung wurden neben den Kosten der bisherigen Migration zu xxxxxx auch die Kosten der (Rück-) Migration zu xxxxxx dargestellt. Die für die Rückmigration anberaumten Kosten basierten dabei auf dem Angebot der Beigeladenen vom 22.06.2022. Es wurden dabei einmalige Kosten für die Migration der Altdaten als auch monatliche Verfahrenskosten aufgeführt.

Eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Leistungsbestandteile enthielt die Kostenvorlage nicht. Die Kostenannahme wurde nicht auf einen bestimmten Zeitraum hochgerechnet.

Mit Stand vom 17.02.2023 wurde eine Bewertung zur Ausschreibungspflicht der Ersatzbeschaffung durch das Rechnungsprüfungsamt vorgenommen. Dabei wurde ein voraussichtliches Auftragsvolumen, aufgrund des an die xxxxxx zu zahlendem Entgelt zugrunde gelegt.

In der Sitzung vom xxxxxx.2023 beschloss der Kreisausschuss des Antragsgegners zu 1, dass der Landrat beauftragt wird, die Zusammenarbeit mit der xxxxxx zu beenden und unter Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Rahmen einer Dringlichkeitsvergabe ein Kfz-Zulassungsverfahren einzuführen.

Beide Antragsgegner entschieden sich den Vertrag mit der xxxxxx zu kündigen und den Verfahrenshersteller des Altverfahrens über die Beigeladenen zu beauftragen und das schon zuvor bestehende Altverfahren, in welches die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zulassungsstellen und der IT-Abteilung der Antragsgegner bereits eingearbeitet und geschult waren, wieder übergangsweise in Betrieb zu nehmen.

Der Antragsgegner zu 2 fragte ein Angebot bei der Beigeladenen an, welches diese mit Schreiben vom 09.03.2023 übermittelte. Der Antragsgegner zu 1 erbat ebenfalls von der Beigeladenen ein Angebot, welches am 13.03.2023 vorgelegt wurde. Beide Angebote bewegten sich, bezogen auf eine Laufzeit von bis zu 24 Monaten, unterhalb des EU-Schwellenwertes.

Der Antragsgegner zu 2 beabsichtige die Vereinbarung eines Aufhebungsvertrages, welcher am 13.03.2023 durch die xxxxxx abgelehnt wurde.

Die übermittelten Mängellisten der beiden Antragsgegner wurden mit anwaltlichem Schreiben vom 21.03.2023 durch die xxxxxx zurückgewiesen.

Das Angebot der Beigeladenen wurde am 22.03.2023 durch den Antragsgegner zu 1 angenommen. Mit Schreiben vom 22.03.2023 nahm der Antragsgegner zu 2 das Angebot der Beigeladenen an und beauftragte zeitgleich eine rechtliche Stellungnahme zur Prüfung der Möglichkeit einer Dringlichkeitsvergabe, die durch den Rechtsbeistand der Antragsgegner bejaht wurde.

Die Antragstellerin wurde im März 2023 durch Presseberichterstattung darauf aufmerksam, dass beide Antragsgegner die Beschaffung eines anderen Systems beabsichtigen. Woraufhin diese gegenüber den Antragsgegnern die Besorgnis äußerte, dass durch die parallele Neubeschaffung der bestehende Vertrag "leerlaufen" würde.

Am xxxxxx.2023 veröffentlichte der Antragsgegner zu 1 die Auftragsvergabe an die Beigeladene auf ihrer Homepage unter Verweis auf § 8 Abs. 4 Nr. 10 UVgO. Aufgrund eines Hinweises wurde die Veröffentlichung der Auftragsvergabe am xxxxxx.2023 korrigiert und als Rechtsgrundlage der § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO angeführt. Am xxxxxx.2023 gab der Antragsgegner zu 2 auf seiner Homepage ebenfalls die Auftragsvergabe an die Beigeladene bekannt. Eine Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union erfolgte in beiden Fällen nicht.

Mit Schreiben vom 04.05.2023, in dem sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Mängel aufgeführt wurden, erklärte sowohl der Antragsgegner zu 1 als auch der Antragsgegner zu 2 gegenüber der xxxxxx den sofortigen Rücktritt, hilfsweise die Kündigung mit sofortiger Wirkung vom Vertrag.

Die Antragstellerin stellte mit anwaltlichem Schreiben vom 05.05.2023 bei den Antragsgegnern Nachfragen zur Auftragswertschätzung, gemeinsamen Beschaffung und zur wettbewerbsfreien Beauftragung der Beigeladenen. Diese Nachfragen wurden durch beide Antragsgegner jeweils mit anwaltlichem Schreiben von 10.05.2023 unter Einhaltung der Grenzen des Auskunftsanspruchs beantwortet. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Schreiben als Rüge gewertet wurde.

Am 19.05.2023 reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag ein.

Die Antragstellerin trägt vor, dass sie aufgrund ihrer Stellung als Wettbewerbsunternehmen davon ausgehe, dass der tatsächliche Auftragswert des hier angegriffenen öffentlichen Auftrages signifikant höher liege, als wie von den Antragsgegnern behauptet; der EU-Schwellenwert mithin überschritten sei. Dies wird damit begründet, dass der Leistungsgegenstand sowohl die Lieferung eines Fachverfahrens zur Kfz-Zulassung nebst Installation und Migration von Datenbeständen als auch den Betrieb dessen über einen Zeitraum von 24 Monaten umfasse. Zum Betrieb zählten das sog. Servicing, d.h. Wartungs- und Pflegeleistungen, sowie insbesondere das sog. Hosting, d.h. der Betrieb über Rechenzentrumsleistungen des Auftragnehmers. Auch habe die Antragstellerin bei eigenständigen Recherchen zwei Auftragsbekanntmachungen gefunden, die neben dem Fachverfahren zur Kfz-Zulassung noch Funktionen zur Fahrerlaubnisbearbeitung enthielten, dafür jedoch keine Hosting-Leistungen enthielten und dennoch ca. xxxxxx € und xxxxxx € über dem Schwellenwert gelegen hätten.

Die Antragstellerin geht darüber hinaus davon aus, dass die Antragsgegner einen einheitlichen öffentlichen Auftrag künstlich aufgespalten hätten, in der Absicht, die Anwendung des 4. Teil des GWB zu umgehen. Es sei ein derart kollusives Zusammenwirken der beiden Antragsgegner festzustellen, so dass tatbestandlich von einem einheitlichen Auftrag ausgegangen werden müsste.

Die Antragstellerin habe auch ein Interesse am Auftrag. Dem stehe nicht entgegen, dass sie das Neuverfahren geliefert habe, das die Antragsgegner nun abzulösen gedenken. Die Antragstellerin könne als leistungsfähiges Unternehmen individuelle und vom Leistungsgegenstand früherer Aufträge abweichende Leistungsangebote über Fachverfahren zur Kfz-Zulassung erstellen. Durch die Nichtberücksichtigung ihres potentiellen Angebots werde sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Es liege insbesondere keine besondere Dringlichkeit vor, die eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ermöglicht, da mit dem Neuverfahren ein betriebsfähiges Fachsystem vorliege, das jedenfalls dem öffentlichen Interesse gerecht werde sowie Kfz-Zulassungsdienstleistungen rechtssicher, dauerhaft und ununterbrochen adäquat anbiete. Es werde daher auch explizit bestritten, dass eine nähere Beschreibung etwaiger Mängel des durch die Antragstellerin gelieferten Fachverfahrens erfolgt sei.

Selbst wenn die Interimsvergabe an die Beigeladene durch eine bestehende Dringlichkeit gedeckt sein sollte, so sei die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb mit nur einem Bieter unzulässig. Aus ihrer Beschaffungspraxis und auch der Beteiligung am Vergabeverfahren 2022 sei den Antragsgegner bewusst gewesen, dass weitere Wettbewerber in der Lage seien, kurzfristig ein Fachverfahren zur Kfz-Zulassung zu liefern und gegebenenfalls auch auf Servern anderer Rechenzentren zu betreiben.

Zudem sei der zu betrachtende Zeitraum von 24 Monaten für eine interimsweise Beauftragung der Beigeladenen völlig überdehnt. In diesem Zusammenhang dränge sich auch die Vermutung auf, dass die Antragsgegner mit der Beigeladenen nicht jeweils einen Vertrag, sondern eine Mehrzahl von Verträgen geschlossen haben. Die Antragsgegner würden die eingeschränkte Überprüfbarkeit von Interimsvergaben dafür ausnutzen, einen einheitlichen Beschaffungsbedarf künstlich aufzuspalten.

Darüber hinaus sieht die Antragstellerin sich dadurch in ihren Rechten verletzt, dass ohne ihre Möglichkeit zur Beteiligung am Wettbewerb ein Folgeauftrag vergeben wurde, obwohl zumindest zu diesem Zeitpunkt ein wirksames Vertragsverhältnis aufgrund eines öffentlichen Auftrags über denselben Bedarf bestanden habe. Durch die zweifache Deckung des Bedarfes sei eine Vergaberechtsverletzung zulasten der Antragstellerin eingetreten, weil das bestehende Vertragsverhältnis durch die ausbleibenden Abrufe von Serviceleistungen faktisch "leerlaufe", wodurch der Antragstellerin Mindereinahmen und damit ein nicht unerheblicher Schaden entstünden.

Ein Anspruch der Antragstellerin auf Untersagung des weiteren Auftragsvollzugs sei ebenfalls begründet. Sinn und Zweck von § 169 Abs. 3 Satz 1 GWB spreche dafür, einstweilige Maßnahmen auch auf Sachverhalte anzuwenden, in denen nach § 135 Abs. 1 GWB gerade die Wirksamkeit eines weiten Auftrags in Frage stehe. § 169 Abs. 3 Satz 1 GWB solle effektiven Rechtsschutz ermöglichen, wenn das Zuschlagsverbot nach § 169 Abs. 1 GWB nicht ausreiche. Dieser Fall sei mit den Fällen rechtswidriger de-facto-Vergaben vergleichbar, weil eine weitere Durchführung eines möglicherweise entgegen § 135 Abs. 1 GWB erteilten Auftrag anders nicht verhindert werden könne.

Mit Schriftsatz vom 16.05.2023 beantragt die Antragstellerin für eine zweckentsprechende Verteidigung ihrer Rechtsposition, insbesondere in Bezug auf eine etwaige Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages, eine weitergehende Akteneinsicht. Hierfür sei erforderlich, dass der Antragstellerin die Auftragswertschätzungen sowie die dazugehörigen Angebote ungeschwärzt zugänglich gemacht werden. Die Antragstellerin könne sich kein Bild von dem Leistungsumfang machen, der für einen Betrag unterhalb des Schwellenwertes beauftragt worden ist, auch könne sie die Entscheidungsprozesse der Auftraggeber ohne eine entsprechende Akteneinsicht nicht nachvollziehen. Die Antragstellerin bestreitet, dass es sich bei den geschwärzten bzw. womöglich nicht übersandten Bestandteilen der Vergabeakten um Geschäftsgeheimnisse i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG handelt. Selbst wenn es sich um Geschäftsgeheimnisse handele, stelle dies nicht automatisch einen Hinderungsgrund bezüglich einer Akteneinsicht dar. Denn Akteneinsicht in unternehmensbezogene Geheimnisse komme auch insoweit in Betracht, als deren Kenntnis entscheidungserheblich ist und andere Möglichkeiten zur Sachaufklärung nicht bestehen.

