Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.03.2001, Az.: 14 U 143/00
Bemessung von Schadensersatzansprüchen und Schmerzensgeldansprüchen unter Berücksichtigung von Mitverschuldensquoten; Beschädigung von Fahrzeugen und Personen im Rahmen eines Verkehrsunfalls
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.03.2001
- Aktenzeichen
- 14 U 143/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 32120
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0308.14U143.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Bückeburg - 28.04.2000 - AZ: 2 O 322/99
Rechtsgrundlagen
- § 7 Abs. 2 StVG
- § 823 Abs. 1 BGB
- § 847 BGB
Der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle hat
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2001
durch
die Richter am Oberlandesgericht ... und ... sowie
den Richter am Amtsgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 28. April 2000 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 5.750 DM.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein über das landgerichtliche Urteil hinausgehender weiterer Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch nicht zu.
I.
Grundsätzlich ist die Beklagte als Prozeßstandschafter verpflichtet, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der bei dem Betrieb des von dem Zeugen J. gesteuerten KOM entstanden ist. Bei dem Betrieb dieses KOM wurde das Fahrzeug des Klägers beschädigt, außerdem hat er Sachschäden und Körperverletzungen erlitten. Der Unfall war auch für den Fahrer des KOM nicht unabwendbar gemäß § 7 Abs. 2 StVG, wovon auch die Beklagte ausgeht.
Gleichwohl kann der Kläger nicht 100 % seines Schadens ersetzt verlangen, da auch ihn am Zustandekommen des Unfalls ein Mitverschulden trifft. Der Kläger hätte den Zusammenstoß mit dem von dem Zeugen J. gesteuerten Bus verhindern können, wenn er rechtzeitig gebremst hätte oder ausgewichen wäre. Der vom Landgericht vernommene Zeuge W., der etwa 100 m hinter dem Fahrzeug des Klägers fuhr, hat in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2000 vor dem Landgericht auf seine Aussage in dem Ermittlungsverfahren Bezug genommen. Zwar hat der Zeuge W. in seiner Vernehmung vor dem Landgericht bekundet, er sei der Meinung, der Kläger habe nur in den Graben ausweichen können. In seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor der Staatsanwaltschaft Bückeburg vom 3. Dezember 1997 hat der Zeuge W. allerdings bekundet, als der Bus über alle Fahrtrichtungen quer gestanden habe, sei ihm durch den Kopf gegangen, dass der Kläger jetzt aber doch reagieren müsste, dass er bremsen oder ausweichen müsste. Er habe bis zu dem Aufprall keine Reaktion des Klägers gesehen. Sein, des Zeugen, Eindruck sei gewesen, dass der Kläger gar nicht reagiert habe. Auch aus dem Gutachten des Sachverständigen G. vom 5. Januar 1998 ergibt sich, dass der Kläger den Verkehrsunfall leicht hätte vermeiden können. Nach diesem Gutachten betrug die Kollisionsgeschwindigkeit des KOM ca. 20 km/h und die Kollisionsgeschwindigkeits des PKW Opel des Klägers ca. 65 km/h. Auf Grund nicht vorhandener Bremsspuren seitens des PKW Opel des Klägers vor Erreichen der Kollisionsstelle und auf Grund der eigenen Angaben des Fahrzeugführers ist der Sachverständige bei der Rückrechnung der gefahrenen Geschwindigkeit des PKW Opel davon ausgegangen, eine Verzögerung des Fahrzeuges vor Erreichen des Anstoßortes habe nicht oder nur geringfügig stattgefunden. Hieraus hat der Sachverständige für den PKW Opel eine Ausgangsgeschwindigkeit von 65 km/h ermittelt, sodass die Annahme des Klägers, der Sachverständige G. habe die Parameter schlicht unterstellt, unzutreffend ist. Auf Grund nicht vorhandener Brems- bzw. Blockierspuren seitens des PKW Opel vor Erreichen des Anstoßortes ist der Sachverständige davon ausgegangen, dass der Kläger auf den von links nach rechts die Richtungsfahrbahn S. kreuzenden KOM nicht oder verspätet reagiert hat, wie die Weg-Zeit-Gegenüberstellung des Sachverständigen ergeben hat. Die Weg-Zeit-Gegenüberstellung des Sachverständigen hat ergeben, dass sich der PKW Opel bei einer konstanten Fahrgeschwindigkeit von 65 km/h auf der linken Fahrspur der zweispurigen Richtungsfahrbahn S. der späteren Unfallstelle näherte und der Kläger mit seinem Fahrzeug noch etwa 61 m von der späteren Kollisionsstelle entfernt war, als der KOM die unterbrochene Fahrbahnmarkierung überfuhr und der Kläger auf dieses gefahrauslösende Moment hätte reagieren müssen. Unter der Annahme, dass der Kläger in einer Entfernung von 61 m auf das gefahrauslösende Moment des KOM mit einer Gefahrenabwehrbremsung reagiert hätte, wäre der Kläger ca. 22 m vor der späteren Kollisionsstelle zum Stehen gekommen. Bei Unterstellung der Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h wäre der Kläger noch ca. 17 m vor der späteren Kollisionsstelle zum Stehen gekommen, wenn er in dem Zeitpunkt mit einer Gefahrenabwehrbremsung reagiert hätte, als der KOM durch Überfahren der unterbrochenen Fahrbahnmarkierung das gefahrauslösende Moment vorgenommen hatte.
