Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.03.2001, Az.: 2 W 28/01
Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde im Insolvenzverfahren; Berechtigung zur Stellung eines Insolvenzantrags
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.03.2001
- Aktenzeichen
- 2 W 28/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 29423
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0312.2W28.01.0A
Fundstellen
- EWiR 2002, 631
- KTS 2001, 619-622
- NZI 2001, 6
- NZI 2001, 426-428
- ZIP 2001, 619-621
- ZInsO 2001, 266-268 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Im Beschwerdeverfahren erstmals erhobene Einwendungen gegen den Bestand der Forderung des antragstellenden Gläubigers sind unerheblich, wenn auf Grund der Feststellungen des Insolvenzgerichts ein Eröffnungsgrund auch unabhängig von der Forderung des Gläubigers besteht.
- 2.
Die Kosten einer erfolglosen Beschwerde des Schuldners gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind nicht der Insolvenzmasse, sondern vielmehr dem Schuldner persönlich aufzuerlegen; dies gilt auch für die Beschwerde der insoweit noch vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person.
- 3.
Der Schuldner ist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr berechtigt, durch Erteilung eines Auftrages zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Eröffnungsbeschluss eine Kostenschuld der Masse zu begründen.
- 4.
Der Wert des Verfahrens bei einer sofortigen Beschwerde des Schuldners gegen den Eröffnungsbeschluss ist ausschließlich nach § 38 GKG festzustellen; eine fehlerhafte Wertfestsetzung durch das Landgericht kann vom Rechtsbeschwerdegericht gem. §§ 4 InsO, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG von Amts wegen geändert werden.
Gründe
I.
Die Schuldnerin ist eine Grundstücksverwertungsgesellschaft, die aus einem Konkursverfahren ein Grundstück erworben hat, auf dem bereits ein Klinikbetrieb unterhalten wurde. Sie ist als Eigentümerin des Grundstücks, dass ihr bereits im Oktober 1998 übergeben wurde, noch nicht eingetragen. Über den Grundstückskaufvertrag ist ein Rechtsstreit mit dem Konkursverwalter der Verkäuferin des Grundstücks anhängig. Die Schuldnerin hat das Grundstück mit Vertrag v. 15.10.1998 an eine mit ihr personell verflochtene Betriebsgesellschaft zum Betrieb eines Seniorenwohnheimes vermietet.
Gegen die Schuldnerin sind zwei Insolvenzanträge des Landes N. wegen rückständiger Erbbaurechtskosten und der Stadt S. wegen nicht bezahlter Abwassergebühren gestellt worden. Gegen beide Forderungen hat sich die Schuldnerin bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses zunächst nicht mit Substanz verteidigt. Das Insolvenzgericht hat durch die Einsetzung eines Gutachters im Eröffnungsverfahren ermittelt, dass die Gesellschaft mit mehr als 600.000 DM überschuldet ist. Dabei machen die Forderungen der antragstellenden Stadt und des antragstellenden Landes weniger als 200.000 DM aus. Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters gem. § 156 InsO beträgt die Überschuldung sogar mehr als 2,5 Mio. DM.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschl. v. 30.8.2000 haben zunächst die beiden allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Schuldnerin gegen den Eröffnungsbeschluss sofortige Beschwerde eingelegt. Während der Geschäftsführer R. die von ihm eingelegte Beschwerde später zurücknehmen ließ, hat der Beschwerdeführer L. das von ihm eingelegte Rechtsmittel damit begründet, dass die Schuldnerin wegen des bislang dinglich nicht vollzogenen Kaufvertrages weder den Erbbauzins noch die Abwasserabgaben schulde.
1.
Mit Beschl. v. 14.2.2001 hat das LG diese Beschwerde nach Nichtabhilfe durch das Insolvenzgericht mit der Begründung zurückgewiesen, zumindest die Stadt S. als antragstellende Gläubigerin habe durch Vorlage ihrer Abwasserbescheide glaubhaft gemacht, dass sie zur Antragstellung berechtigt sei. Ein Eröffnungsgrund liege vor, da die Schuldnerin auch ohne die im Beschwerdeverfahren bestrittenen Forderungen der Stadt S. und des Landes N. um ein Vielfaches überschuldet sei.
2.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten "sofortigen Beschwerde" mit der sie geltend macht, dass eine Antragsberechtigung der Stadt S. nicht gegeben sei. Deren Bescheide könnten, soweit sie bestandskräftig seien, mit der Vollstreckungsgegenklage angefochten werden. Soweit gegen die Bescheide Widerspruch eingelegt worden sei, seien verwaltungsgerichtliche Verfahren anhängig. Den vorgelegten Bescheiden komme deshalb keine Beweiskraft für die Begründetheit der Forderungen der antragstellenden Gläubigerin zu, sodass auch keine Antragsberechtigung gegeben sei. Mit diesen Gesichtspunkten habe sich das LG nicht ausreichend auseinander gesetzt.
