Landgericht Göttingen
Beschl. v. 25.09.2007, Az.: 10 T 95/07

Beantragung von Zahlungen bei einer Sozialagentur für einen Mietzinsforderungsausgleich; Notwendigkeit der Angabe des Verwendungswillens zum Forderungsausgleich; Kriterien für die Versagung einer Restschuldbefreiung

Bibliographie

Gericht
LG Göttingen
Datum
25.09.2007
Aktenzeichen
10 T 95/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 49946
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGGOETT:2007:0925.10T95.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Göttingen - 05.06.2007 - AZ: 71 IN 2/06

Redaktioneller Leitsatz

Einem Schuldner, der mit einer Antragstellung gegenüber der Sozialagentur zum Ausdruck gebracht hat, dass er einen hohen Geldbetrag benötigt, um seine Mietzinsschulden bei Gläubigern zu begleichen und die tatsächlich an ihn geleisteten Zahlungen anderweitig verwendet, ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

In dem Insolvenzverfahren
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
K. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 19./25.06.2007
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 05.06.2007 - 71 IN 2/06 -
am 25.09.2007
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: bis zu 2.000,00 Euro

Gründe

1

Am 03.01.2006 hat der Schuldner den Antrag auf Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt, ferner hat er beantragt, ihm die Kosten des Verfahrens zu stunden und ihm Restschuldbefreiung zu erteilen. Mit Beschluss vom 14.02.2006 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet, dem Schuldner Stundung bewilligt und den E. in L. zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Amtsgericht hat sodann das schriftliche Verfahren angeordnet. Mit Beschluss vom 09.11.2006 hat das Amtsgericht festgelegt, dass Einwendungen gegen den Antrag des Schuldners auf Erteilung der Restschuldbefreiung bis zum 19.01.2007 erhoben werden könnten.

2

Die oben genannten Gläubiger haben daraufhin am 11.01.2007 beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Hierbei haben sie sich auf folgenden Sachverhalt gestützt:

3

Der Schuldner war Mieter im Haus der Gläubiger. Seit August 2004 hatte der Schuldner den Mietzins gekürzt, ab Mai 2005 hatte er überhaupt keine Mietzahlungen mehr geleistet. Mit Urteil des Amtsgerichts Northeim vom 08.12.2005 (3 C 529/05) ist der Schuldner zur Räumung des gemieteten Hauses verurteilt worden. Des Weiteren haben die Gläubiger und der Schuldner in dem Rechtstreit 3 C 123/05 Amtsgericht Northeim in der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2005 einen Vergleich geschlossen. In diesem Verfahren hatten die Gläubiger beantragt, den Schuldner zu verurteilen 4.913,24 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die Parteien dieses Rechtsstreits schlossen sodann in der mündlichen Verhandlung einen Vergleich. Darin wurde festgestellt, dass der Schuldner verpflichtet ist, an die Gläubiger Miete und Nebenkosten bis einschließlich Dezember 2005 in Höhe von 6.160,00 Euro zu zahlen. Der Schuldner verpflichtete sich, von diesem Betrag 3.160,00 Euro sofort zu zahlen und die streitgegenständliche Wohnung bis spätestens zum 31.03.2006 zu räumen. Die Gläubiger verpflichteten sich, für jeden Monat, den der Schuldner früher aus der Wohnung auszog, einen Nachlass von den noch ausstehenden 3.000,00 Euro von je 1.000,00 Euro zu gewähren. Nach dem Vergleich waren die Parteien zum Widerruf bis zum 27.12.2005 berechtigt. Der Schuldner hat den Vergleich mit Schreiben vom 23.12.2005 gegenüber dem Amtsgericht widerrufen. Das Amtsgericht hat daraufhin den Schuldner durch Schlussurteil vom 24.01.2006 zur Zahlung von 4.913,24 Euro zzgl. Zinsen verurteilt.

4

Der Schuldner hatte ab Mitte des Jahres 2005 von der Sozialagentur des Landkreises Northeim Wohngeld erhalten. Am 04.01.2006 war der Schuldner bei der Sozialagentur im Landkreis Northeim. Dabei füllte er einen Antrag aus, in dem unter anderem angegeben war, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung 475,00 Euro betrügen. Ferner war insoweit vermerkt: "incl. s. anl. Vergleich, Auszug zum 31.03.05".

5

Insoweit hat der Schuldner der Sozialagentur im Landkreis Northeim das Protokoll der mündlichen Verhandlung in dem Rechtsstreit 3 C 123/05 Amtsgericht Northeim vom 13.12.2005 vorgelegt.

6

Die Gläubiger haben vorgetragen, der Schuldner habe im Hinblick auf den protokollierten Vergleich den dort genannten Betrag von 3.160,00 Euro bei der Sozialagentur beantragt und auch ausgezahlt erhalten. Dabei habe er verschwiegen, dass er tatsächlich den Vergleich zu diesem Zeitpunkt bereits widerrufen gehabt habe. Auch habe er das von der Sozialagentur ausgezahlte Geld - unstreitig - nicht an die Gläubiger zur Erfüllung des Vergleichs oder der rückständigen Miete gezahlt.

7

Die Gläubiger meinen, im Hinblick darauf habe der Schuldner den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO verwirklicht, so dass ihm die Restschuldbefreiung zu versagen sei.