Nach durchgeführter Akteneinsicht vertiefte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 13.07.2023 ihren Vortag insbesondere zur Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags: Die Akteneinsicht habe bestätigt, dass der maßgliche Schwellenwert überschritten sei. Zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Rechtsschutz durch den Bestandsdienstleister hätten die Antragsgegner der Auftragswert ausschließlich anhand des vertraglichen Gegenstandswerts "geschätzt", wie er von dem Wettbewerber tatsächlich angeboten wurde, und dem Unterschwellenbereich zugeordnet. Die Antragsgegner zu 1 und 2 hätten bereits dadurch gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Auftragswertschätzung aus § 3 VgV verstoßen, dass sie den konkreten Bedarf bzw. den konkreten Leistungsgegenstand nicht ordnungsgemäß ermittelt und dokumentiert haben. An keiner Stelle in dem der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Teil der Vergabeakte sei abschließend und eindeutig dokumentiert worden, welche Positionen bzw. Einzelleistungen zu beauftragten Leistungsgegenstand gehören. Aus den im Rahmen der erweiterten Akteneinsicht zur Verfügung gestellten Angebotsschreiben der Beigeladenen gehe hervor, dass auch die Beigeladene davon ausgeht, die für den Betrieb ihres Fachverfahrens notwendigen Lizenzen seien nicht Gegenstand ihres angebotenen Leistungsumfangs. Aus Sicht der Beigeladenen müssten die Lizenzen jeweils von der xxxxxx auf die Antragsgegner zu 1 und 2 übertragen werden. Eine solche Lizenzübertragung, wie sie seitens der Beigeladenen offenbar vorausgesetzt werde, sei jedoch tatsächlich nicht erfolgt.

Insgesamt hätten die Antragsgegner eine ordnungsgemäße Auftragswertschätzung nicht durchgeführt, geschweige denn dokumentiert. Es fehle bereits an einer ordnungsgemäßen Markterkundung.

Aus der in der Vergabeakte des Antragsgegners zu 1 enthaltenen "Kostendarstellung" ergebe sich, dass der maßgebliche Schwellenwert selbst bei einer isolierten Betrachtung nur des Interimsauftrags des Antragsgegners zu 1 überschritten werde. Aus diesem Vermerk folge, dass dem Antragsgegner zu 1 für den bisherigen Auftrag der Beigeladenen monatliche Kosten i. H. v. xxxxxx € entstanden sind. Diese habe er offenbar dem hier streitgegenständlichen Auftrag als Anhalt zugrunde gelegt. Dies würde bei einer Betrachtung für den Zeitraum des Interimsauftrags von 24 Monaten zu Gesamtkosten i. H. v. xxxxxx € führen. Damit würde der geschätzte Auftragswert selbst nach den Berechnungsgrößen des Antragsgegners zu 1 deutlich oberhalb des Schwellenwertes i. H. v. 215.000 € liegen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass das Angebot der Beigeladenen selbst unterhalb des EU-Schwellenwertes liegen sollte.

Aber auch der Antragsgegner zu 2 habe im maßgeblichen Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftragswert nicht ordnungsgemäß geschätzt. Er habe sich vielmehr unzulässigerweise offenbar nur auf ein freihändig eingeholtes Angebot der Beigeladenen bezogen.

Im Übrigen geht die Antragstellerin nach wie vor davon aus, dass die Auftragswerte beider Antragsgegner für die Auftragswertschätzung hinsichtlich des Schwellenwertes zusammenzuziehen sind, weil vorliegend eine faktische Einkaufsgemeinschaft aus den Antragsgegnern zu 1 und 2 erfolgt sei. Es liege eine Koordinierung der Beschaffungsvorhaben und Bündelung der Bedarfe vor. So hätten beide Antragsgegner am selben Tag wortgleiche Schreiben and die xxxxxx gesandt. Auch lägen inhaltsgleiche Vermerke zur Rechtfertigung der Direktbeauftragung vor. Die Angebotsschreiben der Beigeladenen an die Antragsgegner seien inhaltsgleich. Schließlich sei auch die Angebotsannahme am selben Tag mit wortgleichem Text erfolgt. Zudem seien gleichlautende ex post-Bekanntmachungen und eine gleichzeitige Berichtigung erfolgt.

Auch die letzte Voraussetzung, die das OLG Celle für eine Gesamtbetrachtung der Aufträge aufgestellt habe, sei erfüllt. Die Antragsgegner hätten sich unmittelbar vor der Vergabe zu gesonderten Verträgen mit der Beigeladenen entschlossen. Obwohl sie ihr Vorgehen im Rahmen der Einkaufsgemeinschaft eng abgestimmt und Angebote für den gebündelten Bedarf eingeholt hätten, deren Konditionen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nur dem größeren Bedarf der Einkaufsgemeinschaft entsprachen, hätten die Antragsgegner gesonderte Verträge abgeschlossen. Diese Aufsplittung des gebündelten Bedarfs in zwei gleichartige Verträge sei ohne nachvollziehbare Erklärung erfolgt.

Da es seitens der Antragsgegner zu 1 und 2 an einer ordnungsgemäßen Auftragswertschätzung mangele, werde die Vergabekammer ersucht, an ihrer statt eine sach- und marktgerechte Auftragswertschätzung aus ex-ante-Sicht vor Einleitung des Vergabeverfahrens vorzunehmen.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit nur einem Bieter sei für diese Interimsvergabe weder aufgrund äußerst dringlicher, zwingender Gründe gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV noch aufgrund einer technischen Alleinstellung der Beigeladenen gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b VgV zulässig.

Zudem sei die Dauer des Interimsauftrags von 24 Monate völlig überdehnt und nicht zuletzt wegen des Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unzulässig. Schon gar nicht seien die Antragsgegner zu 1 und 2 - alternativ zu § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV - berechtigt, den Interimsauftrag an die Beigeladene wettbewerbsfrei gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) VgV zu vergeben. Die von den Antragsgegnern zur Begründung bemühten, vermeintlichen technischen Alleinstellungsmerkmale, die einen Wettbewerb obsolet machen würden, lägen bei der Beigeladenen nicht vor.

Die Interimsbeauftragung der Beigeladenen durch die Antragsgegner zu 1 und 2 verstoße zudem gegen das Verbot der Doppelvergabe.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    sämtliche im Wege der wettbewerbsfreien Beschaffung vom 22.03.2023, "das Anwendungsverfahren xxxxxx im Rechenzentrum der xxxxxx einzurichten und sicherzustellen", geschlossenen Verträge zwischen dem Antragsgegner zu 1 und der Beigeladenen einerseits sowie zwischen dem Antragsgegner zu 2 und der Beigeladenen andererseits für von Anfang an unwirksam und nichtig zu erklären,

  2. 2.

    den Antragsgegnern zu 1 und 2 gemäß § 169 Abs. 3 Satz 1 GWB mit sofortiger Wirkung den weiteren Vollzug der unter Ziffer 1. bezeichneten Verträge bis zur Bestandskraft einer Entscheidung über den Antrag zu Ziffer 1. zu untersagen,

  3. 3.

    weitergehende Akteneinsicht hinsichtlich der Bedarfsermittlung, von Anzahl, Umfang und Gegenstand der zwischen den Antragsgegnern und der Beigeladenen bezeichneten Verträge sowie insbesondere der Auftragswertschätzung.

Die Antragsgegner beantragen,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, da der EU-Schwellenwert in Höhe von 215.000 € nicht überschritten werde. Die Antragsgegner hätten jeweils für sich im Rahmen einer Auftragswertschätzung für die Interimsvergabe, für eine Dauer von maximal 24 Monaten, einen Auftragswert unterhalb des EU-Schwellenwertes geschätzt. Diese Schätzungen würden auf den jeweiligen unabhängigen Angeboten der xxxxxx und der Beigeladenen basieren. Eine gemeinsame Ausschreibung der Antragsgegner sei nicht erfolgt, es handele sich um zwei rechtlich selbstständige Gebietskörperschaften und damit um zwei selbstständige öffentliche Auftraggeber. Aufgrund der Tatsache, dass in den Landkreisen xxxxxx, xxxxxx und xxxxx kaum noch in einer annehmbaren Zeit Zulassungsleistungen haben erbracht werden können, hätten sich die Antragsgegner, die beide vom selben Altverfahren der Beigeladenen kamen, bezüglich der Erfahrungen des Neuverfahrens ausgetauscht und dabei ihre Kapazitäten zur Fehlerbeseitigung und Ertüchtigung des mangelhaften Verfahrens gebündelt. Dies betreffe jedoch gerade nicht die interimsweise Beauftragung der Beigeladenen.

Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet, weil die Voraussetzungen für eine Interimsvergabe gegeben seien. Auch eine Vergabe der Leistung im Wege eines anderen vorrangigen Verfahrens sei aufgrund der eintretenden Zäsur ausgeschieden. Die vorzubereitenden Maßnahmen zur Erstellung der Vertrags- und Vergabeunterlagen hätte mindestens zwei bis drei Wochen in Anspruch genommen, auch hätten die Antragsgegner nicht auf die Unterlagen des Vorverfahrens zurückgreifen können, da diese nicht von der xxxxxx übergegeben worden seien. Selbst bei verkürzten Angebotsfristen und einer zügigen Auswertung wäre mit einer weiteren Zäsur von sechs bis acht Wochen zu rechnen gewesen, wobei im Anschluss eine Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für das neue Verfahren hätte stattfinden sowie eine Migration der Bestandsdaten hätte erfolgen müssen. Mit einer Wiederaufnahme des Zulassungsbetriebes sei daher erst in drei bis vier Monaten zu rechnen gewesen.

Auf die Einholung von Vergleichsangeboten habe verzichtet werden können, weil sich in dem zuvor durch die xxxxxx durchgeführten Vergabeverfahren lediglich die Beigeladenen sowie die Antragstellerin haben durchsetzen können, so dass kein abweichendes Ergebnis für die Interimsvergabe erwartet werden konnte.

Auch sei der gewählte Zeitraum von 24 Monaten für eine Dringlichkeitsvergabe nicht zu lang angesetzt. Bei IT-Leistungen handele es sich um komplexe Leistungen, die es dem Auftraggeber nicht ermöglichen würden, unmittelbar nach Zuschlag die neue Leistung in Anspruch zu nehmen. Durch den Ansatz von 24 Monaten solle der Zeitraum der Vorbereitung, die eigentliche Durchführung der Vergabe, eine Testphase, in der die angebotene Leistung tatsächlich zur Aufdeckung von Angebotsdefiziten getestet wird als auch den anschließenden Migrationszeitraum abdecken.

Die Umstellung auf das Altverfahren sei durch die bereits eingetretene Zäsur bei der Bearbeitung der Zulassungsanträge notwendig gewesen, weil beiden Antragsgegnern erhebliche Nachteile durch potentielle Schadensersatzansprüche der Bürgerinnen und Bürgern gedroht hätten, denen eine Zulassung und damit die Inbetriebnahme der Fahrzeuge, aber auch Ab- und Ummeldungen nicht möglich waren. Beispielsweise hätten Kurzzeitkennzeichen für Probe- und Überführungsfahrten nicht in einer angemessenen Zeit bereitgestellt werden können. Aufgrund des beginnenden Frühlings sei in beiden Landkreisen mit einer steigenden Anzahl der Fallzahlen für Zweiräder und Saisonkennzeichen zu rechnen gewesen.

Der Verfahren der Antragstellerin ermögliche keine Bearbeitung der Zulassungsvorgänge entsprechend der gesetzlichen Anforderungen. Das Neuverfahren weise, neben dem Migrationsproblem, entgegen der durch die xxxxxx gegenüber den Antragsgegnern zugesicherten Leistungsinhalten, diverse inhaltliche Mängel auf, die zum einen ein performantes Arbeiten nicht möglichen machen würden und zum anderen rechtliche Anforderungen an die Kfz-Zulassung nicht erfüllten. Diese Mängel seien der xxxxxx durch die Antragsgegner mehrfach mit der Bitte um Abhilfe und Bereitstellung eines dem Leistungsversprechen genügenden IT-Verfahrens angezeigt worden.

Zudem sei es zu einem Austausch des Antragsgegners zu 2 mit dem xxxxxx gekommen, bei dem seitens des xxxxxx darauf hingewiesen worden sei, dass das Verfahren der Antragstellerin Mitteilungen übersende, die nicht den Richtlinien der xxxxxx entsprächen.

