Landgericht Göttingen
Beschl. v. 25.09.2007, Az.: 10 T 110/07

Restschuldbefreiung im Verbraucherinsolvenzverfahren

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
25.09.2007
Aktenzeichen
10 T 110/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 55157
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2007:0925.10T110.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 29.08.2007 - AZ: 74 IN 86/00

Fundstellen

  • InVo 2008, 6-7 (Volltext mit red. LS)
  • NZI 2008, 33
  • Rpfleger 2008, 41-42 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZVI 2008, 181-182

In dem Restschuldbefreiungsverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
H. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 04.09.2007
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 29.08.2007 - 74 IN 86/00 -
am 25.09.2007
beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss wird aufgehoben. Der Antrag des Schuldners, ihm zum jetzigen Zeitpunkt Restschuldbefreiung zu erteilen, wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Der Schuldner hat am 12.10.1999 beantragt, das Verbraucherinsolvenzverfahren über sein Vermögen zu eröffnen. Ferner hat er den Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Der Schuldner hat die Erklärung abgegeben, dass er für die Dauer von 7 Jahren ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens die jeweils pfändbaren Beträge abtritt. Mit Beschluss vom 08.05.2000 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Schlusstermin in diesem Verfahren hat am 19.06.2002 stattgefunden. Mit Beschluss vom selben Tag ist dem Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung angekündigt worden. Nach Abschluss des Verfahrens hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.07.2002 das Verfahren aufgehoben. Dieser Beschluss ist seit dem 23.08.2002 rechtskräftig. Am 22.05.2007 hat der Schuldner beantragt, ihm nunmehr die Restschuldbefreiung zu erteilen. Hierzu hat er ausgeführt, dass er die Erteilung der Restschuldbefreiung nach neuem Recht beantrage, da es für ihn unbillig sei, in dem Verfahren noch 2 Jahre warten zu müssen.

2

Das Amtsgericht hat in einem Vermerk niedergelegt, dass es sich der Auffassung des Schuldners anschließe. In einem weiteren Vermerk vom 15.06.2007 hat das Amtsgericht die Wohlverhaltensphase auf 5 Jahre reduziert (23.07.2007). Mit Beschluss vom 29.08.2007 hat das Amtsgericht dem Schuldner gem. §300 InsO Restschuldbefreiung erteilt und ausgeführt, dass die Laufzeit der Abtretungserklärung, das Amt des Treuhänders und die Beschränkung der Rechte des Gläubigers mit der Rechtskraft dieser Entscheidung enden würden.

3

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, der Schuldner habe hier nicht dargelegt, dass er versucht habe, wieder aktiv am Arbeitsleben teilzunehmen. Es sei zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen worden, dass sich der Schuldner überhaupt um eine Arbeitsstelle bemüht habe. Die dementsprechende Darlegung müsse beim Schuldner liegen, die Gläubiger hätten insoweit keine Erkenntnisse und könnten hierzu keine Angaben machen.

4

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.

5

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers ist gem. §§6 Abs. 1, 300 Abs. 3 S. 2 InsO zulässig, sie ist auch begründet. Dem Amtsgericht ist bei der Entscheidung ein Verfahrensfehler unterlaufen, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben ist und der Antrag des Schuldners auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung zurückzuweisen war.

6

Der Schuldner kann eine vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung nicht erlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob - wie der Gläubiger meint - der Schuldner gegen Obliegenheiten gem. §296 InsO verstoßen hat.

7

Das Amtsgericht hat hier übersehen, dass die Wohlverhaltensperiode für den Schuldner 7 Jahre beträgt und dass der Lauf der Wohlverhaltensperiode mit dem Eintritt der Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses begann. Das ist hier der 23.08.2002, so dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung frühestens mit Ablauf des 23.08.2009 erteilt werden kann. Eine Möglichkeit, den Beginn der Wohlverhaltensperiode auf einen früheren Zeitpunkt vorzuverlegen, sieht das Gesetz nicht vor. Die Dauer der Wohlverhaltensperiode hier auf 5 Jahre zu verkürzen kam ohnehin nicht in Betracht, denn der Schuldner ist kein sogenannter Altfall im Sinne des Art. 107 EGInsO. Nach dieser Regelung verkürzte sich die Laufzeit der Abtretung nach §287 Abs. 2 S. 1 InsO von 7 auf 5 Jahre. Voraussetzung war jedoch, dass der Schuldner bereits vor dem 1. Januar 1997 zahlungsunfähig war. Das hat der Schuldner im vorliegenden Verfahren weder dargelegt noch insoweit die Verkürzung der Laufzeit der Abtretung beantragt. Des Weiteren kommt auch die Verkürzung der Wohlverhaltensperiode nicht nach §287 Abs. 2 InsO n.F. in Betracht. Danach beträgt die Wohlverhaltensperiode 6 Jahre und beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Diese Vorschrift ist jedoch auf das hier vorliegende Verfahren nicht anwendbar. §287 Abs. 2 S. 1 InsO ist in dieser Form durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz vom 26. Oktober 2001 geändert worden.

8

Auf sogenannte Altfälle, d.h. auf Verfahren, die - wie das Vorliegende - vor dem 01.12.2001 eröffnet worden sind, ist jedoch diese Vorschrift nicht anwendbar, vielmehr gilt für die sogenannten Altverfahren die bisher geltende Fassung des §287 Abs. 1 und 2 InsO. Diese alte Fassung sieht nicht vor, dass die Wohlverhaltensperiode mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt. Die Anwendbarkeit der geänderten Fassung des §287 Abs. 2 InsO auf den Schuldner ergibt sich auch nicht aus Art. 107 EGInsO. (vergleiche BGH NJW-RR 2004, 1192 = NZI 2004, 452 [BGH 21.05.2004 - IX ZB 274/03]). Entsprechend der Regelung in Art. 103 a EGInsO ist deshalb auf den vorliegenden Fall §287 Abs. 2 InsO a.F. uneingeschränkt anwendbar. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch die Motivation des Gesetzgebers noch systematische Überlegungen rechtfertigen es entsprechend dem Antrag des Schuldners die Wohlverhaltensphase abzukürzen oder auf einen anderen Beginn festzulegen. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Diskussion um die Frist der Entschuldungsverfahren sowohl die Länge der Wohlverhaltensperiode als auch die unterschiedliche Länge der gesamten "Entschuldungsphase" bei Beginn der Laufzeit der Abtretung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesehen und bewusst eine Übergangsregelung geschaffen, bei der die Laufzeit des Entschuldungsverfahrens einmal mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und einmal mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt. Deshalb wird in Rechtsprechung und Literatur einhellig vertreten, dass ungeachtet der Länge des Insolvenzverfahrens bei den Fällen der vorliegenden Art die Laufzeit der Wohlverhaltensperiode mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens beginnt und die in der alten Fassung des Gesetzes vorgesehene Zeit von 7 Jahren in diesen Fällen Gültigkeit hat (BGH NJW-RR 2004, 1192, 1193 [BGH 21.05.2004 - IX ZB 274/03]; Uhlenbruck/Vallender, Insolvenzordnung, 12. Auflage §287 Rn. 42; LG Duisburg NZI 2005, 640; BGH Beschluss vom 17.02.2005 - IX ZB 237/04). Das Amtsgericht kann nicht nach freiem Ermessen die Dauer der Wohlverhaltensperiode festsetzen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine eventuelle Verlängerung der Wohlverhaltensperiode für den Schuldner unbillig auswirkt, denn - wie oben ausgeführt - ist hier die gesetzliche Regelung des §287 Abs. 1 und 2 InsO a.F. maßgeblich.