Die tatsächliche Überschuldung sei nicht Gegenstand der Beschwerde, auch insoweit habe die Schuldnerin aber Einwendungen gegen die Höhe der vom Insolvenzverwalter festgestellten Überschuldung. Sofern ein "wirklicher Gläubiger" der Schuldnerin Insolvenzantrag stellen würde, sei die Schuldnerin bereit, dieses zum Anlass zu nehmen, um mit dem Gläubiger über seine Forderung zu verhandeln und diese ggf. zu begleichen. Den Gesellschaftern der Schuldnerin stehe es dann ja frei, ob sie ausreichende Einlagen in die Gesellschaft tätigen wollten, um die Forderung zu befriedigen.
II.
Der zwar formal gestellte Antrag auf Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde, der jedoch nicht näher begründet worden ist, hat keinen Erfolg. Die Schuldnerin hat nicht dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 InsO vorliegen.
Gem. § 7 Abs. 1 InsO setzt das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde im Insolvenzverfahren eine Zulassung durch das Rechtsmittelgericht voraus. Die sofortige weitere Beschwerde ist dann zuzulassen, wenn die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Gesetzes beruht und die Nachprüfbarkeit der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist (s. auch Senat, Beschl. v. 26.2.2001 2 W 11/01; OLG Zweibrücken,ZInsO 2000, 398; Kirchhof, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, § 7 Rn. 4 ff.; Prütting, in: Kübler/Prütting, InsO, § 7 Rn. 21 ff.; zusammenfassend Pape, NJW 2001, 23, 24 ff. m.w.N.).
Selbst man davon absieht, dass die Schuldnerin in der Begründung der sofortigen weiteren Beschwerde keine Ausführungen zum Vorliegen einer Gesetzesverletzung und zur Erforderlichkeit der Überprüfung der Sache zwecks Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemacht hat, hat die Schuldnerin auch im Übrigen mit ihrem Vorbringen eine Verletzung des Gesetzes nicht dargelegt. Ihre Auffassung, die Verfahrenseröffnung sei aufzuheben, weil sie im Beschwerdeverfahren Bedenken bzgl. der Antragsberechtigung der antragstellenden Stadt Schneverdingen geltend gemacht hat, greift aus mehreren Gründen nicht durch:
1.
Zunächst steht der sofortigen weiteren Beschwerde entgegen, dass es nach Zulassung des Eröffnungsantrages auf den Bestand der Forderung des Antragstellers nicht mehr ankommt, falls das Insolvenzgericht - wie dies hier der Fall ist - andere Forderungen ermittelt, die ausreichen, um einen Insolvenzgrund zu belegen (dazu OLG Köln, WiB 1996, 136; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 14 Rn. 22 f.; Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 14 Rn. 109). Der Vollbeweis der Forderung des antragstellenden Gläubigers ist grds. nur dann erforderlich, wenn das Vorliegen eines Insolvenzgrundes von dem Bestand dieser Forderung abhängt und ohne die Forderung die Eröffnungsvoraussetzungen nicht gegeben wären.
Hier hatte die Schuldnerin bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses die Forderungen beider Antragstellerin gar nicht in Frage gestellt, sodass sich das Insolvenzgericht mit den glaubhaft gemachten Forderungen der Antragsteller auch nicht näher auseinander setzen müsste. Die vom Gutachter festgestellte Überschuldung der GmbH reichte allemal aus, um unabhängig von den Forderungen der Antragsteller von der Überschuldung der GmbH auszugehen.
2.
Eine taugliche Gegenglaubhaftmachung der Antragsgegnerin ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin trägt nicht einmal vor, dass gegen die Beitragsbescheide der Stadt S., soweit diese bestandskräftig sind, tatsächlich Vollstreckungsgegenklage eingelegt worden ist. Eine solche Klageerhebung wäre aber die Mindestvoraussetzung für eine ernst zu nehmende Gegenglaubhaftmachung bei einer bestandskräftigen Forderung (s. auch Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 14 Rn. 57). Das LG ist deshalb auch völlig zu Recht davon ausgegangen, dass ernsthafte Zweifel an dem Bestehen der Forderung der Stadt S. nicht glaubhaft gemacht sind und eine nähere Auseinandersetzung mit der Antragsberechtigung dieser Gläubigerin schon deshalb nicht erforderlich war.
