Landgericht Braunschweig
Urt. v. 21.07.2006, Az.: 1 O 1326/04

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
21.07.2006
Aktenzeichen
1 O 1326/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 42961
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGBRAUN:2006:0721.1O1326.04.0A

Fundstellen

  • SVR 2007, 99-100
  • VersR 2007, 1584-1585 (Volltext mit red. LS)

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 14 574,86,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreites als Gesamtschuldner.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von den Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, der sich zwischen dem Beklagten zu 1) als Halter eines unfallbeteiligten Pkw und dem Versicherungsnehmer der Klägerin, Herrn ..., für den der Unfall einen Wegeunfall darstellte, am 12.06.2001 im Kreuzungsbereich der Peiner Straße/Neißestraße in Salzgitter ereignete. Die Beklagte zu 2) ist die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1).

2

Nach einem rechtskräftigen Teil- und Grundurteil vom 27.10.2004 haften die Beklagten dem Grunde nach der Klägerin auf 30 % des ihrem Versicherungsnehmer entstandenen Schadens, soweit die Ansprüche nach § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen sind. Hinsichtlich der Einzelheiten des Teil- und Grundurteils wird auf Bl. 74 ff.d.A. verwiesen.

3

Bei dem Unfall erlitt der Versicherungsnehmer der Klägerin einen offenen Unterschenkelmehrfachbruch, der zweimal operativ versorgt werden musste. Im Mai 2005 wurde der zur Stabilisierung des Bruchs eingesetzte Marknagel entfernt. Die Klägerin erbrachte für ihren Versicherungsnehmer Krankenbehandlungsleistungen einschließlich Verletztengeld sowie Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 55 718,87 Euro bis zum 30.06.2004. Die Beklagten leisteten an die Klägerin eine Zahlung von 2 524,80 Euro. Seit dem 01.01.2002 zahlt die Klägerin an ihren Versicherungsnehmer aufgrund der Unfallfolgen eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf einer Basis von 20 % MdE in Höhe von 456,40 Euro pro Monat.

4

Durch Schreiben vom 26.08.2002 verweigerten die Beklagten weitere von der Klägerin verlangte Zahlungen.

5

Der Versicherungsnehmer der Klägerin lebt mit seiner nicht berufstätigen Frau und seinem 1991 geborenen Sohn in einem 3-Personen-Haushalt. Er ist vollzeit-berufstätig als Maschinenführer. Im Haushalt gibt es keine Spülmaschine, zum Haus gehört ein ca. 100 m2 großer Ziergarten.

6

Die Klägerin behauptet, ihr Versicherungsnehmer sei durch die Verletzungsfolgen immer noch erheblich beeinträchtigt. Hinsichtlich der im Einzelnen behaupteten Beeinträchtigungen wird auf den Beweisbeschluss vom 08.04.2005 (Bl. 119 d.A.) unter I. 1. und 2. verwiesen. Diese Einschränkungen hätten zu einer Beeinträchtigung bis Juni 2004 bei haushaltlichen Tätigkeiten in Höhe von 20 % geführt. Der Wochenarbeitszeitbedarf für den gesamten Haushalt des Versicherungsnehmers betrage 72 Stunden. Hiervon habe der Versicherungsnehmer vor dem Unfall 14 Stunden übernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachvortrages der Klägerin zur Beteiligung des Versicherungsnehmers an Haushaltstätigkeiten wird auf den Schriftsatz vom 08.06.2006 (Bl. 162 ff.d.A.) verwiesen.

7

Durch Teilurteil vom 27.10.2004 ist über einen auf Feststellung gerichteten Klageantrag zu 2) bereits entschieden worden.

8

Die Klägerin beantragt nunmehr noch,

  1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 15 117,42 Euro nebst gesetzlichem Zinssatz ab dem 26. August 2002 zu zahlen.

9

Die Beklagten beantragen,

  1. die Klage abzuweisen.

10

Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

11

Das Gericht hat aufgrund Beweisbeschlusses vom 08.04.2005, ergänzt durch Beschlüsse vom 27.04.2005, 27.07.2005 sowie 05.12.2005, Beweis erhoben über die Beeinträchtigungen des Versicherungsnehmers der Klägerin bei seinen haushaltlichen Tätigkeiten durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Inhaltes der Beweisbeschlüsse wird auf Bl. 119 f., 122, 129, 141 d.A. verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten der Frau Dr. ... vom 25.10.2005 sowie auf ihr Ergänzungsgutachten vom 05.10.2005 (Bl. 145 ff.d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Der Klageantrag zu 1., über den nur durch Grundurteil entschieden worden ist, ist in Höhe von 14 574,86 Euro begründet. In dieser Höhe ist ein Anspruch des Versicherungsnehmers der Klägerin gegen die Beklagten auf Ersatz von 30 % des ihm entstandenen Schadens auf die Klägerin übergegangen.

