Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 21.03.2001, Az.: 9 U 148/00
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.03.2001
- Aktenzeichen
- 9 U 148/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 34068
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2001:0321.9U148.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 23.06.2000 - AZ: 4 O 140/00
Fundstelle
- NZS 2001, 493-495
In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2001 für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 23. Juni 2000 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29 784,65 DM nebst 4 % Zinsen auf 25 714,20 DM seit dem 29. Januar 2000 sowie auf weitere 18 008,98 DM vom 24. März 2000 bis zum 30. Juni 2000 und auf weitere 4 070,45 DM seit dem 1. Juli 2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Beschwer: 29 784,65 DM
- 5.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis zum 6. März 2001 auf 43 824,59 DM, für die Zeit danach auf 29 886,06 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Pflegeheim, in dem die Beklagte als Versicherte einer gesetzlichen Pflegekasse seit September 1998 stationär betreut wird. Die Klägerin begehrt Zahlung von Heimpflegeentgelt für die Zeit vom 23. September 1998 bis zum 29. Februar 2000, soweit dieses nicht von dritter Seite geleistet worden ist. Am 18. September 1998 schlossen die Klägerin und die Beklagte, vertreten durch ihre damalige Betreuerin, einen Pflegeheimvertrag. Die Beklagte bezahlte das Heimentgelt nur teilweise, und zwar durch Verrechnung mit Direktleistungen aus einer gesetzlichen Pflegeversicherung nach Pflegestufe III. Sozialhilfe wurde zunächst nicht beantragt, aber nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils rückwirkend für den Zeitraum vom 27. September 1999 bis 30. Juni 2000 gewährt und an die Klägerin überwiesen. In Höhe eines Teilbetrages von 13 938,53 DM haben die Parteien daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt; sie streiten weiter über den danach noch verbleibenden Restbetrag in Höhe von 29 886,06 DM. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, jedoch überwiegend unbegründet, wie sich aufgrund des substantiierteren Vorbringens im Schriftsatz vom 15. Januar 2001 und der ergänzenden unstreitigen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergibt. Der geltend gemachte Anspruch für die stationäre Betreuung ist nach den einzelnen Kostenarten für stationäre Pflege, für Unterkunft und Verpflegung ("Hotelkosten" bzw. "Pensionskosten") sowie für betriebliche Investitionen zu trennen. Der Anspruch ergibt sich nicht pauschal aus dem Heimvertrag vom 18. September 1998 in Verbindung mit der sog. "Entgeltvereinbarung" vom 18. September 1999, die der damaligen Betreuerin der Beklagten brieflich übersandt worden ist.
I. Kosten der vollstationären Pflege
Die Kosten der stationären Pflege schuldet die Beklagte auf der Grundlage des abgeschlossenen Heimvertrages vom 18. September 1998 in Verbindung mit den beschränkenden Regelungen des Heimgesetzes vom 7. August 1974 in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 1990 (BGBl. I S. 763, 1069) und des SGB XI. Irrelevant sind die betragsmäßigen Festlegungen des Heimvertrages. Bindend sind vielmehr für Versicherte der sozialen Pflegeversicherung gem. § 4e Abs. 1 S. 2 HeimG in Bezug auf die Kostenpositionen allgemeine Pflegeleistung sowie Unterkunft und Verpflegung die Regelungen der Kapitel 7 und 8 des SGB XI (= §§ 69 bis 92). Gem. § 4e Abs. 3 HeimG ist der Entgeltanspruch für die allgemeinen Pflegeleistungen grundsätzlich gegen die Pflegekasse zu richten.
Die Pflegekassen erbringen die stationäre Pflege nach dem Sachleistungsprinzip (Udsching, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, 2. Aufl. 2000, vor § 28 Rdnr. 2).
Sie beschaffen sich die Pflegeleistungen regelmäßig, indem sie Versorgungsverträge mit gem. § 72 zugelassenen Leistungserbringern abschließen; deren Vergütung erfolgt primär auf der Grundlage einer sozialrechtlich geregelten Vergütungsvereinbarung unmittelbar durch die Pflegekasse und allenfalls ergänzend durch den Pflegebedürftigen. Gem. § 82 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI können zugelassene Pflegeheime, zu denen die Klägerin mit ihrem Heim gehört, eine leistungsgerechte Pflegevergütung verlangen, deren Höhe durch Pflegesatzvereinbarungen nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI bestimmt wird. Begrenzungen der Sachleistung auf monatliche Höchstbeträge, nämlich in der Pflegeklasse III auf 2 800 DM, die sich in dem für die Klage relevanten Zeitraum aus § 43 Abs. 5 SGB XI ergeben (näher dazu Udsching a.a.O. vor § 28 Rdnr. 3 und 6 f., § 43 Rdnr. 3 f. und 8), haben nur Bedeutung für das Leistungsverhältnis zwischen Pflegebedürftigem und Pflegekassen. Die Höhe des in der Beziehung zwischen Pflegeeinrichtung und Pflegebedürftigem für Pflegeleistungen geschuldeten Heimentgelts richtet sich gem. § 4e Abs. 1 S. 2 HeimG ausschließlich nach den Regelungen der §§ 69 bis 92 SGB XI (Udsching a.a.O. § 43 Rdnr. 17 f.). Sofern danach Pflegesatzvereinbarungen geschlossen worden sind oder Schiedsstellenentscheidungen ergangen sind, sind diese Festsetzungen gem. § 85 Abs. 6 S. 1 2. Hs. SGB XI für die Pflegeeinrichtungen und die in ihnen versorgten Pflegebedürftigen verbindlich (vgl. BSG, Urt.v. 14. Dezember 2000 - B 3 P 19/00 R ), sodass der Pflegebedürftige eine etwaige Differenz zwischen nach § 43 Abs. 5 SGB XI begrenzter Pauschalleistung der Pflegekassen und höherer Pflegesatzfestsetzung selbst zu tragen hat (Udsching a.a.O. § 85 Rdnr. 9).
