Landgericht Göttingen
Beschl. v. 02.04.2007, Az.: 5 T 136/06

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
02.04.2007
Aktenzeichen
5 T 136/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 60450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2007:0402.5T136.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Northeim - 23.05.2006 - AZ: 6 M 926/06

Fundstelle

  • JurBüro 2007, 663-664 (Volltext mit amtl. LS)

In der Beschwerdesache

..., vertreten durch den Vorstand,

Gläubigerin und Beschwerdeführerin,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte ...

gegen

...

Schuldnerin und Beschwerdegegnerin,

Drittschuldnerin:

...

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen durch den Richter am Landgericht Klemke als Einzelrichter

am 2. April 2007 beschlossen:

Tenor:

  1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 30.05.2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Northeim vom 23.05.2006 wird der Beschluss dahingehend unter Aufrechterhaltung der Bestimmungen im Übrigen geändert, dass das auf das Konto der Schuldnerin bei der V. eG - Nr. ... - eingehende Einkommen aus Sozialleistungen nach Ablauf von sieben Tagen, gerechnet von der jeweiligen Gutschrift, in Höhe von 1 356,99 EUR nicht der Pfändung unterliegt

  2. Nicht verbrauchte Sozialleistungen unterhalb dieses Betrages bleiben auch für die Folgezelt pfandfrei.

  3. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

  4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.

  5. Wert: bis zu 600,00 EUR.

Gründe

1

I.

Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses des Amtsgerichts Northeim vom 23.05.2006 Bezug genommen.

2

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.05.2006. Zur Begründung führt die Gläubigerin aus, das Amtsgericht habe zu Unrecht auf Antrag der Schuldnerin die auf dem Konto der Schuldnerin eingehende Sozialleistungen als gemäß § 850 k ZPO i.V.m. § 850 c ZPO nicht der Pfändung unterliegend festgelegt. Die Gläubigerin ist der Meinung, nach § 55 SGB I sei eine Forderung, die durch Gutschrift auf einem Konto entstehe, für die Dauer von sieben Tagen sei Gutschrift unpfändbar, wodurch der Schuldnerschutz hinreichend gewährleistet sei. Ein Rückgriff auf § 850 k ZPO sei nicht zulässig. Die Gläubigerin bezieht sich insoweit auf die Entscheidung des Landgerichts Regensburg, JurBüro 2004, Seite 450.

3

Ferner bestreitet die Gläubiger die Höhe des festgesetzten Betrages. Die Kinder könnten nur zur Hälfte als unterhaltsberechtigte Personen berücksichtigt werden, da der oder die Kinderväter den Kindern gegenüber zu gleichen Teilen zum Unterhalt verpflichtet seien.

4

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, indes ganz überwiegend nicht begründet. Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer ist nach Ablauf der 7-Tages-Frist des § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB I aufgrund von Sozialleistungen erzieltes Einkommen wie Arbeitseinkommen unpfändbar, wovon das Amtsgericht zu Recht ausgegangen ist. Auch nicht verbrauchte Beträge am Ende eines Monats unterliegen nicht der Pfändung. Ferner ist das Amtsgericht zu Recht im Ansatz davon ausgegangen, dass insoweit die Tabelle des § 850 c ZPO nach Ablauf der 7-Tages-Frist, in denen die Sozialleistungen gänzlich pfandfrei bleiben, maßgeblich ist.

5

Die unterhaltspflichtigen drei Kinder der Schuldnerin sind auch voll bei der Bezifferung des Pfändungsfreibetrages mit zu berücksichtigen. Insofern hat die Schuldnerin nachgewiesen, über keine weiteren Unterhaltszahlungen der Kindesväter bzw. des Kindesvaters zu verfügen. Eine Herabsetzung des Pfändungsfreibetrages ist vor diesem Hintergrund nicht geboten.

