Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 29.03.2001, Az.: 14 U 109/00

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
29.03.2001
Aktenzeichen
14 U 109/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 34073
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2001:0329.14U109.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - AZ: 5 O 415/99

Fundstellen

  • MDR 2001, 1349-1350 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2001, 249-250

Amtlicher Leitsatz

Keine Haftung eines am rechten Fahrbahnrand haltenden Pkw-Fahrers, wenn ein Fahrradfahrer grob fahrlässig auffährt.

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Kläger gegen das am 21. März 2000 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Beschwer der Kläger: 12.994,68 DM.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung der Kläger ist unbegründet.

2

Das Landgericht hat die Klage, mit der die Kläger zunächst zwei Drittel der Beerdigungskosten für den bei dem Unfall am 18. Juli 1998 auf der Landstraße 311 getöteten ####### sowie ihrer Unterhaltsschäden begehrt haben, bereits dem Grunde nach abgewiesen, weil die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1 geführten Gespanns vollständig hinter dem sorgfaltswidrigen und unfallursächlichen Verhalten des Getöteten zurücktrete.

3

Das Urteil des Landgerichts trifft zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Demgegenüber rechtfertigen die Angriffe der Berufung, mit der die Kläger ihre Ansprüche nur noch zu 40 % weiter verfolgen, keine abweichende Entscheidung. Nur ergänzend ist auszuführen:

4

Keine der Parteien hat den Unabwendbarkeitsbeweis gemäß § 7 Abs. 2 StVG geführt.

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Die Kläger haben darüber hinaus nicht den Beweis geführt, dass den Beklagten zu 1 ein Verschulden an der Mitverursachung des Unfalls trifft oder die Beklagten sich eine erhöhte Betriebsgefahr zurechnen lassen müssen. Die Kläger haben nicht bewiesen, dass das Fahr- und Warnblinklicht an Zugfahrzeug und Anhänger zum Unfallzeitpunkt nicht eingeschaltet gewesen ist. Aufgrund des im Ermittlungsverfahren (142 Js 5057/97 StA Lüneburg) eingeholten Gutachtens des Sachverständigen ####### steht lediglich fest, dass der linke Fahrtrichtungsanzeiger und die Kennzeichenbeleuchtung am Anhänger defekt gewesen sind. Dass etwa auch das Rücklicht am Anhänger bei eingeschaltetem Fahrtlicht defekt war, ist nicht ersichtlich. Insofern ist davon auszugehen, dass der Anhänger beidseitig mit intakten Rücklichtern zum Zeitpunkt des Unfalls beleuchtet gewesen ist.

6

Die Einschaltung des Fahr- bzw. Rücklichts war gemäß § 17 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 StVO nach den Gegebenheiten des Streitfalls jedenfalls auch ausreichend. Die Kläger haben nicht dargetan, dass das Einschalten der Warnlichtanlage aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse am Unfallort geboten gewesen ist. Auf den defekten linken Fahrtrichtungsanzeiger am Anhänger kommt es somit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an. Sie haben nicht vorgetragen, dass das Gespann etwa liegen geblieben ist (§ 15 StVO) oder dass der Beklagte zu 1 nur durch das eingeschaltete und funktionstüchtige Warnblinklicht auch am Anhänger damit rechnen durfte, Gefahren für sich und andere abwenden zu können (§ 1 StVO). Der Beklagte zu 1 war, wie sich aus dem Vernehmungsprotokoll des im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen ####### ergibt, kurz vor dem Unfall für diesen gut sichtbar. Die Kläger haben insoweit nicht Beweis dafür angetreten, dass die Sichtverhältnisse und die Lage des haltenden Gespanns das Einschalten der Warnblinklichtanlage erforderte. Soweit die Beklagten selbst vortragen, dass die Warnblinklichtanlage eingeschaltet gewesen sei, lässt sich hieraus nicht ableiten, dass dies angesichts der bestrittenen Sichtverhältnisse auch rechtlich geboten war. Denn die Beklagten bestreiten, dass Dunkelheit geherrscht habe. Gegen eine Dunkelheit, wie sie die Kläger behaupten, spricht nach der Lebenswahrscheinlichkeit die Unfallzeit (15:30 Uhr am 18. Juli) ebenso wie die bereits erwähnte Aussage des Zeugen #######, der den Getöteten unmittelbar vor dem Unfall mit seinem Pkw überholt und dabei bereits das Gespann des Beklagten zu 1 gesehen hat.

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Dem Beklagten zu 1 ist auch kein schuldhafter Verstoß gegen das Parkverbot gemäß § 12 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 8 a StVO zur Last zu legen, wobei dahin gestellt bleiben kann, ob ein unzulässiges Parken anstelle eines zulässigen Haltens sich im Streitfall unfallursächlich ausgewirkt hat. Die Kläger haben insoweit bereits nicht bewiesen, dass der Beklagte zu 1 unzulässig außerhalb geschlossener Ortschaften auf Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) geparkt hat. Unter Parken ist gemäß § 12 Abs. 2 StVO das Verlassen des Fahrzeugs oder das Halten von mehr als 3 Minuten zu verstehen. Der Beklagte zu 1 ist zwar aus seinem Fahrzeug ausgestiegen, dennoch hat er sein Kraftfahrzeug nicht im Sinne der Vorschrift verlassen. Ein Verlassen des Fahrzeugs in diesem Sinne liegt in der Regel nicht vor, wenn der Kraftfahrzeugführer nach dem Aussteigen es so im Auge behält, dass er nötigenfalls sofort damit wegfahren kann (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Auflage, § 12 StVO, Rn. 42). Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Der Beklagte zu 1 war während des gesamten Zeitraums vom Aussteigen bis zur Kollision in unmittelbarer Nähe seines Gespanns, wie zwischen den Parteien unstreitig ist.