Die Beigeladene hat bisher keine eigenen Anträge gestellt, sich jedoch wie folgt zum Antrag geäußert:

Bei dem in den Jahren 2021 und 2022 zur Beschaffung eines Kfz-Zulassungsverfahrens durchgeführten Vergabeverfahren erfolgte der Ausschluss des damaligen Angebots der Beigeladenen wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen und nicht aufgrund von Defiziten des von der Beigeladenen angebotenen IT-Verfahrens, wie es die Antragstellerin vortrage.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil die Werte beider Aufträge jeweils unter dem maßgeblichen Schwellenwert liegen. Bei den Beauftragungen der Beigeladenen durch den Antragsgegner zu 1 und den Auftraggeber zu 2 handele es sich um zwei voneinander unabhängige Vorgänge.

Zudem sei der Antrag auch unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Beschaffung mittels eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV seien erfüllt, da es sich bei der aus dem mangelhaften Zulassungsverfahren ergebenden Einschränkungen bei der Wahrnehmung von Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltung um einen dringlichen, zwingenden Grund im Sinne der Vorschrift handele, die den Antragsgegnern nicht zuzurechnen sei. Auch sei es den Antragsgegnern ausnahmsweise gestattet gewesen, das Verhandlungsverfahren nur mit der Beigeladenen durchzuführen, weil eine Angebotsanfrage bei den übrigen Bietern nicht ohne großen Zeitverlust möglich gewesen sei. Grund hierfür sei, dass das Verfahren der Beigeladenen bei den Antragsgegnern noch vorhanden gewesen sei und die Mitarbeiter im Umgang mit dem Verfahren der Beigeladenen geschult seien.

Die geplante Laufzeit von bis zu 24 Monaten sei in dem vorliegenden Fall in vergaberechtlicher Hinsicht zu rechtfertigen und auch erforderlich, um auf Seiten der Antragsgegner die dringend benötigte Kontinuität der Leistungserbringung tatsächlich und dauerhaft sicherzustellen. Die von den Antragsgegnern vorgelegte Kalkulation und Erwägungen im Hinblick auf ein neues Vergabeverfahren und die Einführung des Folgeverfahrens einschließlich Datenmigration sei in fachlicher Hinsicht zutreffend.

Der Antragstellerin stehe auch kein Anspruch auf erweiterte Akteneinsicht zu, da der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei. Zudem enthalte die erweiterte Akteneinsicht konkrete Angebotsinhalte und damit zentrale Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen.

Gemäß Verlängerungsverfügung vom 21.06.2023 wurde die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 28.07.2023 verlängert.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage gemäß § 166 Abs. 1 Satz 2 GWB zugestimmt.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise unzulässig. Bei den streitgegenständlichen Aufträgen handelt es sich um zwei separate Vergaben. Die Antragsgegner zu 1 und zu 2 haben die Interimsvergaben jeweils getrennt voneinander geprüft und durchgeführt. Gründe, die für einen gemeinsame Vergabe der Antragsgegner sprechen, liegen nicht vor (vgl. 1a).

Die einzige relevante Auftragswertschätzung des Antragsgegners zu 1 überschreitet den EU-Schwellenwert, so dass nach § 106 Abs. 1 GWB der 4. Teil des GWB anwendbar und die Vergabekammer zuständig ist. Der Antragsgegner zu 1 kann für die Auftragswertschätzung nicht auf ein bereits eingereichtes Angebot der Beigeladenen nach Einleitung des Vergabeverfahrens zurückgreifen. Die einzige in der Vergabeakte darüber hinaus enthaltene Kostenschätzung liegt bei der Berücksichtigung einer Laufzeit von 24 Monaten über dem Schwellenwert (vgl. 1b). Der geschätzte Auftragswert der streitgegenständlichen Vergabe des Antragsgegners zu 2 erreicht hingegen nicht den Schwellenwert. Nach § 106 Abs. 1 GWB ist der 4. Teil des GWB somit nicht anwendbar und die Zuständigkeit der Vergabekammer ist nicht gegeben (vgl. 1c).

Der in Bezug auf die Vergabe des Antragsgegners zu 1 zulässige Nachprüfungsantrag ist unbegründet, soweit die Antragstellerin die Interimsvergabe an sich beanstandet. Der zwischen dem Antragsgegner zu 1 und der Beigeladenen geschlossene Vertrag ist nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB insgesamt unwirksam. Der Antragsgegner zu 2 war berechtigt, ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unter Ausschluss des Wettbewerbs allein mit der Beigeladenen nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV durchzuführen. Es lagen äußerst dringende, zwingende Gründe, die auch bei maximaler Abkürzung der vorgesehenen Fristen für das offene und das nicht offene Verfahren sowie das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb deren Einhaltung nicht zuließen (vgl. 2a).

Soweit die Antragstellerin sich gegen die Dauer der Interimsvergabe von 24 Monaten wendet, ist der Nachprüfungsantrag hingegen begründet. Der Interimsvertrag ist unwirksam, soweit er über einen Zeitraum von max. 12 Monaten hinausgeht. Der Zeitraum für die Interimsbeauftragung darf als ultima ratio nur soweit bemessen werden, wie es erforderlich ist, die vom Antragsgegner zu 1 beabsichtigte Neuausschreibung eines Zulassungsverfahrens in einem ordnungsgemäßen, förmlichen Vergabeverfahren durchführen. Die Vergabekammer hält dafür einen Zeitraum von max. 12 Monaten für ausreichend und angemessen (vgl. 2b).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, soweit er die streitgegenständliche Beauftragung durch den Antragsgegner zu 1 betrifft. Soweit der Nachprüfungsantrag sich hingegen gegen die Vergabe des Antragsgegners zu 2 richtet, ist er unzulässig.

Bei den Antragsgegnern zu 1 und zu 2 handelt es sich um zwei selbständige öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB.

a. Die streitgegenständlichen Beauftragungen stellen auch zweifelslos zwei separate Vergaben dar, deren Auftragswerte nicht zu addieren sind.

Ausweislich der Vergabeakten haben sich die Antragsgegner zwar in Bezug auf die mangelhaften Leistungen der Antragstellerin im Rahmen des mit der xxxxxx geschlossenen Vertrages ausgetauscht, allerdings von einer gemeinsamen Ersatzbeschaffung zur Rückmigration des Fachverfahrens xxxxxx abgesehen, da die Antragsgegner teilweise unterschiedliche Leistungsanforderungen und technische Gegebenheiten haben, die gegen eine gemeinsame Vergabe sprachen.

Im Vergabevermerk des Antragsgegners zu 1 heißt es auf Seite 7 (xxxxxx Vermerk zum Vergabeverfahren Rückkehr zu xxxxxx):

"Aufgrund der sich zuspitzenden Situation in den Zulassungsstellen wurde in enger Zusammenarbeit mit dem ebenfalls betroffenen Landkreis xxxxxx diskutiert, ob eine gemeinsame Vergabe erfolgen soll.

Da der Landkreis xxxxxx zwingend die "Erweiterte Zuständigkeit" haben möchte, die beim Landkreis xxxxxx nicht erforderlich ist, sowie auch die angebotene Schnittstelle Kassenautomat nur für den Landkreis xxxxxx in Frage kommt und technische Unterschiede bezüglich den verwendeten Leitungen und Firewalls bestehen, ist eine gemeinsame Vergabe jedoch nicht angesagt."

Gründe, die dieser Aussage entgegenstehen könnten, sind aus den Vergabeakten nicht ersichtlich. Eine Vereinbarung der Antragsgegner zur gemeinsamen Auftragsvergabe liegt entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht vor. Die Beauftragung desselben Verfahrensbevollmächtigten und damit einhergehende gleichlautende Schriftsätze sind für das Vorliegen einer gemeinsamen Vergabe nicht ausreichend. Insbesondere wird dadurch keine faktische Einkaufsgemeinschaft begründet. Dies gilt ebenso für den Austausch, den die Antragsgegner untereinander vorgenommen haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Antragsgegner über die auftretenden Schwierigkeiten mit demselben Vertragspartner und Dienstleister austauschen, um ggf. auch zu erfahren, ob in dem jeweiligen anderen Landkreis Lösungsansätze gefunden werden konnten. Auch über eine mögliche Problembehebung ist gesprochen worden. Der Antragsgegner zu 2 tauschte sich ausweislich der Vergabeakte noch mit einem weiteren Landkreis aus (vgl. Seite 17 des Vergabevermerks xxxxxx). Die Entscheidung der jeweiligen Antragsgegner, jeweils zum Fachverfahren xxxxxx zurückzukehren, ist mehr als naheliegend. Beide Antragsgegner haben das Fachverfahren zuvor verwendet, so dass sie sich verständlicherweise durch die Rückkehr eine schnelle sowie reibungslose Wiederaufnahme der Tätigkeiten der Zulassungsstellen versprechen.

Hinzu kommt, dass weder der Antragsgegner zu 1 im Namen und auf Rechnung des Antragsgegners zu 2 handelte noch der Antragsgegner zu 2 im Namen und auf Rechnung des Antragsgegners zu 1. Es wurde auch keiner der Antragsgegner mit der Durchführung der Verfahren betraut. Eine Bündelung der Bedarfe liegt ebenfalls nicht vor. Die Vergabedokumentationen weichen voneinander ab, auch wenn sie in Teilen inhaltliche gleiche Schriftsätze enthalten. Dies ist einzig und allein in der Beauftragung desselben Verfahrensbevollmächtigten sowie dergleichen Problemstellung der Antragsgegner begründet.

Letztlich weichen auch die tatsächlich eingegangenen Angebote der Beigeladenen für den Antragsgegner zu 1 und den Antragsgegner zu 2 preislich voneinander ab. Die unterschiedlichen technischen Gegebenheiten und Voraussetzungen wirken sich somit auch monetär aus. Dies spiegelt sich auch in der mit Schriftsatz vom 13.07.2023 von der Antragstellerin nur gegenüber der Vergabekammer eingereichten beispielhaften Auftragswertschätzung wider. Die von der Antragstellerin vorgenommene Auftragswertschätzung für den Antragsgegner zu 2 liegt nur sehr knapp über dem Schwellenwert und die von der Antragstellerin vorgenommene Auftragswertschätzung für den Antragsgegner zu 1 übersteigt den Schwellenwert hingegen deutlich.

Zudem ist ausweislich der Vergabeakte des Antragsgegners zu 2 ebenfalls für das an die Interimsvergabe anschließende Vergabeverfahren keine gemeinsame Ausschreibung geplant (vgl. Seite 130 der Vergabeakte des xxxxxx). Auch insoweit wird auf unterschiedliche technische Voraussetzungen verwiesen:

"[...] Es gibt Unterschiede in den technischen Voraussetzungen und es soll eine Unabhängigkeit gewährleistet werden, damit nicht Ambitionen eines Landkreises Auswirkungen auf den anderen bedingen müssen, [...] Wir besprechen das grundsätzliche weitere Vorgehen, da dies für uns beide neu ist.

Jeder wird die für seinen Landkreis wichtigen Anforderungen an das neue Fachverfahren benennen, aber auch diejenigen, die an das neue Rechenzentrum und den zu erwartenden Service gestellt werden. Hier können wir uns gegenseitig dahingehend unterstützen, dass keine wichtigen Punkte in Vergessenheit geraten. [...]"

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin handelt es sich bei den streitgegenständlichen Beauftragungen um zwei separate Vergabeverfahren, die somit auch rechtlich separat zu behandeln und zu würdigen sind.

b. Der streitbefangene Auftrag des Antragsgegners zu 1 übersteigt allerdings den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 215.000 € gilt.

Gemäß § 3 Abs. 1 VgV ist bei der Schätzung des Auftragswerts vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen; etwaige Optionen oder Vertragsverlängerungen sind zu berücksichtigen.

