Landgericht Göttingen
Urt. v. 21.03.2007, Az.: 5 O 247/06
Wirksamkeit der fristlosen Kündigung eines Handelvertretervertrages bei Umwandlung des einzelkaufmännisch tätigen Handelsvertreters in eine GmbH; Umwandlung des vormals einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH als Grund für eine außerordentliche Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 21.03.2007
- Aktenzeichen
- 5 O 247/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 56455
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2007:0321.5O247.06.0A
Rechtsgrundlage
- § 89a HGB
Fundstelle
- VersR 2007, 1696-1697 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
auf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2007
durch
den Richter ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.)
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.)
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- 3.)
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der durch den Beklagten am 26.07.2006 gegenüber der Klägerin ausgesprochenen fristlosen Kündigung eines Handelvertretervertrages.
Dieser Handelsvertretervertrag war ursprünglich unter dem 14.06.2000 zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin und dem Beklagten geschlossen worden. Auf Grundlage dieses Handelvertretervertrages war der Rechtsvorgänger der Klägerin als Einzelkaufmann für die Beklagte tätig und vermittelte gegen eine entsprechende Provision Versicherungen und Finanzdienstleistungen. Im Jahr 2005 beabsichtigte der Rechtsvorgänger der Klägerin sein einzelkaufmännisches Unternehmen in eine GmbH umzuwandeln, um sein persönliches Haftungsrisiko vor allem im Hinblick auf die Vermittlung von Finanzdienstleistungen zu minimieren. Mit Schreiben vom 13.05.2005 zeigte der Rechtsvorgänger der Klägerin dieses Vorhaben gegenüber dem Beklagten an, der sich mit der beabsichtigten Umwandlung jedoch nicht einverstanden erklärte und stattdessen vorschlug, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin eine sogenannte Untervertreter-GmbH gründet. Nachdem es diesbezüglich letztlich zu keiner Einigung zwischen den Parteien kam, veranlasste der Rechtsvorgänger der Klägerin die Umwandlung seines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH, die zum 12.05.2006 rechtswirksam beendet wurde. Daraufhin informierte die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 19.05.2006 über die erfolgte Umwandlung des Unternehmens. Der Beklagte übersandte dann an die Klägerin einen Nachtrag zum Vertretervertrag, der unter anderem Regelungen zur persönlichen Haftung des Rechtsvorgänger der Klägerin und zur Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Klägerin durch den Beklagten enthielt. Da die Klägerin in dem Nachtragsvertrags noch wesentliche Änderungen und Streichungen vornahm, scheiterte eine einverständliche Ergänzung des Handelsvertretervertrages, weshalb der Beklagte den Handelsvertretervertrag mit Schreiben vom 26.07.2006 fristlos kündigte. Als Reaktion auf die fristlose Kündigung des Beklagten kündigte auch die Klägerin den Handelsvertretervertrag ihrerseits fristlos.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass ein Feststellungsinteresse für die Klage gegeben sei, weil er auf Grund der fristlosen Kündigung des Beklagten Schadensersatz- und Ausgleichansprüche aus §89 a Abs. 2 HGB bzw. §89 b HGB gegen den Beklagten habe. Zudem sei ihr wirtschaftliches Fortkommen als Handelsvertreter beeinträchtigt, da der Beklagte zwischenzeitlich eine sogenannte AVAD-Meldung vorgenommen habe, in der als Beendigungsgrund des Handelsvertreterverhältnisses eine fristlose Kündigung von Seiten des Beklagten genannt ist, was im Übrigen unstreitig ist. Des Weiteren ist die Klägerin der Ansicht, dass ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des §89 a HGB nicht vorgelegen habe. Zum einen sei durch die Umwandlung des Unternehmens weder das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien gestört worden noch sei darin eine Verletzung der höchstpersönlichen Dienstleistungspflicht nach §613 BGB zu sehen, da diese Vorschrift nur vor einer weitgehenden Delegation der Vertreteraufgaben und nicht vor einer Änderung der Rechtsform des Vertragspartners schützen soll. Auch gehöre der Rechtsformwandel zur unternehmerischen Freiheit sowohl des Rechtsvorgängers der Klägerin als auch der Klägerin selbst. Letztlich sei durch die Umwandlung des Unternehmens nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes auch die Unternehmenskontinuität zwischen der ursprünglichen Einzelfirma und der GmbH gegeben.