Die von der Klägerin vorgelegte Entgeltvereinbarung, die gem. §§ 84, 85, 42, 43 SGB XI (vgl. deren § 2) zwischen ihr und den Pflegekassen am 17. August 1999 mit Wirkung ab 1. Juli 1999 abgeschlossen worden ist, setzt den Pflegesatz in § 3 Abs. 1 für die Pflegeklasse III auf 117,71 DM fest. Auch in der Zeit davor, also vom Beginn der Pflege am 23. September 1998 an bis zum 30. Juni 1999, war die Klägerin, wie sich mit hinreichender Deutlichkeit allerdings erst aus dem unstreitigen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergeben hat, eine nach § 72 SGB XI zugelassene Pflegeeinrichtung; es bestand eine gleichartige Pflegesatzvereinbarung mit einem niedrigeren Tagessatz.
Demnach ist die Klägerin berechtigt, die in ihrer Aufstellung GA Bl. 24 f. angegebenen monatlichen Pflegeleistungen abzüglich der von der Pflegekasse gezahlten Beträge für die Zeit vom 18. September 1998 bis zum 29. Februar 2000 sowie abzüglich der von der Beklagten für Februar 2000 erbrachten Zahlung in Höhe von 657,15 DM zu verlangen. Nach unten zu korrigieren ist nur der für volle Monate im Jahre 1998 angesetzte Tagesschlüssel; es ist nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin für 1999 mit 30,42 Tagen pro Monat rechnet, davon aber für 1998 abweicht. Unter Abzug der Pflegekassenzahlung errechnet sich danach ein Forderungsbetrag von 11 180,66 DM (59 779,96 DM ./. 48 599,30 DM) statt der anteilig geltend gemachten 11 259,42 DM. Nach weiterem Abzug der Eigenleistung verbleiben 10 523,51 DM.
Der Senat hat die vorgerichtlich erteilte Abrechnung GA Bl. 24 f. trotz der fehlenden Angaben zu den drittwirkenden Pflegesatzvereinbarungen - dasselbe gilt für die ursprünglich fehlende Angabe der behördlichen Bescheide über die umlagefähigen Investitionskosten (dazu unten III.) - als gerade noch überprüfbar und daher schon ursprünglich fällig angesehen.
II. Unterkunft, Verpflegung
Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung kann die Beklage gem. § 4e Abs. 1 S. 2 HeimG ebenfalls nur nach Maßgabe der Kapitel 7 und 8 SGB XI (= §§ 69 bis 92) verlangen. Die Tagessätze von 30,56 DM für die Zeit vom 23. September 1998 bis zum 30. Juni 1999 und von 30,95 DM für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis zum 29. Februar 2000 - der Schriftsatz der Klägerin vom 15. Januar 2001 wirft die Zahlen für Pensionskosten mit denen für Investitionskosten durcheinander - sind zutreffend, weil unstreitig entsprechende Vereinbarungen gem. § 87 SGB XI getroffen worden sind. Daher ist die Klageforderung wegen der Kostenart Pensionskosten begründet, soweit sie sich nicht durch Direktzahlung des Sozialhilfeträgers für die Zeit ab 27. September 1999 erledigt hat. Allerdings ist auch insoweit für 1998 mit einem Tagesschlüssel von 30,42 Monatstagen zu rechnen. Ohne die Zahlung des Sozialhilfeträgers bestand die Forderung in Höhe von 16 143,19 DM.