Die Kostenschätzung ist als ein der eigentlichen Ausschreibung vorgeschalteter Vorgang (vgl. § 3 Abs. 3 VgV) mit Unsicherheiten und Unwägbarkeiten behaftet; sie kann daher nicht an den gleichen Maßstäben wie das Angebot der Teilnehmer am Ausschreibungsverfahren gemessen werden. Ihrem Gegenstand nach bildet sie eine Prognose, die dann nicht zu beanstanden ist, wenn sie unter Berücksichtigung aller verfügbarer Daten in einer der Materie angemessenen und methodisch vertretbaren Weise erarbeitet wurde (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.04.2022 - Verg 34/21; OLG Koblenz, Beschluss vom 01.09.2021 - Verg 1/21; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2019 - Verg 42/18; VK Bund, Beschluss vom 04.07.2022 - VK 2-58/22).

Methodisch setzt die Schätzung des Auftragswerts eine ernsthafte, realistische, vollständige und objektive Prognose voraus, die sich an den Marktgegebenheiten orientiert (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 01.09.2021 - Verg 1/21; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2017 - 13 Verg 1/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.2018 - Verg 14/17). Der Auftraggeber muss eine Methode wählen, die ein wirklichkeitsnahes Schätzergebnis ernsthaft erwarten lässt, und der Schätzung zutreffende Daten zugrunde legen (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28.01.2021 - 54 Verg 6/20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03. 2019 - Verg 42/18).

Pflichtgemäß geschätzt ist ein Auftragswert, den ein umsichtiger und sachkundiger öffentlicher Auftraggeber nach sorgfältiger Prüfung des relevanten Marktsegments und im Einklang mit den Erfordernissen betriebswirtschaftlicher Finanzplanung bei der geplanten Beschaffung veranschlagen würde (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O., m.w.N.; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2017 - 13 Verg 1/17).

Dem Auftraggeber steht bei der Ermittlung des Auftragswertes ein Beurteilungsspielraum zu, der im Nachprüfungsverfahren nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Kostenschätzung kann nur auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität geprüft werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.04.2022 - Verg 34/21; OLG Koblenz, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O.).

Die Erwägungen der Vergabestelle sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VgV im Vergabevermerk zu dokumentieren, wobei es ausreichend ist, die wesentlichen Aspekte niederzulegen. Weder muss die Vergabestelle jedes Detail ihrer Überlegungen festhalten, noch muss sie mit sachverständiger Hilfe vorab eine detaillierte Kostenschätzung in Form einer Preiskalkulation für alle Einzelpositionen der Leistungsbeschreibung vornehmen (OLG Düsseldorf a.a.O.).

Eine unterlassene Dokumentation kann aber - sogar noch im Beschwerdeverfahren - durch die Übergabe von Unterlagen geheilt werden, aus denen sich die Kosten des Vorhabens ergeben (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2017 - 13 Verg 1/17 Rn. 47). Ein vollständiger Ausschluss mit dem Vorbringen, das nicht dokumentiert ist, aber die Vergabeentscheidung rechtfertigen soll, würde dem Gebot der Beschleunigung des Vergabeverfahrens widersprechen und wäre eine bloße Förmelei (BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - X ZB 4/10, Rn. 73; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 - Verg 28/14). Ältere Entscheidungen, nach denen zur Gewährleistung eines transparenten Verfahrens und zum Ausschluss von Manipulationen ein ergänzender Vortrag der Vergabestelle nicht möglich sein sollte (OLG Celle, Beschluss vom 11.02.2010 - 13 Verg 16/09; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2004 - Verg 1/04), sind überholt. Die Transparenz des Verfahrens kann gewährleistet und der Gefahr von Manipulationen begegnet werden, indem die nachgereichten Unterlagen einer kritischen Würdigung unterzogen werden (OLG Schleswig, Beschluss vom 28.01.2021 - 54 Verg 6/20; ZfBR 2021, 580, beck-online).

Die einzige vom Antragsgegner zu 1 vorgenommene Kostenaufstellung vom 14.02.2023 vor Durchführung der Interimsvergabe erfüllt diese Anforderungen inhaltlich nur teilweise, liegt aber in jedem Fall über dem EU-Schwellenwert.

Ausweislich des Vergabevermerks hatte der Antragsgegner zu 1 aufgrund einer unklaren Lage, ob eine Ablösung des Fachverfahrens xxxxxx zum Ende des Jahres 2022 erfolgt, mit der Beigeladenen Kontakt aufgenommen und ein Angebot mit Schreiben vom 22.06.2022 erhalten (vgl. xxxxxx Vermerk zum Vergabeverfahren Rückkehr zu xxxxxx). Zu einem Vertragsschluss kam es allerdings nicht, da die Beigeladene in dem von der xxxxxx betriebenem Ausschreibungsverfahren ausgeschlossen und die Antragstellerin als Vertragspartnerin ausgewählt wurde.

Aufgrund von massiven Problemen bei der Migration des Fachverfahren xxxxxx hat sich der Antragsgegner zu 1 Anfang Februar 2022 mit einer Ersatzbeschaffung auseinandergesetzt, um zum Fachverfahrens xxxxxx zurückkehren zu können. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich für ihn ab, dass die xxxxxx und mitunter die Antragstellerin, die auftretenden Schwierigkeiten durch die Migration, nicht zeitnah beheben können. Die xxxxxx konnte nach Aussage des Antragsgegners zu 1 keine verlässliche Aussage treffen, wann eine Erfüllung gemäß Leistungsbeschreibung durch die xxxxxx und die Antragstellerin zu erwarten war.

Aufgrund der aus Sicht des Antragsgegners zu 1 erforderlichen anderweitigen Beauftragung, um zum Fachverfahren xxxxxx zurückzukehren, wurde mit Datum vom 14.02.2023 eine Kostendarstellung zum KfZ-Zulassungswesen erstellt (vgl. xxxxxx der Vergabeakte). Im Rahmen dieser Kostendarstellung wurden neben den Kosten der bisherigen Migration zu xxxxxx auch die Kosten der (Rück-) Migration zu xxxxxx dargestellt. Die für die Rückmigration anberaumten Kosten basierten dabei auf dem Angebot der xxxxxxx/der Beigeladenen vom 22.06.2022. Die Vergabekammer geht davon aus, dass es sich in der Kostenaufstellung um einen Tippfehler handelt und statt dem 02.06.2023 der 22.06.2023 gemeint ist (vgl. Seite 2., 5. Absatz, xxxxxx Vermerk zum Vergabeverfahren Rückkehr zu xxxxxxx). Es wurden dabei sowohl einmalige Kosten für die Migration der Altdaten als auch monatliche Verfahrenskosten aufgeführt.

Eine detaillierte Aufstellung der einzelnen Leistungsbestandteile enthielt die Kostenvorlage nicht. Die Kosten wurden auch nicht auf einen bestimmten Zeitraum hochgerechnet. Legt man allerdings den Zeitraum von 24 Monaten der mittlerweile geschlossenen Interimsvergabe zugrunde, ergibt sich ein voraussichtlicher Gesamtauftragswert über dem Schwellenwert.

Mit Stand vom 17.02.2023 wurde eine Bewertung zur Ausschreibungspflicht der Ersatzbeschaffung durch das Rechnungsprüfungsamt vorgenommen (vgl. xxxxxx). Dabei wurde ein voraussichtliches Auftragsvolumen, aufgrund des an die xxxxxx zu zahlendem Entgelt zugrunde gelegt.

Ein für den Antragsgegner zu 1 letzter Versuch der vollständigen Migration durch ein weiteres Update, welches wesentliche strukturelle Verbesserungen bringen sollte, scheiterte. Nach Einspielen des Updates am 05.03.2023 verschlechterte sich die Situation in der Zulassungsstelle erneut, so dass ein normales Arbeiten weiterhin nicht möglich war. Dem Beschlussvorschlag zu 2 wurde im Kreisausschuss am xxxxxx.2023 zugestimmt.

Daraufhin ließ sich der Antragsgegner zu 1 aufgrund telefonisch geführter Gespräche ein Angebot von der Beigeladenen am 13.03.2023 einreichen, welches zum einen detailliert alle Leistungsbestandteile aufführte und zum anderen unter Zugrundelegung einer Laufzeit von 24 Monaten unterhalb des hier relevanten EU-Schwellenwertes lag (vgl. xxxxxx).

Anhand des Angebots der Beigeladenen spezifizierte der Antragsgegner zu 1 seine Kostenschätzung (vgl. xxxxxx) und nahm erneut Kontakt zu seiner Vergabestelle und dem Rechnungsprüfungsamt auf.

Im Ergebnis kam der Antragsgegner zu 1 aufgrund seiner durch das Angebot der Beigeladenen aktualisierten und detaillierteren Kostenschätzung dazu, dass die Interimsvergabe den EU-Schwellenwert nicht überschritt und daher eine Direktvergabe nach den Regelungen der UVgO durchgeführt werden darf.

Die Bewertung des Antragsgegners zu 1 im Hinblick auf das Nichterreichen des EU-Schwellenwertes ist zu beanstanden.

Gemäß § 3 Abs. 3 VgV ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswerts der Tag, an dem die Auftragsbekanntmachung abgesendet wird oder das Vergabeverfahren auf sonstige Weise eingeleitet wird.

Ausschlaggebend für die Bewertung, ob der Schwellenwert überschritten ist oder nicht, kann damit nur eine Kostenschätzung sein, die vor der Einleitung des Vergabeverfahrens oder aber am Tag der Einleitung des Vergabeverfahrens durchgeführt wurde.

Ausweislich der Vergabeakte lag bis zum Tag der Einleitung des Vergabeverfahrens lediglich die Kostenschätzung im Rahmen der Kostenvorlage vom 14.02.2023 vor (vgl. xxxxxx - Vermerk Kostendarstellung xxxxxx der Vergabeakte), nach der der Schwellenwert überschritten wurde. Eine schriftliche Aufforderung zur Angebotsabgabe enthält die Vergabeakte nicht. Allerdings wird in dem Angebot der Beigeladenen auf Seite 1(vgl. xxxxxx) auf ein vorher geführtes Telefonat Bezug genommen:

"[...] wir nehmen Bezug auf die zwischen Ihnen und Herrn xxxxxx geführten Gespräche und bedanken uns für Ihr Interesse an einem Umzug und anschließenden Betriebs des Anwendungsverfahren xxxxxx im Rechenzentrum der xxxxxx. [...]."

Daraufhin reichte die Beigeladene am 13.03.2023 und damit nach telefonischer Einleitung des Vergabeverfahrens ein Angebot ein.

Für die Beurteilung und Schätzung, ob der Schwellenwert überschritten ist, kann der Antragsgegner zu 1 das Angebot nicht mehr heranziehen. Er hat es im Rahmen der Vorbereitung der Beschlussvorlagen und der Interimsvergabe versäumt, aktuelle Preisinformationen bei der Beigeladenen oder anderer Marktteilnehmer einzuholen. Im Rahmen der Kostenschätzung vom 14.02.2023 bezieht er sich lediglich auf Preise aus Juni 2022, die jedoch hochgerechnet auf einen Leistungszeitraum von 24 Monaten über dem Schwellenwert liegen. Weitere Kostenschätzungen, die eine Vergabe unterhalb der Schwellenwerte rechtfertigen könnten, liegen nicht vor, weshalb allein die Kostenschätzung vom 14.02.2023 als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden kann.

Die in diesem Rahmen angestellte Prognose des voraussichtlichen Auftragswertes des streitgegenständlichen Auftrags des Antragsgegners zu 1 überschreitet damit den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner zu 1 die Rückmigration zum Zulassungsverfahren xxxxxx ohne die Möglichkeit ihrer Angebotsabgabe direkt an die Beigeladene vergeben habe. Dem stehe nicht entgegen, dass sie das Neuverfahren geliefert habe, das der Antragsgegner zu 1 nun abzulösen gedenke. Die Antragstellerin könne als leistungsfähiges Unternehmen individuelle und vom Leistungsgegenstand früherer Aufträge abweichende Leistungsangebote über Fachverfahren zur Kfz-Zulassung erstellen. Durch die Nichtberücksichtigung ihres potentiellen Angebots werde sie in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/ Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).

Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag durch die vorgenannten Vorwürfe und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat den Verstoß auch rechtzeitig vor der Vergabekammer geltend gemacht.

Gemäß § 135 Abs. 1 GWB ist ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber gegen § 134 GWB verstoßen hat oder den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat, ohne dass dies aufgrund Gesetzes gestattet ist, und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Gemäß § 135 Abs. 2 GWB kann die Unwirksamkeit nach Abs. 1 jedoch nur festgestellt werden, wenn sie im Nachprüfungsverfahren innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als 6 Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht worden ist.

Der Antragsgegner zu 1 hat die Vergabe an die Beigeladene am xxxxxx.2023 bekanntgegeben (vgl. Anlage ASt 4). Eine Änderungsbekanntmachung erfolgte am xxxxxx.2023 (vgl. Anlage Ast 6). Die Antragstellerin rügte am 05.05.2023 mit anwaltlichem Schriftsatz die Direktvergabe. Einer solchen Rüge hätte es allerdings nicht bedurft. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB gilt die Rügeobliegenheit nach Satz 1 nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit eines ohne die gebotene Ausschreibung vergebenen Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB.

Einen Nachprüfungsantrag reichte die Antragstellerin am 19.05.2023 bei der Vergabekammer ein. Der Nachprüfungsantrag wurde somit innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Bekanntmachung und damit fristgemäß bei der Vergabekammer eingereicht.

Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er sich gegen die Ausschreibung des Antragsgegners zu 1 richtet, damit zulässig.

c. Der streitbefangene Auftrag des Antragsgegners zu 2 liegt hingegen unter dem für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert von 215.000 € gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Die unter 1b dargestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kostenschätzung gelten auch hier. Diesen Anforderungen genügt die Kostenschätzung des Antragsgegners zu 2.

Führt die Schätzung des Auftragswerts dazu, dass der Schwellenwert nicht erreicht wird, kommen die detaillierten Vorgaben des deutschen Kartellvergaberechts einschließlich der darin vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten (§§ 155 ff. GWB) nicht zur Anwendung (Beck VergabeR/Kau, 3. Aufl. 2019, VgV § 3 Rn. 9).

Der Antragsgegner zu 2 hat sich ebenfalls bereits Anfang xxxxxx 2023 mit einer für ihn notwendigen Ersatzbeschaffung auseinandergesetzt, um zum Zulassungsverfahren xxxxxx zurückkehren zu können. Im Rahmen einer Beschlussvorlage vom xxxxxx.2023 (vgl. Seite 15 ff. der Vergabeakte des xxxxxx) stellt der Antragsgegner zu 2 unter anderem die Schwierigkeiten der Migration des Fachverfahrens xxxxxx dar. Die Migration sollte auch hier aufgrund eines mit der xxxxxx geschlossenen Vertragsverhältnisses mitunter durch die Antragstellerin erfolgen. Durch die Umstellung kam es zu Kunden-Wartezeiten von über 4 Stunden, so dass innerhalb der regulären Servicezeiten der Zulassungsstelle die Anfragen der Bürgerinnen und Bürger nicht bearbeitet werden konnten. Es kam zum Teil zu außerplanmäßigen Schließungen einzelner Zulassungsstellen. Es gelang auch in der Folgezeit nicht, das Neuverfahren in einen abnahmebereiten Zustand zu versetzen.

Der Antragsgegner zu 2 stellt im Rahmen der Beschlussvorlage die in Aussicht gestellten Kosten (xxxxxx) für die Migration, Lizenz und Schulung etc. dar und erläutert:

"xxxxxx war zwar in den laufenden monatlichen Kosten günstiger, aber trotzdem ist xxxxxx wirtschaftlicher. Es können mehr Vorgänge in gleicher Zeit bearbeitet werden und die Fehlerquote ist geringer. Das bewährte Verfahren wird nun sogar günstiger (- xxxxxx €/mtl.) im Vergleich zu den Vorjahren. Hierzu und bzgl. Weiterer Einsparungen auf Grund der Effektivität wird auf die Anlage (1) verwiesen."

In der Anlage 1 "Kostendarstellung"(vgl. Seite 19 der Vergabeakte xxxxxx) werden zunächst die angesetzten Kosten der bisherigen Migration sowie die dazugehörigen monatlichen Verfahrenskosten aufgezeigt. Im Anschluss werden die Kosten der (Rück-) Migration zu xxxxxx, unterteilt nach den Kosten für die einmalige Migration der Altdaten sowie den Kosten für die monatliche Verfahrenskosten dargestellt. Außerdem wird - entsprechend der vorgenannten Erläuterungen in der Beschlussvorlage - dargestellt, dass die monatlichen Kosten bis zum 31.12.2022 höher waren, als die nunmehr veranschlagten monatlichen Kosten.

Die dargestellten Kosten wurden nicht auf einen bestimmten Zeitraum hochgerechnet. Multipliziert man allerdings die monatlichen Verfahrenskosten mit 24 (entsprechend der Laufzeit der Interimsvergabe) und addiert die einmaligen Kosten hinzu, ergibt sich ein Wert, der unterhalb des Schwellenwertes von 215.000 € netto liegt. Der Anlage 1 kann nicht entnommen werden, ob es sich bei den dargestellten Werten um brutto oder netto Beträge handelt. Aber auch unabhängig davon wird der Schwellenwert nicht überschritten.

Nach der Auffassung der Vergabekammer handelt es sich bei der Kostendarstellung um eine nachvollziehbare und plausible Kostenschätzung, auf Grundlage derer der Antragsgegner zu 2 vom Nichtüberschreiten des Schwellenwertes ausgehen durfte. Aus der Beschlussvorlage im Zusammenhang mit der Kostendarstellung wird deutlich, dass sich der Antragsgegner zu 2 mit der Höhe der vermutlich anfallenden Kosten auseinandergesetzt hat. Er hat dabei weder auf die Preise des Vertrages mit der xxxxxx aus 2022 noch ausschließlich auf die Preise aus dem Altvertrag mit der Beigeladenen zurückgegriffen. Vielmehr gibt die Beschlussvorlage her, dass der Antragsgegner zu 2 aktuelle Informationen eingeholt hat, die ihm eine wirklichkeitsnahe Schätzung der monatlichen Kosten unterhalb der monatlichen Kosten bis zum 31.12.2022 ermöglichten:

"Als alternatives Fachverfahren steht ausschließlich xxxxxx zur Verfügung. Der Fachverfahrenshersteller sichert zu, dass er dies dem Landkreis spätestens zum 01.04.2023 bereitstellen kann. Eine Migration würde den Datenbestand zum 30.12.2022 übernehmen und direkt aus dem gleichen Fachverfahren erfolgen, worin der Hersteller sehr erfahren ist."

Der Antragsgegner zu 2 hat somit zwar bereits vor dem xxxxxx.2023 Gespräche mit der Beigeladenen geführt, die jedoch als Marktsondierungsgespräche einzustufen sind. Ein Beschluss des Kreisausschusses lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Aufgrund der anhaltenden Probleme mit dem Fachverfahren xxxxxx hatte der Antragsgegner zu 2 bereits Kontakt mit der Beigeladenen aufgenommen. Eine Kontaktaufnahme, um die grundsätzliche Verfügbarkeit einer Leistung zu überprüfen, ist vor Einleitung des Vergabeverfahrens durchaus zulässig, vgl. § 28 VgV. Ebenso dürfen in diesem Rahmen auch Preisinformationen eingeholt werden. Gegen die Ansicht der Antragstellerin, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Vergabeverfahren offiziell eingeleitet worden sei, spricht das weitere Vorgehen des Antragsgegners zu 2. Mit Schreiben vom 17.02.2023 versuchte der Antragsgegner zu 2 erneut eine Lösung mit der xxxxxx zu erreichen und setze dabei eine Frist bis zum 28.02.2023 zur Behebung aller Mängel. Dabei verwies der Antragsgegner zu 2 ebenfalls auf die Besprechung der Situation in der letzten Kreisausschusssitzung, für die nach Auffassung der Vergabekammer die Vorlage am xxxxxx.2023 erstellt wurde (vgl. Seite 23 des Vergabevermerks des Landkreises xxxxxx). Zudem ließ der Antragsgegner zu 2 erst mit Vermerk vom 06.03.2023 die vergaberechtlichen Möglichkeiten durch sein Rechnungsprüfungsamt bzw. Justitiariat beurteilen.

Die Kostenschätzung in der Anlage 1 ist zwar inhaltlich nicht überbordend detailliert, nach Auffassung der Vergabekammer aber ausreichend. Es ist dabei unschädlich, dass der Antragsgegner zu 2 keine genaue Auflistung und Bepreisung aller Leistungspositionen vorgenommen hat. Eine detaillierte Kostenschätzung in Form einer Preiskalkulation für alle Einzelpositionen der Leistungsbeschreibung geht zu weit und ist nicht erforderlich. Ausreichend war eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen Aspekten, also sowohl mit den zu erwartenden einmaligen Kosten als auch mit den laufenden monatlichen Kosten. Diese ist unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Beschlussvorlage auch erfolgt.

Entgegen der Ansicht der Antragstellerin waren die Lizenzen auch nicht im Rahmen der Kostenschätzung - wie von der Antragstellerin vorgetragen - zu berücksichtigen. Ausweislich des Vergabevermerks wird in Bezug auf den Umfang der Interimsvergabe erläutert (vgl. Seite 29 f. unten des Vergabevermerks des xxxxxx):

"Die "Interimsvergabe" hat für höchstens 2 Jahre und bezüglich sämtlicher zuvor ausgeschriebener Leistungen zu erfolgen. Diese beschreiben den Standard des Zulassungsgeschäfts. Zudem ist die "EWZ"= Erweiterte Zuständigkeit aufzunehmen. Diese Lizenz hat der Landkreis bereits im Dezember 2021 erworben und bis zum Wechsel zu xxxxxx sehr erfolgreich eingesetzt. xxxxxx hat diese Funktion nicht (soll wohl noch entwickelt werden). Der weitere Verzicht auf die bereits bezahlte Leistung ist nun, da bei der xxxxxx leistbar, natürlich nicht mehr hinnehmbar."

Auch das von der Antragstellerin mit der Anlage ASt 9 eingebrachte Auskunftsersuchen zu Nutzungs-/Lizenzrechten xxxxxx bei der xxxxxx steht dem nicht entgegen. Mit Schreiben vom 11.07.2023 reichte die xxxxxx gegenüber der Antragstellerin lediglich Erläuterungen zu den Nutzungs- und Lizenzrechten des Antragsgegners zu 1 ein. Angaben zum Antragsgegner zu 2 wurden nicht erfragt und auch nicht eingereicht.

Somit lag dem Antragsgegner zu 2 bevor er letztlich telefonisch das Vergabeverfahren offiziell eingeleitet hat, eine verlässliche Kostenschätzung vor, die unterhalb des EU-Schwellenwertes lag. Wie bereits oben ausgeführt, wurde das Vergabeverfahren nach Auffassung der Vergabekammer erst nach dem xxxxxx.2023 nach weiteren entstandenen Schwierigkeiten bei einem Migrationsupdate des Fachverfahrens xxxxxx Anfang März und somit nach der Erstellung der Kostenschätzung offiziell eingeleitet.

Ein Zurückgreifen auf eine Kostenschätzung nach Eingang des Angebots der Beigeladenen ist auch hier nicht möglich, aber aufgrund der vorliegenden Kostenschätzung aus Februar 2023 auch nicht entscheidungsrelevant.

