Landgericht Göttingen
Beschl. v. 22.10.2007, Az.: 10 T 129/07
Begründung der Besorgnis der Befangenheit eines Richters mit der Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung
Bibliographie
- Gericht
- LG Göttingen
- Datum
- 22.10.2007
- Aktenzeichen
- 10 T 129/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 49955
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGGOETT:2007:1022.10T129.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Einbeck - 22.09.2007 - AZ: 2 C 363/06
Rechtsgrundlagen
- § 42 Abs. 2 ZPO
- § 227 ZPO
In dem Rechtsstreit
...
hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen
durch
K. als Einzelrichterin
auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 08.10.2007
gegen den Beschluss des Amtsgerichts Einbeck vom 20.09.2007 - 2 C 363/07 -
am 22.10.2007
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis zu 900,00 EUR.
Gründe
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, an dem der zum Unfallzeitpunkt vierjährige Sohn des Beklagten beteiligt war. Der Kläger hält den Beklagten wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht für schadensersatzpflichtig.
Nachdem gegen den Beklagten zunächst ein Versäumnisurteil ergangen war, hat das Amtsgericht nach dem erfolgten Einspruch des Beklagten Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 15.05.2007 anberaumt. Dieser Termin ist auf Antrag der Unterbevollmächtigten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten verlegt worden auf den 05.06.2007. In dem sodann verkündeten Beweisbeschluss hat das Amtsgericht Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf den 14.08.2007 bestimmt. Dieser Terminsbestimmung hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten im Hinblick auf § 227 Abs. 3 S. 1 ZPO widersprochen. Im Hinblick darauf hat das Amtsgericht einen neuen Termin auf den 11.09.2007 bestimmt. Die Ladung zu diesem Termin ist dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 09.08.2007 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 05.09.2007 hat die Unterbevollmächtigte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.09.2007 zu verlegen und hierzu mitgeteilt, dass sie sich im Urlaub befinde. Die beim Amtsgericht Einbeck für das Verfahren nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Richterin L. hat mit Beschluss vom 07.09.2007 den Antrag der Unterbevollmächtigten auf Terminsverlegung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Urlaub der Unterbevollmächtigten gebe keinen Anlass zur Verlegung des Termins. Dem Hauptbevollmächtigten sei die Terminsbestimmung frühzeitig bekannt gegeben worden. Er oder aber der Urlaubsvertreter der Unterbevollmächtigten könne den Termin wahrnehmen. Zudem führe eine nochmalige Terminsverlegung zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung des Rechtsstreits, zumal für den Termin am 11.09.2007 ein Zeuge geladen worden sei und mit den Parteien eine Ortsbesichtigung durchgeführt werden solle.
Mit Schriftsatz vom 10.09.2007 hat der Beklagte daraufhin die Richterin L. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Vertagungsantrag sei begründet gewesen, die Richterin habe diesen Antrag berücksichtigen müssen. Die Unterbevollmächtigte des Prozessbevollmächtigten des Beklagten habe urlaubsbedingt den Termin nicht wahrnehmen können. Sie habe auch nicht ihrerseits vertreten werden können, weil sie eine Einzelkanzlei führe und mit den Rechtsanwälten M. lediglich eine Bürogemeinschaft unterhalte. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten habe den Termin selbst nicht wahrnehmen können, weil dies mit einem unverhältnismäßig hohen Zeitaufwand verbunden gewesen wäre. Die Entfernung betrage 280 km, so dass für die Hin- und Rückfahrt jeweils mindestens drei Stunden angesetzt werden müssten. Ihm sei es unzumutbar gewesen, wegen des Termins sein Dezernat einen halben Tag ruhen zu lassen. Auch habe die Richterin nicht darauf abstellen dürfen, dass der zuvor anberaumte Termin auf Grund des Antrags des Prozessbevollmächtigten des Beklagten verlegt worden sei. Dieser Antrag sei gem. § 227 Abs. 3 ZPO gerechtfertigt gewesen, und habe deshalb bei der Frage der nochmaligen Terminsverlegung keine Rolle gespielt. Auch die vom Gericht beabsichtigte Vernehmung des Zeugen sowie die Ortsbesichtigung stelle keinen Grund dar, um jeden Preis den Termin aufrechtzuerhalten. Eine Verlegung des Termins sowie die Umladung des Zeugen sei mit relativ wenig Aufwand vorzunehmen.