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der zwischen dem Rechtsvorgänger der Klägerin, Herrn und der Beklagten geschlossene und auf die Klägerin übergegangene Vertretervertrag, zuletzt datierend vom 14. Juni 2000, nicht durch die seitens der Beklagten unter dem 26. Juli 2006 ausgesprochene fristlose Kündigung beendet wurde.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass der Klägerin für die Klage des Rechtsschutzinteresse fehle, weil etwaige Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zwischenzeitlich bezifferbar seien und aus diesem Grund der Vorrang der Leistungsklage gelte. Zudem ist der Beklagte der Ansicht, dass die höchstpersönliche Leistungsverpflichtung auf Grund des Handelsvertretervertrages nur vom Rechtsvorgänger der Klägerin persönlich und nicht von der Klägerin erbracht werden könne, wodurch §613 BGB verletzt werde. Schon aus der Unternehmensstruktur des Beklagten ergebe sich, dass Handelsvertreterverträge regelmäßig nur mit natürlichen Personen geschlossen werden. Auch sei dem Beklagten eine aufgedrängte Zusammenarbeit mit einer juristischen Person nicht zuzumuten. Letztlich sei auf Grund der Weigerung der Klägerin, auf die Lösungsvorschläge des Beklagten einzugehen, das Vertrauensverhältnis der Parteien gestört worden, was eine fristlose Kündigung rechtfertige.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Göttingen örtlich zuständig und die Klägerin hat ein Feststellungsinteresse im Sinne des §256 ZPO. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Göttingen folgt aus §38 ZPO in Verbindung mit §15 des Handelvertretervertrages wonach als Gerichtsstand der Ort der für den Vertreter zuständigen Vertriebsdirektion bestimmt ist, was unstreitig Göttingen ist. Auch wenn etwaige Schadensersatz- und Ausgleichsansprüche zwischenzeitlich bezifferbar sein sollten, hat die Klägerin ein Feststellungsinteresse, weil in der sogenannten AVAD-Meldung eine fristlose Kündigung durch den Beklagten genannt ist und dies das berufliche Fortkommen der Klägerin beeinträchtigt.
2.
Die Klage ist aber unbegründet, weil Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung des Beklagten vom 26.07.2006 hat. Denn der Beklagte hat den zwischen den Parteien bestehenden Handelsvertretervertrag in berechtigter Weise gekündigt hat, weil ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des §89 a HGB vorlag. Dies ist immer dann der Fall, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (BGH NJW-RR 2001, 677 ff. [BGH 17.01.2001 - VIII ZR 186/99] m.w.N.). Der wichtige Grund besteht vorliegend darin, dass durch die Umwandlung des vormals einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien verletzt worden ist, auf Grund dessen dem Beklagten die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung nicht zugemutet werden kann. Dies beruht auf folgenden Erwägungen. Auf Grund der Umwandlung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes ist die ursprüngliche Einzelfirma vollständig erloschen u#nd alle ihre Rechte und Pflichten sind im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin übergegangen. Dies gilt insbesondere auch für den Handelsvertretervertrag. Auch wenn im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge beim Übergang höchstpersönlicher Rechte ein Sukzessionsverbot angenommen wird, so gilt dies nicht, wenn sich der Rechtsübergang nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes vollzieht. Denn dies würde den Grundsätzen des Umwandlungsrechts widersprechen, dass auf eine liquidationslose Löschung des übertragenden Rechtsträgers abzielt (vgl. Westphal, Die Handelsvertreter-GmbH: Renaissance mit Unterstützung des BFH?, BB 1999, 2517 ff.). Dem vertretenen Unternehmen wird durch die Umwandlung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH aber ein "anonymes Gebilde" als Vertragspartner aufgezwungen, bei dem das vertretene Unternehmen nicht sicher mehr sein kann, ob dort noch der ursprüngliche