Der Antragsgegner zu 2 hat sich bei der gemäß § 3 VgV durchzuführenden ex-ante-Schätzung im Rahmen des dem öffentlichen Auftraggeber vergaberechtlich zugemessenen Beurteilungsspielraums gehalten. Er ist daher realistisch davon ausgegangen, dass die Kosten für die verfahrensgegenständliche Rückmigration zum Zulassungsverfahren xxxxxx den für eine Pflicht zur europaweiten Ausschreibung geltenden Schwellenwert in Höhe von 215.000 € (netto) nicht überschreiten wird. Das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren unterliegt daher nicht den Vorschriften des 4. Teils des GWB.

Da das Nachprüfungsverfahren gegen die Ausschreibung des Antragsgegners zu 2 mangels Erreichens des für die europaweite Vergabe einschlägigen Auftragswerts nicht eröffnet ist, kommt es auf die materielle Frage der Zulässigkeit der Interimsvergaben des Antragsgegners zu 2 nicht mehr an.

Der Nachprüfungsantrag ist insoweit unzulässig.

2. Soweit der Nachprüfungsantrag in Bezug auf die streitgegenständliche Beauftragung des Antragsgegners zu 1 zulässig ist, ist er teilweise begründet. Der zwischen dem Antragsgegner zu 1 und der Beigeladenen geschlossene Vertrag ist nicht insgesamt nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam. Der Antragsgegner zu 1 war zwar berechtigt, ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unter Ausschluss des Wettbewerbs allein mit der Beigeladenen nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV durchzuführen (vgl. 2a). Allerdings ist der der Interimsvergabe zugrunde gelegte Zeitraum von 24 Monaten nicht verhältnismäßig, der Vertrag ist soweit er über einen Zeitraum von max. 12 Monaten hinaus geht unwirksam und verletzt die Antragstellerin insoweit in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB (vgl. 2b).

a) Zwar ist gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB ein öffentlicher Auftrag von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergeben hat. Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 GWB sind hiervon jedoch die Fälle ausgenommen, in denen dies aufgrund Gesetzes gestattet ist.

Eine solche gesetzliche Gestattung regelt § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV. Gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV kann der öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind; die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein.

Die dem Wortlaut zu entnehmenden Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein; an ihre Erfüllung sind hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen ein unvorhersehbares Ereignis, dringliche und zwingende Gründe, die die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen nichtzulassen, und ein Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis und den sich daraus ergebenden dringlichen, zwingenden Gründen gegeben sein (EuGH, Urteil vom 15.10.2009 - C-275/08, NZBau 2010, 63 Rn. 69).

- Unvorhersehbar sind Ereignisse, mit denen auch bei Anlegung eines hohen objektiven Sorgfaltsmaßstabs nicht gerechnet werden konnte (Ziekow/Völlink/Völlink, 4. Aufl. 2020, VgV § 14 Rn. 60). Der öffentliche Auftraggeber darf die bestehende Dringlichkeitssituation folglich nicht durch Nachlässigkeit selbst herbeigeführt haben (vgl. OLG Düsseldorf, 14.12.2022 - Verg 1/22). Es darf sich nicht um Umstände handeln, die der Auftraggeber hätte einplanen können (Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, VgV § 14 Rn. 73, beck-online). An das Erfordernis der äußerst dringlichen und zwingenden Gründe werden hohe Anforderungen gestellt (BayObLG, Beschluss vom 20.01.2022 - Verg 7/21 NZBau 2022, 172 Rn. 62; OLG Celle, Beschluss vom 24.09.2014 - 13 Verg 9/14, NZBau 2014, 784 Rn. 34; Völlink in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, VgV § 14 Rn. 58). Vorausgesetzt ist eine drohende gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabenerfüllung für den Fall, dass ein reguläres Vergabeverfahren durchgeführt würde (BayObLG, Beschluss vom 20.01.2022- Verg 7/21 NZBau 2022, 172 Rn. 62). Dabei trägt der öffentliche Auftraggeber nach dem Grundsatz, dass derjenige, der sich auf eine Ausnahme berufen will, die Feststellungslast dafür, dass die die Ausnahme rechtfertigenden außergewöhnlichen Umstände tatsächlich vorliegen (EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-275/08, NZBau 2010, 63 Rn. 56).

Bei der Feststellung der Eilbedürftigkeit der Beschaffung ist dem Auftraggeber allerdings ein Beurteilungsspielraum zuzuerkennen, dessen Ausübung nach allgemeinen Grundsätzen von den Vergabenachprüfungsinstanzen lediglich darauf zu überprüfen ist, ob er die Entscheidung auf der Grundlage eines zutreffend ermittelten Sachverhalts getroffen und diese nicht mit sachfremden Erwägungen, sondern willkürfrei sowie in Übereinstimmung mit hergebrachten Beurteilungsgrundsätzen begründet hat. Doch müssen die für eine Dringlichkeit herangezogenen Gründe objektiv nachvollziehbar gegeben sein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2022 - Verg 1/22, Beschluss vom 10.06.2015 - Verg 39/14, NZBau 2015, 572 Rn. 18).

Das OLG Frankfurt (Beschluss vom 24.11.2022 - 11 Verg 5/22) geht über diese Maßstäbe noch hinaus: Danach ist eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist; der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter die Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück (OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.01.2014 - 11 Verg 15/13 "Stadtbusverkehr"). Dies ist in jüngerer Zeit in Abrede gestellt (KG, Beschluss vom 10.05.2022 -Verg 1/22, nicht tragend) oder bezweifelt (OLG Bremen, NZBau 2022, 548, Rn. 110) worden, jedoch zu bestätigen. In der wert- und insbesondere grundrechtsgebundenen Ordnung des Grundgesetzes und der Unionsverträge muss der Staat immer und unabhängig von früheren Versäumnissen in rechtmäßiger Weise in der Lage sein, auf Notlagen zu reagieren oder sie abzuwenden, mithin unverzichtbare Leistungen zu erbringen. Dies betrifft insbesondere Leistungen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der Daseinsvorsorge. Diese Ansicht vertritt auch das BayObL in seinem Beschluss vom 31.10.2022 - Verg 13/22.

Die Voraussetzungen für eine Dringlichkeitsvergabe waren, selbst bei Nichtberücksichtigung der vom OLG Frankfurt, a.a.O. aufgezeigten Maßstäbe, vorliegend erfüllt. Ein unvorhersehbares Ereignis sowie äußert dringliche, zwingende Gründe im Zeitpunkt der Einleitung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb, die die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen nicht zuließen, und ein Kausalzusammenhang zwischen Ereignis und Gründen war gegeben.

- Für den Antragsgegner zu 1 war nicht vorhersehbar, dass eine Migration des Fachverfahrens xxxxxx monatelang nicht einwandfrei gelingen wird.

Ausweislich der Erläuterungen des Antragsgegners zu 1 im Vergabevermerk (vgl. xxxxxx Vermerk zum Vergabeverfahren Rückkehr zu xxxxxx) habe die xxxxxx trotz eigener Bedenken die Migration zum 01.01.2023 durchgeführt. Die Migration sei nicht einwandfrei gelungen. Teilweise haben laut Aussage des Antragsgegners zu 1 Fehler vorgelegen, die ein gesetzeskonformes Arbeiten der Zulassungsstelle verhinderten. Das Fachverfahren habe auch nach eineinhalb Monaten Laufzeit noch immer nicht alle in der Leistungsbeschreibung geforderten Kriterien erfüllt, weshalb der Antragsgegner zu 1 eine Frist zur ordnungsgemäßen Erfüllung bis zum 03.03.2023 setze (vgl. xxxxxx Fristsetzung xxxxxx schriftlich bis 28.02.2023 - mündlich Videokonferenz 08.02.2023). Nach Einspielen des letzten Updates am 05.03.2023 sei die Arbeit der Zulassungsstelle erneut erheblich erschwert worden. Nach Aussage des Antragsgegners zu 1 dauerten einfache Vorgänge, die vorher wenige Minuten dauerten, teilweise 1,5 Stunden, je nach Arbeitsplatz. Es sei im Anschluss an der Lösung des Problems gearbeitet worden. Punktuell seien zeitweise Verbesserungen zu verzeichnen, die jedoch zumeist am nächsten Morgen wieder weg seien. Es müsse täglich neu an jedem Standort entschieden werden, inwieweit überhaupt geöffnet und wie lange geöffnet werden könne, um zumindest einige Vorgänge abarbeiten zu können. Die Bewältigung des gesamten Publikumsverkehrs sei aussichtlos. Die Belastungsgrenze für beide Seiten (Bürger*innen/Mitarbeiter*innen) sei längst überschritten (vgl. insbesondere ab Seite 6, xxxxxx Vermerk zum Vergabeverfahren Rückkehr zu xxxxxx).

Bei den andauernden, massiven Funktionsstörungen des neuen Fachverfahrens xxxxxx sowie den damit verbundenen enormen Einschränkungen der Funktionsfähigkeit der Verwaltung handelt es sich vorliegend nicht um einige Vertragserfüllungsprobleme, mit denen ein Auftraggeber regelmäßig rechnen muss, sondern um eine anhaltende nicht ordnungsgemäße Leistungserfüllung mit gravierenden Auswirkungen. Auch wenn seitens der Antragstellerin bestritten wird, dass es zu erheblichen Mängeln bei der Einführung des Fachverfahrens gekommen ist bzw., dass diese nicht ordnungsgemäß abgestellt werden konnten, ergibt sich für die Vergabekammer ausweislich der vorgenannten Dokumentation in der Vergabeakte und des dort enthaltenen Schriftverkehrs (auch mit der xxxxxx) ein anderes Bild. Die weiterhin bestehenden Fehler des neuen Fachverfahrens hielt der Antragsgegner zu 1 fest (vgl. ab Seite 8, xxxxxx Vermerk zum Vergabeverfahren Rückkehr zu xxxxxx). Dies erfolgte im Nachgang zur letztmaligen Fristsetzung. Die Schwierigkeiten waren letztlich so erheblich, dass die Zulassungsstelle sogar tatsächlich schließen musste (vgl. Pressebericht vom 09.03.2023 unter xxxxxx, zuletzt abgerufen am 19.07.2023).

Die Ernsthaftigkeit der Lage sowie die Erheblichkeit der vorliegenden Mängel für den Antragsgegner zu 1 manifestieren sich ebenso in der von ihm mittlerweile ausgesprochenen Kündigung gegenüber der xxxxxx. Bis dahin hatte der Antragsgegner zu 1 alles in seinem Rahmen Mögliche getan, um die Migration des Fachverfahrens zu unterstützen und zu ermöglichen. Damit, dass das Fachverfahren auch zwei Monate nach Beginn der Migration nicht vollumfänglich funktionierte und nicht problemlos genutzt werden konnte, konnte der Antragsgegner weder rechnen noch war es für ihn vorhersehbar.

- Die mit der Interimsvergabe beabsichtigte, schnellst mögliche sowie reibungslose Wiederaufnahme der Tätigkeiten der Zulassungsstelle des Antragsgegners zu 1 stellt auch einen äußerst zwingenden und dringlichen Grund dar, da hiermit eine erhebliche Beeinträchtigung der staatlichen Aufgabenerfüllung sowie ggf. der Allgemeinheit vermindert werden kann.

Im Rahmen der Dokumentation des Antragsgegners zu 1 macht er geltend, dass sich die Situation in der Zulassungsstelle bis Anfang März immer weiter zugespitzt habe, es müsse täglich entschieden werden, ob überhaupt geöffnet werden könne. Der Antragserwiderung vom 30.05.2023 ist zu entnehmen, dass die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes der öffentlichen Verwaltung nicht mehr gewährleistet werden könne, die Bürgerinnen und Bürger könnten auf unbestimmte Zeit keine entsprechenden Bürgerdienste in Anspruch nehmen.