III. Investitionskosten
Der Anspruch auf Zahlung von Investitionskosten ergibt sich entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht unmittelbar aus § 82 SGB XI. § 82 Abs. 3 SGB XI legt nur fest, dass Investitionskosten zugelassener Pflegeheime neben der Pflegevergütung und den Pensionskosten (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 und 2) gesondert berechnet werden dürfen, dies allerdings auch nur unter Abzug etwaiger gem. § 9 SGB XI in Verb. mit § 19 Nds. PflegeG vom 22. Mai 1996 (NGVBl. 1996, 245) gewährter öffentlicher Förderungsmittel, also nur in Höhe nicht durch Fördermittel gedeckter Aufwendungen (vgl. Udsching a.a.O. § 82 Rdnr. 9).
Der Anspruch ergibt sich - im Grundsatz wie bei den anderen Kostenarten - nur aus dem Heimvertrag vom 18. September 1998. Dieser Vertrag ist bei verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessen gem. § 157 BGB in Anpassung an die einwirkenden Sozialrechtsnormen dahin auszulegen, dass die Pflegebedürftige angesichts der gesetzlichen Beschränkungen der Vergütungskalkulation des Pflegeheims und des damit verbundenen Zwangs zur getrennten Ausweisung der Kostenarten, deren Einzelbeträge ohne die gesetzlichen Vorgaben nur als unselbständige Kostenfaktoren in die interne Entgeltberechnung der Klägerin einfließen und in einem einheitlich ausgewiesenen Gesamtpreis verschwinden würden, jene aufgesplitteten Kostenbestandteile schuldet, deren Umlage gesetzlich zulässig ist.
Ohne detailliertes Bestreiten der Beklagten war es der Klägerin gestattet, die Berechtigung der von ihr geltend gemachten Investitionskosten in abgekürzter Form durch Bezugnahme auf die behördlich genehmigten Umlagebeträge darzulegen, auch wenn die Bescheide, die der Landkreis H. am 6. Oktober 1999 und am 14. Januar 2000 gegenüber der Klägerin erlassen hat, gegenüber der Beklagten - anders als die Pflegesatzvereinbarung der Klägerin mit den Pflegekassen - nicht verbindlich sind. Die Klägerin hat die relevanten Zahlen mit Schriftsatz vom 15. Januar 2001 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Tagesbeträge, die in der Aufstellung GA Bl. 24 f. genannt sind, zutreffen. Zu korrigieren ist allerdings der Monatsmultiplikator, der sich nicht an der Zahl der Kalendertage orientiert; anzuwenden sind die Monatsbeträge von 772,80 DM bzw. 1 038,00 DM für volle Kalendermonate, wie sie in den Bescheiden genannt sind.
Für die Zeit ab dem 27. September 1999 ist die Klägerin durch anteilige Direktleistungen des Sozialhilfeträgers befriedigt worden. Unabhängig von dieser Zahlung standen ihr für die Zeit vom 23. September 1998 bis zum 29. Februar 2000 17 056,48 DM (1998: 2 524,48 DM, 1999/2000: 14 532,00 DM) zu.
IV. Gesamtforderung, Zinsen, Nebenentscheidungen
Die Salden der Kostenpositionen I bis III ergeben addiert 43 723,18 DM. Davon ist die Leistung des Sozialversicherungsträgers in Höhe von 13 938,53 DM abzuziehen, sodass eine Restforderung in Höhe von 29 784,65 DM verbleibt, die ausgeurteilt worden ist. Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich des weitergehenden Leistungsantrags abzuweisen. Für eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens bis zur Entscheidung über den Widerspruch im Verwaltungsverfahren über die weitergehende Sozialhilfegewährung besteht kein Anlass, da die Sozialhilfegewährung weder für den Anspruch der Klägerin noch für die Prozesskostenentscheidung vorgreiflich ist.
Soweit die Forderung begründet war bzw. jetzt noch ist, ist sie mit dem geforderten Jahreszins von 4 % zu verzinsen. Verzug mit dem ersten Teilbetrag von 25 714,20 DM ist zwar am 1. Oktober 1999 eingetreten, wie das Landgericht in seiner Begründung festgestellt hat. Die davon abweichende Tenorierung des Landgerichts, die offenbar von der Zustellung des Mahnbescheides (29. Januar 2000) ausgeht, ist von der Klägerin nicht angegriffen worden, sodass es in der Berufungsinstanz bei dem Beginn des Fristenlaufs am 29. Januar 2000 bleibt. Rechtshängigkeit des zweiten Teilbetrages ist am 24. März 2000 eingetreten. Abzusetzen war die Zuvielforderung des Hauptbetrages in Höhe von 101,41 DM. Mangels Vortrags zum Eingang der Zahlung des Sozialhilfeträgers war das Datum des Bescheides (30. Juni 2000) als Zeitpunkt der Tilgung zugrunde zu legen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 91a ZPO. Unerheblich war die abgewiesene Mehrforderung in Relation zur Gesamtforderung, sodass die Beklagte die Kosten in vollem Umfang zu tragen hat. Hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils ist die Klage ungeachtet der minimalen Korrekturen begründet gewesen, sodass die Beklagte insoweit die Kosten zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.