Vertragspartner persönlich tätig ist, oder ob durch den Verkauf von Gesellschaftsanteilen möglicherweise unbekannte Dritte Einfluss auf die neue Handelsvertreter-GmbH nehmen (vgl. Westphal, a.a.O.). Da dem vertretenen Unternehmen aber kein neuer Vertragspartner aufgezwungen werden kann, wenn zwischen den ursprünglichen Vertragspartnern ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden hat, hat das vertretene Unternehmen im Falle der Umwandlung nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn das besondere Vertrauensverhältnis durch die Umwandlung verletzt worden ist. Ob ein solches besonderes Vertrauensverhältnis bestanden hat, ergibt sich aus der Auslegung des Handelsvertretervertrages (vgl. Westphal, a.a.O.). Im vorliegenden Fall folgt aus der Auslegung des Handelsvertretervertrages, dass ein eben solches Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat. Dabei ist zunächst relevant, dass der Handelsvertretervertrag zwischen der natürlichen Person Herrn und dem Beklagten geschlossen worden ist und nicht zwischen einer juristischen Person und dem Beklagten, was darauf hindeutet, dass es jedenfalls dem Beklagten darauf ankam, den Vertrag mit einer natürlichen Person abzuschließen. Dies wird auch dadurch gestützt, dass der Vertreter nach §2 Abs. 1 des Vertrages als selbständiger Gewerbetreibender im Hauptberuf tätig sein soll. Zudem sollte der Rechtsvorgänger der Klägerin ausweislich des §6 Abs. 1 des Vertrages ausschließlich für den Beklagten tätig sein und war auch nach §3 des Vertrages mit der Interessenwahrnehmung und der Mitwirkung bei der Umsetzung geschäftspolitischer Entscheidungen betraut, was den Schluss zulässt, dass es dem Beklagten bei der Auswahl seiner Vertragspartner auf Grund der engen Bindung an das Unternehmen insbesondere auch auf eine besondere Vertrauensbeziehung ankam. Ausweislich des §3 Abs. 2 des Vertrages oblag es dem Rechtsvorgänger der Klägerin auch, den Bestand an Versicherungsverträgen, der ihm zugeordnet war, zu pflegen und eine entsprechende Kundenbetreuung zu gewährleisten. Da die jeweilige konkrete Ausführung dieser Tätigkeiten durch den Handelsvertreter sich unmittelbar auf das Ansehen des Beklagten auswirkt, ist auch daraus zu entnehmen, dass es dem Beklagten auf ein besonderes Vertrauen zu den für ihn tätigen Handelsvertretern ankam. Letztlich führt auch die in §4 des Vertrages angesprochene Haftung nach den gesetzlichen Vorschriften zu einer entsprechenden Auslegung des Vertrages. Denn als Einzelkaufmann hätte der Rechtsvorgänger der Klägerin nach den gesetzlichen Vorschriften jeweils persönlich gehaftet, was auch aus Sicht des Kunden zu einem größeren Vertrauen in den Handelvertreter führt, da er im Schadensfall unmittelbar in Anspruch genommen werden könnte.
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin sich auf ihre unternehmerische Freiheit und die durch die Umwandlung fortbestehende Unternehmenskontinuität beruft. Denn auch wenn der Wandel der Rechtsform in der unternehmerischen Freiheit der Klägerin liegt, so führt dies nicht dazu, dass dem Beklagten das Kündigungsrecht aus §89 a HGB verwehrt wäre, weil durch den Rechtsformwandel gerade das Vertrauensverhältnis verletzt worden ist und dem Beklagten nicht eine andere Person als Vertragspartner aufgedrängt werden kann. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verweisen. Gleiches gilt auch für die Unternehmenskontinuität, weil allein die Tatsache, dass das Unternehmen in anderer Rechtsform weitergeführt wird, nicht ausreichend ist, um auch das erforderliche Vertrauen des Beklagten zu gewährleisten.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§709 ZPO.
Der Streitwert wird auf 71.107,20 € festgesetzt. Dies folgt aus §3 ZPO. Bei der Wertfestsetzung war zu berücksichtigen, dass im Rahmen der positiven Feststellungsklage zunächst der Wert des Rechtsverhältnisses maßgebend ist, dessen Bestehen festgestellt werden soll, wobei dann noch ein Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen ist. Da die Klägerin im Jahr 2005 Provisionen in Höhe von 133.326,00 € erhalten hat und der Handelsvertretervertrag im Falle einer ordentlichen Kündigung noch acht Monate fortgeführt worden wäre, war der Streitwert entsprechend festzusetzen.