Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 10.05.2006, Az.: 4 T 349/06

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
10.05.2006
Aktenzeichen
4 T 349/06
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2006, 42956
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2006:0510.4T349.06.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wolfenbüttel - 21.03.2006 - AZ: 23 K 15/04
nachfolgend
BGH - 20.07.2006 - AZ: V ZB 76/06
BGH - 21.09.2006 - AZ: V ZB 76/06
BGH - 21.09.2006 - AZ: V ZB 76/06

Tenor:

  1. Die sofortige Beschwerde der Schuldner gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 21.03.2006 - 23 K 15/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

    Der Beschwerdewert wird auf 121.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 5. Dezember 1991 (UR-Nr. ... der Urkundenrolle für 1991 des Notars ....) erwarben die Schuldner den im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitz. Wegen der Einzelheiten der Beurkundung wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 5. Dezember 1991 (Blatt 117 bis 126 d. Grundakten Band I, umfassend den Zeitraum bis Februar 2004 des Amtsgerichts Wolfenbüttel Blatt ...) Bezug genommen.

2

Am selben Tage wurde die Grundschuldbestellung notariell beurkundet. Wegen der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde über die Bestellung einer Buchgrundschuld vom 5. Dezember 1991 (UR-Nr. ... des Notars ...) Bezug genommen.

3

Die bei Abschluss des Kaufvertrages nicht anwesenden Vertragsschließenden genehmigten die abgegebenen Erklärungen nachträglich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Genehmigungserklärungen vom 27.12.1991, 07., 09., 13. Januar und 18. Februar 1992 (Blatt 107 bis 116, 129 der o. g. Grundakten) Bezug genommen.

4

Eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde über die Bestellung der Grundschuld wurde der Gläubigerin zum Zwecke der Zwangsvollstreckung am 19. Februar 1993 erteilt. Die Zustellung an die Schuldner erfolgte am 22.03.2003.

5

Auf Antrag der Nord/LB wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 10.02.2004 die Zwangsversteigerung des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes wegen der vorstehend genannten im Grundbuch in Abteilung III Nr. 1 eingetragenen Grundschuld nebst 18 % Zinsen seit dem 01.01.2001 angeordnet.

6

Mit der Begutachtung des Grundbesitzes wurde der Sachverständige Dipl. Ing. R beauftragt. Dieser erstattete am 14.06.2004 ein schriftliches Sachverständigengutachten, auf das Bezug genommen wird ( Bl. 30 - 65 d.A.) und schätzte den Verkehrswert auf 280.000,- €.

7

Der Verkehrswert wurde dementsprechend durch Beschluss vom 20.09.2004 auf 280.000,- € festgesetzt.

8

Nach einer einstweiligen Einstellung des Verfahrens wurde das Verfahren auf rechtzeitigen Antrag der Nord/LB durch Beschluss vom 05.07.2005 fortgesetzt.

9

Unter dem 31.10.2005 wurde Termin zur Zwangsversteigerung für Freitag, den 03.03.2006 um 9:00 Uhr im Amtsgericht Wolfenbüttel anberaumt.

10

Die Veröffentlichung des Termins erfolgte im Niedersächsischen Staatsanzeiger, Ausgabe ... vom ....

11

Eine weitere Veröffentlichung erfolgte in der Wolfenbütteler Zeitung vom ....

12

Die Zwangsversteigerung fand am 03.03.2006 zwischen 9:00 Uhr und 11:06 Uhr statt.

13

Meistbietende blieben die Bieter Kilian/Frank mit einem Gebot in Höhe von 242.000,00 Euro. Termin zur Verkündung einer Entscheidung über Zuschlag wurde auf Dienstag, den 21.03.2006 um 11:00 Uhr anberaumt.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 03.03.2006 nebst Anlagen (Blatt 247 bis 270 d. A.) Bezug genommen.

15

Der im Termin eingelegten Vollstreckungserinnerung gegen den Anordnungsbeschluss vom 10.02.2004 half die Rechtspflegerin durch Beschluss vom 06.03.2006, ergänzt durch Beschluss vom 07.03.2006 nicht ab und legte die Akte der zuständigen Richterin vor.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse vom 06. und 07.03.2006 (Blatt 273 und 296 d. A.) Bezug genommen.

17

Durch Beschluss vom 17.03.2006 half auch die zuständige Richterin der Erinnerung der Schuldner gegen den Anordnungsbeschluss nicht ab.

18

Durch weiteren Beschluss vom 21.03.2006, auf den Bezug genommen wird (Blatt 300 d. A.) wurde den Meistbietenden der Zuschlag erteilt.

19

Der Beschluss wurde den Schuldnern am 29.03.2006 zugestellt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldner vom 03.04.2006, eingegangen beim Amtsgericht Wolfenbüttel am selben Tage.

20

Die Schuldner sind der Auffassung, die Anordnung der Zwangsversteigerung sei unzulässig gewesen, weil der Titel unwirksam sei . Sie beanstanden ferner, dass die der Notariatsbürovorsteherin Frau C erteilte Vollmacht den Schuldnern nicht zugestellt worden ist. Weiterhin meinen sie, dass bei der Versteigerung Einzelausgebote hätte erfolgen müssen.

21

Dem Antrag der Schuldner, der Beschwerde abzuhelfen und die Vollziehung der Entscheidung auszusetzen, hat die zuständige Richterin nicht entsprochen und die Akten mit Beschluss vom 19.04.2006 dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

22

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, jedoch unbegründet.