13

1. Die Klage ist zunächst in Höhe von 14 190,86 Euro auf der Grundlage der seitens der Klägerin geleisteten Krankenbehandlungs-, Verletztengeld- und Sozialversicherüngsleistungs-Zahlungen begründet.

14

1. Trotz der Leistungen der Klägerin als Unfallversicherung des Versicherungsnehmers handelt es sich bei den Kosten der Heilbehandlung und dem Verdienstausfall (Verletztengeld sowie Erstattung von ausgefallenen Sozialversicherungsbeiträgen) (insgesamt 55 718,87 EUR) um Schäden des Versicherungsnehmers der Klägerin, da die Leistungen der Klägerin dem Schädiger nicht zugute kommen sollen, wie bereits aus dem Anspruchsübergang nach § 116 SGB X folgt.

15

2. Die Beklagten haften dem Versicherungsnehmer der Klägerin nur in Höhe von 16 751,66 Euro, da sie nur mit eine Haftungsquote von 30 % haften. 30 % von 55 718,87 Euro sind 16 751,66 Euro.

16

3. Die Ansprüche sind wegen der in Höhe von 55 718,87 Euro geleisteten Zahlungen der Klägerin auch in voller Höhe gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen.

17

4. Abzüglich der von den Beklagten geleisteten 2 524,80 Euro ergibt sich eine Restforderung wegen Krankenbehandlungskosten in Höhe von 14 190,86 Euro.

18

II. Die Klage des weiteren in Höhe von 384,- Euro aufgrund eines dem Versicherungsnehmer entstandenen Haushaltsführungsschadens begründet.

19

1. Dem Versicherungsnehmer der Klägerin ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter zusätzlicher Heranziehung der Schätzungsmöglichkeiten des § 287 ZPO in der Zeit vom 01.01.2002 bis zum 30.06.2004, d.h. innerhalb von 30 Monaten, in Höhe von 64,00 Euro pro Monat ein Schaden wegen Ausfalls der Haushaltsführung entstanden.

20

a) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2002 bis - nach Klageerweiterung - zum 30.06.2004 zu einem Anteil von überschlägig 20 % in der Haushaltsführung, soweit körperliche Arbeiten erforderlich waren, beeinträchtigt war. Dies ergibt sich aus dem Gutachten der Frau Dr. ... vom 25.10.2005 unter ergänzender Heranziehung ihres Ergänzungsgutachten vom 05.12.2005.

21

Zwar hat Frau Dr. ... - ausgehend von einer Entfernung des Marknagels im Mai 2005 und den von ihr erhobenen röntgenologischen und klinischen Befunden - für den Untersuchungszeitpunkt im September 2005 eine geringere Beeinträchtigung als 20 % festgestellt (5 %/8 % je nach Tätigkeit), für die das Gericht angesichts der weit unter 10 % liegenden Werte davon ausgeht, dass entsprechende Beeinträchtigungen bei einer nur ergänzenden Mithilfe bei der Haushaltsführung kompensiert werden/doch treffen diese Feststellungen nicht auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum bis Juni 2004 zu. Insoweit hat Frau Dr. ... in ihrem Ergänzungsgutachten vom 05.12.2005 ausgeführt, dass die von ihr festgestellte knöcherne Durchbauung der Bruchstelle nach Entfernung des Marknagels im Oktober 2005 zum hier streitgegenständlichen Zeitraum noch nicht eingetreten war. Zwar hat Frau Dr. insoweit nicht auf eigene Untersuchungsergebnisse und Befunde zurückgreifen können, sie hat jedoch unter Rückgriff auf frühere Untersuchungsunterlagen und dortige, von der Beklagten nicht angegriffene ärztliche Diagnosen ausgeführt, dass zu diesem Zeitpunkt eine Beeinträchtigung von 20 % sehr wahrscheinlich war. Unter ergänzender Heranziehung von § 287 ZPO, der im Rahmen der Feststellung der Schadenshöhe eine Schätzung zulässt, sieht das Gericht diese Schlussfolgerung der Sachverständigen als ausreichend an, um eine Beeinträchtigung von 20 % als Grundlage zur Schätzung des Schadens bejahen zu können. Dies gilt umso mehr, als aus dem Gutachten der Frau Dr. ... hervorgeht, dass noch im September 2002 wegen einer hypertrophen Pseudoarthrose und eines Bruches der zur Stabilisierung des Knochenbruches eingesetzten Verriegelungsschraube eine erneute operative Marknagelosteosynthese durchgeführt werden musste. Hiervon ausgehend sowie von einer Entfernung des 2002 eingesetzten Marknagels in 2005 kann von einer fortdauernden Beeinträchtigung bis einschließlich Juni 2004 ausgegangen werden, die sich unter Berücksichtigung von Zeiten erheblich weitergehender Beeinträchtigung im Jahre 2002 auf 20 % mitteln lässt.