Die mit der Antragserwiderung angeführten Begründungen dürfen von der Vergabekammer auch berücksichtigt werden. Zwar sind die Erwägungen der Vergabestelle nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VgV im Vergabevermerk zu dokumentieren. Insoweit reicht es jedoch aus, die wesentlichen Aspekte niederzulegen. Die Vergabestelle muss nicht jedes Detail ihrer Überlegungen festhalten. Verbleibende Dokumentationsmängel sind heilbar und können durch nachgeschobenen Vortrag der Antragsgegnerin im Verfahren geheilt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2022 - Verg 1/22; Beschluss vom 21.10. 2015 - Verg 28/14). Es kann der Vergabestelle nicht unter dem Gesichtspunkt fehlender Dokumentation verwehrt werden, weitere Umstände oder Gesichtspunkte vorzutragen, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung außerdem nachträglich verteidigt werden soll (BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - X ZB 4/10, NZBau 2011, 175 Rn. 73 - Abellio Rail).

Die Zulassung von Fahrzeugen richtet sich nach den Bestimmungen der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr (Fahrzeug-Zulassungsverordnung - FZV). Zum Verkehr auf öffentlichen Straßen können nur Fahrzeuge zugelassen werden, die den Bau- und Betriebsvorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) entsprechen. Zuständig in Niedersachsen für die Ausführung des Zulassungsrechts sind die Landkreise und kreisfreien Städte sowie die xxxxxx als örtliche Zulassungsbehörden. Die Zulassungsbehörden gewährleisten dadurch eine gerade der Allgemeinheit dienende Rechts- und Verkehrssicherheit. Diese konnte seit dem Tätigwerden der xxxxxx sowie mitunter der Antragstellerin ab dem 01.01.2023 nicht mehr ausnahmslos gewährleistet werden. Ausweislich der Vergabeakte des Antragsgegners zu 1 war ein gesetzteskonformes Arbeiten in Teilen nicht möglich. Zudem musste die Zulassungsstelle schließen oder konnte nur mit der doppelten Bearbeitungszeit Vorgänge abarbeiten, so dass zeitweilig Zulassungen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mittels verstärktem Personaleinsatzes durchgeführt werden konnten. Im schlimmsten Fall nahmen durch die stark eingeschränkte Funktionsfähigkeit der Zulassungsstelle Fahrzeuge am Straßenverkehr teil, die nicht den Bau- und Betriebsvorschriften der StVZO entsprachen und somit eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen könnten. In jedem Fall ergaben sich signifikante, nicht länger hinnehmbare Einschränkungen bei der Wahrnehmung der Kernaufgaben der öffentlichen Verwaltung, so dass auch die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung nicht mehr gewährleistet war.

- Auch der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis und den sich daraus ergebenden dringlichen, zwingenden Gründen war gegeben. Der Antragsgegner zu 1 hatte die bestehende Dringlichkeitssituation nicht durch Nachlässigkeit selbst herbeigeführt.

Er durfte vielmehr darauf vertrauen, dass die xxxxxx nach Kündigung des Vertrages mit der Beigeladenen zum 31.12.2022 und einem ordnungsgemäß - zumindest nach der Entscheidung der Vergabekammer vom 07.03.2023 - VgK-05/2022 - durchgeführten Vergabeverfahren einen leistungsfähigen Dienstleister beauftragt, dem eine Migration des neuen Fachverfahrens gelingt. Dagegen sprechen auch nicht die anfänglichen Bedenken des Antragsgegners zu 1. Der Antragsgegner zu 1 war aufgrund der Kündigung des bestehenden Vertrages mit der Beigeladenen zum 31.12.2023 gehalten, mit der xxxxxx einen Vertrag für die Einführung des Fachverfahrens xxxxxx zu schließen. Der Antragsgegner zu 1 hat die xxxxxx und die Antragstellerin ab dem Beginn der Leistungserbringung im Dezember fortlaufend unterstützt, um zum einen auf Fehler des Zulassungssystems aufmerksam zu machen und zum anderen um bei der Behebung dieser zu helfen. Die erheblichen Probleme, die weiterhin mit dem Zulassungssystem bestehen, fallen nicht in die Risikosphäre des Antragsgegners zu 1. Der xxxxxx und der Antragstellerin war es trotz mehrfacher Gespräche und dem Einspielen weiterer Updates nicht möglich, ein einwandfrei funktionierendes Zulassungssystem zu betreiben. Diesen Umstand hatte der Antragsgegner zu 1 auch nicht zu verantworten oder durch Nachlässigkeit selber herbeigeführt. Bis zum letzten Update Anfang März hoffte er auf eine Problembehebung durch die xxxxxx und die Antragstellerin.

- Schließlich hätte auch die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung geführt.

Die besondere Dringlichkeit der (Interims-) Vergabe rechtfertigt es aber auch in diesen Fällen nicht ohne weiteres, dass der Wettbewerb vollständig und auf längere Dauereingeschränkt wird, indem nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird. Hat es einen vorangehenden Wettbewerb gegeben, ist der öffentliche Auftraggeber, selbst wenn die Voraussetzungen einer besonderen Dringlichkeit vorliegen, gehalten, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen. Etwas Anderes kann sich nur ausnahmsweise je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.11.2022 - 11 Verg 5/22; Beschluss vom 30.01.2014 - 11 Verg 15/13 Rn. 51 mwN). In einem solchen Ausnahmefall ist es einem Auftraggeber auch nicht verwehrt, sich im Nachprüfungsverfahren auf derartige Gründe einer Direktvergabe zu berufen, auch wenn die Erwägungen für eine Direktvergabe weder Einzug in die Vergabeakte gefunden noch in der Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union angesprochen worden sind (MüKoEuWettbR/Fett, 4. Aufl. 2022, VgV § 14 Rn. 108).

Der Antragsgegner zu 1 macht geltend, dass vor allem das erstmalige Erstellen einer dem Vergabeverfahren zu Grunde liegenden Leistungsbeschreibung innerhalb weniger Wochen nicht möglich gewesen wäre. Bei einer verkürzten Angebotsfrist von zumindest 15 Tagen und der Auswertung von ca. 5 Tagen sowie einer Berücksichtigung der Wartefrist von 10 Tagen, wäre mit einer weiteren Zäsur von ca. 6 - 8 Wochen zu rechnen gewesen, wobei ggf. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zulassungsstelle, als auch der IT-Abteilung noch in dem Verfahren zu schulen gewesen wären, eine Migration der Bestandsdaten und eine Anpassung des Verfahrens noch hätte erfolgen müssen. Unterstellt, dass die Migration nur bis zu 4 Wochen gedauert hätte, wäre eine Aufnahme des Zulassungs-Betriebes voraussichtlich erst in 3 - 4 Monaten wieder möglich gewesen, wobei auch hier weiter Ungewissheiten bei der Migration bestanden hätten, die die Aufnahme des Verfahrensbetriebes innerhalb dieser Zeit nicht sicher erscheinen ließen.

Zwar gestattet die VgV sowohl für das offene Verfahren nach § 15 Abs. 3 VgV und das nicht offene Verfahren nach § 16 Abs. 3 VgV eine Verkürzung der Angebotsfrist auf 15 Tage, gerechnet von der Absendung der Auftragsbekanntmachung, in Fällen hinreichend begründeter Dringlichkeit. Allerdings trägt der Antragsgegner zu 1 nachvollziehbar und plausibel vor, dass für die Rückmigration und die tatsächliche Inbetriebnahme des Fachverfahrens xxxxxx ein Zeitraum von mindestens drei bis vier Monaten erforderlich ist. Sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung sowie für die Allgemeinheit war eine solche Verzögerung bis zur Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zulassungssystems nicht hinnehmbar. Ausweislich des Vergabevermerks sollte die Fachverfahren xxxxxx bereits zum 01.04.2023 wiedereingesetzt werden (vgl. xxxxxx).

In diesem besonderen Einzelfall war auch die Beschränkung des Wettbewerbs auf die Beigeladene zulässig. Die Vergabekammer vertritt die Auffassung, dass nur in besonderen und begründeten Ausnahmefällen im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gänzlich auf den Wettbewerb verzichtet und der Auftrag direkt an ein Unternehmen erteilt werden darf.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor. Es ist unbestritten, dass sich am von der xxxxxx durchgeführten Vergabeverfahren 2022 lediglich die Antragstellerin sowie die Beigeladene beteiligt haben. Weiterer Wettbewerb fand nicht statt. Somit wäre neben der Beigeladenen lediglich die Antragstellerin in Betracht gekommen. Dass der Antragsgegner zu 1 diese nicht berücksichtigt hat, ist nachvollziehbar. Zwar trägt die Antragstellerin vor, dass sie jegliche technische Lösung in diesem Segment anbieten könne, so dass ihr eine Teilnahme an einer Ausschreibung in Zukunft möglich sein müsste. Allerdings ist es genau dieser Antragstellerin als Vertragspartnerin der xxxxxx nicht gelungen, innerhalb von mehreren Monaten ein funktionsfähiges Zulassungssystem zu installieren. Sie war demnach für das Scheitern der Einführung eines neuen Zulassungssystems entscheidend mit verantwortlich. Der Antragsgegner zu 1 wollte daher, im Sinne einer schnellen Problembehebung, das alte System inkl. des alten Datenbestandes bis 31.12.2022 wieder migrieren. Dass er dabei nicht die Antragstellerin, die vor dem 31.12.2022 weder das alte System begleitet hat, noch in der Lage war eine Leistung ordnungsgemäß zu erbringen, berücksichtigte, ist gerechtfertigt. Es war nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin die nunmehr beauftragte Dringlichkeitsvergabe hätte vereinbarungsgemäß durchführen können. Auch eine Beauftragung eines Dritten - mit dem Fachverfahren xxxxxx ebenfalls nicht betrauten Unternehmens - wäre nicht erfolgsversprechend, da sich dieses von Anfang mit dem System vertraut machen müsste und eine in der gebotenen Kürze der Zeit erforderliche Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Zulassungssystems nicht gewährleitete wäre. Der Wettbewerb konnte daher in diesem Einzelfall auf die Beigeladenen im Sinne einer schnellstmöglichen Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der Verwaltung beschränkt werden.

b) Die danach vorliegend gerechtfertigte Interimsvergabe ist allerdings als gebotene ultima ratio auf den unbedingt für die Durchführung eines vergaberechtsgemäßen förmlichen Vergabeverfahrens notwendigen Zeitraum zu begrenzen. Dies hat der Antragsgegner zu 1 nicht beachtet.

Dauerschuldverhältnisse, die wegen Dringlichkeit aufgrund eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb eingegangen werden, müssen zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den Zeitraum beschränkt werden, der für die Erhaltung der Kontinuität der Leistungserbringung bis zur Auftragsvergabe aufgrund eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens erforderlich ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31.10.2022 - Verg 13/22; OLG Karlsruhe, NZBau 2021, 200 (203), Rn. 33, m. w. N. - Buslinienverkehr Enzkreis; Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal/Dieckmann, 3. Aufl. 2022, VgV § 14, Rn. 73, m.w.N).

Laufzeiten der Interimsvergaben von drei bis sechs Monaten bis hin zu einem Jahr (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 18.09.2014 - VgK-30/2014) werden regelmäßig von der Rechtsprechung als verhältnismäßig anerkannt.

Auf der einen Seite ist vorliegend für die Bemessung des zulässigen Interimszeitraumes zu berücksichtigen, dass es sich entsprechend der Ansicht des Antragsgegners zu 1, um eine komplexe IT-Dienstleistung handelt, die aufgrund der enormen Schwierigkeiten in der Vergangenheit der Zulassungsstelle zunächst kontinuierlich zur Verfügung stehen soll. Die Vergabekammer teilt auch die Auffassung des Antragsgegners zu 1, dass es erforderlich ist, ein ordentliches Lastenheft auszuarbeiten sowie einen ausreichenden Zeitraum für die Einführung inkl. der Migration zu berücksichtigen. Auch ist es wichtig, dass ein nahtloser Übergang im Falle des Wechsels des Zulassungsverfahrens gewährleitet werden kann.