Mit Beschluss vom 20.09.2007 hat das Amtsgericht das Befangenheitsgesuch des Beklagten gegen die Richterin L. zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, die Terminsbestimmung und Terminsverlegung liege im Organisationsermessen des Richters. Besondere Umstände, die die Aufrechterhaltung des Termins hier erforderlich gemacht hätten, seien vom Beklagten nicht dargetan. Die Versagung der beantragten Verlegung sei nicht rechtsfehlerhaft gewesen. Aus Sicht einer objektiv denkenden Partei sei es offensichtlich, dass im Interesse einer geordneten und zügigen Rechtspflege die Verlegung des bereits bestimmten Termins wegen Verhinderung der Unterbevollmächtigten nicht vertretbar sei, zumal schon zuvor eine Verlegung des Termins auf Antrag des Hauptbevollmächtigten stattgefunden habe. Darüber hinaus sei ein Befangenheitsgesuch kein Instrument um die mit Recht verweigerte Terminsverlegung auf diesem Wege zu erreichen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beklagte mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, auf die berechtigten Terminsbelange des Prozessbevollmächtigten einer Partei müsse Rücksicht genommen werden. Das Beschleunigungsinteresse habe dahinter zurückzustehen. Auch habe der Kläger ein Interesse an der beschleunigten Erledigung des Rechtsstreits bislang nicht geltend gemacht. Hier sei es dem Beklagten auch wichtig gewesen, dass an dem Beweisaufnahmetermin die Unterbevollmächtigte persönlich mitwirke, weil diese ihre Kenntnisse aus dem bisherigen Prozessverlauf habe einbringen können. Ein aufgezwungener "Urlaubsvertreter" habe die Interessen des Beklagten hier nicht hinreichend vertreten können. Auch habe das Gericht dem Hauptbevollmächtigten eine Anreise zu dem Termin nicht aufzwingen können, da er ja gerade zur Vermeidung unnötiger Kosten die Unterbevollmächtigte eingeschaltet habe.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 46 Abs. 2 ZPO zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Das Amtsgericht hat im Ergebnis zutreffend das gegen die Richterin L. gerichtete Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei muss es sich um einen objektiven Tatbestand handeln, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger und besonnener Überlegung die Besorgnis aufkommen lassen kann, der Richter stehe den Verfahrensbeteiligten oder dem Gegenstand des Verfahrens nicht sachlich und unvoreingenommen, und damit nicht unparteilich gegenüber. Als derartiger objektiver Tatbestand kommt die Zurückweisung des Terminsverlegungsantrags durch die Richterin L. nicht in Betracht. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit, weil diese nach § 227 ZPO nur beim Vorliegen erheblicher Gründe in Betracht kommt. Anders ist es nur dann, wenn erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für die betreffende Partei schlechthin unzumutbar wäre und somit das Recht der Partei auf rechtliches Gehör verletzt wäre oder sich aus der Ablehnung der Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung einer Partei aufdrängt (vgl. BGH NJW 2006, 2492, 2494) [BGH 06.04.2006 - V ZB 194/05]. Hier lagen erhebliche Gründe für eine Terminsverlegung nicht vor. Die Zurückweisung des Terminsverlegungsantrags war für den Beklagten nicht schlechthin unzumutbar, so dass von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs keine Rede hätte sein können. Zum einen ist hier zu berücksichtigen, dass das bisherige Prozessverhalten des Beklagten auch beim Beschwerdegericht den Eindruck vermittelt, als gehe es ihm hier nicht um eine zügige Erledigung des Rechtsstreits in angemessener Zeit, vielmehr drängt sich hier der Eindruck auf, dass seitens des Beklagten der Rechtsstreit verzögert werden soll. Dies zeigt sich schon durch die bereits zu Beginn des Rechtsstreits gestellten Anträge auf Verlängerung der Frist zur Klageerwiderung. Insgesamt hat der Beklagte viermal um Fristverlängerung gebeten und selbst innerhalb der ihm jeweils gewährten verlängerten Frist einen entsprechenden Schriftsatz nicht beim Gericht eingereicht. Die Klagerwiderung ging vielmehr erst drei Monate nach Ablauf der Frist ein, und zwar fünf Tage vor dem vom Gericht anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung.
Dass das Gericht sodann bei einem Antrag auf Terminsverlegung das bisherige Prozessverhalten der Partei nicht ausblenden kann und bei der Ausübung des Ermessens berücksichtigt, ist keinesfalls fehlerhaft und begründet auch nicht die Besorgnis der Befangenheit.
Die urlaubsbedingte Verhinderung der Unterbevollmächtigten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten war hier kein erheblicher Grund, der die Verlegung des Termins erforderte. Die Durchführung des Termins hätte nämlich das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör nicht beeinträchtigt. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten kann sich nicht darauf berufen, dass ihm wegen der weiten Entfernung die Wahrnehmung des Termins nicht zumutbar gewesen wäre. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat das Mandat in Kenntnis dieser Umstände angenommen. Er war durch anderweitige Termine nicht verhindert. Allein der mit der Wahrnehmung des Termins verbundene Zeitaufwand macht es ihm nicht unzumutbar, selbst nach Einbeck anzureisen. Auch wenn er sich in einem früheren Termin der Unterbevollmächtigten bedient hat muss er jedoch für den Fall, dass diese verhindert ist, für eine Vertretung des Beklagten Sorge tragen. Die Richterin, die in einem solchen Fall der Förderung des Verfahrens Vorrang gibt, handelt im Sinne der Prozessordnung und ist deshalb nicht befangen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Den Beschwerdewert hat die Kammer nach § 3 ZPO festgesetzt, und ist dabei vom Interesse des Beklagten ausgegangen, den die Kammer mit dem Streitwert gleichsetzt.