22

b) Den wöchentlichen Arbeitsausfall schätzt das Gericht auf 1,6 Stunden. Auf der Grundlage der unstreitigen Lebensverhältnisse des Versicherungsnehmers, der als Maschinenführer tätig ist und mit seiner nicht berufstätigen Ehefrau in einem eigenen Haus mit Garten lebt sowie einen 1991 geborenen Sohn mitzuversorgen hat, schätzt das Gericht die wöchentliche Arbeitszeit des Gesamthaushaltes nach den Tabellen von Schulz-Borck/Hofmann auf ca. 50 Stunden. Für die Ermittlung des Gesamtaufwandes im Haushalt greift das Gericht nicht auf die von der Klägerin zitierte Tabelle 8 zurück, sondern auf Tabelle 3, da Tabelle 8 vorrangig einer Darstellung der Anteile der verschiedenen Familienmitglieder an der Arbeit im Gesamthaushalt dient, ohne die für eine korrekte Schätzung erforderlich Differenzierung zwischen verschiedenen Haushaltstypen vorzunehmen, die Tabelle 3 ermöglicht. Der Annahme von 50 Wochenstunden liegt eine Einstufung des Haushaltes zwischen "mittel" und "gehoben" zu Grunde. Den Anteil des Versicherungsnehmers an den körperlichen Arbeiten schätzt das Gericht, ausgehend von einem modernen Haushalt, einer beruflichen Tätigkeit des Versicherungsnehmers mit geregelten Arbeitszeiten und den Angaben des Klägers zu seiner Beteiligung an den Tätigkeiten des Haushaltes, die das Gericht aufgrund eigener Erfahrungen sowie den der Tabelle 8 von Schulz-Borck/Hofmann zu Grunde liegenden empirischen Daten für plausibel hält, auf 8 Stunden. Dabei lässt das Gericht die von der Klägerin ergänzend geltend gemachten 4 Stunden Kinderbetreuung außer Acht, da eine Beeinträchtigung dieser Tätigkeiten ausgehend vom Alter des Kindes in der Zeit von 2001 bis 2004 selbst bei körperlicher Beeinträchtigung nicht zu erkennen ist.

23

20 % der der Schätzung zu Grunde gelegten 8 Stunden Haushaltsanteil des Klägers ergeben 1,6 Stunden Ausfall pro Woche, für die Kosten einer fiktiven Ersatzkraft geltend gemacht werden können.

24

c) Zur Schätzung des dadurch entstandenen materiellen Schadens greift das Gericht auf die tariflichen Kosten für eine den Ausfall ausgleichende Ersatzkraft zurück. Ausgehend davon, dass die Haushaltsführung der nicht berufstätigen Ehefrau des Klägers oblag und ausgehend von den rein körperlichen Mithilfetätigkeiten des Klägers setzt das Gericht zur Schätzung des Haushaltsführungsschadens unter Zugrundelegung einer fiktiven Ersatzkraft überschlägig einen Stundenbetrag an, der in etwa dem BAT IX b entspricht, mithin einen Betrag von 10,00 Euro. Hieraus ergibt sich ein Wochenbetrag für den Haushaltsführungsschaden in Höhe von 16,00 Euro, der einem Monatsbetrag von 64,00 Euro entspricht.

25

2. Die Beklagten haften dem Versicherungsnehmer der Klägerin nur in Höhe von 19,20 Euro, da sie nur mit eine Haftungsquote von 30 % haften. 30 % von 64,- Euro sind 19,20 Euro.

26

3. Nur in Höhe von 12,80 Euro pro Monat ist dieser Anspruch aufgrund der diesen Betrag bei weitem übersteigenden Zahlung einer Verletztenrente durch die Klägerin auf diese übergegangen/Soweit ein Sozialversicherungsträger eine Lohnersatzfunktion ausübende Rente zahlt, findet ein Übergang der Ansprüche ihres Versicherungsnehmers auf Erstattung eines Haushaltsführungsschadens nur insoweit statt, als der Haushaltsführungsschaden mit der Rente kongruent ist. Dies wird nur bejaht, soweit der Haushaltsführungsschaden Erwerbsschaden ist, weil er auf der Mithilfe im Haushalt für die anderen Haushaltsmitglieder beruht, nicht dagegen, soweit der Versicherungsnehmer Mithilfe im Haushalt zu seiner eigenen Versorgung leistet und die Haushaltsführung deshalb den vermehrten Bedürfnissen zuzuordnen ist Ausgehend von einem 3-Personen Haushalt schätzt das Gericht den Anteil der Arbeitszeit, den der Kläger als Mithilfe zugunsten der anderen Familienmitglieder erbringt, auf 2/3. 2/3 von 19,20 Euro sind 12,80 Euro/Monat.

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3. Für 30 Monate ergibt sich damit ein auf die Klägerin übergegangener Anspruch 384,- Euro.

28

III. Aus dem vorstehend unter I. und II. erörterten Summen ergibt sich eine Gesamtsumme von 14 574,86 Euro. Mit dieser Summe befinden sich die Beklagten seit dem 27.08.2006, dem auf die Ablehnung weiterer Versicherungsleistungen folgenden Tag, in Verzug.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Klocke