6

Das Amtsgericht hat indes unberücksichtigt gelassen, dass der sich nach der Pfändungstabelle des § 850 c ZPO ergebende Pfändungsfreibetrag von 1 796,99 EUR vorliegend nach Ablauf der 7-Tages-Frist für den jeweiligen Monat anteilig ermäßigt (vgl. BGH, Beschluss vom 16.07.2004, NJW 2004, Seite 3262 ff., Beschluss der Kammer vom 24. März 2004, Az. 5 T 107/04, Beschluss der Kammer vom 01.02.2006, Az. 5 T 276/05 ). Für die Berechnung des nach Verstreichens der 7-Tages-Frist pfandfreien Betrages ergibt sich damit, dass bei einer durchschnittlichen Bezugsperiode von 30 Kalendertagen jeweils 23/30 der Pfändungsgrenze des § 850 c ZPO in Ansatz zu bringen sind. Im vorliegenden Fall errechnet sich damit der pfändbare Betrag nach Ablauf der 7-Tages-Frist wie folgt: Betrag gemäß § 850 c ZPO = 1 769,99 EUR/30 × 23 = 1 356,99 EUR. Nicht von der Pfändung erfasst sind auch von den Sozialleistungen im Folgemonat übriggebliebene Beträge. Es besteht kein sachlicher Grund, einen nach den gesetzlichen Wertvorstellungen unpfändbaren Betrag nur deshalb wieder dem Zugriff des Gläubigers zuzuführen, weil ihn der Schuldner nicht innerhalb einer bestimmten Zeit verbraucht hat. Dass der Schuldner den pfandfreien Betrag nicht bis zum nächsten Zahlungstermin verbraucht, hat, ist kein Indiz dafür, dass er ihn für den eigenen und den Lebensbedarf seiner Familie nicht benötigt. Zum einen kann es zur Vermeidung von Überziehungskosten sinnvoll sein, auf dem Konto einen gewissen Betrag für die Erledigung erwarteter oder auch unerwarteter Abbuchungen stehen zu lassen. Zum anderen ist es auch einem überschuldeten Schuldner nicht verwehrt, sich seiner Lebensführung über das vom Gesetzgeber durch die Pfändungsfreigrenzen geschützte Maß hinaus einzuschränken, um sich dadurch ihm ansonsten verwehrte Ausgaben zu ermöglichen. Solche Einschränkungen kommen ihm, nicht seinen Gläubigern zugute (vgl. insoweit zu § 850 k ZPO OLG Hamm, Rechtspfleger 2001, Seite 506, Landgericht Hannover, JurBüro 1986, Seite 1886 f., Schuschke/Walker, 2. Auflage, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, § 850 k Rdnr. 8, Münchner Kommentar-Becker, ZPO, 2. Auflage, § 850 k Rdnr. 10, Stöber, Forderungspfändung, 11. Auflage, Rdnr. 1292), Soweit die Gläubigerin der Auffassung ist, die Schutzvorschrift des § 55 SGB I sei abschließend und für einen Rückgriff auf § 850 k ZPO daneben kein Raum, ist diese Auffassung unzutreffend. Der BGH hat dies kürzlich entsprechend der herrschenden Meinung im Beschluss vom 20.12.2006, Az. VII ZB 56/06, NJW 2007, Seite 604 f., ausführlich dargestellt. Für laufende Sozialleistungen, die auf das Konto des Berechtigten bei einem Geldinstitut überwiesen werden, sei die Regelung des § 850 k ZPO entsprechend anwendbar. Der BGH ist in dem Beschluss der Bewertung des Beschwerdegerichts beigetreten, wonach die Nichtanwendung des § 850 k ZPO mit dem Grundsatz der Waffengleichheit und dem Schutzzweck des § 55 Abs. 4 Satz 1 SGB I nicht in Einklang zu bringen sei, insbesondere habe der Schuldner nach der in § 55 Abs. 4 SGB I zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers gerade nicht dazu gezwungen werden sollen, innerhalb der 7-Tages-Frist über den vollen Gutschriftbetrag zu verfügen, Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2004 ( NJW 2004, Seite 3262) dürfe dem Geldinstitut als Drittschuldner nicht auferlegt werden, von sich aus den verlängerten Pfändungsschutz zu beachten und selbstständig den pfandfreien Betrag zu berechnen, weshalb für die vorgenommene Anordnung auch ein Rechtschutzbedürfnis bestehe. Diesen Erwägungen ist in vollem Umfange beizutreten.

7

Die Rechtsbeschwerde war aufgrund der eindeutigen Klärung der Streitfrage durch den BGH nicht zuzulassen.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit aufgrund der Beschwerde die Festsetzung des Pfändungsfreibetrages durch die Kammer klarstellend geändert worden ist, ändert dies nichts an der Kostentragungspflicht der Gläubigerin, da die monatlich auf dem Konto der Schuldnerin eingehenden Beträge unterhalb des von der Kammer festgesetzten Betrages liegen. Der Sache nach hat daher die Beschwerde keinen Erfolg gehabt.

9

Die Wertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 23 Abs. 2, 3, 25 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 2 RVG.

Klemke