23

Die Zuschlagsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85 a ZVG verletzt oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde gelegten Bedingungen erteilt ist (§ 100 Abs. 1 ZVG).

24

Die in § 83 Nr. 6 und 7 bezeichneten Versagungsgründe hat das Beschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 100 Abs. 3 ZVG).

25

Weder die Anordnung der Zwangsversteigerung noch deren Fortsetzung war unzulässig. Die Vollstreckungsvoraussetzungen lagen vor.

26

Grundlage der Zwangsvollstreckung ist im vorliegenden Fall die gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO errichtete Grundschuldbestellungsurkunde vom 05.12.1991.

27

Ob die Grundschuld wirksam bestellt worden ist, hat das Versteigerungsgericht nicht zu prüfen. Solange der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel in Händen hat, kann er vollstrecken. Der Schuldner wäre in diesen Fällen auf § 767 ZPO zu verweisen ( so Stöber, ZVG, 18. Auflage, 2006, § 15 Rz. 40.4).

28

Dies war jedoch im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Aus den beigezogenen Grundakten, die auch der Kammer vorliegen, ergibt sich nämlich, dass die Grundschuld wirksam bestellt worden ist.

29

Den Grundakten ist zu entnehmen, dass sämtliche bei Abschluss des Kaufvertrages nicht anwesenden Vertragsschließenden die Erklärungen der Notariatsbürovorsteherin Frau C bis zum 18. Februar 1992 genehmigt hatten. Die anwesenden Vertragsschließenden, zu denen auch die Schuldner gehörten, hatten bereits im Kaufvertrag eine entsprechende Vollmacht erteilt.

30

Damit war sowohl der Kaufvertrag mit Auflassung, als auch die nachfolgende Grundschuldbestellung einschließlich Unterwerfungserklärung durch die o. g. Notariatsbürovorsteherin am 18. Februar 1992 wirksam geworden.

31

Dementsprechend durfte der Notar am 19. Februar 1993 die entsprechende Vollstreckungsklausel zugunsten der Gläubigerin erteilen. Auch die Gültigkeit der Vollstreckungsklausel war aber vom Vollstreckungsgericht nicht sachlich zu prüfen ( so Stöber, ZVG, 18. Auflage, 2006, § 15 Rz. 40.13), sondern lediglich deren Vorhandensein.

32

Titel und Klausel sind den Schuldnern auch zugestellt worden.

33

Einer Zustellung der notariellen Vollmachten bzw. der notariell beurkundeten Genehmigungserklärungen der Vertragsbeteiligten bedurfte es nach Auffassung der Kammer nicht.

34

Bei der Vorlage dieser Vollmachten bzw. Genehmigungserklärungen handelt es sich nicht um Tatsachen im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO, von denen die Vollstreckung nach dem Inhalt des Titels abhängt. Vielmehr waren die Vollmacht, bzw. die nachträglichen Genehmigungen der Erklärung erst Voraussetzung für die Entstehung des in Rede stehenden Vollstreckungstitels. ( so auch LG Freiburg, Rpfleger 2005, 100, 101 [LG Freiburg 31.08.2004 - 13 T 204/04]).

35

Den Vertretern der gegenteiligen Ansicht ( BayObLG, Rpfleger 1965, 17, OLG Köln, MDR 1969, 150 und LG Bonn, Rpfleger 1990, 374), die aus Gründen der Rechtssicherheit den Nachweis der in einer notariellen Erklärung behaupteten Vertretungsbefugnis vor Erteilung der Vollstreckungsklausel für unbedingt erforderlich halten, vermag die Kammer nicht zu folgen. Bei realistischer Betrachtung dürfte die Gefahr, dass eine ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung zulasten eines Dritten zu Unrecht die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung eröffnet, gering sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine vom Notar unterlassene Prüfung der Vollmacht bei Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung dessen Haftung begründen würde.

36

Da die Sache aber grundsätzliche Bedeutung hat, war die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

37

Entgegen der Auffassung der Schuldner war es nicht erforderlich, ihre ideellen Anteile an dem Grundstück einzeln auszubieten.

38

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG können Grundstücke, die mit einem einheitlichen Bauwerk überbaut sind, auch gemeinsam ausgeboten werden. Diese Voraussetzungen sind gegeben. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ist zu entnehmen, dass der Grundbesitz mit einem Einfamilienhaus und einer dazugehörigen Doppelgarage bebaut ist. Ferner befindet sich im Garten ein Gartenhäuschen.

39

In diesem Falle bedarf es weder eines Antrages, noch einer Zustimmung der Schuldner zu einem Gesamtausgebot (so Böttcher, ZVG, 4. Aufl. 2005, § 63 Rdz. 3 a). Vielmehr entscheidet das Vollstreckungsgericht von Amts wegen, ob ein besseres Versteigerungsergebnis durch ein Einzelausgebot möglich sein könnte.

40

Die Entscheidung der Rechtspflegerin von einem Einzelausgebot im vorliegenden Fall abzusehen, ist nicht zu beanstanden. Es ist abwegig anzunehmen, dass ein Ersteigerer Interesse an einem derartigen Einzelausgebot haben könnte.

41

Schließlich ist auch der Versteigerungstermin rechtzeitig bekannt gemacht und die Bietzeit im Termin eingehalten worden.

42

Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

43

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt danach nicht mehr in Betracht.

44

Der Beschwerdewert entspricht der Hälfte der Ersteigerungssumme (vgl. den nicht veröffentlichten Beschluss des OLG Braunschweig vom 13.12.1996 - 2 W 146/96).