3.
Die für die Insolvenzeröffnung maßgebliche Überschuldung wird von der Schuldnerin gar nicht in Frage gestellt. Substantiiertes Vorbringen hierzu fehlt. Auch ohne Berücksichtigung der antragstellenden Gläubiger liegt eine derart nachhaltige Überschuldung vor, dass die Verfahrenseröffnung unausweichlich war. Bei einer GmbH haben es die Gesellschafter nicht in der Hand, von Fall zu Fall zu entscheiden, ob sie berechtigte Ansprüche befriedigen, indem sie Kapital nachschießen, oder ob sie mit den Gläubigern über die Forderung verhandeln, wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird. Vielmehr sind die Geschäftsführer verpflichtet, unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen, sobald das Vermögen der Gesellschaft überschuldet ist, um nicht den Straftatbestand des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG auszulösen und persönlich für die Begründung von neuen Verbindlichkeiten nach § 64 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB eintreten zu müssen (dazu Hess, InsO, § 13 Rn. 57 ff.; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 15 Rn. 9 ff.). Insoweit überrascht es, wenn in der Beschwerdebegründung ausgeführt wird, die Schuldnerin habe sich mit der vom Insolvenzgericht festgestellten Überschuldung nicht auseinander zu setzen.
Eine mögliche Gesetzesverletzung durch das LG, die gem. § 7 Abs. 1 InsO Voraussetzung für die Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde ist, hat die Schuldnerin demgemäß nicht ausgeführt.
III.
Die sofortige weitere Beschwerde musste deshalb schon auf Grund der fehlenden Zulassungsvoraussetzungen als unzulässig verworfen werden.
IV.
1.
Bei der Kostenentscheidung, die aus den §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO folgt, war klarzustellen, dass die Kosten des Beschwerdeverfahrens - dies gilt auch für die sofortige Beschwerde zum LG - nicht von der Insolvenzmasse zu tragen sind, sondern vielmehr von dem freien Vermögen der Schuldnerin aufgebracht werden müssen (s. auch OLG Bamberg, Rpfleger 1962, 349; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 2000, S. 165 Rn. 309; Hess, InsO, § 54 Rn. 12; Pape, in: Kübler/Prütting, InsO, § 54 Rn. 14; Scholz, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., § 54 Rn. 22). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind keine Verfahrenskosten i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 InsO und fallen damit auch der Insolvenzmasse zur Last. Sie sind nicht vom Insolvenzverwalter veranlasst, sondern vom Schuldner selbst bzw. von den Vertretungsorganen des Schuldners und können deshalb auch nicht der Insolvenzmasse angelastet werden. Auf die Frage, ob insolvenzfreies Vermögen des Schuldners, aus dem die Kosten aufgebracht werden können, tatsächlich vorhanden ist, kommt es dabei - dies gilt auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person - nicht an. Entscheidend ist, dass der Schuldner bzw. dessen handelnde Organe, die insoweit noch befugt sind, die Rechte des Schuldners wahrzunehmen, keine Befugnis mehr haben, die Insolvenzmasse zu verpflichten. Kosten i.S.d. § 54 InsO sind nur Kosten des "Insolvenzverfahrens", nicht jedoch Kosten der individuellen Rechtsverfolgung des Schuldners und seiner Vertretungsorgane (s. auch OLG Bamberg, Rpfleger 1962, 349 für das frühere Konkursrecht).
2.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes musste gem. § 38 Satz 1 GKG, der für den Wert des Beschwerdeverfahrens gegen den Eröffnungsbeschluss maßgeblich ist, wenn die Beschwerde nach § 34 Abs. 2 InsO durch den Schuldner eingelegt worden ist (s. dazu Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, S. 165, Rn. 308), auf die niedrigste Gebührenstufe festgesetzt werden, weil der Insolvenzverwalter zwischenzeitlich Masseinsuffizienz nach § 208 InsO angezeigt hat. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass am Ende des Verfahrens eine an die Gläubiger zu verteilende Insolvenzmasse zur Verfügung stehen wird, so dass als Wert nur die niedrigste Gebührenstufe in Betracht kommt.
Die ohne nähere Begründung auf § 30 Abs. 2 KostO gestützte Festsetzung des Beschwerdewerts durch das LG hat der Senat im Hinblick auf die speziellere Regelung des § 38 Satz 1 GKG, die eine Anwendung des § 30 Abs. 2 KostO ausschließt, von Amts wegen gem. §§ 4 InsO, 25 Abs. 2 Satz 2 GKG auch für die Beschwerdeinstanz geändert.