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Aber auch ein längeres als 3-minütiges Halten ist von den Klägern nicht unter Beweis gestellt worden. Sie behaupten insofern, dass die vom Beklagten zu 1 vorgetragene Abplanung des transportierten Elektroherdes mindestens 3 Minuten gedauert habe und stellen diese Behauptung unter Sachverständigenbeweis. Sie stellen jedoch keinen konkreten Sachverhalt unter Beweis, der eine Tätigkeit des Beklagten zu 1 von mehr als 3 Minuten erfordert hätte. Insoweit haben die Beklagten bestritten, dass der Beklagte zu 1 die Plastikfolie zum Abplanen zunächst aus dem Kofferraum habe holen müssen, um sie um den Herd herumzulegen und sodann durch Anheben des Herdes an allen vier Seiten zu befestigen. Für diese tatsächlichen Voraussetzungen des von den Klägern behaupteten Ablaufs der Abplanung haben die Kläger keinen Beweis angeboten. Da bereits dieser Ausgangssachverhalt von den Klägern nicht unter Beweis gestellt ist, ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Dauer der tatsächlich ausgeführten bzw. auszuführenden Tätigkeiten des Beklagten zu 1 untauglich. Im Übrigen dürfte die Dauer der Tätigkeit davon abhängen, wie genau die Befestigung der Plane erfolgen sollte und wie geschickt der Beklagte zu 1 bei dieser Tätigkeit handeln würde.

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Schließlich haben sich die Beklagten auch keine erhöhte Betriebsgefahr für das Gespann zurechnen zu lassen. Von dem zulässig am Rand der Fahrbahn haltenden Gespann mit eingeschaltetem und funktionstüchtigem Rücklicht ging keine erhöhte Betriebsgefahr aus. Daran ändert auch nichts, dass der Anhänger noch rund 1 m in die Fahrbahn hineinragte, zumal jedenfalls der funktionstüchtige rechte Blinker am Anhänger sowie die Warnblinklichtanlage am Zugfahrzeug in Betrieb waren und die Landstraße, die in diesem Abschnitt über eine weite Strecke geradeaus führt, in voller Breite gut einsehbar war.

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Demgegenüber hat der Getötete sich grob verkehrswidrig verhalten. Er hat gegen § 3 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 StVO verstoßen. Er musste seine Geschwindigkeit, den Straßen- und Wetterverhältnissen anpassen und durfte mit seinem Fahrrad nur so schnell fahren, dass er innerhalb übersehbarer Strecke anhalten konnte. Seine Fahrweise musste er auch auf unbeleuchtete Hindernisse einrichten. Die Tatsache, dass er auf den Anhänger des Gespanns aufgefahren ist, begründet die Feststellung, dass er entweder zu schnell und/oder unaufmerksam gefahren ist. Hierfür spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins (vgl. BGH VersR 1984, 741, 742; DAR 1987, 325; OLG Hamm NZV 1990, 312, 313; 1992, 445, 446). Im Streitfall kommt hinzu, dass der Getötete äußerst risikoreich gefahren ist und gegen seine eigenen Sicherheitsinteressen in grober Weise verstoßen hat. Gerade wegen der von den Klägern behaupteten durch das aufziehende Regenwetter verursachten Verschlechterung der Sichtverhältnisse hätte der Getötete besonders sorgfältig die vor ihm liegende Fahrbahn beobachten müssen. Bei der erforderlichen gespannten Aufmerksamkeit hätte er bei durchgängiger Orientierung nach vorn das haltende Gespann rechtzeitig wahrnehmen und unfallvermeidend reagieren können. Nur die völlige Außerachtlassung jeglicher Sorgfalt hat dazu geführt, dass er das zulässig haltende und beleuchtete Gespann des Beklagten zu 1 nicht wahrgenommen hat. Erschwerend kommt zulasten des Getöteten hinzu, dass er - wie in der Berufungsinstanz unstreitig ist - eine Sonnenbrille trug, was ihn bei den sich verschlechternden Sichtverhältnissen zusätzlich beeinträchtigte, und sein Fahrrad keine eigene Lichtquelle aufwies, auch wenn insoweit nicht verkannt wird, dass der Fahrradbeleuchtung insoweit nur eine beschränkte Wirkung zukommt.

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Angesichts der wechselseitigen Mitverursachungsbeiträge teilt der Senat die vom Landgericht vorgenommene Abwägung, nach der die vom Gespann des Beklagten zu 1 ausgehende einfache Betriebsgefahr hinter dem grob verkehrswidrigen Verhalten des Getöteten vollständig zurücktritt.

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Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

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####### #######

14

zugleich für den wegen Versetzung

15

an das Amtsgericht Lüneburg

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verhinderten #######