Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.03.2001, Az.: 8 U 47/00
Erstattunganspruch von Prozesskosten; Eintritt eines Rechtsschutzversicherungsfalles vor Beginn des Versicherungsvertrages; Geltung der Jahresfrist des § 14 Abs. 3 ARB 1975; Dauerverstoß
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.03.2001
- Aktenzeichen
- 8 U 47/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 21609
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0322.8U47.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Verden 5 O 241/99
Rechtsgrundlage
- § 14 Abs. 3 ARB 1975
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Jahresfrist des § 14 Abs. 3 ARB 1975 gilt nicht für Dauerverstöße.
- 2.
Für die Frage, ob ein Rechtsschutzversicherungsfall gem. § 14 Abs. 3 ARB 1975 bereits vor Beginn des Rechtsschutzverhältnisses vorgelegen hat, kommt es nicht auf Wahrheit, Schlüssigkeit, Substanttiertheit oder Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Verstöße im Vorprozess an; es genügt vielmehr, dass eine ernsthafte Behauptung vorliegt.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. März 2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Klägerin: 12.348,96 DM.
Gründe
Die zulässige Berufung, mit der die Klägerin ihr Begehren nach Erstattung von Prozesskosten aufgrund einer bei der Beklagten unterhaltenen Rechtsschutzversicherung weiterverfolgt, hat in der Sache keinen Erfolg.
Aus dem seit dem 5. August 1993 bestehenden Rechtsschutzversicherungsverhältnis ist die Beklagte nicht verpflichtet, Kosten des Vorprozesses zu übernehmen, in dem die Klägerin und ihr Ehemann im Jahre 1997 auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung verklagt worden waren. Obwohl dieser Vorprozess nach Beginn des Rechtsschutzversicherungsverhältnisses stattgefunden hat, ist er vom Versicherungsschutz nicht umfasst. Denn der ihm zugrunde liegende Versicherungsfall lag vor dem Abschluss des Versicherungsvertrages. Er gilt gemäß § 14 Abs. 3 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 75) bereits zu dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem der Versicherungsnehmer begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.
Demgemäß hat das Landgericht mit Recht den Verstoß, den die Mutter der jetzigen Klägerin im Vorprozess dieser und ihrem Ehemann vorgeworfen hatte, als vorvertraglich und damit nicht vom Versicherungsschutz umfasst angesehen. Dabei hat es richtigerweise auf die in der Klageschrift des Vorprozesses enthaltene Darstellung abgestellt und darin die Behauptung eines ständigen weit in die Zeit vor 1993 zurückreichenden Verstoßes gegen die Pflichten aus dem zwischen den damaligen Parteien bestehenden Dauerrechtsverhältnis - mietfreies Wohnen der jetzigen Klägerin und ihres Ehemannes in der von ihnen ausgebauten Wohnung im Dachgeschoss des Hauses der Mutter - gesehen. In diesem Sinne sind dort ständige Verletzungen der Pflichten zur Rücksichtnahme und Nebenkostenbeteiligung geschildert, nämlich Feindseligkeiten gegenüber einer anderen Tochter der damaligen Klägerin, ein durch eigenmächtiges Einrichten und Betreiben einer Reparaturwerkstatt geschaffener Dauerzustand, ständige Weigerung, anteilige Nebenkosten zu tragen, zeitweiser Entzug des Hausschlüssels, Herabsetzung des Wasserdrucks, Wegschicken von Handwerkern, die die Mutter bestellt hatte.
Nach der Darstellung in der damaligen Klageschrift handelte es sich um ein ständiges Schikanieren und für die Mutter um ein "25-jähriges Martyrium". Der Beginn dieses Dauerverstoßes und damit der Eintritt des Rechtsschutzversicherungsfalles lag also zweifellos lange vor dem Beginn des Rechtsschutzversicherungsverhältnisses.
Dabei kommt es - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht darauf an, ob diese Darstellung falsch war, etwa weil das Verhältnis eigentlich gut war und die Beteiligten sich nach einzelnen Streitigkeiten wieder versöhnt hatten, unerheblich ist auch, ob die Darstellung in der damaligen Klageschrift hinreichend substantiiert war, was die Klägerin verneint. Maßgeblich sind allein die behaupteten Verstöße; auf Wahrheit, Schlüssigkeit, Substantiiertheit oder Entscheidungserheblichkeit kommt es nicht an. Es genügt vielmehr, dass eine "ernsthafte" Behauptung vorliegt, nämlich ein Vortrag, der zumindest einen Tatsachenkern enthält, der die Beurteilung erlaubt, ob hiermit ein adäquat kausaler Vorgang für den zwischen den Parteien ausgebrochenen Konflikt dargetan ist (BGH VersR 85, 540, 541 [BGH 20.03.1985 - IVa ZR 186/83]). Das ist bei dem Klagevorbringen im Vorprozess eindeutig der Fall.
Die in § 14 Abs. 3 Satz 2 ARB bestimmte Jahresfrist ändert an dieser Beurteilung nichts. Nach dieser Regelung bleiben von mehreren selbständigen Einzelverstößen diejenigen bei der Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsvertrages zurückliegen. Nach dem Klagevorbringen im Vorprozess handelt es sich hier jedoch nicht um mehrere Einzelverstöße, sondern um ein Dauerverhalten, das lange vor dem Versicherungsbeginn begonnen hat und für das die erwähnte Jahresfrist nicht gilt (Harbauer, ARB, § 14 Rnr. 61 ff. ).
Die Kosten ihres hiernach erfolglosen Rechtsmittels hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer ist gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt worden.