8

Mit Beschluss vom 05.06.2007 hat das Amtsgericht dem Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung versagt. Ferner hat es die bewilligte Stundung aufgehoben. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Gläubiger hätten den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO glaubhaft gemacht. Der Schuldner habe am 04.01.2006 gegenüber der Sozialagentur im Landkreis Northeim einen Antrag eingereicht im Hinblick auf Änderungen zu den Kosten für Unterkunft und Heizung und sich dabei auf den beigefügten Vergleich bezogen. Auf Grund dieses Vergleichs habe die Sozialagentur die im Vergleich genannte Summe von 3.160,00 Euro an den Schuldner ausgezahlt. Der Schuldner habe jedoch diesen Betrag nicht an die Gläubiger weitergeleitet, sondern für sich verwendet. Dabei habe der Schuldner wider besseres Wissen gehandelt, denn er habe zu diesem Zeitpunkt den Vergleich bereits widerrufen gehabt und damit gewusst, dass ihm die Vergleichssumme, die die Sozialagentur verauslagt habe, nicht mehr zugestanden habe.

9

Gem. § 4 c Nr. 5 InsO hat das Amtsgericht die bewilligte Stundung aufgehoben und ausgeführt, das Verhalten des Schuldners habe sich als schwere Pflichtverletzung dargestellt, die eine Aufhebung der Stundung rechtfertige.

10

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Schuldner mit der sofortigen Beschwerde. Er trägt vor, er habe von der Sozialagentur Ende des Jahres 2005 keine Zahlungen in Höhe von 3.160,00 Euro erhalten. Es handele sich insoweit offensichtlich um einen Rechenfehler oder ein Missverständnis. Auch habe er die Eintragungen nicht selbst vorgenommen. Der Antrag sei nicht am 04.01.2006 gestellt worden, sondern schon vor dem 27. Dezember 2005.

11

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts zur Entscheidung vorgelegt.

12

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gem. §§ 6 Abs. 1, 289 Abs. 2, 4 d Abs. 1 InsO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

13

Das Amtsgericht hat zutreffend entschieden. Auf den Antrag der Gläubiger war dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen. Die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegen vor. Der Schuldner hat Ende des Jahres 2005 oder zu Beginn des Jahres 2006 einen Antrag bei der Sozialagentur im Landkreis Northeim zur Erlangung von Leistungen gestellt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner - wie in dem Antrag aufgedruckt am 04.01.2006 bei der Sozialagentur war - oder ob - wie der Schuldner selbst angibt - er diesen Antrag noch Ende des Jahres 2005 gestellt hat. Nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO muss der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die betreffenden Angaben gemacht haben. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, unabhängig davon, ob der Antrag am 04.01.2006 oder Ende Dezember 2005 gestellt worden ist. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Schuldner die handschriftliche Einfügung "incl. s. anl. Vergleich, Auszug zum 31.03.05" selbst gemacht hat oder ob diese Einfügung von einem Mitarbeiter der Sozialagentur vorgenommen worden ist. Entscheidend ist insoweit, dass der Schuldner das Protokoll der mündlichen Verhandlung und den darin enthaltenen Vergleich bzw. den Antrag der Gläubiger der Sozialagentur überreicht hat. Mit Überreichen dieses Protokolls hat der Schuldner der Sozialagentur zu verstehen gegeben, dass er sich durch Abschluss des Vergleichs verpflichtet hat, an die Gläubiger den Betrag von 3.160,00 Euro zu zahlen. Darin enthalten waren die vom Schuldner nicht geleisteten Mietzinsen für die Monate Juli 2005 bis Dezember 2005 in Höhe von jeweils 601,42 Euro. Im Hinblick darauf hat die Sozialagentur im Landkreis Northeim an den Schuldner einen Betrag von 3.843,84 Euro überwiesen. In diesem Betrag war eine Nachzahlung der Kosten der Unterkunft für die Monate Juli 2005 bis Dezember 2005 in Höhe von monatlich 481,14 Euro enthalten (6 x 481,14 = 2.886,84 Euro). Ferner war darin enthalten die Nachzahlung der Kosten der Unterkunft für den Monat Januar 06 in Höhe von 380,00 Euro und die Zahlung der Regelleistung/Sozialgeld für Januar 06 in Höhe von 577,00 Euro.

14

Die Angaben des Schuldners waren auch unrichtig. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner in dem Zeitpunkt, als er den Antrag stellte den Vergleich schon widerrufen hatte oder nicht. Entscheidend ist, dass der Schuldner mit der Antragsstellung gegenüber der Sozialagentur zum Ausdruck gebracht hat, dass er den Betrag benötige, um seine Mietzinsschulden bei den Gläubigern zu begleichen. Ob es sich dabei um den durch Vergleich anerkannten Betrag handelte oder um die Mietzinsen, die der Schuldner auf Grund des Urteils leisten musste, kann dahinstehen. Entscheidend ist, dass die Zahlungen beantragt wurden, um Mietzinsforderungen auszugleichen. Keinesfalls hätte die Sozialagentur die Zahlungen an den Schuldner geleistet, wenn er ihr offen gelegt hätte, dass er nicht gewillt war, die Zahlungen zum Ausgleich der Forderungen der Gläubiger zu verwenden. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Sozialagentur für den Monat Dezember 2004 das Wohngeld direkt von der Sozialagentur erhielt, nachdem dieser bekannt geworden war, dass der Schuldner die für die Vormonate gezahlten Wohngeldleistungen nicht an die Gläubiger weitergeleitet hatte.

15

Da jedoch der Schuldner tatsächlich die hohen Geldzahlungen nicht dazu verwendet hat um die bestehenden Mietzinsforderungen auszugleichen, waren seine Angaben gegenüber der Sozialagentur unrichtig.

16

Da dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen war, liegt ein Grund zur Aufhebung der Stundung gem. § 4 c Nr. 5 InsO vor.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

18

Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt und ist dabei vom Interesse des Schuldners am Bestehen bleiben der Kostenstundung ausgegangen.