Aus der Kollisionsskizze des Sachverständigen G. ergibt sich zudem, dass im Kollisionszeitpunkt die linke der zwei Fahrspuren frei gewesen ist, sodass der Kläger bei rechtzeitiger und richtiger Reaktion hinter dem KOM hätte vorbeifahren können. Das Gutächten des Sachverständigen G. zeigt, dass der Kläger nicht richtig reagiert hat. Der Kläger kann sich auch nicht mit dem Argument entlasten, er sei zunächst auf die linke Fahrspur hinübergefahren, um dem Verkehr aus der S. Straße das Einfädeln zu ermöglichen, er habe den KOM deswegen nicht rechtzeitig bemerkt, weil er über die rechte Schulter geblickt habe, um sich zu vergewissem, ob ein Einscheren auf die rechte Fahrspur wieder möglich war. Der Unfall hat sich im Einmündungsbereich der S. Straße abgespielt. Wenn der Kläger tatsächlich dem Verkehr aus der S. Straße das Einfädeln hätte ermöglichen wollen, wäre er nicht bereits wieder vor dem Einmündungsbereich auf die rechte Fahrspur gewechselt.
Im Hinblick auf diese beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ist die vom Landgericht festgesetzte Quote von 40 % zu Lasten des Klägers und 60 % zu Lasten der Beklagten nicht zu beanstanden.
II.
1.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes gemäß § 823 Absatz 1, § 847 BGB geht der Senat davon aus, dass der Kläger folgende Verletzungen erlitten hat: Retrograne Amnesie, Platzwunde am Kinn, Schädelprellung, Schürfwunden und Prellungen. Der Kläger wurde drei Tage stationär behandelt, bevor die Weiterbehandlung durch den Hausarzt fortgeführt wurde. Der Kläger war insgesamt vier Wochen bis zum 1. Oktober 1997 arbeitsunfähig. Eine völlige Ausheilung der erlittenen Verletzungen trat nach 7 Wochen ein. In Anbetracht dieser Verletzungen hält der Senat unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ein Schmerzensgeld in Höhe von letztlich 2.400,- DM für angemessen und auch ausreichend.
Das Landgericht hat bei seiner Entscheidung übersehen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Bemessung des Schmerzensgeldes nicht - wie bei sonstigen Schadensersatzansprüchen - quotenmäßig durch Berücksichtigung der beiderseitigen Mitverursachungs- und Mitverschuldensquoten zu erfolgen hat, sondern es sich bei dem Schmerzensgeldanspruch um einen einheitlichen Anspruch handelt, bei dem die Mitverursachungs- und Mitverschuldensquote des Verletzten lediglich einer der Bewertungsfaktoren für die Bemessung ist (vergl. Palandt-Thomas, BGB, 58. Auflage, § 847 Rdn. 6).
2.
Die vom Kläger erlittenen Sachschäden in Höhe von 550,- DM sind zwischen den Parteien nicht streitig, so dass der Kläger insoweit Schadensersatz in Höhe von 330,- DM verlangen kann.
III.
Die dem Kläger zustehende Schadensersatzforderung in Höhe von 2.730 DM ist jedoch, wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, gemäß § 387 BGB erloschen, da die Beklagte ihrerseits mit einem unstreitigen Schadensersatzanspruch in Höhe von noch 3.410,20 DM aufgerechnet hat.
Dem Kläger stehen daher die mit der Berufung geltend gemachten weitergehenden Forderungen gegen die Beklagte nicht zu, so dass die Berufung zurückzuweisen ist.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713, § 546 Abs. 2 ZPO.