Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 03.02.2006, Az.: 6 T 925/05
Wirksamkeit der Beschlussfassung über eine Wohnungseigentumsentziehung; Überprüfung eines Beschlusses über die Entziehung von Wohnungseigentum auf formale Mängel durch das Wohnungseigentumsgericht
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 03.02.2006
- Aktenzeichen
- 6 T 925/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 33160
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGBRAUN:2006:0203.6T925.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Braunschweig - 24.08.2005 - AZ: 34 II 149/04
- nachfolgend
- OLG Braunschweig - 06.06.2006 - AZ: 3 W 16/06
Rechtsgrundlage
- § 18 Abs. 3 WEG
Fundstelle
- ZMR 2006, 560-561 (Volltext mit amtl. LS)
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 24.08.2005 abgeändert.
Der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 1.11.2004 zu TOP 3 wird für unwirksam erklärt.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen werden den Antragsgegnern auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit drei Wohneinheiten. Die Antragsteller sind Eigentümer der Wohnung Nr. 2. Der Antragsgegner zu 1. ist Eigentümer der Wohnung Nr. 1, die Antragsgegnerin zu 2., seine Tochter, ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 3. Die Antragsgegner haben gegenüber den Antragstellern eine 2/3-Mehrheit.
In der Eigentümerversammlung vom 1.11.04 war als TOP 3 eine Beschlussfassung über die Entziehung des Wohnungseigentums der Antragsteller vorgesehen. Noch vor der Beschlussfassung teilte die Verwalterin mit, dass die Antragsteller inzwischen den Hausgeldrückstand von 5.135,53 Euro auf das neue Hauskonto bei der Volksbank Braunschweig eingezahlt hätten und die Antragsgegner selbst noch mit rund 10.000,00 Euro im Rückstand seien. Nach dieser Mitteilung beschlossen die Antragsgegner mit ihrer 2/3-Mehrheit die Entziehung des Wohnungseigentums der Antragsteller.
Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Antragsgegner hätten ihre 2/3-Stimmenmehrheit missbräuchlich ausgenutzt. Es habe sich um pure Schikane gehandelt, weil die Voraussetzungen für eine Eigentumsentziehung offensichtlich nicht vorgelegen hätten.
Die Antragsteller haben beantragt,
den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft xxx zu TOP 3 (Entziehung des Wohnungseigentums der Miteigentümer xxx) für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegner haben sich in dem Verfahren nicht geäußert.
Das Amtsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 24.08.2005 den Antrag zurückgewiesen. Es hat darauf abgestellt, dass die Beschlussfassung über eine Wohnungseigentumsentziehung nach § 18 Abs. 3 WEG nur auf formelle Mängel überprüft werden könne, nicht aber darauf, ob das Veräußerungsverlangen auch sachlich gerechtfertigt sei. Eine rechtmissbräuchliche Ausübung des Stimmrechts sei nicht festzustellen, weil sich das Entziehungsverlangen auf Hausgeldrückstände stütze. Ob aber solche tatsächlich bestünden, könne nicht vom Wohnungseigentumsgericht, sondern nur vom Zivilgericht im Rahmen des Veräußerungsverlangens geprüft werden.
Gegen diesen Beschluss, welcher der Verwalterin am 26.08.05 zugestellt worden ist, haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 09.09.2005, der am gleichen Tage bei Gericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
In den Beschwerdegründen wiederholen und vertiefen sie ihre erstinstanzliche Argumentation.
Sie beantragen,
den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 24.08.2005 abzuändern und den Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft xxx vom 1.11.2004 zu TOP 3 (Entziehung des Wohnungseigentums der Miteigentümer xxx) für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegner haben sich auch in der Beschwerdeinstanz nicht zur Sache geäußert. Der Antragsgegner zu 1. war zwar in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.06 zugegen, setzte sich jedoch in die Zuhörerreihe und gab auf Befragen an, dass er nur als solcher erschienen sei. Die anwesende Verwalterin gab an, dass sie nicht nur den Ausgleich der Rückstände der Antragsteller mitgeteilt habe, sondern dem Antragsgegner zu 1. auch den Kontoauszug über die Zahlung vor der Beschlussfassung gezeigt habe.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Antragsgegner haben ihr Stimmrecht missbräuchlich ausgeübt, so dass der Beschluss zu TOP 3 unwirksam ist. In der Tat kann das Wohnungseigentumsgericht einen Beschluss auf die Entziehung von Wohnungseigentum nur auf formale Mängel und darauf überprüfen, ob der Beschluss auf eine Entziehung des Wohnungseigentums gerichtet ist. Für ihren Entschluss, Wohnungseigentum zu entziehen, haben die Wohnungseigentümer einen weiten Beurteilungsspielraum. Das Gericht kann nur überprüfen, ob die Beschlussfassung außerhalb dieses Beurteilungsspielraums liegt und damit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht (vgl. Staudinger, Kommentar zum WEG, 13. Aufl., § 18, Rd. Nr. 35; Kammergericht Berlin NJWE-MietR 1996, 233). Im vorliegenden Fall haben die Antragsgegner ihren Beurteilungsspielraum überschritten. Ihnen war vor Beschlussfassung durch die Vorlage eines Kontoauszuges nachgewiesen worden, dass die Antragsteller ihre Hausgeldrückstände ausgeglichen hatten. Da die Ausübung des Stimmrechts dem Grundsatz von Treu und Glauben unterliegt (vgl. Bärmann/Pick/Merle, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz, 9. Auflage, § 25 Rd. Nr. 158), wird gegen diesen Grundsatz verstoßen, wenn nach Beseitigung des Hausgeldrückstandes ein Beschluss über die Entziehung des Wohnungseigentums gefasst wird. Das ist ein Fall nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil der Beurteilungsspielraum von den beschließenden Wohnungseigentümern überschritten wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Den Antragsgegnern waren nicht nur die Gerichtskosten, sondern wegen des offensichtlichen Missbrauchs ihres Stimmausübungsrechtes auch die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Streitwertbeschluss:
Der Beschwerdewert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.