Auf der anderen Seit erachtet die Vergabekammer, die für die einzelnen Verfahrensschritte von dem Antragsgegner zu 1 im Rahmen seiner Antragserwiderung eingeplanten Zeiträume als sehr großzügig. Eine realistische Vorlaufzeit von nicht unter einem halben Jahr für die Erstellung der Vergabeunterlagen anzusetzen, ist unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unter Ausschluss jeglichen Wettbewerbs stets nur die vergaberechtliche ultima ratio darstellt, nicht angemessen. Vielmehr ist der Auftraggeber in einer solchen besonderen Situation einer laufenden Interimsvergabe verpflichtet, die Gestaltung der Neuausschreibung höchst prioritär zu behandeln. Das Argument, auf die Unterlagen der xxxxxx könne nicht zurückgegriffen werden, verfängt nicht, da ausweislich der Vergabeakte zumindest die Leistungsbeschreibung des zwischen der xxxxx und des Antragsgegners zu 1 geschlossenen Vertrages bekannt ist und somit insoweit unterstützend herangezogen werden kann. Auch den Zeitraum für die reine Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb von ca. sechs bis neun Monaten der Berechnung der 24-monatigen Laufzeit mit einzurechnen ist nicht sachgerecht. Es ist bereits fraglich, ob hier überhaupt die Voraussetzung eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb erfüllt sind, da die im Rahmen des Verfahrens VgK-05/2022 streitgegenständliche Ausschreibung im offenen Verfahren vergeben wurde.

Der Vortrag des Antragsgegners zu 1, es sei eine vertragliche Grundlage geschaffen worden, die eine unmittelbare Beendigung der interimsweise beschafften Leistung bei Vorliegen eines produktiven neuen Zulassungsverfahrens ermögliche, dringt ebenfalls nicht durch. Der Antragsgegner zu 1 will damit zum Ausdruck bringen, dass die Laufzeit von 24 Monaten nicht ausgeschöpft werden muss bzw. voraussichtlich nicht ausgeschöpft wird. Allerdings sieht das Angebot der Beigeladenen vor, dass bei einer Kündigung des Auftraggebers, eine Honorierung an die Beigeladene zu zahlen ist (vgl. xxxxxx). Eine frühzeitige Beendigung der 24-monatigen Laufzeit hätte somit monetäre Auswirkungen, der ggf. unter Beteiligung der politischen Gremien aus haushalterischen Gesichtspunkten nicht zugestimmt werden kann bzw. die ggf. nicht durchgesetzt werden kann, was ein Festhalten am Vertrag bis zum Ablauf der 24 Monate zur Folge hätte.

Wird somit ein Zeitraum von ca. sechs Monaten für die Neuvergabe sowie ein Zeitraum von weiteren ca. sechs Monaten für die Einführung des neuen Zulassungsverfahrens zugrunde gelegt, ist voraussichtlich lediglich ein Zeitraum von max. 12 Monaten zu überbrücken.

Der vom Antragsgegner zu 1 vorgetragenen Befürchtung, dass aufgrund der mit der Einführung verbundenen Probleme in der Vergangenheit, nunmehr ein Migrationszeitraum von ca. 6 - 9 Monaten berücksichtigt werden müsse, hätte auch anders als durch die Festlegung einer 24-monatigen Laufzeit Rechnung getragen werden können. Vielmehr hätte der Antragsgegner zu 1 die Interimsvergabe auf eine Mindestvertragslaufzeit von 12 Monaten beschränken und für den Fall, dass im Rahmen der Migration der Neuausschreibung begründete Schwierigkeiten auftreten, von Anfang an eine Verlängerungsautomatik von jeweils einem Monat vertraglich vereinbaren können. Damit wäre er - für den unwahrscheinlichen Fall des Auftretens enormer Migrationsprobleme - ohne eine erneute Interimsbeauftragung in der Lage gewesen, kurzfristig zu reagieren.

Eine Verlängerungsautomatik ist nach der Rechtsprechung des BayObLG (Beschluss vom 31.10.2022 - Verg 13/22, Rn. 64, zitiert nach beck-online) geeignet und ggf. erforderlich, um bei nicht zuverlässig zu prognostizierender Dauer des bis zur Vergabe des Hauptauftrags zu überbrückenden Zeitintervalls den Bedarf des Auftraggebers für den erforderlichen Zeitraum sicherzustellen. Der Auftraggeber im dort entschiedenen Fall hatte ebenfalls gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass es im Überbrückungszeitraum bis zur langfristigen Vergabe des Dienstleistungsauftrags zu erheblichen Schwierigkeiten kommen werde, weshalb ohne Sicherstellung einer Verlängerungsmöglichkeit der Eintritt eines vertragslosen Zustands auch noch nach dem Ablauf der Mindestlaufzeit drohte.

Zumal erhebliche Vertragserfüllungsprobleme, wie vom Antragsgegner zu 1 beschrieben, Einzelfälle sind und nicht als grundsätzliche Maßstäbe zur Berechnung von Vorlaufzeiten berücksichtigt werden können. Hinzukommt auch, dass entgegen des Vortrags des Antragsgegners zu 1 in der Antragserwiderung ausweislich der Vergabeakte des Antragsgegners zu 1, dieser erst am 06.12.2022 die xxxxxx abschließend beauftragt hat, das Fachverfahren xxxxxx zur Verfügung zu stellen (vgl. xxxxxx Vermerk zum Vergabeverfahren Rückkehr zu xxxxxx). Es wird daher bezweifelt, ob tatsächlich ab dem Kick-Off im Juli bereits auch nur in Bezug auf den Antragsgegner zu 1 mit der Einführung inkl. einer Teststellung des Neuverfahrens begonnen wurde. Oder der Leistungsbeginn insoweit tatsächlich erst Anfang Dezember 2022 stattgefunden hat, wodurch der insgesamt für die Einführung geplante Zeitraum deutlich verkürzt wurde.

Der Antragsgegner zu 1 ist nach Auffassung der Vergabekammer in der Lage, umgehend Ausschreibungsunterlagen zu erstellen und die Ausschreibung bekannt zu machen, so dass auch unter Berücksichtigung eines Zeitraumes für die Teststellung und Migration ein Interimszeitraum von max. 12 Monaten erforderlich und ausreichend ist.

Der Nachprüfungsantrag war somit soweit die Antragstellerin die Interimsvergabe an sich beanstandet unbegründet. Soweit sie sich gegen die Dauer der Interimsvergabe wendet, war er hingegen begründet.

Die Vergabekammer weist im Übrigen darauf hin, dass sie mit den gleichen Erwägungen auch die zweijährige Vertragslaufzeit der Interimsbeauftragung des Antragsgegners zu 2 beanstandet hätte, wenn der Nachprüfungsantrag nicht wegen Unterschreitung des Schwellenwerts gemäß § 106 GWB unzulässig gewesen wäre.

Gemäß § 168 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die Vergabekammer hatte aus den o. g. Gründen zu berücksichtigen, dass die Interimsbeauftragung der Beigeladenen an sich vorliegend gerechtfertigt ist. Insoweit war der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unbegründet zurückzuweisen. Die Antragstellerin ist jedoch in ihren Rechten i. S. des § 97 Abs. 6 GWB verletzt, soweit der Antragsgegner zu 1 beabsichtigt, die Interimsbeauftragung für einen Zeitraum bis zu 24 Monaten aufrechtzuerhalten. Der Zeitraum für die Interimsbeauftragung darf als ultima ratio nur soweit bemessen werden, wie es erforderlich ist, die vom Antragsgegner zu 1 beabsichtigte Neuausschreibung eines Zulassungsverfahrens in einem ordnungsgemäßen, förmlichen Vergabeverfahren durchführen. Die Vergabekammer hält dafür einen Zeitraum von max. 12 Monaten für ausreichend und angemessen. Im Hinblick auf die streitbefangene, vom Antragsgegner zu 1 festgelegte Vertragsdauer der Interimsvergabe hatte der Nachprüfungsantrag daher Erfolg. Soweit die Antragstellerin begehrt, mit sofortiger Wirkung den weiteren Vollzug der Interimsvergabe zu untersagen, war dieser Antrag dagegen zurückzuweisen, weil die Interimsvergabe an sich aus den oben unter II.2a genannten Gründen gerechtfertigt ist.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert. Bei außergewöhnlicher wirtschaftlicher Bedeutung kann die Gebühr auf bis zu 100.000 € erhöht werden.

In Ermangelung von Angebotssummen der Antragstellerin wird die gesetzliche Mindestgebühr in Höhe von xxxxxx € festgesetzt. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 4 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin gegen den Antragsgegner zu 2 unzulässig war und sie insoweit insgesamt unterlag. Ihr Nachprüfungsantrag gegen den Antragsgegner zu 1 war zwar zulässig, in der Sache aber nur teilweise begründet, soweit der Antragsgegner zu 1 den Zeitraum der Interimsvergabe auf 2 Jahre festgelegt hat; im Übrigen war er unbegründet. Die Vergabekammer bewertet den Anteil des Obsiegens der Antragstellerin insgesamt daher zu 1/3, so dass die Antragstellerin zu 2/3 unterliegt. Da der Antragsgegner zu 2 obsiegte, war er im Rahmen der Kostentragungspflicht nicht zu berücksichtigen. Allerdings der Antragsgegner zu 1, dessen Obsiegen die Vergabekammer durch die teilweise Unbegründetheit des gegen ihn gerichteten Nachprüfungsantrags mit 1/3 bewertet. Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt und war daher an der Kostenquote des Antragsgegners zu 1 nicht zu beteiligen.

Der Antragsgegner zu 1 ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der auf ihn entfallenden Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005 - 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005 - WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Kosten der Antragstellerin:

Gemäß Ziffer 5 des Tenors hat der Antragsgegner zu 1 der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu 1/3 zu erstatten. Gemäß § 182 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gemäß Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.

Angesichts der Tatsache, dass der Antragsgegner zu 1 im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache im Hinblick auf die streitige Frage des Überschreitens des EU-Schwellenwertes und somit der Eröffnung des Rechtswegs vor der Vergabekammer sowie des zulässigen Zeitraums einer Interimsvergabe teilweise unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/3 zu tragen.

Aufwendungen des Antragsgegners zu 1 und 2:

Gemäß Ziffer 5 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner zu 1 die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu 2/3 und dem Antragsgegner zu 2 vollständig zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragsgegner erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen.

Allerdings gehören die das vorliegende Nachprüfungsverfahren maßgeblich prägenden Anforderungen an die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags sowie die Frage der Zulässigkeit von Dringlichkeitsvergaben wie auch die Entwicklung der Rechtsprechung auf diesem Gebiet zeigt, nicht zu den einfach gelagerten vergaberechtlichen Rechtsfragen, mit der sich ohnehin jede Vergabestelle in der Praxis auseinandersetzen muss. Es erscheint zur Abarbeitung eines Nachprüfungsverfahrens daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für die Antragsgegner insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012 - VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012 - VgK-36/2012).

Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache gegenüber dem Antragsgegner zu 1 teilweise unterlegen ist, weil der Nachprüfungsantrag zwar zulässig, aber nur soweit der Zeitraum der Interimsvergabe vom Antragsgegner zu 1 auf 24 Monate festgelegt wurde, begründet war, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten des Antragsgegners zu 1 zu 2/3 zu tragen.

Im Hinblick auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten des Antragsgegners zu 2 hat die Antragstellerin diese vollumfänglich zu tragen, da der Nachprüfungsantrag unzulässig und die Antragstellerin insoweit vollständig unterlegen ist.

Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt. Sie ist daher nicht in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bestandskraft dieses Beschlusses die anteilige Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

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von dem Knesebeck
Gause
Kehl