Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.03.2001, Az.: 9 U 190/00
Amtshaftungsanspruch wegen infolge einer Trennung von Fußweg und Radweg durch eine Trennkante erlittener Schäden; Von Radfahrern beim Befahren kombinierter Fußwege und Radwege zu beachtende Eigensorgfalt; Radfahrer bei Veränderung der Lichtverhältnisse treffende Sorgfaltsanforderungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.03.2001
- Aktenzeichen
- 9 U 190/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 36927
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0321.9U190.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 16.08.2000 - AZ: 2 O 110/00
Rechtsgrundlagen
- § 839 BGB
- Art. 34 GG
Fundstellen
- FStBW 2001, 900
- FStBay 2001, 720
- FStHe 2002, 86
- FStNds 2002, 266
- KomVerw 2002, 106
- MDR 2001, 630 (Volltext mit red. LS)
- NJW-RR 2001, 1393 (Volltext mit amtl. LS)
- NZV 2001, 346
- VersR 2002, 505-506 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2001
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteils des Landgerichts Stade vom 16. August 2001 wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Beschwer: 1.881,15 DM.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung. Sie ist als Radfahrerin am 6. September 1999 gegen 20.30 Uhr in einem Tunnel, durch den in ... ein kombinierter Fuß- und Radweg unter der Bundesstraße ... durchgeführt wird, gegen eine Trennkante zwischen den beiden Wegteilen ge-fahren und dabei gestürzt. Sie behauptet, sie habe die fünf bis zehn cm hohe Kan-te in dem nicht ausreichend beleuchteten Tunnel nicht erkennen können. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs.1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Eine Amtspflichtverletzung wegen verletzter Verkehrssicherungspflicht ist zu verneinen. Die Trennung von Fuß- und Radweg durch eine Kante, die Radfahrer von einem Ausweichen auf den Gehwegteil abhält, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Verkehrssicherungspflichtige Träger der Straßenbaulast müssen die Schutzbelange der Radfahrer und der Fußgänger gegeneinander abzuwägen: Die Beklagte durfte daher durch bauliche Maßnahmen den Anreiz vermindern, den Fußwegteil zu befahren. Dafür sind rein optische Trennungen wenig geeignet, wie nicht selten zu beobachtende rücksichtslose Verhaltensweisen eines Teils der Radfahrer gegenüber Fußgängern zeigen. Bei der Entscheidung, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, kommt es nicht darauf an, das jeweilige Optimum zu erreichen; ausreichend ist es, wenn sich die getroffene Maßnahme im Rahmen einer vertretbaren Abwägung der kollidierenden Gefahren bewegt. So ist es im vorliegenden Fall. Die nachträgliche Veränderung der Unfallstelle durch die Beklagte, die schon als solche keinen Rückschluss auf eine zuvor begangene Verkehrspflichtverletzung gestattet, hat zwar für Radfahrer eine Abschwächung der Sturzgefahr bei eigenem Fehlverhalten bewirkt, zugleich aber das Risiko für Fußgänger infolge eines problemlosen Überfahrens der Trennlinie erhöht.
Von der Trennung der beiden Wegteile wurde die Klägerin nicht überrascht, da schon vor Erreichen des Tunnels die Trennung deutlich erkennbar war. Dass Trennungen nicht kontinuierlich in derselben baulichen Weise fortgeführt werden müssen, sondern ein Wechsel eintreten kann, musste der Klägerin bekannt sein. Trennungen zwischen Gehweg und Radweg durch Niveauunterschiede sind ein häufig eingesetztes technisches Mittel zur Abgrenzung der Wegteile.
Auf die Sichtverhältnisse im Tunnel musste sich die Klägerin ebenfalls einstellen. Es muss jedem Verkehrsteilnehmer bekannt sein, dass sich bei einem starken Wechsel der Lichtverhältnisse die Sichtmöglichkeiten verändern, weil das Auge zu Anpassungsreaktionen gezwungen ist. Die Klägerin hätte ihre Geschwindigkeit an ihre individuellen Sichtmöglichkeiten angesichts des erkennbaren Tunnels anpassen müssen. Im Übrigen hätte sie den Unfall vermieden, wenn sie einfach geradeaus weitergefahren wäre; der Radweg verläuft im Tunnel ohne jede Biegung.
Die Klägerin kann sich im Übrigen nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe am äußersten rechten Rand des Radwegteils fahren dürfen. Zu einem Sturz konnte es nur kommen, wenn die Räder die Kante berührten, dabei aber Lenker und weitere Radteile bereits unerlaubt in den Gehwegteil hineinragten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.